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Zedler: Teutsche Lexica HIS-Data
5028-42-1864-2
Titel: Teutsche Lexica
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 42 Sp. 1864-1871
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 42 S. 945-49
Vorheriger Artikel: Teutsche Lehn-Rechte
Folgender Artikel: Teutsche Leyer
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

  Text Quellenangaben
  Teutsche Lexica oder Wörter-Bücher, sind Bücher in welchen die Wörter der Teutschen Sprache erläutert, und von derselben Gebrauch gehandelt wird.  
  Diese Arten von Büchern haben in unserer Sprache einen sehr grossen Nutzen, und sind sonderlich bey der Teutschen Etymologie unentbehrlich.  
  Es haben sich viele geschickte Leute über dergleichen Arbeit gemacht, und zur leichtern Erlernung so wohl als Ausbreitung und Verbesserung unserer Mutter-Sprache ein vollständiges Wörter-Buch zu liefern unternommen, sie haben aber lange Zeit ihre Absicht nicht erreichen können.  
  Zu der jetzigen Zeit schaffen die uralten Teutschen Lexica noch den meisten Nutzen, weil man daraus die alten Stamm-Wörter unserer Sprache nehmen, und nach der Etymologie untersuchen kan, die folgenden Wörter-Bücher aber die neuer sind, können nicht so gut gebraucht werden,  
  {Sp. 1865|S. 946}  
  biß man auch in diesem Stücke unserer Sprache ein grösser Licht und Ansehen zu unseren Zeiten gegeben hat.  
  Das allerälteste Wörter-Buch ist wohl des Rabanus Maurus Glossarium Latino-Theodiscum, in tota Biblio Veteris et Novi Testamenti, welches aber noch niemahls dem Drucke übergeben worden. Lambecius hat dieses Buch auf seiner Reise in Tyrol in einem Schlosse unter den ältesten Büchern gefunden, und dasselbe in die Kayserliche Bibliotheck nach Wien gebracht. Er versprach zwar in seinem Syntagmate rerum Germanicarum dasselbe herauszugeben, es ist aber unterblieben. Den Anfang dieses Wörter- Buchs setzt er Lib. II. comm. de Biblioth. Vindobon. ... welcher also lautet: Pikinant Samenunga Uvorto sona dero nivum anti Deru altun Evu: Es fangen sich die Sammlungen der Wörter aus dem Alten und Neuen-Testamente an. Das Alterthum, welches hierdurch ist entdeckt worden, ist gewiß merckwürdig, denn das Buch ist ohngefehr 847 geschrieben worden.  
  Desselben Verfassers Glossae Latino-Theodiscae de partibus humani corporis, wie auch de inventione linguarum ab Hebraico ad Theodiscam, et notis antiquis welche Wallefrid Strabo aus seinem Munde in die Feder gefasset, sind von Melchior Goldastus dem andern Theile seiner Rerum Alemannicarum ... einverleibet, die auch unter den Wercken des Rabanus die zu Cöln 1607. herausgegeben worden sich mit befinden.  
  Ferner hat ein Mönch zu St. Gallen Kero interpretationem vocabulorum barbaricorum (wie er die Teutschen Wörter nennet) geschrieben, welches an eben dem angeführten Orte beym Goldastus ... befindlich ist.  
  Dieser Goldast hat in seinem I Theile Rerum Alemannicarum ein Glossarium hinzugesetzt, welches Marq. Freher in dem Seinigen auch gethan hat.  
  Derselbe hatte auch den Vorsatz gefasset Onomathetēn seu de nominibus propriis Alemannorum einen Tractat herauszugeben, wo von D. Luther auch ein besonderes Büchelgen geschrieben, dessen Arbeit aber mag wohl verlohren gegangen seyn, welcher Verlust sehr zu bedauren ist.  
  Man hat auch ein altes Lexicon Germanico-Latinum welches unter dem Titel Teuthonista 1477 zu Cöln zum Vorscheine gekommen, dessen Verfasser Gerhard von Schuren ist. In der Vorrede wird von ihm gesagt, daß er des Huguico eines sehr alten und weitläufftigen Schrifftstellers Wörter-Buch mit eingerückt habe, welches uns bis jetzo mehreren Umständen nach nicht weiter bekannt ist. Es sind in diesem Wörter-Buche unterschiedliche jetzt ungebräuchliche alte Wörter anzutreffen, und es ist deswegen wohl zu brauchen. Siehe den Artickel Teuthonista.  
