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Zedler: Struve (Burchard Gotthelf) [1] HIS-Data
5028-40-1095-13-01
Titel: Struve (Burchard Gotthelf) [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 1095
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 561
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Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Stichworte Text Quellenangaben und Anmerkungen
Leben Struve (Burchard Gotthelf) Hoch-Fürstl.-Sächsischer gemeinschafftlicher, wie auch Marggräflich-Brandenburgisch-Culmbachischer Historiographus, ordentlicher Professor der Rechte und Historie zu Jena.  
  Dieser berühmte Polyhistor ist zu Weimar 1671 den 26 May gebohren. Sein Vater war der grosse und fromme Rechtsgelehrte George Adam Struve, von welchem ein besonderer Artickel folget. Die Mutter war Susanna, eine Tochter Burchard Berlichs, Churfürstlich Sächsischen Raths und Geheimen Secretarii: ein Frau, die ihre Kinder klüglich und glücklich erzogen, und schon längst in die Zahl des gelehrten Frauenzimmers gesetzt worden. Siehe den Artickel: Struvin (Susanna). Eben, als sie ihn unter dem Hertzen trug, arbeitete sie an den Betrachtungen über die Sonntags-Evangelia, welche 1671 unter dem Titel der geistlichen Andachts-Perl, zu Weimar gedruckt worden: und wenig Stunden vor ihrer Entbindung hatte sie noch die Correctur der letzten gedruckten Blätter verrichtet.  
  Von beyden Eltern war ihm also die Liebe des Guten und die Lust zu den Wissenschafften gleichsam angeerbet, darzu er auch von Natur eine gute Fähigkeit hatte. Als sein Vater 1673 zu Jena das Ordinariat der Juristen-Facultät angetreten, fehlte es nicht an geschickten Leuten, durch deren Aufsicht seiner Munterkeit Schrancken gesetzet, und durch deren Unterweisung der Grund der Wissenschafften und des Christenthums in ihn geleget ward.  
  In seinem neunten Jahre bekam er nebst seinem Bruder, der 4 Jahr älter war, den damahligen Adjunct. der Philosophischen Facultät Johann Fr. Dürren zum Lehrmeister: dessen Anfangs nöthigfallende und bewiesene Schärfe er hernach öffentlich gerühmet hat. Er legte also einen guten Grund in der Lateinischen und Griechischen Sprache, und muste  
  {Sp. 1096}  
  durch allerley Reden, die er in Gegenwart einiger dazu erbetener Gelehrten hielt, Proben seines Fleisses ablegen. So gut ihm aber dieses und sein übriges Studiren von statten gieng, so wenig wollte es ihm mit der Poesie gelingen. Denn die Poetischen Erdichtungen und Einfälle waren kein Werck vor sein Gemüthe, und so offt er Verse machen sollte, ergrif er die Feder mit Verdruß.  
  Im Jahr 1684 ward er nach Zeitz gebracht, da er noch nicht 13 Jahr alt war. Sein Vater übergab ihn daselbst dem berühmten Christoph Cellarius, der ihn zu sich ins Haus und an Tisch nahm. Doch war durch diese Vorsicht der Gefahr der Verführung nicht gleich genugsam vorgebauet. Denn er fand daselbst wilde Leute, die Trincken und Spielen dem Studiren vorzogen. Hie fehlte es wenig, daß er nicht in gleiches Verderben gerathen wäre. Seine Mutter fand nöthig, deswegen selbst nach Zeitz zu kommen. Durch deren und des Cellarius nachdrückliche Vorstellungen ward er noch bey Zeiten wieder auf einen bessern Weg gebracht.  
