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Zedler: Tod [2] HIS-Data
5028-44-623-5-02
Titel: Tod [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 44 Sp. 628
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 44 S. 327
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Hinweise:
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Übersicht
Historische Abhandlung vom Tode (Forts.)
  Völker und Religionen

Stichworte Text   Quellenangaben
Völker und Religionen Da wir nunmehro die Meynungen der ältesten Weltweisen unsern Lesern vor Augen gelegt haben, so wird es nöthig seyn zu zeigen, was gantze Völcker und Leute von verschiedenen Religionen vor Gedancken vom Tode gehegt haben.  
Juden u.a. Die Meynungen der Jüden und anderer Völcker von dem Tode sind ebenfalls sehr verschieden u. öffters auch sehr ungereimt. Die ersten behaupten nach ihrem fabelhafften Talmud, das vier Mittel wären, dadurch der beschlossene Rath GOttes von eines Menschen Tode, zurück getrieben werden könne. Dieses soll  
 
  • erstlich geschehen, durch Allmosen geben, weil geschrieben stünde: Gerechtigkeit errettet vom Tode;
  • Zum andern mit Beten, weil es hiesse: und sie rieffen zum HErrn, und er half ihnen aus ihren Nöthen;
  • Zum dritten durch Änderung der Wercke, weil dort stehet: Da aber GOtt sahe ihre Wercke daß sie sich bekehreten:
  • Und viertens durch Änderung des Nahmens, weil GOtt zu Sarai, nachdem er sie Sarah genennet hatte, sprach: ich will sie segnen. Deswegen muß der Krancke allen Menschen verzeihen, und auch Allmosen geben, wenn ers hat.
 
  Endlich muß er in einem kurtzen Gebeth, nicht mehr denn einmahl in Eebraischer Sprache GOtt bitten, daß er ihn wieder gesund machen wolle: wo aber nicht daß doch der zeitliche Tod eine Versöhnung aller seiner Sünden und Übertretungen seyn möge.  
  Der Rabbi Gedalga stellet sich den Tod im Buche Schalscheleth f. 85. sehr ungeschickt vor, wenn er folgender massen von ihm schreibet:  
  Wenn des Menschen Zeit kommen ist, daß er aus dieser Welt scheiden soll, stellet sich der Engel des Todes, welcher voller Augen, und sein Kleid eitel Feuer ist, zu des Krancken Füssen, und hat ein blosses scharffes Schwerdt in seiner Hand; dieses alles siehet der Krancke, erschrickt, und wollte sich gern vertheidigen, oder entfliehen, aber er kan nicht. Desgleichen siehet der Sterbende den ersten Menschen Adam für sich stehen, und wird in sich selbst erzürnet, indem er spricht: wehe mir, daß ich deinethalben sterben muß. Adam aber antwortet ihm und spricht: Ich habe nur eine Sünde begangen, Du aber hast sehr viel gesündiget. Alsdenn läufft sein Geist in alle seine Glieder, und nimmt dermassen Urlaub von ihnen, daß denselben der Angstschweiß ausbricht, alsdenn siehet er den Engel des Todes wieder an, und ergiebt sich mit Leib und Seele, weil kein Trost da ist, in seine Gewalt.  
  Dieser Engel des Todes ist nach des Talmuds Bestätigung  
  {Sp. 629|S. 328}  
  niemand anders, als der Teuffel, und Rabbi Jacob schreibet auch: Der schwartze Teuffel ist der Engel des Todes, welcher den Leuten die Angesichter verderbet, und sie zu sündigen reitzet. Wenn nun der Teuffel die Seele hinweg habe, schreibet der Talmud in Barachoth f. 51. nehme er sein Würgeschwerdt in die Hand, und folge auch dem Leibe zum Grabe. Ferner schreibet der Rabbi Gedalja l.c. … Jeder Mensch müsse sieben große und schwere Martern ausstehen, unter welchen die Trennung des Leibes und der Seelen die erste wäre. Diese und noch viel andere ungereimte Träume führet Christian Gerson im Jüdischen Talmud … weitläufftiger an, und wiederlegt dieselben.