  Auf der Academischen Bibliotheck in Kiel befindet sich auch eines Ungenannten geschriebenes Glossarium Latino-Germanicum, welches nach dem sogenannten Catholico erstlich heraus gekommen, und mit dem obigen eines Alters zu seyn scheinet.  
  Josuä Maalers Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch ist auch eins der ältesten und raresten, und der vollständige Titel ist: Die teutsche Spraach. Alle Wörter, Nahmen und Arten zu reden, in hoch-  
  {Sp. 1866}  
  teutscher Sprach dem A, B, C, nach ordentlich gestelt, und mit guten Latein gantz fleißig und ordentlich verdollmetscht, dergleichen bisher noch nie gesehen, Zürich, in 4. 1561. Der Verfasser, welcher Prediger zu Algow, Zürichischen Gebiets war, ist sonderlich durch Conrad Gesnern zur Unternehmung dieses Wercks aufgemuntert worden, welcher auch eine Vorrede darzu gemacht hat.  
  Im Jahr 1538 ist ans Licht getreten Helien Meischners, Würtenbergischen Hof-Gerichts-Secretarii Hand-Büchlein, gründlichen Berichts Recht und Wohlschreibens, sammt kurtzer Erzehlung der anhangenden Kräfften der Wörter, auch etlichen Synonymis, zierlichen und artlichen Wörtern des Weydwercks vormahls dergleichen im Druck nie gesehen. Tübingen.  
  Simon Rothen teutscher Dictionarius, so die im Teutschen eingeschlichenen fremden Wörter verteutscht, ist in 8. 1571 zu Augspurg ans Licht gekommen.  
  Desgleichen müssen hieher gerechnet werden Agricolae fünfhundert teutsche Sprüchwörter Augspurg 1548. und Sebastian Franckens teutsche Sprüchwörter, Franckfurt 1541. wie auch Leonhard Schwartzenbachs Synonyma, oder Formular wie man einerley Rede und Meynung mit andern Wörtern auf mancherley Art und Weise reden, schreiben und aussprechen soll. Franckfurt 1581. fol.  
  Aus diesem Verzeichnisse der Verfasser kan man erkennen, daß die Schweitzer, die Schwaben und Francken die Ersten mit gewesen, welche einen Versuch in Verfertigung der teutschen Wörter-Bücher gethan, und man kan ihnen ihr gehöriges Lob nicht entziehen. Es wird uns auch jeder seinen Beyfall nicht versagen, wenn er die Bücher die in dieser Art schon in der Mitte und Ende des sechzehnten Jahrhunderts zum Vorscheine gekommen sind, ansiehet, und welche wir eben jetzo angeführt haben.  
  Der gelehrte Conrad Gesner schrieb allein damahls schon so viel zur Erläuterung unserer Mutter-Sprache, daß wir ihn deswegen vielen Danck schuldig sind. Ausser seinem von dem Unterschiede der Sprachen handelnden Mithridates, hat er auch in verschiedenen eintzelnen Schrifften eine grosse Anzahl teutscher Wörter, sonderlich aber die Nahmen der Fische und Wasser-Thiere deutlich erkläret, wovon sein herausgegebenes Buch den Titel führt: Conradi Gesneri de piscibus et aquatilibus omnibus Libri III Zürch 1556 woselbst er ein ausführliches Verzeichniß der Fische und Wasser-Thiere, nach ihrer teutschen Benennung angeführet hat.  
  Dieser hat auch von den Edelsteinen und Ertzte auf gleiche Weise ein Buch geschrieben, dessen Titel ist: Conradi Gesneri de omni rerum fossilium genere, worinne nach Johann Rentmanns Beschreibung alle Bergwercks-Wörter von Ertzte Teutsch und Lateinisch ausgelegt, Zürch 1565. Ingleichen hat er in eben diesem Jahre geschrieben: De rerum fossilium lapidum et gemmarum figuris librum, woselbst ebenfals die teutsche Benennungen aller dieser Dinge mit einer Lateinischen Erklärung zu finden sind.  
  Paul Eber und Caspar Peucer haben in einem 1551 zu Wittenberg gedruckten Buche die Benennungen der vierfüßigen Thiere der Vögel, des Gewürmes,  
  {Sp. 1867|S. 947}  
  des Kräuterwercks, und der Früchte, so wohl mit einer Teutschen als Lateinischen Auslegung sehr schön erkläret, der Titel des Buchs ist Vocabula rei nummariae, ponderum et mensurarum etc. ...  
  Im XVII Jahrhunderte haben wir George Henischens Med. Doct. in Augspurg thesaurum linguae et sapientiae germanicae. Nach einiger Urtheilen ist dieses Werck ziemlich schlecht gerathen, weil er zwar vieles zusammen getragen, aber so unter einander zerstreuet habe, daß man das meiste da nicht finde, wo es von rechtswegen anzutreffen seyn solte. Er soll auch über dieses eine schlechte Schreibart haben, welches man aber noch wegen des Gebrauchs der damahligen Zeiten entschuldiget.  
  Ferner soll er das meiste ohne Lateinische Erklärung hingesetzt haben, dadurch er bey den Ausländern keinen Nutzen schafft, bisweilen aber soll er ein Wort Englisch, Niederländisch, Böhmisch, Frantzösisch, Griechisch, Spanisch, Ungarisch, Italienisch und Pohlnisch ausgelegt haben. Dennoch aber hat er etwas Guts unternommen, daß er einen Versuch gethan, den andere nach ihm weiter haben fortführen können, ob er schon als ein Anfänger damahls kein vollständiges Werck hat liefern können. Er hat auch nur den ersten Theil zu Ende gebracht und ist biß auf den Buchstaben H, gekommen.  
  Lindenbrog hat auch eine solche Arbeit vor sich gehabt, welche sonderlich auf die alten teutschen Wörter ist gerichtet gewesen, es ist aber niemahls zum Vorscheine gekommen, und man irret wenn man sagt, es wäre sein Wörter-Buch in der Handschrifft auf der Hamburgischen Bibliotheck anzutreffen, weil es das Glossarium Latino Theodiscum ist, dessen er offt Erwehnung thut.  
  Es hat auch D. Johann Bernhard Zinzerling eine vollständige Arbeit eines teutschen Wörter-Buchs unter Händen gehabt, er ist aber durch den Tod an desselben völligen Ausarbeitung gehindert worden.  
  Nach der Zeit hat Stieler ein Mitglied der fruchtbringenden Gesellschafft welcher unter dem Nahmen der Spate sehr bekannt ist, ein wohl eingerichtetes Werck zum Vorscheine gebracht; dessen Titel ist: Teutonicae linguae semina et germina seu Lexicon Germanicum, Nürnberg 1691. Ein jeder der dieses Werck gesehen, und die Wahrheit bekennen will, muß gestehen, daß dieser Mann einen ungemeinen Fleiß angewendet, indem er alle Worte unter ihre Wurtzeln zu bringen gesucht, und die zusammen gesetzten Wörter in seiner gehörigen Ordnung vorbringt. Das Grund- Wort hat er auch gantz deutlich drucken lassen, daß es dem Leser gleich in die Augen fällt, dem ohngeachtet hat er nicht bey allen Beyfall gefunden.  
  Denn gleichwie sich die gantze Fruchtbringende Gesellschafft mit ihrer besondern Schreibart nicht allzu beliebt gemacht hat, so ist auch dieses Werck nicht nach der eingeführten und gemeinen Art zu schreiben eingerichtet. Dennoch ist es nicht zu läugnen, daß die in Teutschland, wie zuvor bey andern Völckern, aufgekommene Gesellschafften und vornehmlich auch  
  {Sp. 1868}  
  die Fruchtbringende Gesellschafft, ingleichen die vielerley Genossenschaften, Sprach-Orden und Schäfereyen in Nieder-Sachsen, und dem Reiche, durch dergleichen Gattung von Schrifften viel zur Aufnahme und Auszierung der teutschen Sprache beygetragen. Diejenigen die dieses läugnen, stossen sich gemeiniglich an einige seltzsame Einfälle verschiedener Mitglieder von diesen Gesellschafften, und erwegen nicht, daß wir noch weit zurücke seyn würden, wenn sie uns zuvor nicht den Weg gebahnet hätten.  
