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Zedler: Thüringen [2] HIS-Data
5028-43-1861-1-02
Titel: Thüringen [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 43 Sp. 1867
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 43 S. 947
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  Text Quellenangaben
  Politische Beschaffenheit des Thüringer-Landes.  
  Die Landschafft Thüringen war vom Anfange ein Königreich, erstreckte sich aber nicht so weit als der Thüringische Nahme. Denn durch den Thüringischen Bund bekam Thüringen zwar eine weitläufftigere Bedeutung, so ferne alle mit ihm vereinigte Völcker und Königreiche für Thüringer gerechnet wurden, aber keine breitere Gräntzen; sondern gleichwie ein jeder König sein eigenes und abgetheiltes Land und Königreich hatte und behielt; also hatte auch der König der Thüringer sein gemessenes Land: jedoch ist kein Zweiffel, daß er der gröste und mächtigste unter ihnen gewesen sey, weil die übrige seinen Bund und Nahmen angenommen haben.  
  Was es aber zu den ersten Zeiten mit diesem Königreiche für eine Bewandniß gehabt, wenn und wie es aufgenommen, wie weit sich dessen Grentzen erstreckt, ob es ein Erb- oder Wahl-Königreich gewesen, und was dergleichen mehr, davon hat man keine Gewißheit. Jedoch ist die Sache an sich selbst aus den Geschichten der Fränckischen Könige, aus den Briefen des Caßiodorus, und aus der Zerstörung und Zergliederung des Thüringischen Königreichs, so klar und so gewiß, daß man daran zu zweiffeln nicht die geringste Ursache hat.  
  Es haben sich zwar einige gefunden, welche alles, was andere Geschicht-Schreiber von den Thüringischen Königen und Königreiche melden, in Zweiffel gezogen haben: ihr Einwürffe und Zweiffel sind aber lange nicht so starck, daß sie jemanden überzeugen solten, es wäre kein Königreich in Thüringen jemahls gewesen.  
  Christian Juncker setzt in seiner Einleitung zur Geographie der mittlern Zeiten … das Thüringische Königreich und alle Könige, die darinne regieret haben sollen, unter die Fabeln, wenigstens unter die gantz ungewssen Dinge. Die Ursachen, welche ihn bewogen, einen solchen Ausspruch zu thun, sind folgende:  
  Erstlich, spricht er, wird dieses Königreich bereits im 4ten und 5ten Jahrhundert vor aufgerichtet gehalten, aber die Nachrichten und die Zeugnisse, dadurch man dieses bestätigen will, werden aus lauter neuern Schrifftstellern, die im 10ten und 11ten Jahrhundert gelebt, hergenommen.  
  Vors  
  {Sp. 1868}  
  andere sey schlechterdings kein einiges Exempel von selbigen Zeiten, bey einer Nation in Deutschland zu finden, die einen König gehabt hätte, dahero es ein Wunder wäre, daß die Thüringer hierinne allein einen Vorzug vor andern deutschen Völckern haben solten.  
  Drittens würde alles dasjenige, was von Sagittarius weitläufftig angeführt werde, von ihm selbst, als ungewiß, vielfältig widerleget, oder in Zweiffel gezogen.  
  Viertens, schreibet er, würden gleichsam drey Zeitstriche der Thüringischen Könige gemacht, nehmlich der gar Alten, aus den Innngesessenen, derer, die von dem Fränckischen Könige Chlodius im fünften Jahrhundert abgestammet, und bis in die Mitte des sechsten als Könige in Thüringen regieret hätten, und endlich derjenigen, die zu den Zeiten der alten Austrasischen Könige von der Mitte des Sechsten, bis in die Mitte des Siebenden Jahrhunderts, als Könige in Thüringen geherrschet hätten; hernach aber nur Hertzoge genennet worden wären, von denen Rudolph der erste gewesen, der von diesen Fränckischen Königen abgefallen.  
  Alle diese Traditiones könnten ohnmöglich auf eine zuverläßige Art bewiesen werden.  
  Allein, was den ersten Einwurff anbelangt, als ob vor dem 10ten und 11ten Jahrhundert kein Geschicht-Schreiber der Thüringischen Könige und des Königreichs einige Erwehnung thue, so ist dieses ein ungegründetes Vorgeben. Gregor, ein Ertz-Bischoff zu Tours, insgemein Turonensis genannt, lebete im sechsten Jahrhundert. Da er nun in seiner Historia Francorum … der Dänen Einfall und Niederlage erwehnt, so setzet er bald darauf: daß damahls bey den Thüringern drey Brüder das Königreich gehabt hätten: Badericus, Herminefredus, und Bertharius, Lib. II. …
  Ferner berichtet er: das Theodoricus mit dem Herminefred, Könige in Thüringen, wider seinen Bruder Badericus Krieg geführet hätte. Im dritten Buche aber beschreibt er die Verheerung des Thüringischen Königreichs. Es gedenckt auch Jornandes in seinem Tractat de rebus Gothicis des Thüringischen Königs Hermenfrieds.  