Cimbrer Die alten Cimbri glaubten, daß die Menschen nicht von ohngefehr stürben, sondern daß ihr Lebensziel von den Göttern bey Fried u. Kriegs-Zeiten bestimmet wäre. Über dieses Lebensziel der Menschen, setzten sie drey Göttinnen, welche sie Nörner, die Römer aber Parcen hießen, und vor Herrscherinnen über des Menschen Tod und Leben, Glück und Unglück hielten. Es haben auch die Cimbri geglaubet, daß die Stunde des Todes so fatal und unveränderlich von GOtt bestimmet wäre, daß das Lebensziel nicht verlängert noch verkürtzt werden könnte. Denn die gantze Mitternächtige Welt hat die Stoische Fatalität und Nothwendigkeit geglaubet. Deswegen scheuten auch die alten Cimbri den Tod nicht, sondern hielten dafür, wer im Treffen sterben solte, könne dem Tode nicht entlauffen, und wer im Treffen nicht sterben solte, der käme, auch aller Gefahr ohngeachtet, glücklich davon. Brynolf ap. Steph. in Noth. ad Sax.
  Diese Meynung haben nicht nur diese, sondern auch andere Heydnische Völcker und Philosophen mit einander gemein gehabt, weswegen Homer Lib. XVI. Iliados den Jupiter hierüber klagend einführet, daß er seinen Sohn Sarpedon nicht vom bevorstehenden Tode erretten könnte. Chemnitius
  Ferner haben die alten Cimbri davor gehalten, der Tod für dem Feinde im Treffen, wäre viel rühmlicher und glückseliger, als der auf dem Siechbette, welcher elend und schändlich wäre. Daher haben sie sich in den Feldschlachten frölich, aber bey Kranckheiten traurig gestellet, welches Valerius Maximus … von den Cimbrischen und Celtiberischen Völckern erzehlet. Denn sie stunden in dem Gedancken, daß die Seelen, deren Unsterblichkeit sie zugaben, in jener Welt einer größern Herrlichkeit theilhafftig werden würden, wenn sie eines Todes stürben, den ihnen ihre Tapfferkeit zugezogen. Cluver Antiqu. Germ. …
Norwegen Fast gleiche Meynung hegten mit diesen die alten Norwegischen Völcker, welche ihnen Odin beygebracht hatte. Dieser prägte ihnen ein, der Tod sey nichts anders als ein Eingang zu einem andern Leben, und alle, die entweder in Müßiggang lebten, oder natürlichen Todes stürben, kämen in große unterirdische Höhlen, welche finster,  
  {Sp. 630}  
  unflätig, und voll Ungeziefer wären, da sie im beständigen Elend verharren müsten. Wer hingegen freywillig in den Krieg wanderte, und in Schlachten oder andern gewaltsamen Gelegenheiten seinen Tod fände, der würde unverzüglich nach Odins Pallast verrückt, allwo dieser ihr Kriegsgott seine Gäste stets in voller Vergnügung unterhielte.  
  Wie viel Eindruck diese Überredung vom Tode in der Leute Gemüthern gemacht habe, ist aus einem Theile des Gesanges zu erkennen, den ein Nordischer Printz, Regner Laubrock, verfertiget, welchen man in den Actis Eruditorum … lesen kan.  
Gotland In Gothland soll noch bis jetzo ein Seebusen, Odinshall genannt, zu sehen seyn, der mit Felsen auf allen Seiten umgeben ist. Dahin haben sich in den Zeiten des Heydenthums diejenigen bringen lassen, welche tödtlich bettlägerich gewesen, da sie sich denn von dem Felsen gestürtzt, und solchergestalt dasjenige zu verdienen gemeynt, was sie sonst durch einen anderweitigen gewaltsamen Tod nicht erlangen könnten. Torfäus in der Norwegischen Historie.
Islam Die Mahommedaner glauben nach ihrer Religion vom Tode, daß alle Menschen sterben müsten, und zwar nach einem absolut gesetzten Lebensziel, welches weder zu verlängern noch zu verkürtzen sey. Geschehe solches, so trenne sich die Seele vom Cörper, sie werde aber bey der Auferstehung mit demselben wiederum vereiniget, da sie denn vorher, wenn sie abgeschieden wäre, und GOtt wolte solches haben, in andere Cörper wandern könnte. Die verstorbenen Gottlosen sollten Morgends und Abends, bevor das Feuer der Hölle gestellet, und am Tage des Gerichts in dasselbige geworffen werden. Walchs Religionsstreitigk. ausserhalb der Luther. Kirche V. Theil. p. 609.
