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Zedler: Streit [1] HIS-Data
5028-40-834-1-01
Titel: Streit [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 834
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 430
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

  Artikelübersicht Teil 2  Fortsetzung

  Text Quellenangaben
  Streit, Lat. Pugna, ist derjenige Zustand des Menschen, den er sich wieder einen andern zu schützen suchet.  
  Da wir in dem nachfolgenden Artickel: Streitigkeit, sonderlich auf die Streitigkeiten der Gelehrten sehen werden; Also erwegen wir hier insonderheit den Streit, welcher entstehet, wenn einer dem andern sein Recht versaget Bey einem solchen Streite kommt vor  
 
  • die Beleidigung welches die Veranlassung dazu, wenn man einem dasjenige, was man doch schuldig ist, nicht leisten will, oder würcklichen Schaden zufüget;
  • Das Recht, worinne man sich zu schützen suchet, welches die Forderung genennet wird,
  • und die Mittel, deren man sich, den Streit zu heben, bedienen kan.
 
  Diese sind entweder gelinde, oder scharffe. Zu jenen gehören ein gütlicher Vergleich, wenn sich die streitenden Partheyen entweder in eigner Person, oder durch Abgeordnete mit einander setzen, daß der eine Theil etwas von seiner Forderung fahren lässet; der andere hingegen etwas zu leisten verspricht; Ingleichen die Arbitrage, wenn streitende Partheyen gewisse Leute erwehlen, welche Schieds-Leute genennet werden, denen sie ihre Sache vortragen, und sich zugleich verbinden, es bey ihrem Ausspruche bewenden zu lassen.  
  Die schärffern Mittel, welche einen Zwang bey sich führen, sind in dem natürlichen Stande der Krieg; in dem bürgerlichen aber die Gerichte; Gleichwie der gütliche Vergleich und die Arbitrage in beyden zugleich statt findet.  
  Es ist der Klugheit gemäß, daß man ehe den gelinden Weg gehe, als daß man die Schärffe ergreifft. Denn man nimmt lieber das gewisse vor das ungewisse. Man lese
  • Pufendorff in Jure naturae et gentium
  • Huber de jure civit. …
  • Grotium de jure belli et pacis
  • Griebner in jurisprudentia natural. …
  • Kemmerich in der Academie der Wissenschafften in der drit-
 
  {Sp. 835|S. 431}  
   
  ten Öffnung ...
  Im gemeinen Leben heißt eine jede hefftige Unterredung solcher Personen, die einander wiedersprechen, ein Streit.  
  Was den Streit, so wie dieses Wort von den Rechts-Gelehrten genommen wird, ins besondere anlanget, so können davon auch noch die Artickel:  
 
  • Proceß, im XXIX Bande, p. 659. u.ff.
  • wie auch Rechtshängig im XXX Bande, p. 1486. u.f.
  • und Rechts-Sachen, ebend. p. 1526. u.f.
 
  nachgelesen werden.  
  Sonst kommen noch verschiedene Arten vom Streite theils in der Philosophie theils in der Theologie vor, die hier mit Stillschweigen nicht zu übergehen sind. Denn da ist zu mercken:  
  I. Der Streit des Menschen wieder seine geistlichen Feinde,  
  Lat. Pugna hominis contra hostes spirituales. Solcher bestehet darinnen, daß der Mensch seine Einwilligung niemahls in ihre Versuchungen gebe.  
  Ein geistlicher Feind aber wird derjenige genennet, welcher den Menschen in ein ewiges verderben zu stürtzen suchet. Da uns nun die Schrifft lehret, daß so wohl der Teufel als die Welt und unser Fleisch und Blut unser geistliches Verderben suchen: So sind der Teufel, die Welt und unser Fleisch und Blut des Menschen geistliche Feinde, mit denen er zu streiten hat.  
  Daß aber der Streit wieder diese Feinde darinnen bestehe, daß man ihren Versuchungen wiederstehet, indem man keine Einwilligung in dieselben giebet, kan aus dem Exempel unsers theuersten Erlösers bewiesen werden. Matth. IV, 3. u.ff.
  Denn da der Teufel bald die Verwandlung der Steine in Brod, bald einen Sprung von der Spitze des Tempels, bald die Anbetung von Christo verlangte: So willigte er in keine von diesen Versuchungen, sondern gab allezeit seinen Abscheu zu verstehen. Und in so ferne stritte JEsus wieder einen von den geistlichen Feinden, den Teufel.  
  Daß aber auch die Redens-Art: Wieder die geistlichen Feinde streiten; in der Schrifft gegründet sey, siehet man aus 2 Tim. IV, 7. wo Paulus von sich sagt: Er habe einen guten Kampff gekämpffet; und 2 Tim. II, 3. vermahnet er den Timotheus, daß er alles Übel als ein guter Streiter Christi ertragen solte. Die Welt sucht nehmlich durch allerhand Ungemach sonderlich rechtschaffene Lehrer wegen ihrer Frömmigkeit zu versuchen.  
  Da nun das Streiten einem Soldaten zukommt, und Paulus den Timotheus darzu vermahnet, daß er unter der Fahne Christi als ein guter Streiter desselben alles Ungemach willig erdulten solle: So ist der Verstand der Worte dieser: Er solte sich durch das zugefügte Ungemach keinesweges darzu bewegen lassen, daß er den Nahmen Christi deswegen verläugnete, sondern er solte seinen Beyfall von dieser Versuchung zurücke halten.  
  Der Apostel Paulus nennet es also in dem angefügten Orte einen Streit, wenn man nicht in die Versuchungen und Reitzungen der geistlichen Feinde einwilliget; welcher Begriff mit dem oben gegebenen auf das genaueste übereinstimmet.  
  Von diesem Streite wieder die geistlichen Feinde und seiner Nothwendigkeit reden sehr viele Stellen der heiligen Schrifft. Sie empfiehlt uns die Nüch-  
  {Sp. 836}  
  ternheit und Wachsamkeit, weil der Teufel, unser Wiedersacher, wie ein brüllender Löwe herum gehe, und suche, welchen er verschlinge; sie gebiethet uns, demselben im Glauben zu wiederstehen.
  • 1. Petr. V, 8. 9.
  • Jac. IV, 7.
  Diesem stimmt auch Paulus bey, welcher die Wiedergebohrnen mit der besten Rüstung wieder ihre geistliche Feinde versiehet. Eph. VI, 10. u.ff.
  Zu dem Streite, wieder die Drohungen der Welt, vermahnen uns die Gesandten Christi, und befehlen uns, daß wir uns von dem Schrecken derselben frey machen,
  • Phil. I, 28. 1.
  • Petr. III, 14.
  • Hebr. XIII, 6.
  und nach der Lehre Christi, lieber alles Übel ertragen, als von der Furcht und Liebe GOttes und Christi abzuweichen.
  • 1. Petr. III, 14. IV, 12. u.ff.
  • Phil. I, 29.
  • Hebr. XII, 3. 4. XIII, 13.
  • Matth. X, 28.
  Wie man sich aber wieder die Verlockungen der Welt zu verhalten habe, hat der Weiseste unter allen Königen schon gelehret. Sprüchw. I, 10. u.ff.
  Daß es endlich nöthig sey, wieder sein eignes Fleisch zu streiten, lehren alle Schrifften der Apostel. Paulus sagt: Man solle die Sünde in unserm sterblichen Leibe nicht herrschen lassen, Röm. VI, 12. 14.
  sondern durch den Geist des Fleisches Wercke tödten, Röm. VIII, 13.
  und das Fleisch mit seinen Lüsten und Begierden creutzigen. Gal. V, 24.
  Petrus vermahnet uns, von den fleischlichen Lüsten, welche wieder die Seele streiten, uns zu enthalten. 1 Petr. II, 11.
  Damit man aber von der Beschaffenheit diese Streites um desto richtiger urtheilen könne: So hat man folgendes zu mercken.  
  Wenn die geistlichen Feinde einen Wiedergebohrnen versuchen, so geben sie ihm solche Bewegungs-Gründe zum Bösen, welche ihnen dasselbe als etwas gutes vorstellen; wie man gar deutlich aus der angeführten Stelle Sprüchw. I. 10. u.ff. sehen kan.
  Da nun der Mensch in so ferne wieder die geistlichen Feinde streitet, in so ferne er ihren Versuchungen den Beyfall entziehet: So ist zu einem guten Streite nöthig, daß man denen Bewegungs-Gründen der geistlichen Feinde andere und um so viel stärckere Bewegungs-Gründe entgegen setze, vermöge welcher der Wille von dem Beyfall in die Reitzungen der geistlichen Feinde abgehalten wird.  
  Dieses kan mit dem Exempel Christi erläutert werden. So offt ihn der Teufel ein Scheingut zeigte, so offt satzte ihm JEsus andere und stärckere Bewegungs-Gründe entgegen, welche ihn antrieben, dasselbe zu verabscheuen. Matth. IV, 1. u.ff.
  Fragt man aber, wo man diese Bewegungs- Gründe hernehmen könne? so muß man sagen, daß sie hauptsächlich aus der heiligen Schrifft hergehohlet werden müssen. Denn da alles in der Schrifft enthalten ist, was zur Seeligkeit des Menschen nothwendig ist: So muß auch dasjenige in derselben aufgezeichnet seyn, was zu einem guten Streite wieder die geistlichen Feinde gehöret.  
  Da nun aber GOtt selbst dem Menschen in seinem Worte die gegenseitigen stärckern Bewegungs-Gründe giebt, und also denselben zum Streite zubereitet, aus welchen Bewegungs- Gründen ein Bestreben,  
  {Sp. 837|S. 432}  
  denen geistlichen Feinden zu widerstehen, entspringt: So muß man sagen, daß uns GOTT selbst die Waffen und die Kräffte zu diesem Streite verleihe.  
  Was den Streit mit den Teufel anbelanget; so ist dieser abtrünnige Geist eintzig und alleine damit beschäfftiget, daß er den Menschen zur Sünde reitze, und ihn bald in den Stand der vorigen Sicherheit, oder des pharisäischen Hochmuths oder der Verzweiflung zu stürtzen suchet, aus welchen Ständen ein Wiedergebohrner durch die Wiedergeburt heraus gerissen worden ist.  
  Also verführte er den König David nach so viel herrlichen Thaten zum Ehrgeitze, 1 Chron. XXII, 1.
  indem sich dieser listige Geist nach den Neigungen eines ieden ins besondere zurichten pfleget.  
  Judam, welcher von Natur geitzig war, Joh. XII, 5. 6.
  verführte er durch den Gewinnst, den er aus der Verrathung Christi ziehen würde, Joh. XIII, 2.
  und stürzte ihn in den Stand der Verzweiflung. Matth. XXVII, 5.
  Die Art, wie man gegen diesen gewaltigen Feind streiten müsse, findet man in den VI Cap. des Briefes Pauli an die Eph. in den 10 u.f. Vers. Paulus sagt: Zuletzt, meine Brüder, seyd starck in dem HERRN, und in der Macht seiner Stärcke. Er fordert also von den Gläubigen zwar Kräffte wider die geistlichen Feinde, aber nicht ihre eigene, sondern diejenigen, welche sie in der Wiedergeburt empfangen haben; welches mit dem, was vorher erwiesen worden ist, überein kömmt.  
  Ziehet an den Harnisch GOttes, ten panoplian tou Theou, wodurch die gantze geistliche Bewaffnung angezeiget wird, wie in dem folgenden erhellen wird. Da aber diese Redens-Art aus dem Kriegs-Wesen der Alten hergenommen ist, so muß sie auch aus den Alterthümern erkläret werden.  
  Die Alten bedienten sich nehmlich zweyerley Waffen; der leichten unter schweren Rüstung. Die schwere Rüstung trugen bey den Römern die Legionarii, und bey den Macedoniern der Phalanx, oder der Kern der Armee, welcher gemeiniglich aus 8000 Mann bestunde, und hoplitai genennet worden. Diese schwere Rüstung bedeckte den gantzen Cörper der Krieger; von der man in dem Virgilius Aen. L. VIII. eine schöne Beschreibung antrifft, wenn der Poete des Aeneas Waffen mit diesen Worten abschildert:  
  Miraturque, interque manus et brachia versat
Terribilem cristis galeam flammasque vomentem,
Patiferumque ensem, loricam ex aere rigentem,
Sanguineam ingentemque: Qualis, cum caerula nubes
Solis inardescit radiis, longeque refulget.
Tum leves ocreas electro, auroque recocto,
Hastamque et clypei non enarrabile textam
.
 
  Im Gegentheile bestunde die leichte Rüstung aus dem Bogen und der Schleuder, dessen sich die Schleuderer und Bogenschützen bedienten. Die schwere Rüstung wurde bey denen Griechen panoplia genennet, welches so wohl aus Luc. XI, 22, als auch aus dem Herodianus II, 23. erhellet.
