Stichworte |
Text |
|
Juden |
Es ist bekannt, es werden die Töch- |
|
|
{Sp. 587|S. 307} |
|
|
ter bey denen
Juden nicht so im Gesetz-Buche
unterwiesen, als etwann die
Söhne. Es stehet auch solches der
Mutter nicht zu. Denn
5 B. M. II, 19. heisset es, wie sie sagen: Und lehret es euren Söhnen. Der Talmud schreibet davon also: |
|
|
„Wer seine Tochter im Gesetz des Herrn unterrichtet, der thut ebenso viel, als lehrete er sie lästern: Denn durch das Gesetz werden sie so verschmitzet, daß sie alle Tücke heimlich halten, wie geschrieben steht. Ich Weißheit wohne bey der Witze, und ich weiß guten Rath zu geben.
Satha sol. 21." |
|
|
Die
Mütter dürffen bey denen Juden deßwegen die Töchter nicht
unterweisen, um den Verdacht zu vermeiden, weil der
Kinder
Väter offt die
Schulen besuchen. Wenn aber eine Tochter von sich selbst das
Gesetz lernet, so hat sie davor ihrer
Meynung nach einen Lohn von
GOtt, obschon nicht so groß als eine
Manns-Person. Denn derjenige habe allezeit einen grössern Lohn, der etwas thue, dem es befohlen, als derjenige, dem es nicht befohlen. |
|
|
In denen zur Haußhaltung gehörigen
Sachen aber unterweisen die
Mütter bey denen Jüden, wiewohl auch gantz mäßig; doch so daß sie spinnen, waschen, nehen, kochen und andere Haußarbeit verrichten lernen, worinnen sie fast gewisser massen mit denen alten Griechen übereinstimmen, die ebenfalls davor hielten, daß vor eine
Weibs-Person mehr als das letztere zu wissen nicht nöthig sey, von deren Töchter-Zucht wir doch auch noch einiges nachhohlen wollen. |
|
Griechen |
Solange bey ihnen die Töchter noch gantz klein waren, bekümmerten sich die
Väter so wenig um dieselbigen, als um ihre kleinen
Söhne, sondern überliessen dieselben insgesamt denen
Müttern, welche sich deren
Auferziehung musten angelegen seyn lassen, bey denen sie auch die gantze
Zeit über in ihrem Gynäconiti oder Weiber-Zimmern
ihr Wesen hatten. Aristoteles Polit. 7. 17. berichtet, daß die meisten
Städte zu seiner Zeit die
Gewohnheit gehabt, ihre Söhne und Töchter besonders, nicht aber insgemein erziehen zu lassen, wie nehmlich letzteres der Laconier Weise nach des Lycurgus
Gesetzen war. Diese letzteren hat
Emmius aus dem Plutarch und andern weitläufftig beschrieben, wovon wir nur eines und das andere vortragen, und hernach die Kinderzucht der übrigen Griechen dagegenhalten wollen. |
|
Spartaner |
Anfänglich wurden die
Kinder so
Söhne als Töchter, bey denen
Eltern selbst, wenn sie noch klein waren in Kleidung, Essen und Trincken sehr schlecht gehalten, daß sie hart wurden und alles vertragen konnten. Wenn sie das siebende Jahr erreichet, musten die Eltern sie hergeben, und wurden in denn in gewisse
Agelas oder Heerden eingetheilt, über deren jeder ein gewisser Knabe gesetzet war, der nicht nur die andern an Alter und
Verstande, sondern auch an Stärcke übertraf, daß er in allen Fall brav darunter schlagen konnte. Diesem musten sie nun gehorchen, und von dem lernen, wie sie sich in ihren Leibes-Übungen, die sie täglich vornahmen, zu verhalten hätten, worbey denn die Alten öffters mit zusahen, wenn sie sich mit einander balgeten, und ihnen selbst Gelegenheit zu Schlägereyen gaben, damit sie sähen, wer sich unter ihnen am besten hielte. |
|
|
Denn ihre gantze
Erziehung |
|
|
{Sp. 588} |
|
|
lief nur da hinaus, das sie sollten hart und starck werden, und andere überwältigen können. Zu dem Ende wurden ihnen auch die Haare glatt, und bis auf die Haut abgeschoren; sie musten von Kindesbeinen Barfuß gehen, und nackend mit einander auf das heftigste streiten. Ja was das schlimmste war, so musten auch jährlich an einen gewissen Feste der Diana, und bey deren Altare nach dem
Tertullianus nicht nur gemeiner, sondern auch vornehmer Leute
Kinder, vermuthlich welche die