  Der zweyte Einwurff, da Juncker vorgiebt, es wäre kein eintziges Exempel vorhanden von einer deutschen Nation, die damahls ihren König gehabt hätte, ist ebenfalls von keiner Erheblichkeit. Tacitus redet überhaupt von der deutschen Nation, wenn er schreibt: Reges ex nobilitate, Duces ex virtute sumunt, und ist denn nicht ein Celtischer König Ambigat bekannt, unter welcher Nation die Deutsche mit begriffen war? Falckensteins Antiquitat. Sundgav.
  Brewnus war ein König der Senonen oder Semnonen, einer Teutschen Nation, und Ates, Galatus, zwey Könige der Bojer, Ariovistus, Maroboduus und Vocio waren lauter Teutsche Könige, deren man noch gar viel anführen könnte, wenn es nöthig wäre.  
  Der dritte Einwurff ist gantz ohne Grund. Denn erstlich verhält es sich nicht also, daß Sagittarius dasjenige solte geschrieben haben, was Juncker vorgiebt; und  
  {Sp. 1869|S. 948}  
  so fern auch dieses wahr wäre, so kan des Sagittarius Vorgeben wieder das Zeugniß so alter und unverfälschter Geschicht-Schreiber nichts ausrichten.  
  Von dem vierdten Einwurff werden wir hin und wieder in der Abhandlung selbst Gelegenheit nehmen zu reden.  
  Allein da dieser in der Sache zu wenig gethan hat, so vergehen sich einige auf der andern Seite und thun der Sache zu viel.  
  Lazius schreibt in seinem Tractat de migratione gentium, daß als Troja zerstöhret worden, und die Asiatisch und Europäischen Völcker, die mit bey dieser Belagerung gewesen, hin und wieder zerstreuet worden wären, so wären auch unter diesen die Thüringer über der See in Cimbrien zuerst angelandet, und alsdenn in Teutschland gekommen.  
  Johann Roth meldet im XL. Capitel seiner Teutschen Eisenachischen Chronick, daß nach geendigten Trojanischen Kriege, zur Zeit des Israelitischen Königs Sauls, der Senno, Antenors Sohn, aus Begierde fremde Länder zu besehen, zu Schiffe an das Balthasische gekommen, wo sich nachmahls die Sachsen niedergelassen, damahls aber die Thüringer gewohnt hätten, von denen dieser Senno zum Könige erwehlet worden wäre. Diesem sey Marcomerus in der Königlichen Regierung gefolget, der so wohl über die Thüringer als Sachsen, von den äussersten Grentzen Westphalens bis an Böhmen geherrschet, daß sich auch sein Königlicher Stamm biß auf den Julius Cäsar erstreckt habe.  
  Johann Binnhardt führet in seiner Neuen vollkommenen Thüringischen Chronick … an: Das Anno 40. nach Christi Geburt König Weibel in diesem Lande geherrschet habe, welcher sich durch weise Policey- und Kriegs-Verordnungen bey den Thüringern einen grossen Nahmen gemacht und sich in Ansehen gesetzt hätte. Im Jahr 319 soll, nach Binnhardts Vorgeben, ein König Hogerle über Thüringen regieret haben, 447. König Merwig, 518. hätten die Thüringer drey Brüder den Baldericus, Hermanfried, und Berthanus zu Königen gehabt, 564 soll Sigebert, 617. Lotharius, und 632. Dagobert regieret haben, welcher letztere König das Peters-Kloster in Erffurt gestifftet haben soll.  
  Wir wollen uns aber bey dieser und vieler andern Geschicht-Schreiber Meynungen nicht aufhalten, sondern nur diejenigen Könige in Thüringen beyfügen, welche der berühmte Johann Hübner im V Theil seiner Historischen Fragen anführet: Diese sind folgende:  
  Titius, der gleich zur Zeit der Geburt unsers Heylandes regieret haben soll.  
  Hermanfried, 101. ohngefehr.  
  Friedericus, 200.  
  Heroldus, um das Jahr 306.  
  Widelphus, 430.  
  Meroveus, 445.  
  Basinus, 455.  
  Herrmanfried, der letzte König in Thüringen, biß 524.  