  Eines der neuesten und vollständigsten unter den teutschen Wörter-Büchern ist des D. Steinbachs in Breßlau welches vor zehn Jahren ans Licht gestellet worden ist. Man hat ihm zwar einige Fehler ziemlich beissend darinne vorgerückt, er selbst aber ist so bescheiden, daß er es nicht vor das vollkommenste Werck ausgiebet, und gerne gestehet, daß einige Wörter, wohl gar weggelassen oder doch nicht vollständig genung erkläret seyn könnten.  
  Es ist auch Wachters Glossarium germanicum, und ein anderes Glossarium welches Schilters Thesauro Antiquitatum Teutonicarum beygefügt ist, zu mercken, unter welchen viele das Erstere vor das vollständigste Werck halten, welches in dieser Art jemahls zum Vorscheine gekommen ist.  
  Zu unsern Zeiten haben sich sogar gantze Gesellschafften bemühet den teutschen Wörter-Büchern eine andere Gestalt zu geben, und sie zur möglichsten Vollkommenheit zu bringen.  
  Die Königliche Preußische Societät der Wissenschafften ward in ihrer Verordnung besonders auf die Ausübung unserer Muttersprache gewiesen, zu welchen Ende der damahlige Societäts-Secretär Hof-Rath Jablonsky einen Entwurff eines teutschen Wörter-Buchs verfertigte, welcher Vorschlag vielen Beyfall fand. In demselben hat man alle die gründlichen Sprach-Anmerckungen angetroffen, die er selbst, in Abfassung seines vortrefflichen Wörter-Buchs der Künste und Wissenschafften zum Vergnügen aller Kenner beobachtet hat.  
  Die ehemahlige Teutsch-übende Gesellschafft in Hamburg, wovon Brockes, D. Fabritz, Prof. Richey, und Herr König in Dreßden Mitglieder waren, hatte nicht weniger ihr Augenmerck auf ein künfftiges Wörter-Buch gerichtet.  
  Bey der fast zu gleicher Zeit damahls zu Leipzig in Vorschlag gebrachten Academia Augustea der Wissenschafften ward gleicher massen die erste Eintheilung also fort der Muttersprache gewidmet, und vornehmlich auf die Ausfertigung eines teutschen Wörter-Buchs gesehen.  
  Eine gleiche Absicht hatte auch der ehemahlige erste Vorsteher der Preußischen Societät der Herr von Leibnitz welcher seine Gedancken von Ausübung und Verbesserung unserer Sprache, sonderlich aber von Verfertigung eines und des andern Wörter-Buchs zu Papier brachte, und eine von jener gantz abgesonderte teutsche Sprach-Gesellschafft unter dem Schutz eines hohen Oberhaupts zu errichten gedachte, weswegen er sich auch nach Berlin verfügte. Als er aber nach dem erfolgten Ableben Fridrichs des Ersten Königs von Preussen seinen Zweck daselbst zu erhalten nicht hoffen konnte, und sich von dar nach Wien in gleicher Absicht  
  {Sp. 1869|S. 948}  
  begab, wuste er durch seine bündige Vorstellungen den Kayserlichen Hof dermassen zu gewinnen, daß er würde durchgedrungen haben, wenn er über die vielen Hindernisse die sich zeigten nicht endlich selbst gestorben wäre.  
  In Erwegung dessen, und weil sie in Meissen so viel Schwierigkeiten der Sprache halber nicht finden wie in Österreich, ließ sich der vorige König von Pohlen August der Andere Herrn Königs wiederhohlten Antrag nicht mißfallen, sondern sich durch seine Neigung zur Teutschen Sprache bewegen, daß er in Leipzig eine eigene Academie für die Teutsche Sprache nach Art der Frantzösischen anzulegen beschloß, worzu alle in der Art von Wissenschafften berühmte Männer aus gantz Teutschland als abwesende Mitglieder gezogen werden solten.  
  Der König hatte Ihro Excell. den Herrn Grafen von Mannteuffel, als einen höchst erfahrenen Kenner der schönen Wissenschafften, zum Cantzler der teutschen Academie, sich selbst aber zum Oberhaupte gesetzt, und der Endzweck des Königs war hauptsächlich die Verbesserung der teutschen Schaubühne, die Abfassung einer gründlichen Sprachlehre, und die Verfertigung eines vollständigen Wörterbuchs. Es ist gar nicht zu zweiffeln, daß unter dessen hohen Schutze nicht etwas vollkommenes hätte zum Vorscheine kommen sollen.  