Ordnung traf, bis aufs Blut, ja offt bis auf den
Tod gegeisselt werden, ohne daß sie einmahl mucken oder eine Thräne dabey vergiessen durfften, welches sie
Diamastigosin oder die Durchgeisselung hiessen, dabey wurden sie sehr knapp in Essen und Kleidung gehalten, so daß sie nach ihrem zwölften Jahre keinen Rock mehr tragen, sondern sich im Sommer und Winter mit einem Mantel behelffen musten. |
|
|
Sie dürfften auch gar selten in ein Bad gehen, und sahen deßwegen recht schmutzig und unflätig aus. Des Nachts aber lagen sie Truppenweise bey einander auf harten Polstern, und wer unter ihnen bey der Besichtigung der
Ephororum, die alle zehen Tage einmahl geschahe, zarte Haut und Glieder zu haben oder pluß zu seyn befunden ward, der konnte sich nur auf einen guten Verweiß, ja Schläge schicken, weil sie solches als eine Marque der Faulheit ansahen. |
|
|
Der Ober-Aufseher über alle junge Leute war einer der vornehmsten der
Stadt, welcher Pädonomus hieß, der immer welche mit Geisseln bey sich hatte,
und in seiner Abwesenheit konnte ein jeder von denen
Bürgern seine Stelle vertreten, weil sie allen gehorchen, und nach befinden Schläge von ihnen mitnehmen musten, ohne daß sie solches ihren
Eltern klagen durfften. Ausserdem war noch über jeden Trupp ein junger Bursche von zwantzig Jahren gesetzet, dem sie aufwarteten, ja auch, wenn er es haben wollte, etwas stehlen musten, wo sie sich aber darüber ertappen liessen, wurden sie deswegen noch darzu gestraffet. |
|
|
Ja was noch ärger war, sie musten sich manchesmahl auf dem Platze, den sie von denen vielen Platanis oder Linden Platanistam hiessen, mitten im Fluß Eurota, in zwey Hauffen theilen, und mit einander zwar ohne Gewehr, doch mit Händen und Füssen Zähnen und Nägeln so hefftig scharmutziren, daß sie einander offt die Augen aus den
Köpffen rissen, und viele im Wasser oder sonst umkamen. Die nun den Platz behauptet, pflegten hernach auf demselben bey dem Schalle einer Pfeiffe zu tantzen, und dadurch ihre Freude über den erlangten Sieg zu bezeugen. |
|
|
Sonst aber wurden sie zu keiner
Arbeit angeführt, welche zu schimpflich vor freye Leute, und allein den
Knechten anständig ausgegeben ward. Mit der Erlangung freyer Künste durfften sie sich auch die
Köpffe nicht zerbrechen, und es war schon genug, wenn sie soviel gefaßt, als sie von nöthig hielten, das aber über Lesen und
Schreiben wohl nicht viel wird gewesen seyn. |
|
|
Man meyne nicht, daß dasjenige, was wir bishero erzehlet, wohl nur bloß von der Erziehung der
Söhne bey denen Laconiern geredet sey, nicht aber auf die Töchter-Zucht derselben müsse appliciret werden. Im geringsten nicht. Die Töchter wurden bey ihnen auf gleiche Weise erzogen? Nehen, spinnen |
|
|
{Sp. 589|S. 308} |
|
|
und weben war kein
Werck vor sie, das gehörete ihrer
Meynung nach vor die Sclavinnen. Sie hatten wohl etwas bessers zu thun, nehmlich sich eben wie die jungen Kerls mit lauffen, springen und ringen zu üben, ja sich gar mit ihnen nackend herum zu balgen, und bald unten bald oben zu liegen, welches gewiß eine gar artige Übung war. Aber im rechten Ernst davon zu sprechen, so möchte man wohl mit dem Scythen Anacharsis im Gespräche mit dem Solon bey dem Lucianus den Gesetzgeber vor thöricht halten, der solche dumme
Dinge bey denen Seinigen eingeführet. |
|
|
Plutarchus in Lycurgo und Xenephon
in Rep. Lacedaem. machen zwar viel
Wercks von dieser Zucht: Allein Aristoteles urtheilet I. pol. … davon also: Die Laconier machten ihre Jugend durch solche Bemühungen gantz wild und viehisch, weil sie sich einbildeten, daß helffe viel zur Tapfferkeit; doch erreichten sie dadurch ihren
Zweck nicht: Denn es gebe mehr dergleichen wilde
Völcker, die zum Theil gar