Griechen Die alte Griechische Kirche hat gelehrt, der Tod sey der Sünden Frucht oder Sold, und bestehe in einer Trennung der Seele von dem Leibe, so daß der Frommen Seelen in den Schooß Abrahams; der Gottlosen aber in die Höllenquaal alsbald gelange. Sie gedencken auch der Toden bey dem Abendmahle, zum gewissen Bekänntniß, daß, obgleich die Menschen sterben, sie dadurch nicht verlohren werden, sondern das ewige Leben erlangen.  
Sozinianer Die Socinianer hegen in der Lehre vom zeitlichen Tode, verschiedene Irrthümer, welche wir zu den Meynungen der vorhergehenden hinzufügen wollen. Diese suchen die Meynung zu behaupten, der zeitliche Tod bestehe in einer Annihilation, daß wenn wir stürben, so würden unsere Leiber in ein Nichts verwandelt. Valentin Schmalcius schreibt in examine centum errorum p. 36. also:  
  Daß die verstorbenen Heiligen nicht existiren, glauben wir gewiß. Denn nach geschehener Trennung des Leibes und der Seele, und wenn der Leib in Nichts verwandelt worden, sind die Heiligen nicht mehr, sondern ihre Seelen sind nur noch übrig.  
  Die Gründe, womit man diese Meynung zu unter-  
  {Sp. 631|S. 329}  
  stützen sucht, werden wir unten in der Theologischen Abhandlung, vom Tode, anführen, und widerlegen.  
Quäker Der Quäcker ihre Lehre, vom Tode, ist kürtzlich diese: Es sey nehmlich der zeitliche Tod zwar ein Erbfolg des Sündenfalles unserer ersten Eltern: bey ihren Nachkommen aber sey er nicht als eine Straffe anzusehen. Walchs Religionsstreit. in der Evangelisch Luther. Kirche IV. Th. p. 803.
  Roellius hat ebenfalls eine besondere Meynung vom Tode gehabt, indem er behauptet, daß Christus vor dem Tod und allerley Trübsal der Auserwählten nicht genug gethan, sondern daß sie dieses annoch als eigentliche Straffen der Sünden ertragen müsten, welche Lehre von der Theologischen Facultät zu Leyden verworffen, und verdammt worden ist. Sammlung von Alten und Neuen, aufs Jahr 1724 …
Poiret und Leibniz In den neuern Zeiten haben Poiret und der Herr von Leibnitz besondere Gedancken gehabt, was die Existentz des Todes anbelangt. Denn Poiret meynet, in der Oeconomia divina … Wenn der Mensch stürbe, so werde nicht Leib und Seele getrennet, welche allezeit beysammen blieben, und nicht von einander kommen könnten, wie man aus den Exempeln der Heiligen, die nach ihrem Tode in ihren Leibern erschienen, als Moses und Elias, sähe. Der Tod bestünde vielmehr darinnen, daß man gleichsam die äusserliche Schale des Leibes ablege, welche in der Erde zu Staub werde, und in der Auferstehung wiederum zu dem Leibe kommen solte. Es soll aber die Auferstehung der Todten weiter nichts auf sich haben, als daß GOtt alle Menschliche Cörper, die in der gantzen Welt zerstreuet werden, zusammen bringen wolte, damit sie ihre vorige Klarheit und Herrlichkeit wiederum bekommen mögen. Die Sprüche bey dem Daniel c. II, 2. und Johann c. V. 29. handelten nicht von der Leiblichen, sondern von der Geistlichen Auferstehung.  
  Es ist dieses eine der seltsamsten Meynung, die sich niemand so leicht einbilden und vor wahr halten wird. Denn womit will er beweisen, daß Leib und Seele in einer beständigen Vereinigung bleiben müssen. Nicht nur aus der Schrifft, sondern auch aus der Vernunfft, hätte er das Gegentheil wissen können. Ist der Leib todt, und wir wissen, daß die Seele unsterblich, davon wir hinlängliche Vernunfftgründe haben, so muß sich die Seele, als eine von dem Cörper wesentlich unterschiedene Substantz trennen. Meynt er, der Leib sterbe nicht, und werde nur dessen äusserliche Schale abgeleget, so ist das eine leere Einbildung, als wenn unser Leib eine gewisse äusserliche Schale habe, die von ihn dergestalt könne abgesondert werden, daß er in seinem Wesen und Leben beharre.  
  Was er zugleich von der Erscheinung der Heiligen und von der Auferstehung vorbringt, gehöret hieher nicht.  