  Auf des Cellarius Wort wandte er Tag und Nacht ungemeinen Fleiß auf die bewährten Schrifften alter Römer, sonderlich moralische und historische, als wozu er die meiste Neigung hatte, wenn zumahl die letztern mit klugen und im Leben brauchbaren Anmerckungen geschmücket waren. Sonderlich laß er den Seneca, Livius und Tacitus fleissig. Zwar war ihm vieles darinn zu hoch, er trug es aber dem ohngeachtet in seine Excerpten-Bücher. Cellarius sahe dieses mit Freuden, nahm ihn also offt besonders zu sich, und ließ ihn an des Fabers Lexico, welches er eben damahls vermehrte und verbesserte, mit Hand anlegen. Alle Tage wandte er etliche Stunden auf diese Arbeit, welche zwar viel Mühe, aber auch vielen Nutzen brachte, zumahl da er dabey aus des Cellarius Reden allerley erlernte.  
  Die Lust darzu ward bey ihm immer grösser, jemehr er sich darinnen übte, so, daß er auch die Schul-Stunden, welch er meynte entbehren zu können, aufgab, um dieses desto besser abzuwarten. Die Lust Sammlungen zu machen, und Bücher zu schreiben fand sich also gar zeitig bey ihm ein. Gleichwie er solcher Gestalt die lateinische Sprache fast mit gar zu grossem Eifer trieb, also erlernte er doch auch dabey zugleich die Geographie und Historie, zumahl die Alte: und wandte einige Zeit auf die Alterthümer und Griechische Sprache. Herdurch erwarb er sich die völlige Gunst des Cellarius, der ihm auch daher in seinen Programmaten grosse Lobsprüche beylegte, als er sich viermahl mit öffentlichen Reden hören ließ. Cellar. Orat. et Progr. …
  Im Jahr 1687 fieng er zu Jena, da er noch nicht 16 Jahr alt war, seine Academischen Studien an. Sein erstes Collegium hörete er bey J.Jac. Müllern über die Politick, in den übrigen Theilen der Philosophie hielt er sich zu dem berühmten Joh.Andr. Schmidten, in den Alterthümern und in der Historie des Deutschen Reichs zu George Schubarten. Seine meiste Lust hatte er an denen freyen Künsten, da er aber höhern Wissenschafften gewidmet war, ließ ers auch darinn an seinem Fleisse nicht fehlen.  
  Zuerst gieng er ohne Anführer die Institutiones durch.  
  {Sp. 1097|S. 562}  
  Hierauf fieng er an, D. Hartungen zu hören, weil ihm aber derselbe nicht nach seinem Geschmack war, verließ er ihn, und wagte sich nochmahls allein an die Institutiones, bediente sich dabey des Mynsingers und des Vinnius, und lernte solcher Gestalt die Anfangs-Gründe der Rechte, ohne mündliche Unterweisung anderer. Nachmahls nahm er seines Vaters Jurisprudentiam vor, und suchte sonderlich in demjenigen guten Grund zu legen was vor Gerichte seinen Nutzen hat. Als er hiermit fertig, gieng er zu den Pandecten, und gebrauchte sonderlich das Syntagma seines Vaters.  
  Diese Sachen waren gar nicht vor seine Gemühts-Art, und kamen ihm viel zu trocken vor. Weil er aber sehr zum Ehrgeitz geneigt war, munterte ihn das bekannte: Dat Justinianus honores immer weiter auf. Solcher Gestalt wandte er grosse Mühe an, las, schlug nach, meditirte, und befragte sich selbst; kurtz, er ward ein guter autodidaktos.  
  Er disputirte hierauf bey Peter Müllern die Exercit. Jur. Civ. Schobbelianas durch, und setze selbst eine Disputation von den Thurnier-Spielen auf. Er wandte auf dieselbe viele Mühe, dennoch aber fand der vortrefliche George Schubart, unter dessen Vorsitz sie 1689 gehalten wurde, vieles darinn zu verbessern.  
  In eben dem Jahr hielt er noch eine unter seinem Vater, verfügte sich aber bald darauf von Jena nach Helmstädt, trieb daselbst ferner die Frantzösische Sprache, auf welche er sich in Jena bereits mit grossem Fleiß geleget hatte, hörte Heinrich Meibom und George Engelbrechten und brachte solcher Gestalt daselbst fast ein Jahr zu. Von da wandte er sich nach Franckfurt an der Oder, woselbst er sich am meisten zu dem grossen Samuel Strycken hielt, nächst dem er auch Peter Schultzen hörete. Nachdem Stryck nach Wittenberg beruffen worden, so gieng er nach Jena zurück.  