  {Sp. 1870}  
  Was Lucä im Fürsten-Saale …, der Ungenandte der Historiae de Landgraviis Thuringiae im I Cap. Johann Bange in seiner Thüringischen Chronick, der ungenandte Verfasser von den merckwürdigen und auserlesenen Geschichten von der Landgrafschafft Thüringen, Martin Christoph Laurentius in seinen Originibus Doringicis … und Caspar Abel in der Sammlung etlicher alten Chronicken, in dem ersten Chronico von den Geschichten der Heydnischen Sachsen und Thüringer … anführen, wollen wir nicht weitläufftig hersetzen, weil den wenigsten wohl damit gedient seyn dürffte, was andere vor Thüringische Könige erdichtet haben. Wir wollen uns vielmehr bemühen, in diesem Stücke zu einer Gewißheit zu kommen, und die wahren Könige der Thüringer zu untersuchen.  
  Sagittarius scheinet wohl in seinen Antiquitatibus Regni Thuringici … der Wahrheit am nächsten gekommen zu seyn, welcher folgende Könige angiebt:  
  1) Chlodio, welcher zur Zeit des Römischen Kaysers Honorius um das Jahr Christi 428. bekannt worden.  
  2) Meroveus.
  3) Basinus.
  4) Badericus, Bertharius, und Hermanfried drey Brüder, welche Thüringen unter sich getheilet.  
  Daß der erstere unter diesen Chlodio ein König der Francken gewesen ist an sich eine richtige Sache, daß er aber ein Thüringischer König zu nennen sey, solches kömmt uns vornehmlich zu beweisen zu. Er wird insgemein vor einen Sohn des gleichfals Fränckischen Königs Phäramundus gehalten, und sein Nahme wird verschiedentlich bey den Geschicht-Schreibern angegeben.  
  Der Anfang seiner Regierung trifft in das Jahr 428, wie solches Baronius, Valesius und Pagius erweisen, und seine Königliche Residentz ist Dispargum in Thüringen gewesen. Dieses bezeuget Gregor von Tours … und Aimoinus Lib. I. Historiae Francorum schreibt mit ausdrücklichen Worten, daß ein Thüringisches Schloß verwüstet worden wäre, auf welchen der König Chlodio seinen Sitz gehabt hätte.  
  Der erstere von diesen bezeuget zwar nur, daß Dispargum an den Thüringischen Grentzen gelegen habe; es hat aber der Herr von Eckhardt Tomo I. Rerum Francic. … erwiesen, daß das Wort Terminus, welches Gregor braucht, nicht durch Grentzen zu übersetzen sey, sondern durch Regio, eine Landschafft oder Provintz, wovon der Artickel Terminus im XLII Bande, p. 1034. nachzuschlagen ist.  
  Aber dieses ist noch nicht zulänglich, man fragt noch weiter wo denn dieses Dispargum gelegen habe.  
  Die Meynungen sind hier, wie gewöhnlich, verschieden und in grösserer Menge zugegen, so daß es einige jenseits, andere disseits des Rheins setzen. Diejenigen welche vor Thüringen Tongern annehmen, behaupten, Dispargum sey das heutige  
  {Sp. 1871|S. 949}  
  Diestheim in Brabant; Chifletius hält es vor Dysborg in Brabant.  
  Diejenigen, die Dispargum vor einem Thüringischen disseits des Rheins gelegenen Ort halten, glauben, es sey das heutige Dietesburg in Buchonien, im Fuldischen; andere geben Desenburg, ein festes Schloß in Westphalen, an; Sellius verstehet dadurch Heinsberg im Jülichischen: Die meisten aber, darunter auch Sagittarius mit begriffen ist, sagen es sey Duisburg oder Duißborg am Rhein; Caspar Abel hingegen behauptet, man müsse Isenburg, daß uralte Stamm-Hauß auf dem Wester-Walde, darunter verstehen, und Struve schreibt, Dispargum sey Dilsberg, das an dem Neckar oberhalb Heydelberg gelegene Berg Schloß, gewesen.  
  Von allen diesen unterscheidet sich der Herr von Eckhart, welcher dieses Dispargum in die gefürstete Grafschafft Henneberg setzet, die ehedem auch mit zu Thüringen gerechnet worden, woselbst ein hoher Berg, welchen die Anwohner die Dießburg nennen. Oben auf dessen Gipffel soll eine grosse Ebene seyn, worauf wenig Bäume stehen, die Seiten aber herum sollen mit einer starcken Waldung umgeben seyn.  