  Da sich nun der Apostel des Wortes panoplias bedienet, so zeiget er damit an, daß man sich gegen einen so gewaltigen und listigen Feind der schweren Rüstung, das ist, aller Kräffte, die man nur besitzt,  
  {Sp. 838}  
  bedienen müsse.  
  Daß ihr bestehen könnet gegen die listigen Anläuffe des Teuffels, pros tas methodeias tou diabolou. Paulus schreibt dem Teufel verschiedene Arten oder Methoden zu, welche er hat, die Menschen zu versuchen; indem er sich nicht bey einem ieden einerley Art der Lockungen bedienet, sondern sich nach den Hauptneigungen des Menschen richtet. Leichten Gemüthern setzt er die Verschwendung und Ehre entgegen; denen harten Hertzen aber Zorn, Hochmuth, und Grausamkeit etc.  
  Die Ursache der Vermahnung zu diesem Streite ist in denen folgenden Worten enthalten: Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpffen, wider welche man sich nicht so sehr rüsten darff; sondern mit Fürsten und Gewaltigen, wodurch die Ordnungen der bösen Geister, die unter ihren Fürsten streiten, angedeutet werden; nehmlich mit den Herren der Welt, die in der Finsterniß dieser Welt herrschen, welche nicht ohne alle Bedingung Herren der Welt sind, sondern in so ferne die Finsterniß oder die Sünde in der Welt ist, Eph. V, 11.
  mit den bösen Geistern unter dem Himmel, welche Irrthümer ausstreuen, und in der Welt herum streichen, die Menschen zu verderben, und bey GOtt zu verklagen. Hiob. II, 6. u.ff.
  Eher aber der Apostel die Stücke dieser geistlichen Rüstung durchgehet, so wiederhohlet er nochmahls seine Vermahnung wegen der Wichtigkeit dieses Kampffes in folgenden Worten: Um deswillen so ergreiffet den Harnisch GOttes etc.  
  Hierauf kömmt der Heil. Paulus auf die eintzelnen Stücke dieser Rüstung. So stehet nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit. Diese Redens-Art muß ebenfalls aus den Alterthümern erkläret werden. Das Band oder der Gurt, womit die Morgenländer ihre Oberkleider zusammen gürteten, dienete darzu, daß sie ihnen weder auf der Reise noch in dem Streite beschwerlich und hinderlich fielen.
  • 2 B. Mos. XII, 11.
  • Apostelg. XXI, 11.
  Ferner gereichte es dem auch zu besondern Ehren, welcher einen solchen Gurt tragen durffte. Suet. Vit. Aug. …
  und man besetzte denselben mit Gold, Silber und Edelgesteinen. Offenb. I, 13. XV, 6.
  Man konnte in demselben Geld verbergen, wenn man es nöthig hatte.
  • Matth. X, 9.
  • Marc. VI, 8.
  Endlich da auch der Degen an diesem Gurte hieng, so war derjenige, welcher gegürtet war, allezeit zum Streit fertig.  
  Dieses alles hat eine unvergleichliche Ähnlichkeit mit der Erkänntniß der Wahrheit, welche wir nach der Ermahnung des Apostels um unsere Lenden gürten sollen. 1 Petr. I, 13.
  Sie hält die Bewegungen des Gemüthes in ihren Schrancken, daß der Verstand nicht in Irthümer, und der Wille auf Schein-Güter verfalle, sondern nach der Vorschrifft GOttes einher gehe. Diese Erkänntniß gereichet auch einen Wiedergebohrnen zu besonderer Ehre; denn ie grösser dieselbe ist, um desto erhabener ist seine Seele. Sie giebt uns alles dasjenige an die Hand, was wir zum Unterrichte, zur Verbesserung und Tröstung in diesem Leben gebrauchen.
  • 2 Tim. III. 16.
  • Röm. XV. 4.
  Endlich macht sie uns zum Streite wider die geistlichen Feinde geschickt und fertig, indem sie allen Versuchungen weit stärckere Bewegungs- Gründe entgegen setzet.  
  Der andere Theil dieser geistlichen  
  {Sp. 839|S. 433}  
  Rüstung bestehet in dem Brust-Harnische der Gerechtigkeit, en dysamenoi ton thoraka tes dikaiosynes. Der Brust-Harnisch bestunde bey den Alten aus eisernen und ehernen Blatten, welche wie Schuppen der Fische oder die Federn der Vögel über einander hervor ragten; 1 Sam. XVII, 5.
  er bedeckte aber nur die Brust, da im Gegentheil der Rücken offen und blos bliebe, wovon er auch kardiophylax genennet wurde.  
  Dergleichen Brust-Harnische soll nach dem Zeugnisse des Polyänus … Alexander seine Soldaten gegeben haben, damit sie, wenn sie in der Schlacht unbeweglich stünden, vor den Pfeilen der Feinde sicher wären; wenn sie aber flöhen, daß sie sich dem Feinde blos stellten. Hierdurch habe er zuwege gebracht, daß keiner von seinen Soldaten im Felde die Flucht habe nehmen wollen.  
  Da uns nun der Apostel in dem Streite des Geistes wider den Teufel den Brust-Harnisch der Gerechtigkeit anzulegen gebiethet; so will er haben, daß man den Versuchungen des Teufels, wenn er uns in Verzweiflung stürtzen will, die uns durch den Glauben zugerechnete Gerechtigkeit Christi entgegen setzen sollen, vermöge welcher wir als Gerechte vor GOtt von aller Straffe der Sünden frey sind. Wenn uns dieser böse Geist in einen EpicurischenStand zu stürtzen trachtet, so sollen wir ihm den Fleiß entgegen stellen, vermöge dessen wir uns bestreben, ein unbeflecktes Gewissen zu behalten; 2 Tim. I, 19.
  Es ist auch bey keinem Unfalle etwas anzutreffen, welches uns mehr in Ruhe setzen und mehr Trost zusprechen könnte, als ein gutes Gewissen.
  • Joh. III, 21.
  • Sprüchw. XIV, 32.
  Hierauf folget nach der Vorschrifft des Heil. Paulus ein andres Stück des Rüstzeuges: Und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seyd. Die Stiefeln, welche aus Eisen oder Stahl, 1 Sam. XVII, 6.
  auch zuweilen aus Silber verfertiget wurden, band man mit Bändern zusammen; wodurch die Fußsohlen bedeckt wurden; daher nennten sie die Griechen hypodemata. Daher kam es, daß diejenigen geschickt zum Marschiren waren, welche solche Stiefeln anhatten, weil die Fußsohlen hierdurch für den spitzigen Steinen und Dornen übler Wege bewahret worden.  