  Weil er aber die Mittel nicht nur kannte sondern auch reichlich anzuwenden pflegte, wodurch rechtschaffene Gelehrte in ihren Bemühungen zur fernern Fleisse aufgemuntert werden, die vielen Staatsgeschäffte aber die würckliche Vollziehung dieses so löblichen Vorhabens von einer Zeit zur andern verschoben, so machte endlich der Tod unverhofft die hohen Absichten des Königs zu nichte. Die noch anjetzo zu Leipzig und Jena blühende Gesellschafften, geben uns auch gute Hoffnung zu einem von ihnen bald zu erwartenden Wörter-Buche.  
  Nachdem man aber von allen jetzt gemeldeten Sprach-Gesellschafften noch zur Zeit in dieser Art Schrifften nichts gesehen; von einigen, weil sie nicht zu Stande gekommen sind, von denen wir uns künfftig gar nichts mehr; von den andern hingegen uns wenigstens nicht so bald etwas versprechen können: so haben wir Ursache den Verfassern der Wörterbücher desto mehr verbunden zu seyn, und dieses muß allen denjenigen ein Antrieb zu einer gleichen Bemühung seyn, die die erforderte Geschickligkeit besitzen, ein solches Werck zu unternehmen, und dadurch unserer Sprache ein neues Ansehen und Wachsthum zu geben.  
  So schwer es nun ist ein recht vollkommenes Wörter-Buch zu verfertigen so groß ist auch der Nutzen, der daher entspringt. Denn in einem solchen Buche kommt alles von jedem Worte in einer Sprache vor, was dazu gehöret, und man kan daraus leicht erkennen, ob dieses Wort im Gebrauche sey oder nicht. Vors andere kan man einem Fremden kein besser Licht in einer Sprache geben, als dadurch. Denn wo er die selber nicht ohne Grundsätze aus dem Gebrauch erlernen will, welches doch bey einem Erwachsenen sehr langsam, oder auch wohl gar nicht angehet, so muß er nothwendig, wenn er sie recht  
  {Sp. 1870}  
  fassen will, ein Buch bey der Hand haben, worinnen er alle Worte nach eines jeden Bedeutung finden kan. Doch ist es nicht nur einem Ausländer nöthig: auch derjenige welcher ein Teutscher ist, hat öffters Ursache, und die Nothwendigkeit erfordert es vielmahls, daß er Kunstwörter aufsuche und ihre Bedeutung aus Büchern erlerne.  
  Der Reichthum der Wörter und Redensarten, derselben Deutlichkeit, genaue Bestimmung, und nach der Natur der teutschen Sprache regelmäßige Zusammensetzung sind Mittel, unsere Gedancken leicht und richtig von uns zu geben, und andern unsere Begriffe deutlich mitzutheilen. Daher ist es unumgänglich nöthig, daß man die Bedeutung eines Wortes wohl verstehe, eine auserlesene und zulängliche Sammlung guter Wörter und brauchbarer Redensarten besitze; nicht nur eines jeglichen Wortes eigentlichen und uneigentlichen Verstand dessen Gewicht, Stärcke, oder Schwäche, Zierlichkeit oder Unwerth kenne; sondern auch die erforderliche Kentniß von den Nebenbedeutungen eines Wortes habe; wenn man anders ohne Schwierigkeit, ohne Zweydeutigkeit ohne Dunckelheit, oder wenigstens ohne Fehler wider die gewöhnliche Schreibart und Sprachart, seine Gedancken andern mittheilen will.  
  Ein so nöthiger und weitläufftiger Vorrath muß in den Teutschen Wörterbüchern enthalten seyn, und man kan ihn in keiner andern Art von Schrifften suchen. Man darf sich daher nicht wundern, daß unter uns Zeither wenige sich getrauet, ein so vollständiges Werck zu unternehmen, viel weniger daß man in allen Stücken seine Absicht niemahls hat erlangen können.  
  Die Ursachen davon sind gar leicht zu entdecken, weil ein solches Werck in jeder Sprache mit vieler Mühe verknüpffet ist, und die besondere Eigenschafft unserer Sprache dasselbe noch schwerer macht, so daß viele, welche die Hand schon angeleget, dieselbe wieder abgezogen haben.  