  Mit dem Anfange des 1691 Jahres begab er sich nach Halle, in der Absicht, in denen Gerichts-Händeln sich mehr zu üben, und derselben mehr kundig zu werden. Der Präsident von Jena verschaffte ihm auch genugsame Gelegenheit darzu. Allein er fand kein Belieben an diesen Sachen, theils, weil er andere Wissenschafften liebte, theils weil das Hof-Leben seiner Ruhm-Begierde mehr Reitzungen vorstellete.  
  Er verließ also bald nach Ostern Halle, und folgete seinem ältesten Bruder, der ihn nach Holland berief. Dieser hatte sich der Chymie gantz und gar ergeben, und hielt sich auf verschiedener hoher Personen Kosten in Holland auf, um seine Erfahrung darinn immer höher zu bringen. Auf solcher Reise hatte er das Glück, den Gothischen und Casselischen Hof zu sehen. In Holland aber machte er sich insbesondere mit dem Vitriarius und Gräven bekannt. Sein Bruder kehrte bald hernach nach Deutschland zurück, und er besuchte die dortigen Academien und vornehmsten Städte. Seine grosse Jugend aber machte, daß er sich nur bey den in die Augen fallenden Dingen aufhielt, und um die innere Beschaffenheit des Staats, der Gelehrsamkeit und des Landes sich wenig bekümmerte.  
  Auf Veranlassung seines Bruders reisete er nach Cassel, und von da nach dem Haag zurück. Seine vornehmste Absicht war damahls allerhand rare Bücher aufzusuchen, deswe-  
  {Sp. 1098}  
  gen er denen öffentlichen Auctionen fleißig beywohnete, und sich einen grossen Bücher-Vorrath sammlete: der aber hernach bey seines Bruders Unglück wieder verlohren gieng. Er war willens, auch Engelland und die Spanischen Niederlande zu besuchen, allein eine heftige über 4 Monate anhaltende Kranckheit verhinderte ihn daran. Doch war dieselbe die erste Gelegenheit, welche sein Hertz von den Eitelkeiten näher zu Gott lenckte.  
  Er gieng also im Februar 1692 da er noch nicht gantz wieder hergestellet war, wieder nach Deutschland, und nachdem er seinen Bruder, der sich damahls zu Brambach am Rhein aufhielt, gesprochen, vollends nach Jena, seine Eltern zu sehen, und zu besuchen.  
  Kaum war er da einige Wochen gewesen, so fand sich eine Gelegenheit, auch Schweden zu besehen. Denn der Graf Hasifer, damahlige Gouverneur von Liefland, that ihm das Versprechen, ihn mit sich dahin zu nehmen, woselbst er allerhand Alterthümer würde sehen können, auf deren Untersuchung er sich bisher mit allem Fleiß geleget hatte. Er sahe bey dieser Gelegenheit Hamburg, die dasige Bibliotheck zu St. Johannis, und andere Merckwürdigkeiten. Was er etwa sonderliches fand, vornehmlich in Müntz-Sachen, das pflegte er fleißig aufzuschreiben. Denn er trieb damahls die Müntz-Wissenschafft fleißig, damit er die ihm vorkommende Cabinette nicht als ein stummer Mensch ferner ansehen dürffte, wie er bisher thun müssen. Zu Hamburg erwartete er den Grafen, welcher sich in Holland aufhielt, weil er aber zu lange ausblieb, so schien es, als wenn es ihm nicht bescheret sey, Schweden zu besehen.  