  Dieser Berg ist zwar noch in keiner Charte verzeichnet worden, wer aber die Dörffer Helmershausen, Wolmuthausen, Eberhausen, Aschenhausen, und Oberkazo, welche zwischen Meinungen, und Kalten-Nordheim gelegen, in der Charte suchet, der hat die Gegend, wo Diesburg gestanden. Wir tragen kein Bedencken dieser Meynung des Herrn Eckharts beyzutreten, weil gar nicht zu vermuthen ist, sonst auch in keinem bewährten Schrifftsteller zu finden, daß  
  {Sp. 1872}  
  Thüringen damahls zu den Zeiten des Königes Chlodio dahinunter an den Rheinstrom, wo das jetzige Duisburg liegt, sich gezogen habe.  
  Was übrigens des Chlodions Thaten und was er Zeit seiner Königlichen Regierung gethan und vollbracht, solches gehöret hieher nicht, sondern muß unter dem besondern Artickel nachgesucht werden, im VI Bande, p. 443 u.ff.  
  Nach dem Tode des Chlodio, ward Meroveus König in Francken, und wie aus gewissen Umständen zu schliessen, auch König in Thüringen. Weil er entweder ein Stief-Sohn oder naher Anverwandter des Königs Chlodions war, so führte er anfänglich die Vormundschafft über die nachgelassene unmündige Printzen des Königs. Es fielen aber solche schlimme Zeiten ein, da die Printzen ihren eigenen Ländern noch nicht vorstehen konnten, dahero erwehlte ihn das Fränckische Volck zu ihren Könige.  
  Was die Geschicht-Schreiber in Thüringischen Sachen von ihm melden, ist, daß er zu Erffurth auf dem Berge, wo jetzo das Peter-Kloster stehet, ein Schloß, ingleichen ohnweit Erffurth ein anders mit Nahmen Merwigsburg soll erbauet haben.  
  Wenn aber der König Meroveus gestorben, solches erwehnet kein Schrifftsteller mit deutlichen Worten; so viel sich aber muthmassen lässet, mag dessen Tod auf 456. eintreffen. Von seiner Gemahlin ist nichts bekannt, ausser nur, daß er einen Sohn Nahmens Childericus nachgelassen, welcher ihm in dem Fränckischen Königreiche nachgefolget.  
  Übrigens hat der Herr von Eckhart Tom. I. Rer. Francic. … folgende Genealogische Tabelle entworffen:  
  [Grafik]  
  {Sp. 1871}  
  In dem Leben Childerichs gedencket Gregor von Tours des Thüringischen Königs Bisinus oder Basinus, bey welchen Childerich, nachdem er von den Francken, seines lasterhafften Lebens halber vertrieben worden, eine Zeitlang versteckt gelegen. Was den Basinus bewogen, diesen flüchtigen König in Schutz zu nehmen, ob sie einander mit Bluts-Freundschafft oder Schwägerschafft zugethan gewesen, wird von den Geschichtschreibern nicht gemeldet, aber wohl die Untreue, so dieser Childerich an dem Basinus begangen, beschrieben. Siehe Basinus, im III Bande, p. 613.  
  Sonsten scheinet es, daß die Thüringer, seit dem Chlodio über den Rhein gezogen, aufs neue von den Francken abgesetzt haben, und daß solches die  
  {Sp. 1872}  
  Ursache gewesen, warum Chlodoveus 491. die Thüringer mit Krieg überzogen, weil er einen so mächtigen Feind, der ihm an seinen Kriegs-Verrichtungen in Gallien hinderlich seyn konnte, nicht auf dem Rücken haben wolte. Von diesem Kriege berichten Gregorius Turonensis, und andere, doch nur mit wenig Worten, daß Chlodoveus sich die Thüringer unterwürffig gemacht habe; welches Sagittarius nicht von dem völligen Regimente, sondern nur von der in der Zinsreichung bestehenden Dienstbarkeit ausleget. Wer zu der Zeit König in Thüringen gewesen, ist unbekannt.  
  Chlodoveus hatte inzwischen die Thüringer so gedemüthiget, daß er nichts widriges von ihnen zu befahren hatte; und nachdem er auch  
  {Sp. 1873|S. 950}  
  die Alemannen überwunden, und die Burgunder unter sich gebracht, wandte er 507 seine Waffen wider den Gothischen König Alarich zu Toulouse. Theodoricus, König der Gothen in Italien, welcher beyden Königen mit Schwägerschafft verwandt war, wolte anfänglich einen Schiedsmann abgeben; nachdem man aber auf des Chlodoveus Seiten seine Rathschläge verachtet, und denselben kein Gehör geben wollen, so schrieb er an die vereinigte Könige der Thüringer, und stelte ihnen mit beweglichen Gründen vor, wie viel ihnen daran gelegen wäre, daß die überhand nehmende Macht des Fränckischen Königs Ludewigs gehemmet und gebrochen würde. Der Brief findet sich bey dem Caßiodorus mit dieser Aufschrifft: Herulorum Regi, Guarnorum Regi, Thoringorum Regi, Theod. Rex.