  Hierzu kommt noch die besondere Schreibart, die vor diesem nicht einerley gewesen, und die mancherley Aussprache verschiedener Völcker in Teutschland. Man sehe nur die älteste Mundart der alten Teutschen an, und betrachte den vielfältigen Verstand der Wörter, den sie von Zeit zu Zeit gehabt, und wie sie noch zu unserer Zeit gebraucht werden, so wird man finden, daß in unserer Sprache mit der grösten Arbeit dennoch kaum ein vollständiges Werck zum Vorscheine kommen wird.  
  Es ist aber auch nicht zu läugnen, daß der thörichte Wahn der meisten Leute eine Hinderung hierbey gewesen sey. Die meisten haben sich in den Kopf gesetzt, die Lateinische wäre allein die Grundsprache, die man nur zu untersuchen hätte, an unsere Muttersprache zu gedencken wäre ein überflüßiges Unternehmen. Durch dieses Vorurtheil hat man, wo auch noch etwas im Teutschen ist untersucht worden unsere Sprache mit der Lateinischen so vermischt, daß jene fast ihr bestes Ansehen verlohren hat.  
  Dieses kan man nicht weniger auch unter die Hindernisse eines Teutschen Wörterbuchs mit rechnen, daß einer unserer Sprache bald auf diese, ein an-  
  {Sp. 1871|S. 949}  
  derer auf eine andere Seite zog. Der wolte sie aus den Griechischen, jener aus dem Hebräischen hier einer aus dem Schlavonischen dort einer aus einer andern Sprache herleiten, und wenn dieser oder jener nur einige gleich lautende Wörter darinnen fand, so muste sie gleich aus derselben herkommen. Dadurch brachte man aber mit Gewalt fremde Wörter in unsere Sprache, die doch dem Verstande und dem Laut nach gantz unterschieden waren, wovon Eckarts historia studii Etymologici mit grossen Nutzen kan nachgelesen werden.
  Endlich hat keiner nicht ein so weitläufftiges Werck stuffenweise angefangen, sondern man hat bald anfangs grosse Sprünge gethan, welches eines der grösten Verhinderungen bey den teutschen Wörterbüchern gewesen ist. Man hat nicht bey den Wurtzeln unserer Muttersprache verbleiben wollen, sondern man ist bald auf fremde Sprachen verfallen, man hat ein oder das andere Wort durch alle Sprachen durchgetrieben, bis man damit so weit gekommen ist, daß man nicht gewust zu welcher Sprache man es rechnen soll.  
  Die wahre Teutsche Bedeutung hat man welches sehr zu bedauren ist, einige sehr wenige ausgenommen, gäntzlich liegen lassen, welche doch ein Ausländer am ersten zu wissen verlanget, der durch vielerley Sprachen vielmehr irre gemacht wird, und dadurch vor der Teutschen einen Abscheu bekömmt.  
  Soll aber ein teutsches Wörterbuch vollständig und brauchbar seyn, so muß folgendes darbey beobachtet werden.  
  Es müssen erstlich alle oder doch die meisten Stammwörter die man braucht, hernach die abstammenden Wörter in gehöriger Ordnung gesetzt werden. Die eigentliche Bedeutung eines jeden Worts muß genau angezeigt, die Ähnlichkeit mit andern, oder die Abweichung von den fast gleichlautenden Wörtern bemerckt, und die zusammen gesetzten angezeigt werden.  
  Man muß die unbrauchbaren von den gültigen, die veralteten von den noch gewöhnlichen, die nicht überall geltende, von den allenthalben angenommenen, die unreinen und pöbelhafften von den reinen und edlen, durch gewisse Merckmahle unterschieden, antreffen, genugsame Redensarten angeführet, und alles und jedes den Ausländern zum Besten Lateinisch erkläret finden.  
  So müssen teutsche Wörterbücher eingerichtet seyn, wenn sie allen und jeden Nutzen schaffen sollen, und nach diesen Eigenschafften hat man jedes zu prüfen, daraus man leicht erkennen wird, wie weit dieses oder jenes Wörterbuch, welches wir jetzo aufzuweisen haben, mit den erfoderten Stücken übereinkomme.
  • Morhofs Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie ...
  • Gottschlings Einleitung in die Wissenschafft guter und neuer Bücher ...
  • Steinbachs Vorrede zum vollständigen teutschen Wörterbuche.
     

HIS-Data 5028-42-1864-2: Zedler: Teutsche Lexica HIS-Data Home
Stand: 8. April 2013 © Hans-Walter Pries