  Er gieng daher auf Veranlassung seines Bruders nach Wetzlar. Daselbst fiel er Anfangs auf starcke Besuchung der Gesellschafften und die Liebe zu guten Tagen, plötzlich aber wieder in eine hefftige Kranckheit, von welcher man muthmassete, daß sie von beygebrachtem Gifte herrühre, kaum war er genesen, so erhielt er die betrübte Nachricht, daß sein Vater gestorben, weswegen er denn zu Anfang des 1693 Jahrs nach Jena zu den Seinigen reisete.  
  Er gieng hierauf wieder zu seinem Bruder, welcher stets in der Chymie fort arbeitete, ja auch ihn selbst mit darein verwickelte, indem er ihm einst in seiner Abwesenheit seine Verrichtungen auftrug. Als er sich im folgenden Jahre am Meinungischen und Arnstädtischen Hofe aufhielt, leistete er ihm auch da Gesellschafft. Allein die unglücklichen Schicksale desselben setzten ihn in solche Umstände, daß er beynahe zu Meinungen auch wäre in Verhaft genommen worden, ob er gleich an den Händeln seines Bruders keinen Theil hatte. Doch war die Liebe zu seinem Bruder so groß, daß er alles was er hatte, die gantze väterliche Erbschafft, seine Bücher und kostbare Kleider zu dessen Befreyung anwandte.  
  Da er also von aller menschlichen Hülfe entblösset war, so blieb ihm keine andere Zuflucht, als bey dem Höchsten übrig. Als er unterdessen zu Meinungen verweilete, ward er mit dem sogenannten Baron Starck, der mit seinem Bruder zugleich das Laboriren verrichtet, mehr bekannt. Dieser war damahls etwa 50 Jahr alt, hatte fast gantz Europa gesehen, verstand die meisten orientalischen und occidentalischen Sprachen, und hatte sich in allen Orten der Gelehrsamkeit umgesehen. Der unterrichtete ihn zum Zeit-Vertreib in der Hebräi-  
  {Sp. 1099|S. 563}  
  schen Sprache. Er las also fleißig die Bibel, jedoch nur Anfangs in der Absicht, die Hebräische Sprache desto besser zu lernen. Gott aber lenckte es dahin, daß er bey dieser Gelegenheit eine bessere Erkenntniß in Göttlichen Dingen fassete, und also immer mehr Nutzen aus solcher Bemühung hatte, jemehr er dieselbe nachmahls in Jena fortsetzte. Die widrigen Schicksale, welche ihm begegneten, machten zugleich einen tiefen Eindruck in seinem Gemüthe. Er erkannte, daß er bisher sich in die Welt zu sehr vertieft. Hergegen war nunmehr seine eintzige Begierde, Gott, und sich selbst zu erkennen. Er verfiel in dieser Verfassung aber auf allzuweit gehende und unnöthige Dinge. Es fiel bey ihm damahls nicht nur die ausschweifende Liebe zu den Büchern hin, sondern er hassete gar alle Wissenschafften, auch die, so ihm sonst die liebsten gewesen. Dabey hatte er manchen schweren Kampf mit sich selbst, und mit andern, die sich in seinen Zustand und in die Veränderung eines sonst so aufgeweckt gewesenen Menschen nicht finden konnten.  
  Er las indessen die Schrifft, sonderlich das Neue Testament unermüdet fort; andere Bücher las er wenig oder fast gar nicht, ausgenommen Johann Arndten, und den Taulerus, die er täglich in Händen hatte. Er wäre aber, indem er sich von dem einen Abwege entfernen wollte, bey nahe auf einen andern und aus der Mittel-Strasse verfallen, denn es fehlte nicht viel, daß er bey seiner Abkehrung von der Welt in eine Melancholie gerathen, oder, wo möglich in eine Wüste gelaufen wäre.  
  Als er die Menge der grossen Hindernisse einsmahls erwegte welche die Welt der Gottesfurcht setzet, beschloß er, einen verborgenen Ort zu suchen; allein Taulerus lehrete ihn, daß „wenn auch iemand ausser der Welt leben könnte, und in ihm selbst die Welt nicht überwunden hätte, derselbe doch nicht vergnügt, ruhig und glücklich seyn werde.“ Einsmahls hatte er auch den Tag über den Sorgen und betrübten Gedancken nachgehangen, als wider Vermuthen ein ihm zuvor unbekannter Knabe wider seine Gewohnheit vor seine Thüre kam, und das Lied sang: Schwing dich auf zu deinem Gott etc. Hiedurch ward sein gantzes Gemüthe so aufgerichtet, daß er der Traurigkeit gute Nacht gab, und mit frölichem Aufthun seines Mundes Gott preisete.  
  Zuweilen nahm er noch einige Chymische Operationen vor, besuchte auch seinen Bruder, der nach wieder erlangter Freyheit zu Leipzig sich aufhielt, als er aber sahe, daß derselbe noch nicht gewitziger sey, veließ er ihn bald wieder. Er blieb in solchem Zustande fast zwey Jahre, und wandte seine Zeit blos auf Gottselige Betrachtungen, dabey er jedoch seiner Mutter Angelegenheiten mit besorgete. Nach und nach kam unterdessen der Appetit zum Studiren wieder. Er fieng also wieder an, zu lesen, und das aufzuzeichnen, was ihm nöthig zu seyn schien.  
  Nachdem er Bielkens gebundene Bücher in Ordnung gebracht hatte, verließ der Jenische Bibliothecarius Cummer diese Welt. Er hielt also um dessen Stelle an. Nun war es zwar schon zu spät, und die Academie hatte schon andere dem Hertzogen darzu vorgeschlagen; jedoch sie that aus besonderer Zuneigung gegen ihn etwas ausserordentliches, und schlug ihn gantz allein noch vor.  
  {Sp. 1100}[1]
[1] HIS-Data: falsche Spaltenzahl 2000 in der Vorlage
  Er erhielt auch solches Bibliothecariat mit dem Ende des 1697 Jahres: Die Bibliotheck fand er in vieler Verwirrung, brachte sie aber in gute Ordnung, und verfertigte mit vieler Mühe andere und bessere Verzeichnisse. Als er nunmehr von neuem alle seine Zeit in den Büchern zu brachte, nahm seine Gelehrsamkeit täglich zu. Damit er nun auch andern damit nützen möchte, so erklärte er nicht nur seinen jüngsten Brüdern die Physick nach Helmons Grund-Sätzen, sondern brachte auch andern die Griechische Sprache und die Alterthümer bey.  
  So gut Schubart mit dem letztern zu frieden war, so wenig war er es damit, daß Struve auf anderer Verlangen die Deutsche Historie las. Denn er meynte, daß ihm dieses allein zukomme, ohngeachtet er mit Juristischen Collegien genug zu thun hatte, und Struve alle Mühe anwandte, um ihn zu besänftigen. Da nun seine Zuhörer immmer mehrere wurden, und es schien, als ob er dem Academischen Leben gewidmet sey, nahm er zu Halle 1702 die Academischen Würden an, dabey ihm den auf Stryckens und des Cellarius Vorspruch nicht wenig erlassen ward.  
  Die Jenische Academie nahm es Anfangs nicht zum besten auf daß er sich bey seiner Promotion an einen andern Ort gewandt. Doch nahm ihn endlich die Juristen-Facultät, als er die Ursachen, die ihn darzu bewogen, entdecket, in die Zahl der ihrigen (in numerum nostrorum, wie man dort zu sagen pfleget) umsonst auf. Die Philosophische Facultät folgte zwar darauf nach, doch must er ihr mehr Geld erlegen, als sonst gebräuchlich ist. Hierauf fuhr er in seinem Fleisse immer weiter fort, und brachte es fürnehmlich in allen Arten der Historie auch der Kirchen- und Gelehrten-Historie immer höher. Im Jahr 1704 folgte er dem verstorbenen Schubart in der Profeßion der Historie. Er bezeugte dabey soviel Treue, Geschicklichkeit und Fleiß, daß die Zahl seiner Zuhörer, die Grösse seines Ruhms und sein Glück zusehens immer höher stiegen.  