Menschen fressen, als z.E. die Achäer und Heniocher am schwartzen Meere, wären aber deswegen nicht streitbarer im Kriege als andere, die da von zahmeren
Sitten wären; wie denn auch die Laconier selbst den andern Griechen, sobald sie sich nur ein wenig auf die Kriegs-Exercitien gelegt, nichts mehr anhaben können; die aber die jungen Leute allein darzu anhielten, und sie weiter nichts lernen liessen, machten, daß sie nur in dem, was doch das geringste wäre, etwas, in allem andern aber, daß da vielmehr auf sich hätte, dem
gemeinen Wesen nichts nütze wäre. |
|
|
Anacharsis raisoniret fast eben so in dem angeführten Discurse, und überzeuget den Solon, daß alle ihre so genannte Leibes-Übungen gegen einen tapffern Feind wenig ausrichten würden, als der sich weder an ihre mit Öle beschmierten
Leiber, als an ihr Bein unterschlagen und übrige Fechter-Streiche etwas kehren würde, wenn er mit den Waffen in der Hand auf sie loßgienge, wie es auch die
Erfahrung ausgewiesen hat. Und vermeynet er, er wolte mit einem blossen Degen alle ihre Athleten und Kämpffer lauffend machen. Daher er den Griechen lieber den Rath giebt, sie solten sich an statt solches Spiegelfechtens lieber recht in den Waffen üben, damit sie dereinsten ihren Feinden die Spitze bieten könnten.¶ |
|
Griechen (Forts.) |
Solon bey dem Lucianus gegen dem Scythen Anacharsis macht ebenfalls viel Rühmens, wiewohl die Griechischen
Kinder von klein auf erzogen würden. Nachdem sie lesen und schreiben gelernet, sagt er, erweckten sie deren
Geist durch die Arithmetick und Geometrie, erlustigten ihn aber durch die Musick; darauf müssen sie die Poeten lesen. Dann müsten sie die
Landes-Gesetze ins Hertze fassen, und bey den
Philosophen in die
Schule gehen, die sie
unterrichten, wohl zu leben, keinem Tort zu thun, ihre
Sitten und
Begierden zu reguliren und zu bändigen. Sie liessen sie auch die Tragödien und Comödien besuchen, wodurch ihnen ein Abscheu vor den Lastern und
Liebe zur Tugend solte eingepflantzet werden. Endlich müsten sie sich in allerhand Leibes-Übungen üben, damit ihre Gliedmassen so geschmeidig als starck wür- |
|
|
{Sp. 590} |
|
|
den. |
|
|
Anacharsis hat zwar ebenso viel wider die Schau-Spiele, als wider die gewaltsamen Leibes-Übungen einzuwenden; von der Musick aber gedencket er nichts, woran doch seine Leute auch keinen rechten Geschmack gefunden, so daß auch ein gewisser Scythischer
König, nehmlich Atheas, nach dem Plutarchus lieber ein Pferd wiehern als einen Spielmann pfeiffen hören wollen. Nun hat zwar Solon ihm keine rechte Satisfaction geben können; doch wäre zu wünschen, daß Lucian diesen Dialogum weiter fortgesetzt, und den Anacharsis auch erzehlen lassen, auf was Weise die Scythen ihre
Kinder erzögen, daß man auch von deren Töchter-Zucht etwas
erfahren können, welches er aber vielleicht selbst nicht gewust hat; ob wir wohl von ihnen versichert sind, daß bey ihnen die guten
Sitten mehr gethan, als bey den Griechen die
Gesetze, wie
Tacitus in Germania … von denen
Deutschen rühmet. |
|
|
Die Griechen aber hatten ihre gute Sitten, überhaupt mehrentheils nur auf der Zunge, womit die
That gar selten übereinstimmete, und wie die Alten, eben also sungen auch die Jungen, und die Exempel derer
Götter und Göttinnen, derer Helden und Heldinnen, welche ihre
Kinder aus denen
Schrifften der Poeten zu ihrer Nachfolge nehmen solten, wären ihnen eben so gefährlich, als der
Umgang mit denen
Weltweisen, von derer meisten sie zu abscheulichen Sünden verführet wurden, wie solches ihnen nicht allein
Lucian in seinen Dialogen, und Laert. in seinen
Vitis hin und wieder Schuld giebt, wovon wir aber mit Bedacht abstrahiren, und nur soviel gedencken wollen, daß bey ihnen die Erziehung der Kinder, so wohl der
