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Zedler: STUDIUM JURIS [2] HIS-Data
5028-40-1229-1-02
Titel: STUDIUM JURIS [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 1234
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 630
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Hinweise:
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Übersicht
Rechtsstudium
  Privatrecht
 
  Römisches Justinianisches Recht
  Rechte des Vaterlandes
 
  alte Rechtsquellen
  Ortsrecht
  Reichs-Gesetze
  Gewohnheiten
  Römisches Recht
 
  Institutionen und Pandecten

Stichworte Text Anmerkungen
Rechtsstudium Wir kommen nun zu dem Studio Juris selbst, oder vielmehr zu denenjenigen Vorlesungen, welche man auf Universitäten zu dem Cursu Juris zu rechnen pflegt; indem die bereits erwähnten Vorlesungen über das Natur- Völcker- und Staats-Recht mit ebenso grossem Rechte zu dem eigentlich sogenannten Studio Juris gehörten, als die übrigen. Doch daran lieget nichts: Wenn man nur die Sache lernt, es geschehe unter dem Nahmen eines Hauptwercks oder Nebenwercks.  
  Die so genannten eigentlichen Collegia Juris also sind in der Ordnung, wie man sie insgemein zu halten pflegt, die Collegia  
   
Privatrecht Das Studium juris privati gehöret deswegen nicht eben nur für Privat- sondern auch für Standespersonen. Auch einem Regenten selbsten und seinen Staats-Ministern kommen viele dahin einschlagende Sachen unter die Hände.  
  Sind alte bürgerliche Gesetze zu erläutern, zu verbessern oder gar abzuschaffen, und andere bessere einzurichten, so beruhet das Hauptwerck, nehmlich den Antrag der unteren Collegien, in einer solchen Sache zu billigen oder zu verwerffen, und also das Gesetz zu seiner Würcklichkeit zu bringen, von dem Regenten und dessen Staats-Räthen.  
  Sollen Missethäter hingerichtet, oder gantz oder zum Theil begnadiget werden; so müssen diese wiederum die Sache nach denen Rechten entscheiden. Es wird auch sonsten vielfältig und zwar allemahl in wichtigen Angelegenheiten der Privat-Personen bey Hofe angefraget, und der Schluß des Landes-Herrns Gutbefinden anheim gestellt.  
  Nun ist es wohl wahr, daß die Collegien die Sache überlegen, zubereiten, und dem Regenten oder seinen  
  {Sp.1235|S. 631}  
  Staatsbedienten vorabeiten müssen: Allein wollten diese sich schlechterdings auf jener Einsichten und Gutachten verlassen, so behaupten sie sehr schlecht ihre Würde. Wollen sie aber auch mit eigenen Augen sehen; so wird ja unumgänglich erfordert, daß sie die Sache verstehen müssen, und zu urtheilen im Stande sind, ob der ihnen geschehene Antrag gründlich, der Billigkeit und denen Rechten gemäß sey oder nicht?  
  Ist einer nicht selbst zum Regenten gebohren, hat aber Krafft seiner sogenannten edlen Geburt Hoffnung, wenigstens ein Staatsbedienter eines grossen Herrns zu werden; so wird er sich zu bescheiden wissen, und aus der Erfahrung belehren lassen, daß dieses wenigstens bey ordentlichen Höfen nicht durch einen Sprung geschehe, und einer gleich vom Studenten ein Minister werde: Sondern man setzet einen solchen jungen Herrn erstlich in ein Justitz-Collegium, daß er theils zeige, was er gelernet habe, und ob er zu etwas höhern tüchtig sey; theils daß er sich auf dieses immer noch besser zubereite. Verstehet er nun das Privat-Recht nicht, so kömmt er in dergleichen Collegien nicht fort, wo meistens Privat-Sachen abgehandelt werden, und verhindert also sein Glück, und stellt sich der Verspottung und der Verachtung der andern blos.  
  Daß aber auch endlich ein Rechtsgelehrter vom Bürgerlichen Stande, er mag nun eine Absicht haben zu werden, was er will, das Privat-Recht nicht entbehren könne, ist eine so ausgemachte Sache, und iedem aus der täglichen Erfahrung so bekannt, daß es überflüßig ist, etwas davon zu melden.  
Römisches Justinianisches Recht Allein so ein nöthiges Studium nun das Studium juris privati ist, so eine seltsame Sache ist es darum auf den hohen Schulen. Wenn man einem von dem Privat- oder Civil-Recht sagt, so wird er fast allemahl das Römische Justinianische Recht darunter verstehen; und nach dem gemeinen Schlendrian hat er auch recht. Und doch gestehen alle Rechtsgelehrten zu, das Römische Justinianische Recht sey nur ein Recht, worauf man sich alsdenn erst beruffen könne, wenn die Rechte des Vaterlandes[1] aufhören.
[1] HIS-Data: vergleiche Teutsche Rechte und Gesetze
Rechte des Vaterlandes Es fordert also die Vernunfft, daß man zuförderst mehr Fleiß auf die Rechte des Vaterlandes als des Römischen Rechtes wenden, und von jenem nicht aber von diesem anfangen müsse. Allein die Gewohnheit hat es umgekehrt. Es ist wohl wahr, daß man einigermassen Grund darzu hat; ob er aber zureichend sey, überläßt man eines ieden Urtheile.  
alte Rechtsquellen Es ist eine sehr seltsame Sache, daß die Juristen nicht einmahl einig, sind, welches unser Jus privatum patrium sey? Einige verfallen auf die alten, zu den Zeiten des Tacitus und derer Fränckischen Könige, auch nachhero theils schrifftlich abgefaßte, theils nur durch ein Herkommen hergebrachte, oder von einem und dem andern Schrifftsteller berührte Rechte; und dieser ihre schönen Raritäten sind in dem gemeinen Leben eben so gangbar und nützlich als die Kleidertrachten der Völcker selbiger Zeiten; sie schicken sich auch auf die ietzige Verfassung Deutschlandes eben so wohl, als ein alt Fränckisches Ober- und heutiges Unterkleid zusammen. Zugeschweigen, daß es lauter particulier Gesetze einzelner Völcker waren, aus denen sich unmöglich allgemeine Sätze machen lassen. Andere fallen auf den Sachsen- und  
  {Sp.1236}  
  Schwaben-Spiegel.  
Ortsrecht Nun ist es wohl wahr, daß noch manche alte Gerichts-Gewohnheit u.d.m. wenigstens an einzelnen Örtern üblich sind, deren auch in diesen Büchern Meldung geschiehet; indessen sind doch auch dieses blosse particularGesetze, Privat-Sammlungen, und des Schwaben-Spiegels Exemplarien sind so von einander unterschieden, daß man unmöglich etwas sicheres darauf bauen kan. Und da zwar viele Gelehrten in den neuern Zeiten diese Parthey nehmen wollen, so sind doch die Gegner noch viel stärcker, und es würde sich auch einer zum fast allgemeinen Gelächter machen, wenn er ausserhalb Universitäten in der Praxi damit aufgezogen käme.  
Reichs-Gesetze Es bleibet also als ein ungezweifeltes deutsches Privat-Recht übrig, was die Reichs-Abschiede und andere Reichs-Gesetze dießfalls verordnen. Da haben wir nun z.E. die peinliche Halsgerichts-Ordnung, die Reichs-Policey-Ordnung, viele Reichs-Abschiede, sonderlich den vom Jahre 1654, welche von Proceß-Sachen handeln, und andere mehr.  
  Nun wiederfährt endlich der, peinlichen Halsgerichts-Ordnung wiewohl selten und von wenigen die Ehre, daß man besondere Vorlesungen darüber hält; von den meisten in der Reichs-Policey aber abgehandelten Sachen, die doch gar nicht alle ungangbar sind, höret man wenig oder nichts in allen Vorlesungen des Privat-Rechtes. Die Ursache ist diese, man richtet sich in dieser nach dem Model des Römischen Rechtes, und in demselben findet man nichts von diesen Materien; oder wenn es sich ja schicket, daß z.E. die peinlichen und Proceß-Sachen, die so wohl in dem Römischen als Deutschen Rechte vorkommen, in denen Vorlesungen des Privat-Rechtes berühret werden, so ist es weit gefehlt, daß man zufürderst sagte, was die deutschen Rechte mit sich bringen, und daß, wo diese klar und hinlänglich genung wären, man von dem Römischen Rechte schwiege; sondern da siehet man auch in denen besten Büchern, daß man zuerst viel von dem Jure subsidiario redet; darnach sagt man zuletzt, es habe ietzo keinen Nutzen mehr, sondern die Sache verhält sich so oder so; welches alles in Vergleichung gegen jenem mit wenigen und offt allzu wenigen Worten geschiehet.  
Gewohnheiten Ferner beruhet ein Theil unsers Privat-Rechtes auf allgemeinen und wenigstens im größten Theile des deutschen Rechts üblichen Gewohnheiten. z.E. Handwercks- und Forst-Sachen, die in Justitz-Collegien und Beamtungen täglich vorkommen, müssen gar offt, sonderlich wo es zwey Stände, oder unterschiedlicher Herren Unterthanen mit einander zu thun haben, bloß nach dem Herkommen entschieden werden. Aber auch von diesen Materien höret man gemeinglich nichts, oder wenig gründliches auf Universitäten; und die meisten Compendia und Systemata Juris sehen ebenfalls auch so aus, und was ließt man nicht noch z.E. von Forst- und Jagdsachen auch in manchen neuen Büchern für elendes Zeug und abgeschmackte Sachen!  
  Der erste Hauptfehler also ist auch auf deutschen Universitäten, daß man nicht nur über das Recht des Vaterlandes keine eigene Vorlesungen hält, sondern auch wo sich schon die Gelegenheit ereignet, dennoch allemahl zuvor von dem Jure subsidiario, darnach von dem principali, und von jenem weitläufftig, von diesem aber  
  {Sp. 1237|S. 632}  
  kurtz redet.  
  Nun kan dieses zwar ein Anfänger in der Rechtsgelehrsamkeit nicht ändern; indessen können ihm doch die folgenden Errinnerungen darzu dienen, daß er  
 
1) in seinem Lesen und Hören allemahl sein Haupt Augenwerck auf die Deutschen Rechte und Gewohnheiten habe;
2) dieselben für sich fleißig lese, und sich deren erkundige; und
3) wo er etwas darvon antrifft, es desto höher halte, auch
4) wenn er Bücher unter die Hände bekömmt, welche auf diese bezeichneten Stücke gerichtet sind, selbige andern vorziehe.
 
