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Zedler: Sünden-Fall [2] HIS-Data
5028-41-72-1-02
Titel: Sünden-Fall [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 41 Sp. 79
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 41 S. 53
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel

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Übersicht
Hauptsache
Zeitpunkt

Stichworte Text   Quellenangaben
Hauptsache Doch wir gehen nun zu der Haupt-Sache selbst, und erwegen, worinne der Fall unserer ersten Eltern eigentlich bestanden habe.  
  Erstlich ist offenbar, daß unsere ersten Eltern nicht mehr von GOtt dependiren, noch demselben haben wollen unterworffen seyn. Denn sie wolten werden wie GOtt; nicht zwar nach der blossen Ähnlichkeit und Gleichförmigkeit; denn die hatten sie schon, nachdem sie nach GOttes Ebenbilde waren erschaffen worden; sondern nach einer vollkommenen Gleichheit. Sie waren zwar von GOtt für Herren des gantzen Erdbodens erkläret worden, Cap. I, 26;
  doch hatte GOTT einen eintzigen Baum, davon sie nicht essen solten, ausgenommen und mitten in den Garten gesetzt, damit sie ein beständiges Andencken haben solten, sie hätten keine unumschränckte Gewalt über dem Erdboden, und über die auf demselben befindliche Creaturen; sondern sie trügen dieselbe von GOtt gleichsam nur zu Lehn.  
  Dagegen wollten sie nunmehr nicht blosse Lehns-Träger seyn, und deßwegen von ihrem freyen Gebrauch der Creatur sich nichts mehr ausnehmen lassen, sondern sie wolten nunmehro selbst die höchste Herrschafft auf dem Erdboden führen, ohne dabey weiter auf den Göttlichen Willen sehen zu dürffen.  
  Ferner und zum andern ist klar, daß die ersten  
  {Sp. 80}  
  Menschen durch sinnliche Empfindungen zu mehrerer Glückseeligkeit und Klugheit haben gelangen wollen. Denn die Schlange verspricht ihnen, daß durch das Essen dieser Frucht ihre Augen würden aufgethan werden, und sie solchergestalt zu grösserer Erkänntniß und zur höchsten Stuffe der Glückseeligkeit würden gelangen können.  
  Und Moses meldet auch von dem Weibe, daß sie gantz in die Sinnlichkeiten hinein gegangen sey; indem er von ihr schreibet: Das Weib schauete an, daß von dem Baum gut zu essen wäre, und lieblich anzusehen, und daß es ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte. Eva hatte diesen Baum vorher auch gesehen; aber noch niemahls, solange sie lauterlich, und einfältiglich in dem Willen GOttes beruhete, solche Gemüths-Bewegung, wie jetzt darüber empfunden. Nachdem sie sich aber einbilden ließ, daß aus dem sinnlichen Genuß der Früchte dieses Baums, eine besondere Klugheit die sie noch nicht hätte, und die ihr die höchste Glückseeligkeit zuwege bringen würde, herzuhohlen wäre; so fand sie je länger sie dem Baum ansahe, an demselben immer mehr und mehr Annehmlichkeit, und ihre Begierden wurden dadurch immer mehr und mehr angeflammet, bis sie endlich gantz und gar durch dieselbe gefesselt wurde. Daher es dann heißt: Und sie nahm von der Frucht, und aß; und gab ihrem Manne auch davon, und er aß.  
  Es erhellet aus allen Umständen, daß Adam bey der Unterredung der Schlangen mit dem Weibe nicht gegenwärtig gewesen sey. So ist auch leichte zu erachten, daß Eva nach dem Genuß der verbotenen Frucht zwar wohl eine Veränderung, aber keine Verbesserung bey sich werde wahrgenommen haben. Es zeigte sich aber bey ihr bald der Anfang des Verderbens, indem sie nicht allein wolte betrogen seyn, sondern sich alle Mühe gab, um ihren Mann mit sich in gleiche Umstände zu setzen. Daher sie es machte, wie die Schlange, und fälschlich von sich rühmete, was für einen grössern Grad der Glückseeligkeit sie nun bey sich verspürete, nachdem sie von dieser Frucht gegessen hätte. Dabey sie denn auch nicht wird unterlassen haben, ihrem Manne nicht nur die Schönheit des Baums, sondern auch die besondere Annehmlichkeit des Geschmacks seiner Früchte, aufs höchste anzupreisen, und daß von einer so süssen und liebblichen Frucht, nichts als gutes und angenehmes erwachsen könnte, auch bey ihr nichts anders erwachsen wäre. Durch welche falsche angegebene Erfahrung denn auch Adam sich bereden ließ von dem verbotenen Baum zu essen.  
  Und so hielten denn drittens unsere ersten Eltern GOtt für einen Lügner, da sie selbst der Lügen Gehör gaben. Die Schlange hatte den Befehlen GOttes schlechterdings wiedersprochen und zum Weibe V. 4. gesagt: Ihr werdet mit nichten des Todes sterben; und das betrogene Weib hatte diese Lügen gegen ihren Manne wiederhohlet, und sie als eine Wahrheit durch ihr eigen Exempel, indem sie nicht gestorben wäre, ohngeachtet sie von der Frucht gegessen hätte, angegeben. Der Teufel ist ein Lügner von Anfang und ein Vater oder Urheber der Lügen. Joh. VIII, 44.
  Da nun unsere ersten Eltern anfiengen,  
  {Sp. 81|S. 54}  
  Gott als einen Lügner anzusehen, so machten sie, soviel an ihnen war, Gott, der die Wahrheit selbst ist, zum Teuffel.  
  Zum vierten sahen sie durch Betrug der Schlangen Gott an, als einen Mißgünstigen, und Neidischen, der ihnen die Lieblichkeit und Annehmlichkeit des Essens dieser Frucht, und die daraus erwachsende höchste Glückseeligkeit, nicht gegönnet hätte.  
  Und daraus entstunde denn fünftens nothwendig bey ihnen ein Haß und Grimm wieder Gott, und eine gäntzliche Abkehrung von demselben. Denn es ist unmöglich, daß ein Mensch zu demjenigen, von welchem er glaubet, daß er ihm zuwieder sey, und etwas mit Fleiß in den Weg leget, daß er nicht recht glücklich werden möge, solte eines Sinnes seyn, und zu ihm ein gutes Vertrauen haben können.  
  Solchergestalt, siehet man leicht, was für Wust und Greuel in dem ersten Sünden-Fall stecke, und, daß es hier nicht so wohl auf das blose äusserliche Essen an sich selbst, als vielmehr auf die innerliche Gemüths-Beschaffenheit, aus welchem solches Essen her geflossen ist, ankomme. Denn wenn das Gemüth der ersten Eltern in seiner anerschaffenen Lauterkeit blieben wäre, so würde das äusserliche Essen unterblieben seyn.  
Zeitpunkt Noch eine Frage möchte hierbey zu erörtern seyn, an welchem Tage nehmlich der Fall unserer ersten Eltern geschehen sey. Es wird nehmlich dafür gehalten, daß unsere ersten Eltern gleich am Tage ihrer Schöpffung gefallen wären. Nun saget Moses hiervon nichts gewisses, und deßwegen kan hiervon auch nichts anders, als muthmaßliches beygebracht werden. Daher kommt es lediglich darauf an, was den grössesten Grad der Wahrscheinlichkeit habe; und da erwege man nun folgende Umstände.  
  Es sind am 6sten Tage alle vierfüßige Thiere und anderes Gewürm der Erden erschaffen worden. Cap. I, 24, 25.
  Adam war ausser dem Paradiesse erschaffen, und GOtt hatte ihn in dasselbe hineingeführet. Cap. II, 7, 8.
  Gott hatte dem ersten Menschen seine Geschäffte im Garten Eden angewiesen vers. 15.
  ihm auch das Gebot gegeben, von dem Baume mitten im Garten nicht zu essen, ob ihm gleich von allen andern zu geniessen vergönnet wurde vers. 16, 17.
  Dabey nicht anders zu gedencken stehet, als, daß Adam in den weitläufftigen Garten sich werde umgesehen, und die Bäume von welchen er essen und nicht essen dürffte, betrachtet haben.  
  Nach diesem hatte GOtt alle Thiere in den Garten Eden zu dem Menschen gebracht, daß er denselben ihre Nahmen beylegen solte. Nachdem solches geschehen, und keine Gehülffin für Adam erfunden worden, ließ ihn GOtt entschlaffen, bauete ein Weib aus seinem Fleisch und Beinen, und brachte dieselbe zu Adam als er erwachet war. vers. 18-21.
  Adam nahm sein Weib an, und gab ihr einen Nahmen vers. 23.
  Das sind lauter solche Umstände, welche gewisse Zeit erfordern, sonderlich die Benennung so vieler Thiere; und man solte ja wohl urtheilen müssen, daß dieses für einen Tag genung seyn müste.  
  Dazu kommt, daß wir schon bemercket haben, Adam sey bey der Unterredung der Schlangen mit dem Weibe nicht zugegen gewesen. Nun stehet hier wohl nicht zu gedencken, daß Adam sein Weib, über dessen  
  {Sp. 82}  
  Schöpffung er sich sehr gefreuet hatte, gleich anfänglich so gantz alleine gelassen haben solte. So gedencket auch Moses der Feyer des siebenden Sabbaths Cap. II, 1, 2, 3. ehe er des Falles gedencket. Und so müste denn wenigstens der erste Sabbath von unsern ersten Eltern im Paradiese und dem Stand der Unschuld noch gefeyert worden seyn. Nicht zu gedencken, daß, da die Engel sonder Zweiffel erst erschaffen, nachdem Himmel und Erden worden sind, man sagen müste, der Fall so vieler Engel und der ersten Menschen, sey innerhalb 4 bis 5 Tagen geschehen, welches nicht wohl zu vermuthen stehet.  