  Paulus sagt also, daß das Evangelium uns eben so geschickt und fertig mache, den Versuchungen des Teufels entgegen zu gehen, als es die Soldaten der alten Zeiten durch solche Stiefeln wurden; denn die Schrifft giebt uns in allen Zufällen die besten Vorschrifften an die Hand, wie wir den hefftigsten Versuchungen widerstehen können.  
  Hierauf gehet der Apostel weiter: Für allen Dingen aber ergreifft den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts. Der Schild war bey den Alten ein Kriegs-Instrument, mit welchen man den Leib für den Hieben der Schwerdter und für den Pfeilen beschützen konnte. Damit es aber zu diesem Endzwecke geschickt wäre, so wurde es nicht aus Metall, sondern vom Holtze oder Leder gemacht. Dieses Schild wurde mit der lincken Hand regieret, und hatte bald eine runde bald eine länglichte Gestalt, deren jene in eigentlichen Verstande clypei, diese aber Scuta und Thyreoi genennet wurden.  
  Mit einem solchen Schilde ver-  
  {Sp. 840}  
  gleicht der Apostel den Glauben. Denn gleichwie alle Schwerdtstreiche und abgedruckten Pfeile, so von dem Schilde aufgefangen werden konnten, daß sie dem Cörper keinen Schaden zufügten: So können wir auch durch den Glauben alle feurige Pfeile des Satans auslöschen.  
  Mit welchen Worten der Apostel noch auf einen andern alten Gebrauch zielet, da man gegen die Feinde mit Feuer stritte, oder die Pfeile vergifftete, welche die Wunde und das Geblüte des Verwundeten sogleich entzündete.  
  Wenn der Teufel in den vorigen Stand der Sicherheit versetzen will; so stellet ihm ein solcher Streiter den Glauben entgegen, welcher mit wissentlichen Sünden nicht bestehen kan, sondern eine Begierde unter sich begreifft, dem göttlichen Willen gemäß zu leben. Will der böse Geist den Menschen zum Pharisäer machen: so setzt er ihm ebenfalls den Glauben entgegen, welcher kein Verdienst in seinen eigenen Wercken, sondern nur in der Gerechtigkeit Christi seine Gerechtigkeit und Seeligkeit findet.  
  Versucht der Teufel den Menschen in Verzweiflung zu stürtzen; so setzt er ihm abermahls seinen Glauben entgegen, welcher ein Vertrauen auf Christi Verdienst unter sich begreifft, und macht dadurch die Versuchung des Teufels zu Schanden. Da nun die Versuchungen des Teufels alle dahin gehen, daß sie den Menschen in einem von den angezeigten Zuständen stürtzen: So erhellet daraus, daß der Schild des Glaubens zureichend sey, allen Versuchungen desselben auszuweichen.  
  Andrer Ähnlichkeiten zu geschweigen, welche zwischen dem Schilde derer alten und dem Glauben statt haben, wenden wir uns zu dem folgenden Stücke der Rüstung wider die Anfälle des Teufels.  
  Und nehmet den Helm des Heyls, oder wie er in dem V Cap. des ersten Briefes an die Thess. im 8 Vers sagt: Wir sollen mit dem Helm der Hoffnung zur Seeligkeit angethan seyn.  
  Es pflegte aber bey denen Alten der Helm, welcher aus Leder, Ertz oder Eisen gemacht wurde, 1 Sam. XVII, 5.
  den vornehmsten Theil des Cörpers, das Haupt zu bedecken; dessen Beschädigungen am gefährlichsten zu seyn pflegen.  
  Auf eine gleiche Weise macht uns die Hoffnung jenes Lebens fertig und geschickt, alles des Nahmens Christi wegen zu ertragen; Röm. V, 2. u.ff. VIII, 34. u.ff.
  und macht uns starck genung, diejenigen Unfälle mit Gedult zu ertragen, welche uns auf dem Wege des Heyls hinderlich zu fallen pflegen. Zugeschweigen, daß uns die Hoffnung jenes Lebens vor vielen Sünden bewahret, und die Heiligkeit des Lebens befördert.  
  Zu diesen Waffen füget der H. Paulus das Schwerdt des Geistes, welches ist das Wort GOttes. [Ein Satz Griechisch]. Diese Art von Schwerdtern, welche machaira genennet wurde, war nicht allzu lang, krumm gebogen, und hatte fast die Gestalt einer Sichel, wie man aus dem Suetonius in vit. Claud. … sehen kan.
  Des Schwerdtes bedienet man sich zu seiner Vertheidigung so gar bis zur Ermordung des Feindes. Was ist aber geschickter, alle Versuchungen des bösen Geistes fruchtlos zu machen, als das Wort GOttes? Gibt es uns nicht allezeit gegen alle Versuchungen Gegengründe, da es zu unsrer Seeligkeit zureichend ist? Und hat sich nicht Christus selbst dieses Schwerdtes  
  {Sp. 841|S. 434}  
  bedienet, die Versuchungen des Teufels glücklich zu überwinden? Matth. IV, 3. u.ff.
  Die Soldaten in den alten und neuern Zeiten führten überall ihr Schwerdt bey sich, so gar, daß die Alten, sie mochten seyn, wo sie wolten, sie mochten arbeiten oder essen, dasselbe niemahls von sich legen durften. Veget. …
  So sollen wir auch das Wort GOttes stets bey uns haben, daß wir überall und zu allen Zeiten, da uns die Zeit der Versuchungen unbekannt ist, geschickt sind, dieselben von uns abzulehnen Der Apostel nennt es aber das Schwerdt des Geistes, weil die Offenbahrung dem H Geiste zugeeignet wird.  
  Es ist noch der letzte Theil dieser geistlichen Rüstung wieder den Teufel übrig. Und bethet stets in allen Anliegen mit Bitten und Flehen im Geiste, und wachet dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen.  
  Gleichwie diejenigen, welche in einen Krieg verwickelt sind, wenn sie die Schwachheit ihrer Kräfte mercken, ihre Bundesgenossen um Hülffe anflehen: Also gebiethet uns auch Paulus, zu GOtt zu fliehen, und ihn um Verstärckung unserer Kräffte anzuruffen; dieses Gebet aber soll brünstig und anhaltend seyn. Wer von dieser geistlichen Rüstung wider den Teufel mehr zu lesen verlanget, der schlage die Dissertation Johann Andreas Schmidts de armatura spirituali nach.