  Als er 1712 auf eine andere Universität beruffen ward, wollten ihn die Sächsischen Hertzoge so wenig fahren lassen, daß sie ihn vielmehr durch neue Gnaden-Bezeugungen in Jena zu bleiben bewegten: Er ward also damahls Sachsen-Weimarischer Rath Historiographus des Ernestinischen Hauses, und ausserordentlicher Professor der Rechte. Im Jahr 1717 ward er von dem damahligen Marggrafen von Bareuth George Wilhelm zu seinem würcklichen Hof-Rath ernannt, dergestalt, daß er zwar in Jena bey seiner Profeßion bleiben, doch aber jährlich zwey Reisen nach Bareuth thun, die hohen Gerechtsamen des Brandenburgischen Hauses in ein Paar Disputationen ausführen, und davor ein ordentlich Gnaden-Geld genüssen sollte.  
  Im Jahr 1730 wurde er Hof-Rath des Hoch-Fürstlichen Sammt-Hauses Sachsen und Professor des Staats- und Lehn-Rechts. Vor seinem Tode welcher den 28 May 1738 erfolgte, war er der Philosophischen Facultät Senior und der gantzen Academie Sub-Senior.  
  Daß es ihm in seinem Leben an Trübsalen nicht gefehlet, ist bereits aus dem erzehlten abzunehmen; er hat aber auch sonst allerley Kranckheiten, Widerwärtigkeiten, Verfolgungen und betrübte Todes-Fälle erfahren müssen. Wie er denn z.E. das Absterben seiner Mutter sich  
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[1] HIS-Data: falsche Spaltenzahl 2001 in der Vorlage
  dergestalt zu Gemüthe zog, daß er darüber in ein hitziges Fieber verfiel.  
  Zweymahl ist er in den Wittwen-Stand gesetzet worden, das erste mahl ward ihm 1706 Anna Elisabeth, eine eintzige Tochter Caspar Bertrams, beyder Rechten Licentiatens und Pfänners in Halle; das andere mahl Anna Elisabeth Stenders aus Naumburg entrissen. Darauf hat er sich 1723 zum dritten mahl verheyrathet mit Maria Sophia gebohrnen Hansen, des bekannten Quedlingburgischen Superintendentens D. Ernst Friedrich Kettners, hinterbliebenen Wittwe.  
  Er gleichet nicht nur in seinen Sitten, sondern auch in seinem Gesichte seinem Vater überaus sehr, wie Acker in Opusc. Eloqu. … meldet. Von seinem Vater hat er die Liebe zum Gebet, zur Gerechtigkeit und Frömmigkeit gleichsam geerbet, Diar. Salan. p. 155.
  Er pflegte sich einer leichten Lehr-Art zu bedienen, und nicht leicht etwas vorzutragen, das er nicht aus den rechten Quellen geschöpfet, darzu ihm seine schöne Bibliotheck gute Dienste thät. Was er in der Gelehrten- und Civil, zumahl in der Deutschen Reichs-Historie geleistet, ist mehr, als zu bekannt. Doch hat er so wenig, als einiger anderer Gelehrter allen gefallen können. Und da auch bey ihm ein Tag den andern gelehret, und in den ersten Auflagen seiner Schrifften sich einige Fehler mit eingeschlichen, wie in Historischen Dingen, zumahl, wenn man die Bahn brechen muß, gar leicht geschehen kan, so hat er deswegen zuweilen scharfe Censuren erfahren müssen.  
  Er gehöret übrigens unter die frommen und der Theologie kundigen Juristen. Feustel hält ihn vor den andern Thomas Reinesius, und meynt in Miscell. S. … daß er vor andern ein vollkommenes Werck von der Gelehrten Historie hätte liefern können, wenn er sich derselben gäntzlich gewidmet hätte. Wiewohl Struve billig gezweifelt, daß dergleichen eines Menschen Werck sey.  
     

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Stand: 29. März 2013 © Hans-Walter Pries