  Wenn man nun noch darzu erweget, wie wahrscheinlich es sey, daß nur ein Paar von jeder Art der Thiere anfänglich sey erschaffen worden, und daß gleich wohl GOtt nach dem Sünden-Fall ein Paar Felle von Thieren den ersten Menschen zur Decke gegeben; so kan man daraus nichts anders schliessen, als daß unsere ersten Eltern nicht so gar kurtze Zeit, und vielleicht wohl auf ein Jahr im Stande der Unschuld müssen geblieben seyn.  
  Der wichtigste Einwurff, welcher hierwieder gemacht werden könnte, möchte darinne bestehen, daß man auf solche Weise voraus setzen müste, es hätten unsere ersten Eltern in der gantzen Zeit nicht als Eheleute mit einander gelebet; welches aber nicht wohl zu gedencken stünde, da ihnen GOTT den Seegen: Seyd fruchtbar und mehret euch, und erfüllet die Erden zugesprochen, sie auch die Vereinigung der Thiere beyderley Geschlechts vor sich gesehen hätten. Allein es folget nicht schlechterdings, daß Adam und Eva, wenn sie einige Wochen nach einander im Stande der Unschuld geblieben wären, sie auch in der Zeit sich als Eheleute zusammen gehalten haben müsten. Hat man doch Exempel an den ersten Patriarchen vor der Sünd-Fluth, daß sie, ob schon nach dem Sünden-Fall die Natur bey ihnen in Unordnung gebracht war, doch offt hundert und mehr Jahre gewartet, ehe sie zum Ehestande geschritten. Warum solte man denn eben auf die Gedancken gerathen müssen, daß Adam und Eva vor dem Sünden-Fall von so weniger Enthaltung gewesen wären, daß sie nicht einmahl einige Wochen ohne würcklichen Gebrauch des Ehestandes hätten bleiben können.  
  Unvernünfftige Thiere handeln bey der Fortpflantzung ihres Geschlechts nur nach ihren blosen sinnlichen Empfindungen und dem Triebe der Natur, die da weder keinen Verstand, noch durch einen freyen Willen, regieret wird. Allein, vernünfftige Menschen müssen auch in diesem Stücke beweisen, daß die obern Kräffte der Seelen, die sinnlichen Vorstellungen und Begierden beherrschen. Und das kan auch nach dem Sünden-Fall geschehen, es geschicht auch würcklich bey vielen, selbst bey manchen, die eben noch mit keiner besondern Göttlichen Gnaden-Krafft versehen sind. So hat man dann wohl nicht Ursache, sich von unsern ersten Eltern schlechtere Gedancken zu machen, als von ihren Nachkommen nach dem Sünden-Fall. Sie haben vielmehr in diesem Stücke eine Probe abgeleget, daß sie mehr nach ihrem Verstande und freyen Willen, als nach ihren sinnlichen Vorstellungen gehandelt.  
  Herr D. Lange hat in  
  {Sp. 83|S. 55}  
  seinem Mosaischen Licht und Recht … gleichfalls behauptet, daß der Fall der ersten Eltern nicht am 6ten Tage geschehen sey. Dabey er denn zwar die Einwendung selber machet, daß, wofern unsere ersten Eltern im Stande der Unschuld einige Tage verblieben wären, sie darinne würden Kinder gezeuget haben; darauf aber antwortet, daß unter der weisen Regierung GOTTES, im Stande der Unschuld, sich wohl gewisse uns unbekannte Ursachen könnten gefunden haben, warum sich die beyden ersten Menschen nicht sobald ehelich zusammen gehalten.  
  Nun können freylich einige uns unbekannte Ursachen davon vorhanden seyn; alleine eine und die andere können doch auch wohl angegeben werden. Wäre unsern ersten Eltern im Stande der Unschuld nur ein Kind gebohren worden; so würden sie solches doch allem Ansehen nach auch verführet haben. Wäre selbiges in der Unschuld geblieben; mit wem hätte es sich nach dem Sünden-Fall vereheligen sollen? Eine von Natur sündige Person würde sich zu einer andern, die mit dem Göttlichen Ebenbilde noch vollkommen gepranget hätte, nicht geschicket haben; und diese würde jene zu ehligen sich viel weniger haben entschliessen können, als ein Mensch, der nur eine kleine Überlegung braucht, sich entschliessen wird, eine Person die gantz und gar aussätzig ist, zu heyrathen.  
  Hätten denn aber unsere ersten Eltern im Stande der Unschuld mehr als ein Kind gezeuget, und diese ihre Kinder wären im Stande der Unschuld geblieben, jene aber wären gefallen, und hätten hernach ihr Geschlecht durch Kinder von einer sündigen Art fortgepflantzet; so würde zwischen den Kindern Adams eine gäntzliche Trennung geschehen seyn, welches an Seiten der Gefallenen einen beständigen Neid, Mißgunst, und Grimm wieder die andern, und folglich die grösseste Verwirrung, würde nach sich gezogen haben. Ja es hätte dieses gar zu einer unüberwindlichen Behinderung der Bekehrung an Seiten der Gefallenen ausschlagen können.  
     

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Stand: 25. Februar 2013 © Hans-Walter Pries