  Die Versuchungen des Teufels sind ohne Zweifel die stärcksten und die wichtigsten, die Schrifft spricht so nachdrücklich von der Bemühung dieses Geistes, die Menschen im Argen zu erhalten, daß wir glauben müssen, er trage mehr zu den Lastern und Sünden bey, womit die Welt angestecket ist, als eine der übrigen Ursachen, die von aussen unser Gemüthe in der angebohrnen Unart stärcken.  
  Es ist zwar so weit gekommen, daß man sich kaum getrauet darf, von den Nachstellungen des bösen Feindes in einer Gesellschafft solcher Leute zu reden, die aufgeklärt heissen wollen. Man erlaubet es nur den Predigern, daß sie von der Cantzel und in einigen andern Fällen die Welt mit dem Nahmen des Satans schrecken; doch das ist alles auch alles, was man einräumen will.  
  Allein man muß entweder die Wahrheit, die Göttlichkeit und das Ansehen unserer heiligen Bücher läugnen, oder dem unreinen Geiste eine gewisse Nacht über die verderbten Gemüther der Ungläubigen zugestehen Die Schrifft lehret uns so deutlich, als es geschehen kan, daß ein geistliches boshafftes Wesen, das eben so reich an Macht als an Verschlagenheit, in der Welt herumgehe, und keine Mühe spare, die Menschen in der Knechtschafft der Sünden und ihrer bösen Lüste zu erhalten.  
  Es hat GOtt nicht gefallen, uns so viel Nachricht in seiner Offenbahrung zu ertheilen, daß wir alle Fragen, die der Mensch von der Natur und Macht dieses unsichtbaren Wesens aufwerffen kan, richtig beantworten könnten. Und wozu würde es uns dienen, wenn wir mehr Wissenschafft von diesem Widersacher des menschlichen Geschlechts hätten? Es ist zu den Absichten GOttes und zu unsrer Ermunterung  
  {Sp. 842}  
  genung, daß er uns kund thun lassen, er habe aus gerechten und heiligen Ursachen einem gefallenen und verdammten Geiste erlaubet, seine Stärcke an dem Hertzen der unartig Menschen zu versuchen.
  • Joh. VIII, 44.
  • 1 Petr. V, 8.
  ihren ohnedem blinden Verstand noch mehr zu verfinstern, 2 Cor. IV, 3. 4.
  ihren vor sich bösen Willen stärcker zur Sünde zu reitzen, Luc. XXII, 3.
  und die, so ihm Raum gelassen, nicht anders als das unvernünfftige Viehe nach seinen Willen zu lencken, und zu führen.
  • Eph II, 2.
  • 2 Tim. II, 26
  Diese Gewalt des Satans über die Gemüther der unvorsichtigen und sicheren muß sich allerdings weit erstrecken, wie könnte sonst der Geist des HErrn die bösen Thaten und Anschläge der Gottlosen dem Satan selber zuschreiben?
  • Matth. XIII, 25.
  • Röm XVI, 20
  • Joh. XIV, 30
  • Eph. VI, 11. 12.
  Die wahre Lehre von dem Satan und seiner Macht ist frühe unter den Menschen verdunckelt und verfälschet worden. Das wenige was uns von den ältesten Geschichten der Völcker, die gegen Morgen liegen, übrig gelassen worden, ist voll von Zeugnissen, daß man ihn fast allenthalben zu einem GOtt oder zu einem solchen Wesen gemacht das niemand seinen Ursprung schuldig, das mächtig genung wäre, dem höchsten GOtt, der das Gute alleine liebet, zu wiederstehen, das allezeit die Anschläge und Schlüsse desselben zu zernichten suche, das einen Sieg nach dem andern über dasselbe erhielte, und das dieser Ursache wegen nicht nur zu fürchten, sondern auch zu verehren wäre  
  Wo wir in dem Alterthume hinsehen; da zeigen sich Spuren dieser Meynung. Sie hat sich aus den Morgenländern mit der Zeit in die Nord- und Abendländer gezogen, und bey den unbekanntesten und rohen Völckern beliebt gemacht Sie ist von den Ungelehrten und Einfältigen als etwas, das durch die tägliche Erfahrung bestätiget wurde, gleich ergriffen und angenommen worden. Sie ist von den Gelehrten und Tiefsinnigen auf mancherley Weise erkläret, und durch allerhand Beweisthümer so unterstützet worden, daß sie den Leuten von mittelmäßigem Geiste das vernünfftigste Mittel geschienen, viele Zweifel über den verworrenen und unordentlichen Zustand der Welt aufzulösen. Sie hat unzählige und thörichte Gebräuche, Opffer und abergläubische Beschwerungs-Arten aufgebracht. Sie hat listigen Betrügern Anlaß gegeben, die Unvorsichtigen und Ungeübten ohne Mühe nach ihren Willen zu lencken, und um ihre Güter zu bringen. Sie behauptet noch ihren Platz unter grossen Völckern und Gemeinden, und wird schwerlich vollkommen ausgerottet werden  
  Die Juden allein haben nie, so viel man weiß sich völlig zu dieser Meynung geschlagen. Es ist nicht zu läugnen, daß dieses Volck aus Chaldäa und Babylon, wo dieselbe im Schwange gieng, viele Lehren von der Gewalt des Satans und von seinen Engeln zurücke in sein Vaterland gebracht, die aus derselben geflossen, und dem bösen Geiste mehr Ansehen lassen, als ihm gebühret Allein wir haben keine Stelle in der Schrifft, und man wird auch schwerlich in andern alten Büchern eine finden, woraus man  
  {Sp. 843|S. 435}  
  mit Sicherheit schliessen könnte, daß die Juden jemahls anders den Satan als einen Geist betrachtet, der von GOtt als seinem Schöpffer abgefallen, und nach diesem Falle sich auf das äusserste bemühe, Mitgenossen seines Unglückes und Elendes unter den Menschen zu sammlen.  
  Unser Jesus, der zu dem Ende erschienen, daß er die Wercke des Teufels zerstöhrete, 1 Joh. III, 8.
  schaffte durch seine Lehre die falschen Gedancken, die man von demselben in der Welt vorhergepflogen hatte, unter denen ab, die ihn aufnahmen.  