  Des Herrn von Bergers Oeconomia Juris läßt sich in diesem Stücke sehr wohl gebrauchen.  
Römisches Recht So nachläßig aber auch unsre Juristen in Anführung des Juris patrii sind, so überflüßig weitläufftig sind auch die besten derselben in Ausführung vieler Materien aus dem Römischen Rechte, welche heut zu Tage nicht den geringsten Nutzen mehr haben. Aber warum übergeht man nicht lieber solche Dinge, und macht hingegen andere vollständiger, oder hänget zuletzt diejenigen Materien an, welche zwar in unsern Gerichtsstätten aber nicht in dem Römischen Rechte vorkommen? Diese Anmerckung kan einem Anfänger in der Rechtgelehrsamkeit darzu dienen, daß er z.E. in des Herrn Heineccius Schrifften alle mahl zuerst an dem Rande nachsehe, wo stehe: Usus hodiernus, und diesen Paragraph zuerst lese, auch, wo er darinnen solchen Bescheid findet, daß man keinen Nutzen mehr davon habe, selbige Materie getrost übergehe.  
  Es ist auch dieser Mißbrauch darbey, daß man heutiges Tages mehr von Römischen Alterthümern und der Historie eines Gesetzes als von dem Gesetze selbst redet. Der Vorwand ist scheinbar: Man verstehe ohne dieses den Sinn des Gesetzes nicht, und könne der Absicht des Gesetz-Gebers leicht verfehlen. Allein wenn man es beym Lichte besiehet, so läufft doch das meiste endlich auf eine Curiosität hinaus, oder vieles auf ein höchst ungewisses Rathen, worauf man nichts sicheres bauen kan.  
  Und wenn man ja meynte, es in diesem oder jenem besser zu treffen; so bedencke man, daß des Römischen Rechtes gantzes Ansehen in Deutschland bloß auf einen hernach durch die Reichs-Gesetze zufälliger Weise gebilligten Herkommen beruhet. Aber eben diese Reichs-Gesetze bestätigen auch nicht nur die Schreib-Art der höchsten Reichs-Gerichte, nach denen sich die niedrigen Gerichte der Stände des Reichs richten sollen, sondern auch die alten löblichen Gebräuche und Herkommen besagter niedrigen Gerichte; und zwar so, daß nach diesen zuerst, und nach dem Römischen Rechte zuletzt gesprochen werden soll.  
  Wenn also auch ein Theil des Römischen Rechts nicht wohl verstanden worden wäre, dieser Meynung wird aber von denen höchsten Reichs und vielen andern ansehnlichen Gerichten und denen meisten besten Juristen beygepflichtet, oder sie wird in vielen Land-Rechten und Ordnungen derer Stände des Reichs gebilliget; so ist und bleibt es recht; und weil doch alle dergleichen Sachen von dem Wohlgefallen des Gesetz-Gebers abhängen, so ist nichts unbilliches daran.  
  Man gewinnet auch mit denen vielen unnöthigen neuen Meynungen, an denen sonderlich Thomasius seine Freude gehat, nichts, als daß man den erbärmlichen Zustand unserer  
  {Sp. 1238}  
  Privat-Rechte noch elender und dasselbe gantz unnütze macht.  
Institutionen und Pandecten Der bishero gewöhnliche Weg, das Privat-Recht zu studiren, ist, daß man zufürderst über die Institutiones und hernach über die Pandecten höret. Neben den Text der Institutionen selbst kan man des Herrn Heineccius Elementa Juris civilis secundum ordinem Institutionum, und Berneggers Examen Institutionum Imperialium nachlesen.  
  Bey denen Vorlesungen der Pandecten sind als ein Compendium abermahls vornehlich des Heineccius Elementa Juris civilis secundum ordinem Pandectarum, so dann Schutzentz bekanntes Compendium Juris nebst Berneggers Resolutionibus Legum obstantium nachzulesen. Von grössern Wercken kan Lauterbachs Collegium Pandectarum mit dem größten Vortheile gebraucht werden.  
  Endlich ist es auch nicht nöthig, daß ein fleißiger Anfänger in der Rechtgelehrsamkeit mehr als ein Collegium Institutionum und Pandectarum höre etc. er würde besser thun, wenn er das Geld dafür an ein gutes Buch anlegte.  
  Von der Nothwendigkeit, dem Nutzen und wie das Staats-Recht am besten zu lernen sey, kan man Mosers Praecognita juris publici gemeralissima nachschlagen.  
     

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Stand: 30. März 2013 © Hans-Walter Pries