  In dem Briefe selbst werden sie Ihro Excellentz genennet, welches eine zur selben Zeit unter Königen gebräuchliche Titulatur war. Wie der König der Thüringer damahls geheissen habe, ist aus der Überschrifft nicht zu erkennen, aber wohl, daß die Könige der Thüringer wahrhafftige Könige gewesen, und von andern Königen dafür erkannt worden.  
  Nach dem Tode Chlodoveus, welcher 511 sich zugetragen, bekam sein ältester Sohn Theodoricus in der Erbtheilung Austrasien. Zu der Zeit regierten 3 Königl. Brüder in Thüringen, Balderich, Bertrar und Hermanfrid. Dieser letzte war vermählt mit des obgedachten Gothischen Königs Theodoricus in Welschland Schwester Tochter Amelbergen. Man findet von dieser Vermählung noch eine Urkunde unter den Briefen dieses Königs bey dem Caßiodorus, welchen Sagittarius ins Teutsche übersetzt, und seiner Thüringischen Historie als ein sonderlich Monument einverleibet.  
  Wie es denn wohl werth ist, daß es von denen, so das Thüringische Königreich in Zweiffel ziehen, mit Bedacht gelesen werde. Gregorius von Tours erzehlet von dieser Amelberga, welche er als ein hochmüthiges und regiersichtiges Weib beschreibet, daß sie ihrem Herrn stets in den Ohren gelegen, daß er seine Brüder verstossen, und ihr Erbtheil an sich bringen solte; auch daß Hermanfrid sich verleiten lassen, seinen Bruder Bertar umzubringen, und den andern mit Krieg zu überziehen.  
  Diese Zwietracht zwischen den Königl. Brüdern hat nun zuletzt das gantze Königreich Thüringen umgekehret. Denn weil Hermanfried für sich allein nicht starck genug war, seinen Bruder Balderich zu überwältigen, so nahm er den Austrasischen König Theodoricus zu Hülffe, mit Versprechen, seines Bruders Erbtheil mit ihm zu theilen. Balderich, der so vielen Feinden nicht gewachsen war, verlohr darüber sein Land und Leben, und Hermanfrid blieb allein König in Thüringen.  
  Es schien, als ob diese schändliche That sein Königreich befestigen würde; aber sie warf es plötzlich über den Hauffen. Denn weil er seinem Versprechen nicht nachkommen, noch die Helffte des brüderlichen Erbtheils dem Fränckischen Könige einräumen wolte, so ward er selbst von dem Theodoricus mit Krieg überzogen, und durch den Beystand des Sächsischen Fürsten Hadu-  
  {Sp. 1874}  
  gasts aller seiner Länder beraubet; welche die Überwinder also unter sich theilten, daß die Unstrut das Fränckische und Sächsische Thüringen von einander scheidete, und die Francken den Südlichen, die Sachsen aber den Nordlichen Theil zu ewigen Zeiten behielten. Solchergestalt ist das Königreich Thüringen um das Jahr Christi 531 (nach des Valesius Rechnung) gäntzlich aufgehoben, und von seinen Feinden zergliedert worden. Siehe Hermanfried im XII Bande, p. 1709 u.f.  
  Die Chronick-Schreiber melden, daß von dieser Landes-Theilung auf Sächsischer Seiten der Ort Scheidingen und Sachsenburg die Nahmen bekommen haben.  
  Gregorius von Tours und andere Fränckische Scribenten, beschreiben diesen Krieg mit Vorbeygehung des Sächsischen Nahmens; jedoch kan dieses Stillschweigen die Sache selbst nicht zweiffelhafftig machen, sonderlich da Adam Bremensis dasjenige aus dem Eginhard ersetzt, was jene aus Nachläßigkeit oder Partheylichkeit ausgelassen haben. Ausser dem finden sich noch viele Anzeigen in der Historie, daß die Sachsen schon seit dem 6 Jahrhundert Meister von Nord- Thüringen gewesen.  
  Nach dem Untergange des Königreichs Thüringen ist der Thüringische Nahme, der vor diesem so grossen Umfang hatte, zwischen der Saala und Werra eingeschränckt geblieben, und das Fränckische Theil zu Austrasien, das Nordliche aber zu Sachsen gerechnet worden.  
  Will man nun die mittlere Thüringische Historie von dieser Zeit an bis auf Heinrichen den Erlauchten Marggrafen zu Meissen recht deutlich und ordentlich wissen, so muß man diese weitläuftige Geschichte in drey Haupt-Absätze theilen, und in Betrachtung ziehen, was  
 
1) unter den Merovingischen Königen
2) unter den Carolingischen Königen
3) unter den Teutschen Kaysern, vorgefallen sey. Dieses macht eine Zeit von ohngefehr 724 Jahr aus, und es würde viel zu weitläufftig seyn, umständlich von allen zu handeln, zumahl da man gantze Bücher davon hat.
 
  Als Thüringen nun also unter den Fränckischen Königen gestanden, unter welchen Theodoricus, König in Austrasien dem Thüringischen Königreiche ein Ende gemacht, und dieses Land seinem Scepter unterworffen; So sind Duces aufgekommen, welche die Könige bey ihrer Abwesenheit, und unter sie die Comites gesetzet, die vornehmlich zu der Carolinger Zeiten bekannt gewesen. Man findet bey glaubwürdigen Scribenten derer aber nur 8 aufgeschrieben, als:  
 
1. Radulphen ums Jahr 648.
2. Theobalden.
3. Hedenen.
4. Trachulfen 849.
5. Ratulfen 874.
6. Popo 892.
7. Conraden.
8. Burcharden, starb 909.
 
  {Sp. 1875|S. 951}  
  Es wurden aber diese Duces nicht nur Duces Thuringiae, sondern auch Duces limitis Sorabici und ihr Ducatus die Sorbische Marck genennet, deswegen, weil sie die Sorben-Wenden, so in Thüringen eingefallen, abhalten solten; welches die Gelegenheit war, daß die folgende Regenten in Thüringen Marchiones tituliret worden.  
  Denn obgleich Heinrich I, als er nur blosser Hertzog zu Sachsen war, mochte in den Händeln mit dem Könige Conraden Thüringen weggenommen haben, so bekamen doch, als Heinrich selbst König wurde, und unter seinen Nachkommen, die Thüringer ihre besondere Regenten. Nun wollen zwar einige vorgeben, daß Kayser Otto I habe Thüringen seinem Sohne Wilhelmen, Ertzbischoffe zum Mayntz, geschencket; solches ist aber noch niemahls erwiesen worden. Vielmehr finden wir die Marggrafen zu Thüringen folgendergestalt:  
 
1. Guntharius, starb 982.
2. Eccard, Marggraf zu Meissen und Thürnen, starb. 1002.
3. Wilhelm I, starb 1034.
4. Wilhelm II, starb 1062.
5. Otto, starb 1067.
6. Egbert I, starb 1068.
7. Egbert II, starb. 1090.
 
  Otto, der fünffte Marggraf, hat dem Ertzbischoff zu Mayntz wegen des Zehenden, so er in Thüringen verlanget, zuviel nachgegeben, woraus hernach unter Kayser Heinrichen IV viel Unglück entstanden.  
  Eckbrecht war der letzte Marggraf in Thüringen, er hatte viele Händel mit Kayser Heinrichen IV, und machte sich gar Gedancken auf das Kayserthum; er wurde aber von des Kaysers Heinrichs Parthey in einer Mühle, Eisenbüttel genannt, bey Braunschweig erschlagen. Nach ihm findet man keine Marggrafen in Thüringen mehr, wozu auch noch dieses mag Ursache gegeben haben, weil vor den Wenden nun keine Gefahr mehr obhanden, da die beyden Marggrafen in Lausitz und Meissen ihnen gnugsam gewachsen waren.  
  Hingegen trifft man nun die Comites patriae oder Provinciales Thuringiae, und denn die Comites Palatinos Saxoniae an, und sind solches keine andern als die Landgrafen, welche noch jetzo darinnen vorhanden, und wie folget, einander gefolget haben:  
 
1. Hermann I, Graf Wintzenburg.
2. Hermann II, abges. 1130, Graf Wintzenburg, starb 1152.
3. Ludewig I, starb 1140.
4. Ludewig II, der Eiserne, starb 1172.
5. Ludewig III, starb 1191.
6. Hermann III, starb 1215. Com. Pal. Sax.
7. Ludewig IV, starb 1227.
8. Hermann IV, starb 1241.
9. Heinrich Raspo, starb ohne Kinder 1247.
10. Heinrich, Marggraf zu Meissen.
 
  Die beyden ersten Hermanne waren aus dem  
  {Sp. 1876}  
  Gräflichen Geschlechte derer von Wintzenburg, so im Bißthum Hildesheim liegt. Der erste Hermann war schon 1100 bey dieser Würde. Der andere, so sein Sohn war, brachte Burckharden von Luckem, einen Kayserl. Bedienten, um, wurde aber deswegen in die Acht gethan, und seiner Würde in Thüringen entsetzt, solche auch von dem Kayser Lotharius 1130 an Graf Ludewigen gegeben. Hermann ist hernach 1152 mit seiner Gemahlin zu Wintzenburg im Bette erstochen worden, von einem seiner Ritter, dessen Weib er mit Gewalt geschändet hatte.  
  Der neue Landgraf Ludewig war ein Enckel Ludewigs des Bärtigten, den Kayser Conrad II, mit dem er verschwägert, 1039 mit vielen Gütern in Thüringen begabt.  
  Sein Sohn Ludewig wurde der Springer beygenahmet, wegen eines Sprunges, den er von Gibichenstein bey Halle in die Saale soll gethan haben, welcher aber als eine Fabel, die in glaubwürdigen Scribenten nicht gegründet, billig verworffen wird. Er starb 1123, nachdem er Ludewigen III gezeuget, der von seinem Schwieger-Vater, Kayser Lotharius, die Landgrafschafft Thüringen erblich bekam. Daß ihm aber eben zwölff Grafen untergeben worden, wird von etlichen neuen Geschichtschreibern zwar angeführet, aber nicht bewiesen.  
  Ihm folgte sein Sohn Ludewig, der Eiserne benahmet, weil er gemeiniglich einen Pantzer angehabt. Denn ob er wohl anfänglich gar gelinde, und gegen seinen Adel und Bediente weich war, so machten sie es ihn doch so grob, daß er andere Saiten aufziehen muste; wie er denn einmahl etliche Gefangene von Adel in den Pflug gespannet, und einen gantzen Acker bey Naumburg über Freyburg umgepflüget haben soll.  
  Dieses Bruder Friedrich stifftete die Ziegenheimische Linie, die nur Grafen hiessen, und 1450 mit Johann dem Starcken ausgestorben sind, die Grafschafft aber ist an Hessen gekommen. Der andere Bruder Hermann, von den an seinem Orte ein Artickel stehet, bekam von dem Kayser Friedrich I, 1182 die Pfaltz-Sachsen, und folgte hernach seinem ältesten Bruder in der Landgrafschafft, als derselbe ohne Erben in Syrien starb.  
  Nach ihm kam sein Sohn Ludewig, der Heilige zugenahmt, der sich 1221 mit des Königs Andreas in Ungarn Tochter Elisabeth vermählte, aber nicht lange darnach 1227 zu Hydrunt auf der Orientalischen Reise starb.  
  Endlich kam Heinrich Raspo, der letzte Land- und Pfaltzgraf aus dieser Familie. Er war in solchem Ansehen bey Kayser Friedrichen II und dem Reiche, daß ihn jener bey seinem Abwesen zu einem Statthalter und Verweser des Reichs in Deutschland erklärte. Als Innocentz IV Kayser Friedrichen II in Bann that, und des Reichs unwürdig erklären wolte, auch der Landgraf den Kayser bezüchtigte, als wenn er zu Franckfurt auf dem Reichs-Tage die gotteslästerliche Rede von den tribus impostoribus gethan hätte; schlug ihn der Pabst zum Kayser vor, er wurde auch 1246 zu Würtzburg von verschiedenen geistlichen Fürsten, deswegen man ihn spottweise den Pfaffen-König genannt, erwehlet.  
  Es geben etliche von den neuern Scribenten  
  {Sp. 1877|S. 952}  
  zwar vor, daß er in der letztern Belagerung vor Ulm durch einen Pfeil verwundet, und daran gestorben sey; aber bey glaubwürdigern Geschichtschreibern findet man, daß er zurück nach Thüringen gegangen, und zu Wartburg durch den Durchlauf 1247 aufgerieben worden. Er hat verschiedene Gemahlinnen gehabt, deren die letztere Beatrix geheissen, so Hertzog Heinrichs in Lothringen Tochter gewesen, und nachmahls Graf Wilhelmen von Flandern geheyrathet hat.  
  Weil nun mit ihm der alte Stamm ausgegangen, funden sich 2 Competenten zur Landgrafschafft, Heinrich der Erlauchte, Marggraf zu Meissen, der nicht allein des letztern Landgrafen Schwester-Sohn, sondern auch von dem Kayser Friedrichen II 1242 mit der Anwartschafft auf Thüringen und die Pfaltz Sachsen begabet war.  
  Nichts destoweniger kam Sophia, Heinrichs von Brabant Gemahlin und Ludewigs des heiligen Tochter, und machte Anspruch auf Thüringen vor ihren Sohn Heinrich, der zum Unterscheid des andern, in der Historie das Kind von Brabant genennet wird. Nun war zwar die Sophie in gleichem Grad mit Heinrichen dem Erlauchteten, aber damit kam es wieder auf der Sophien ihren vorigen Streit mit Heinrich Raspo an, vor dem sie verlangte, ein näher Recht an Thüringen zu haben, er hingegen sie unter dem Vorwand, daß auch in feudis promiscuis das männliche Geschlechte dem weiblichen, wenn es auch im nähern Grad wäre, vorzuziehen sey, sie würcklich ausschloß, auch vor einen Landgrafen von dem Kayser Friedrich II und andern im Reich gehalten und erkannt wurde, wie sonderlich aus der Wahl zum Römischen Könige zu ersehen.  
  Dieses war eigentlich die streitige Sache, und nicht wie einige neuere Scribenten wollen, dis die Frage, ob des Heinrichs Raspo Bruders Tochter oder dessen Schwester Sohn nach dem jure repraesentationis folgen solten; denn solches Recht nicht anders statt hat, als wo Brüder mit den Brüders-Kindern concurriren, welches hier nicht geschahe.  
  Dieser Erbfolgs-Streit gerieth zum blutigen Kriege, der bis 1263 gewähret. Hertzog Albrecht von Braunschweig war auf der Brabantischen Seite, weil Heinrich das Kind seine Tochter 1258 heyrathete, er wurde aber 1263 gefangen, kam auch nicht wieder loß, bis ihm sein Sohn Otto, (der hernach des Marggrafen Tochter Elisabeth heyrathete) mit 8000 Marck Silbers und 8 Schlössern an der Werra gelegen, befreyete; und hiermit bekam der Krieg ein Loch, und die Partheyen vertrugen sich, sonder Zweiffel auch deswegen, weil die Erbfolgs-Rechte selbiger Zeiten nicht so klar waren, als sie heut zu Tage sind.  
  Heinrich von Brabant überkam Hessen mit 8 Schlössern Eschwege, Beilstein, Allendorff, Fürstenstein, Wizenhausen, Ziegenberg, Wanfried und Sontra, nebst 7000 Marck Silbers, und kommen von ihm alle Landgrafen von Hessen her. Dagegen behielt Heinrich, Marggraf von Meissen, Thüringen und die Pfaltz Sachsen.  
  Ob aber die Erb-Vereinigung zwischen beyden Häusern Meissen und Hessen damahls (wie einige wollen) errichtet worden, kan  
  {Sp. 1878}  
  vielleicht, hingegen aus den Archiven gewis behauptet werden, daß fast mehr als 100 Jahre hernach 1333 die erste Erb-Verbrüderung zwischen ihnen allererst aufgerichtet worden ist.  
  Seit dem nun und bis auf unsere Zeiten haben die Marggrafen von Meissen, und hernach auch Chur- und Fürsten zu Sachsen die Landgrafschafft Thüringen besessen. Sie besitzen auch darinnen nicht allein das meiste an Ländern und Leuten, so ihnen völlig unterworffen, wie die Chur-Sächsisch- Weimarische, Eisenach-Gotha-Salfeld- und Weissenfelsische Landes-Antheile sind, deswegen sie auch 3 Stimmen auf dem Reichstage führen, und wovon sie alles geniessen; sondern sie haben und begehren auch im übrigen viele Rechte, als  
   
  siehe hierbey den Artickel: Sächsische Vasallen, im XXXIII Bande, p. 426 u.ff.  
  Das übrige besitzet  
 
  • theils Chur-Mayntz, nehmlich die Stadt und Zugehör von Erfurt,
  • und theils der König in Preussen, als Fürst zu Halberstadt, nehmlich die Herrschafften Lora und Klettenberg:
  • theils
    • die Fürsten von Schwartzburg zu Sondershausen und Rudolstadt;
    • die Grafen von Mannsfeld, Grafen von Stollberg, Grafen von Hohenlohe, nehmlich wegen Ordruf,
    • Grafen von Hatzfeld, wegen Blanckenhayn, Gleichen und Nieder-Cranichfeld,
    • der Burggraf von Kirchberg zu Farnrode,
    • die Grafen von Werther etc.
    • Der Deutsche Orden, wegen der Baley Thüringen und Griefstädt,
    • die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen
    • etc.
 
  von welchen allen unter ihren Titeln weiters nachzusehen.  
     

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Stand: 16. Februar 2014 © Hans-Walter Pries