  Er unterrichtete die Menschen,  
 
  • daß der, den sie bisher wie einen GOtt verehret, nichts als ein widerspenstiger und abtrünniger Geist sey, den die Gerechtigkeit GOttes in die Hölle verstossen, und der nur soviel Macht hätte, als ihm der HErr, der ihn zu einer ewigen Straffe verdammet, erlauben wolte;
  • daß er zwar nichts unterliesse, die Grentzen seiner Herrschafft fortzurücken, aber nur bey denen was ausrichten könnte, die GOtt nicht folgen wolten;
  • daß die Frommen und Gläubigen sichre Waffen in den Händen hätten, alle seine Anschläge zu Schanden zu machen,
  • und daß Glaube und Gebet den Teufel und seine Engel allezeit ausziehen und entkräften könnten
 
  Was war nöthiger als diese Lehre bey dem Zustande, in welchem unser Heyland die Welt antraf? Um dieselbe desto stärcker zu beweisen, gefiel es GOtt, dem Satan zu den Zeiten JEsu und der Apostel, mehr Gewalt über die Leiber und Geister der Menschen auf eine Zeitlang zu gönnen, als ihm vorhero und hernach eingeräumet worden ist. JEsus und die Seinen fanden allenthalben auf ihren Reisen Leute, die von ihm besessen und gequälet wurden, und befreyeten dieselben durch einen blossen Winck oder Befehl von diesem Elende. Diese wunderbaren Erlösungen dererjenigen, die der Satan zu seinen Knechten gemacht, waren ein sichtbarer und klarer Beweiß der Lehre von den bösen Geistern, die JEsus vortrug.  
  GOtt that noch mehr. Er gab denen Aposteln des HErrn das Vermögen die Leiber der ruchlosen und widerspenstigen Christen dem Satan zum Verderben des Fleisches zu übergeben, auf daß der Geist seelig würde am Tage JEsu Christi 1 Cor. V, 5.
  Hieraus war es eben so klar, daß derselbe nichts als ein elender und verstossener Knecht, den die Göttliche Gerechtigkeit zuweilen brauchte, die Menschen zum Gehorsam zu bringen.  
  Die Christen behielten das Licht nicht lange, welches ihnen der Heyland in diesem Stücke angezündet hatte. Gleich nach den Tagen der Apostel wurden alle unverständige Gedichte und kindische Meynungen von den bösen Geistern, die in der Welt, sonderlich in den morgenländischen Gegenden herumgiengen, durch einige halbkluge Weisen, die denselben zugethan waren, unter die Christen gebracht, und als eine deutliche Erklärung denen wenigen und duncklen Örtern, die in der Schrifft davon stehen, hinzugefüget.  
  Und was sind hieraus für Unordnungen entstanden? Wie viel abgeschmackte Lehren? Wie viel nichtswürdige Gebräuche und Satzungen, die man hernach, da man den Ursprung derselben vergessen, für Apostolische Weisen und Verordnungen ausgege-  
  {Sp. 844}  
  ben? Ein jedes Laster bekam einen eignen bösen Geist zum Vorsteher. Ein jeder Betrug der Götzenpfaffen hieß ein Spiel des Satans. Ein jeder natürlicher Zufall, der nicht gar zu gemein, war eine Frucht seiner Bosheit. Man vermuthete ihn allenthalben, und war gar besorgt, daß er unter die Speisen und das Geträncke sich mengen möchte.  
  Wenn man nicht darbey geglaubet hätte, daß er sich für dem Zeichen des Creutzes fürchtete, so hätten die meisten Christen, die dazumahl lebten, in einer steten Angst und Sorge leben müssen, weil man ihnen die List und Gewalt dieses Feindes gar zu schrecklich abmahlte. Man vergaß daher nicht seine Kleider, sein Hauß, sein Geräthe, seine Speisen mit diesem heiligen Zeichen gegen alle Gefahr zu verwahren.  
  Wir würden es schwerlich glauben können, daß dieser von unserm Heylande so erniedrigte Geist so geschwinde zu einem so grossen Ansehen unter desselben Jüngern wieder hätte gelangen können, wenn wir nicht die größten unter den damahligen Lehrern der Christen zu Zeugen nehmen könnten.  
  In dem dritten Jahrhunderte erkühnte sich gar ein Persianischer Priester mit Nahmen Manes, den Satan wiederum völlig auf den Thron zu setzen, von dem er war gestürtzet worden, und zu einen freyen Fürsten zu machen, der GOtt nichts zu dancken hätte, der sein eignes Reich besässe, und eben so wohl als GOtt ohne Anfang in demselben regieret hätte.  
  Die meisten widersetzten sich diesem Manne mit Nachdruck, und steureten auf alle Weise den Fortgang seiner Lehre. Dem ungeachtet hieng ihm in allen Theilen der Welt, wo Christen lebten, eine ziemliche Menge an. Es stecken noch hier und da Leute von dieser Art, die ihren Gottesdienst in der Stille fortsetzen. Und wenn man nicht ehedem gegen dieselben Straffen, Gewalt und Zwang gebraucht hätte; so würden ohne Zweifel die Gemeinen der Manichäaer unter den Christen jetzo nicht die letzten und unansehnlichsten seyn.  
  Wer kan das böse Hertz der Menschen ergründen? Wir sind bereit zu glauben, daß der schädlichste und mächtigste Feind allezeit über unsern Häuptern schwebe, damit wir nur jemand haben, auf den wir die Schuld unsrer Missethaten und Sünden weltzen können. Manes ist mit seiner Lehre verdammt: Allein die Christen haben doch vieles aus derselben behalten.  
  Es ist nichts von dem, was man in den ersten Zeiten von dem Satan geglaubet hatte, in den folgenden abgeschaffet worden. Alles ist vielmehr vermehret, und immer einfältiger und unverständiger erkläret und vorgetragen worden. Mit wie viel tausend Proben könnten wir dieses aus allen Zeiten bestätigen? Wir haben Bücher, wir haben Gemählde, wir haben Meynungen, wir haben allerhand abergläubische Gebräuche, die uns versichern, daß kein Manichäer seinen bösen GOtt so gefürchtet, als die Christen, welche die Manichäer verbrannten den unmächtigen Geist gefürchtet, den JEsus öffentlich Schau getragen, und unter die Füsse getreten hatte.  
  Und wenn wir nur das ansehen wollen, was in der grossen Gemeine, die uns von sich ausgestossen, noch vorgehet und öffentlich geschrieben wird; so werden  
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  wir ohne Mühe urtheilen können, was in derselben vorgegangen und gelehret worden sey, da sie alleine herrschete, und durch Finsterniß und Aberglauben allezeit mächtiger zu werden suchte.  
  Kaum kömmt eine Lebens-Geschichte zum Vorscheine, in der der Teufel nicht eine von den Haupt-Personen ist. Lutherus und die übrigen, die durch ihn erwecket worden, die gefangene Wahrheit wieder zu befreyen, haben auch dieses Stück der Lehre JEsu gereiniget. Wir gestehen, daß diese grossen Leute im Anfange noch vieles von der alten Meynung behalten, die sie von Kindheit an in der Römischen Kirche gehöret.  
  Man glaubte in dieser Kirche ehedem, daß alle Angst der Seelen, alle Zweiffel in göttlichen Sachen, alle Schwermuth und Traurigkeit, alle böse und unreine Gedancken vom Satan erwecket, und der Seelen eingeführet würden. Ist es zu verwundern, daß Lutherus sich so gleich nicht von dieser Einbildung völlig entledigen können, und noch allerhand Redens-Arten von dem Satan und seiner Macht gebraucht, die denen fremde und wunderlich scheinen, welche anders, als er erzogen worden?  
  Einige Verfechter der Römischen Kirche haben die vornehmsten dieser Stellen in den Schrifften des Lutherus, worinnen er von seinen Gesprächen mit dem Satan, und den Einwürffen, die ihm dieser Geist gemacht, und von seinen Antworten auf dieselbe redet, statt eines Haupt-Beweises gegen ihn aufgestellet, und daraus die Folge gezogen, daß er vom Satan unterrichtet, regieret, und zum Aufruhr gegen die Kirche bewogen worden.  
  Welch ein Unverstand? Ist etwas anstößiges und unrichtiges in diesen Örtern; so kömmt es alles von der Gemeine, in der dieser unsterbliche Lehrer unterrichtet worden, und so viele Jahre zugebracht hat. Hat jemahls ein kluger und billiger Mensch seinem Widersacher eine angeerbte oder angebohrne Schwachheit als ein Zeugniß seiner Gottlosigkeit und Bosheit aufgerücket?  
  Die, so von der Römischen Kirche wie die grösten Heiligen angebetet werden, haben weit mehr von solchen Versuchungen und Gesprächen mit dem Satan, als er, geredet. Und es sey endlich mit diesen Stellen beschaffen, wie es wolle, so bleibt doch dieses unstreitig, daß er und alle seine Beystände viel reiner und klüger von den bösen Geistern und ihrer Regierung gedacht und geschrieben, als ihre alten Lehrmeister, und den Anfang gemacht, die grosse Meynung von dem Reiche des Satans, die man vorhin vortrefflich zum Besten der Geistlichen zu brauchen gewust, auszustoßen.  
  Je mehr man die Kunstgriffe der Römischen Kirchen und die Leichtgläubigkeit der Alten kennen lernete, und je sorgfältiger man die Schrifft forschete, je weiter entfernte man sich von derselben. Man kan dieses aus den Büchern unsrer Lehrer sehen, die gegen das Ende des sechzehenden Jahrhunderts geschrieben haben. Es ist noch nicht alles rein in denenselben. Man rufft noch offt den Satan herzu, Sachen zu erklären, die ohne sein Eingeben und Bemühen geschehen können. Allein es ist doch klar, daß man schon um ein grosses an Erkänntniß zugenommen, und sehr wohl begriffen habe, daß die Natur und das böse Hertz der Menschen viele der Dinge ausrichten könnten, die ehedem dem unsichtbaren Widersacher des menschlichen Geschlechtes zugeschrie-  
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  ben worden sind.  
  In den folgenden Zeiten ist man der Schrifft, die uns allein in solchen Dingen unterrichten kan, noch näher gekommen. Und jetzt ist die ordentliche Lehre unsrer Kirchen von den bösen Geistern derselben so gemäß, daß man uns schwerlich mehr wird Schuld geben können, wir hiengen auch an den Träumen der Alten, und erklärten die Offenbahrung aus den Gedichten der Mönche und Einsiedler.  
  Wir wollen nicht alle Redens-Arten rechtfertigen, die noch aus der alten Sprache übrig geblieben sind. Die der Welt kundig sind, wissen, daß diese nicht anders als allmählig abgeschaffet werden können. Wir können nicht sagen, daß der Sauerteig allenthalben rein ausgefeget worden, und keiner mehr unter uns vorhanden seyn solte, der sich unbehutsam erklärte.  
  Am wenigsten können wir uns rühmen, daß der gemeine Mann alle falsche Einbildungen abgeleget, die von den ältesten Zeiten her auf ihn fortgepflantzet, und noch heimlich in den Häusern und Geschlechtern unterhalten werden. Es ist genung, daß man an den meisten Örtern öffentlich nichts mehr vorträget, als was uns die Schrifft von dem Satan gelehret, und natürliche Würckungen von den übernatürlichen mit Sorgfalt unterscheidet.  
  In der Welt ist man viel weiter gegangen, und suchet die Wahrheit mit dem Aberglauben zugleich zu verbannen. Einige derer, die weise und klug heissen wollen, läugnen gar, daß gefallene Geister sind. Diese sagen uns ohne Scheu, daß alles, was davon gemeldet wird, eine Morgenländische Fabel sey, die unter dem Persern oder Babyloniern zuerst ersonnen, von den benachbarten Völckern unbedachtsam angenommen, von den Götzendienern ihres Vortheils halben künstlich ausgeschmücket, von den Juden aus der Babylonischen Gefängniß zurücke gebracht, und von unserm Heylande und seinen Zeugen darum nicht gantz verworffen worden sey, weil sie sich zu tief in den Gemüthern der Völcker eingedrücket hatte.  
  Andere geben zu, daß ein hochmüthiger Geist sey, der sich entweder allein, oder in Gesellschafft einiger andern Geister gegen GOtt einmahl aufgelehnet, und zur Straffe in einen finstern Abgrund gestossen worden sey. Allein alles, was man von den Bemühungen dieses Geistes die Menschen zu verführen, von seiner Gewalt über die Gemüther und Leiber, von seinen Reiche und den Unterthanen desselben lehret, scheinet ihnen ungegründet zu seyn.  
  Der Satan liegt ihrer Meynung nach gebunden, und kan denen Einwohnern der Welt nicht schaden. Und die Sprüche der Schrifft, die das Gegentheil lehren, werden von uns unrecht verstanden, weil wir uns in die Morgenländische Schreib-Art, die weit schwülstiger und höher als unsre ist, nicht schicken können. Wird ja etwas von unserm Heylande und den Aposteln gesagt, das unmöglich anders erkläret werden kan, als die meisten Christen es verstehen, so muß man mercken, daß sie sich von diesen Stellen nach den irrigen Meynungen der Völcker richten, mit denen sie zu thun gehabt.  
  Es giebt noch andere, die etwas bescheidener reden, und das Ansehen haben wollen, als wenn sie nichts mehr als den Untergang des Irthums und Aberglaubens suchten, und sonst weder an dem Satan selber, noch an seiner Stärcke und Verschlagenheit zweiffelten.  
  {Sp. 847|S. 437}  
  Diese theilen sich wieder in unterschiedene Gattungen. Etliche sagen, die Lehre JEsu habe ein Ende an der Herrschafft des Satans gemacht. Er habe vor der Zukunfft JEsu in der Welt regieret, jetzt sey er gefesselt, oder zum wenigsten in die Länder verwiesen, wo die Herrlichkeit JEsu noch nicht kund geworden sey.  
  Andere meynen, er vermöge noch etwas unter den Christen, es bedeute aber wenig; die nur noch den äusserlichen Schein der Christen behielten, wären sicher vor ihm; der einige Nahme JEsus könne ihn in die Flucht treiben; doch die stünden noch unter seiner Botmäßigkeit, die sich gantz und gar von allem Gottesdienste absonderten, und so hinlebten, als wenn sie ohne GOtt wären.  
  Es braucht es nicht, daß man die übrigen Gattungen der Leute erzehlet, welche die Lehre der Schrifft von dem Satan so auslegen und einrichten, wie es ihre vorgefaßten Meynungen ertragen können. Wir wollen nur etwas von den Ursachen gedencken, welche diese und einige andere Meynungen zuwege gebracht haben.  
  Es ist so gar lange noch nicht, daß man so frey und mannigfaltig die Lehre von den bösen Geistern beurtheilet. Der hundert Jahre von unsern Zeiten zurücke rechnet, wird noch alles ruhig finden, und nur einige zum Theil gerechte Klagen über die unmäßige Erhebung der Macht des Satans antreffen.  
  Die, so in dem vorigen Jahrhunderte den Anfang gemacht, eine neue Art der Weltweisheit einzuführen, und das Joch der alten Schul- Philosophie, unter dem die Gelehrten so lange gelegen, zu zerbrechen, haben zuerst zu diesen Händeln den Weg geöffnet. Diese grossen Leute untersuchten die Natur mit reinen Augen, als vorhero geschehen war, und fanden, daß man vieles bis dahin ohne Ursache für übernatürlich ausgegeben und dem Satan beygemessen hatte. Sie beflissen sich zugleich die alte Lehre von den Geistern auszubessern, und einen deutlichen Begriff von dem Unterschiede eines Geistes und eines Leibes, und von der wahren Beschaffenheit dieser beyden einander entgegen gesetzten Naturen zu geben.  
  Die am scharffsinnigsten diese Sache überlegten, beschlossen endlich mit dem weltberühmten des Cartes, ein Geist sey ein denckendes Wesen, und glaubten, man könnte einen Geist von einer cörperlichen Natur nicht deutlicher und klärer unterscheiden, als wenn man lehrete, die vornehmste Krafft eines Geistes bestünde im Dencken.  
  Dieses neue Licht blendete einige, an statt, daß es sie hätte erleuchten sollen. Viele geriethen auf die Gedancken, da ein Geist nichts als dencken könnte, so müste man ihm alle übrigen Würckungen absprechen, und alles läugnen, was bisher von der Krafft des bösen Geistes über die Gemüther und Leiber des Menschen gelehret worden.  
  Wider dieses Unternehmen setzten sich so viel klare und deutliche Örter der Schrifft, und so viele Geschichte von Zauberern, Bündnissen mit dem Satan, Gespenstern, Besitzungen, Erscheinungen und andern dergleichen Dingen, die niemand in Zweiffel ziehen wolte. Man versuchte es also diesen zwiefachen Grund der alten Lehre umzureissen.  
  Der letztere, der aus der Geschichte genommen ward, ließ sich ohne Gefahr bestreiten. Man sprach ohne viel Weitläufftigkeit allen diesen Erzehlungen den Glauben ab, und behauptete, daß unsre Väter  
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  und Vorfahren alle mit einander durch den Aberglauben ihrer Zeiten verführet worden, und das, was krancken, furchtsamen, leichtgläubigen und wahnwitzigen Leuten geträumet hätte, für Wahrheit angenommen. Und dieses Vorgeben wurde durch unterschiedliche Dinge ungemein wahrscheinlich gemacht.  
  Die Rechtsgelehrten, die durch die Freyheit zu Dencken, welches man allgemach mehr und mehr unterstützte, ermuntert waren, zeigten die groben Fehler, welche man bey den Untersuchungen gegen die Hexen, Unholde und Zauberer ehedem begangen, und bewiesen augenscheinlich, daß viele Leute jämmerlich hingerichtet worden, die den Satan nie anders als im Schlaffe gesehen.  
  Die Ärtzte beflissen sich darzuthun, daß man viele nicht eben gemeine Kranckheiten ohne Grund für Bezauberungen oder Besitzungen des Satans ausgegeben. Und diese musten desto mehr Beyfall erhalten, weil sie das, was sie lehreten, durch die That bestärckten, und viele solcher Zufälle durch Kraut und Pflaster heileten, die man sonst nur durch das Gebet und Fasten hatte heben wollen.  
  Die Forscher der Alterthümer traten zuletzt auf, und vereinigten Belesenheit und Vernunfft, die Welt zu überführen, daß alle sonderbare Begebenheiten, die man unter den Heyden den Göttern beygemessen, alle Weissagungen, Wunder und Aussprüche der Götter durch Betrug und List der Pfaffen gewürcket worden.  
  Die Gottesgelehrten selber waren nicht gantz müßig. Sie entdeckten, daß die meisten Erscheinungen, Besitzungen und Versuchungen des bösen Geistes, womit man das leichtgläubige Volck in der Römischen Kirche furchtsam gemacht, entweder Früchte einer beschädigten Einbildung gewesen, oder durch allerhand Kunstgriffe der Geistlichen zuwege gebracht worden wären.  
  Durch diese verbundene Krafft der vornehmsten Gelehrten wurde der Beweiß, den die Geschichte und Erfahrung an die Hand giebt, zum wenigsten so entkräfftet, daß man ihn nicht mehr sicher brauchen konnte.  

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Stand: 27. August 2016 © Hans-Walter Pries