Söhne als der Töchter, nicht eben eine von den besten gewesen; indem die Töchter bey den Laconiern alzufrey, bey andern Griechen aber allzueingeschrencket waren, daß sie nichts zu sehen oder zu hören kriegten, wie auch
Pherylides v. 203
befiehlet, sie in wohl verschlossenen Gemächern zu verwahren, und vor der
Hochzeit nicht aus dem Hause kucken zu lassen, und hat ihnen also die Hurerey vor der
Ehe nicht
frey gestanden, wie
Septus Empiricus von denen Egyptiern berichtet; daher sie aber, wenn sie
Männer bekamen, hernach insgemein noch aller
Dingen unwissend waren, und von denselben erst gezogen werden musten, wie z.E. Ischomachus gegen dem Socrates in des Xenophons
Oecumenico von seiner
Frau gestehet, daß sie, wie er sie genommen, noch gar nichts gewust, theils weil sie noch keine 15 Jahr alt gewesen, theils auch weil sie vorhin so genau verwahret worden, daß sie wenig oder nichts sehen oder hören können, und noch viel weniger wonach fragen dürffen. So viel aber haben sie doch gelernet, daß sie spinnen und weben und ein Stück zu essen habe machen können. Das übrige alles was zur Haußhaltung gehöret, habe er sie erst lehren müssen. |
|
|
Daraus siehet man also, daß die alten Griechen, wie wir allbereits gedacht, mit denen Juden hierinnen fast eines Sinnes gewesen, welche auch mit ihren Töchtern nicht viel Wesens in der Erziehung gemacht. |
|
Vergleich mit heute |
Wollen wir hierbey wieder auf unser galantes
Frauenzimmer einen Blick thun, und selbige mit dem
Weibs-Volcke bey denen Griechen zusammenhalten, so sehen wir sie mehr nach dem Exempel der |
|
|
{Sp. 591|S. 309} |
|
|
Laconier, als derer andern Griechen agiren. Dieses mag so viel
gesagt seyn: Das Nehen, Spinnen, Stricken und andere
weibliche
Arbeit, in ihren Stuben und Kammern der Jungfräulichen Eingezogenheit stehet ihnen nicht mehr an, sondern sie conversiren lieber mit
Manns-Leuten, mit denen sie zwar sich nicht balgen, wie das Laconische
Frauenzimmer zu halten pflegte; aber doch tantzen und springen, oder andern noch
angenehmern Zeit-Vertreib zu ihrem Plaisir vornehmen. |
|
|
Sie gehen auch nicht nackt oder schlecht bekleidet einher, wiewohl man solches gewisser massen auch von ihnen sagen könnte, sondern haben mehr als zu viel Putz und
Staat an sich; wobey sie aber den
Vortheil haben, daß ihnen die Füsse nicht mehr wie denen Israelitischen
Jungfern, mit kleinen Ketten, (deren auch
Es. III, 16. nach dem
Dassov gedacht wird, und wohin ebenfalls der Venus-Bild mit
Banden um die Füsse in Laconien bey dem Pausanias gezielet haben mag) enge zusammen gebunden sind, sondern sie haben ungeheure Reiffen-Röcke und Gardenstants an, worunter sie offt weitere Schritte, als die Erbarkeit zuläßt, unvermerckt, zu thun pflegen. |
|
|
Es ziehet ihnen auch wie bey denen Griechen keine
Mutter, oder alte Kinder-Muhme, alle Morgen einen Faden mehr um den Halß, um, wenn er etwan die Nacht dicker geworden, daraus zu schliessen, daß sie sich nicht
züchtig und
keusch verhalten, wie in Griechenland Brauch gewesen, und worauf
Catullus in Epithal. Thejidis et Pelei zielet, wenn er von der
Braut sich also vernehmen läßt:
Non illam nutrix orienti luce revisens hesterno collum poterit circumdare filo. |
|
|
Noch vielweniger bewahren nach Syrachs Rath Capitel VII, 27, die
Eltern ihrer Töchter
Leib, welches nach
Falsters Erklärung nur auf die Art geschehen, daß sie ihnen nie aus den Augen gekommen, und auch des Nachts bey ihnen in einem Gemache schlaffen müssen. Es heisset jetzo noch von manchem
Mägdchen aus
Horat. … Motus doceri gaudet loricos, matura virgo, et fingitur artubus jam tunc, et incestos amores de tenero meditatur ungui, welches aber höchlich zu bedauren ist, und ach, wie viel besser lautet es von unsern heydnischen Vorfahren, den alten
Teutschen bey dem
Tacitus. Dieser spricht in Germania Cap. 19. Foeminae [11 Zeilen lateinische Text].¶ |
|
|
|
|