  Mit diesem kommt einiger massen dasjenige überein, was sich Leibnitz wegen des Todes bereden können. Denn er hält dafür, es wäre eigentlich zu reden keine Zeugung und kein Tod  
  {Sp. 632}  
  in der Natur. Es erhellet dieses aus seinem systeme nouveaux de la nature et de la communication des substances …, welches sich in dem Journal des Scavans 1695 … befindet, worinnen er behauptet, es sey die Zeugung nichts anders, als eine Auswickelung und eine Art des Wachsthums organisirter Substantzen. Wenn ein Thier sterbe, so werde dasselbige nicht nur in Ansehung seiner Seelen; sondern auch nach seiner organischen Maschine erhalten; und der Tod bestünde in nichts anders, als daß die grobe und sichtbare Theile, die man in der so genannten Zeugung empfangen hätte, zernichtet würden. Nach dem vermeynten Tode bliebe ein Thier immerhin lebendig und organisiret. Und wie man niemahls sagen könne, daß ein Thier zum erstenmahl und gantz von neuen gebohren würde, so könne man auch nicht zugeben, daß dasselbige gäntzlich und nach der Metaphysischen Strenge zernichtet würde. Vielmehr müste man annehmen, daß ein Thier das Wesen, das ihm von Anfange GOtt anerschaffen, immerhin behielte, und daß man anstatt der transmigrationis animarum vielmehr ein transfigurationem ejusdem animalis in der Natur-Lehre vortragen müsse.  
  Gleiches lehret er hin und wieder in der Theodicee. Denn §. 90. heist es: Der scheinbare Tod ist nur eine Einwickelung, indem gar nicht das geringste Ansehen vorhanden, daß es in der Ordnung der Natur von allen Cörpern gantz abgesonderte Seelen gebe; und §. 396.  
  Ich habe oben gezeiget, daß die Seelen natürlicher Weise weder gebohren, noch einer aus der andern genommen werden könne, und daß unsere entweder geschaffen worden; oder präexistiret haben müsse. Ja ich habe ein gewisses Mittel zwischen einer Schöpffung und zwischen einer gäntzlichen Präexistentz gezeiget, indem ich befunden, daß man gar wohl sagen könne, die von dem Anfange aller Dinge an, in dem Saamen präexistiret, die wäre nur eine anima sensitiva gewesen, aber zu dem höchsten Grad, nehmlich zu der Vernunfft damahls erhoben worden, als der Mensch, dem diese Seele zugehören soll, concipiret, und er organisirte Leib, der vom Anfange an diese Seele allezeit aber unter grossen Veränderungen begleiten soll, ist determiniret worden, den Leib zu bilden.  
  Absonderlich können davon seine Lehrsätze über die Monadologie gelesen werden, in denen es unter andern §. 75. heisset:  
  Eben dieses verursachet auch, daß niemahls eine völlige Generation; noch ein vollkommener Tod, wenn beydes genau genommen wird, in der Natur vorgehen könne. Und dasjenige, was wir die Zeugung zu nennen pflegen, ist nichts anders, als eine Evolution und ein Wachsthum, gleichviel hingegen dasjenige, welches man den Tod heisset, eine gewisse Art der Involution der Abnahme und Minderung ist.  
  Es ge-  
  {Sp. 633|S. 330}  
  hören auch dahin die Briefe, welche des Maizeaux und Leibnitz deswegen gewechselt, die man findet in der histoire critique de la republ. des lettres T. II. Art. II und III. und en recueil des diverses pieces T. II.
  Nachdem Pfaffe in dem berühmten Schediasmate de morte naturali diese Meynung angeführet, so mercket er p. 15 an, daß nicht so wohl Leibnitz, als vielmehr Paulini Urheber davon sey, der sie in der Zeitkürtzenden erbaulichen Lust … vorgetragen; von Leibnitzen aber in einem Jahre bekannt gemacht worden.  
  Solche Dinge muß man als Philosophische Spielwercke des Ingenii ansehen; wenigstens ist die gantze Monodologie des Leibnitzens eine unbegreiffliche Sache, und wenn man darnach philosophiren soll, so ist ein menschlicher Verstand viel zu schwach dazu, indem sie weder in der Natur; noch in der Schrifft ihren Grund hat; ja beyden vielmehr zuwider ist. Es ist den meisten schwer zu glauben, daß Leibnitz diese Dinge im Ernst; und nicht vielmehr als eine Roman geschrieben, weswegen man mit vieler Überlegung derselben nur die Zeit verderbet.  
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries