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Unerschrockenheit vor dem Tode |
Wir
müssen hierzu noch einige
Philosophische Betrachtungen hinzu setzen, wenn wir
diese Abhandlung vom Tode nicht unvollständig beschliessen
wollen. Demnach werden wir
noch einige allgemeine Anmerckungen über die Unerschrockenheit vor dem Tode
machen,
wobey zugleich die
Frage wird beantwortet werden: Ob man seinen Tod unerschrocken
erwarten könne? |
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Es wird gemeiniglich vor etwas ausserordentliches gehalten, wenn jemand eine
besondere Unerschrockenheit vor dem Tode zu
erkennen giebt, weil die wenigsten
Menschen darzu
geschickt sind.
Furcht und Hofnung sind die gewöhnlichsten
Abwechselungen unsers
Lebens, unter welchen uns zuletzt der Tod übereilt ehe wir noch
aufgehört haben uns zu
fürchten, oder angefangen recht zu
hoffen. Aus diesem
Zustande
kan man urtheilen was es vor eine Bewandniß mit der Unerschrockenheit vor dem Tode bey
dem grösten Theil der Sterblichen habe. Derjenige, welcher Tag und Nacht mit den Sorgen
seines Haußwesens beschäfftiget ist, und nur auf die Vermehrung seiner
Güter und des
Vermö- |
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{Sp. 639|S. 333} |
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mögens gedencket, der muß den Tod nothwendig vor ein furchtbares Ungethüm halten.
Und wie man dergleichen
Art Leute selten von einer
Sache anders, als
furchtsam reden hört,
so kan es nicht anders seyn, als daß sie auch eben diese
Sprache in der
Materie vom
Sterben behalten müssen. |
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Allein es giebt doch noch viel
Menschen, die das
Ansehen haben wollen, als ob ihnen
am Tode nichts gelegen sey. Wir wollen zwar nicht läugnen, daß immer ein Mensch dem
Tode steiffer entgegen sehen könne, als der andere, weil es gewisse Lebens-Arten giebt,
bey denen man ihn augenblicklich zu gewarten hat, und man also nothwendig die Furcht
vor den Gelegenheiten, darinne er uns treffen kan,
verliehren muß. Es ist aber hier die Frage
nur, ob man nicht verzagt werden, wenn es selbst zum Abdrücken kömmt, so daß der
Sterbende den Tod recht fühlen kan? und ob jemand in der
Welt sich zum Voraus rühmen
könne, daß er alle seine Beständigkeit beysammen behalten wolle, wenn der Tod über ihn
käme? |
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Hierauf antworten wir ohne Bedencken, Nein. Denn alle
Gründe, welche die
vorgegebene Unerschrockenheit vor dem Tode befestigen sollen, kommen entweder aus
Ungedult und Überdruß dieses mühseligen
Lebens, oder darauf an, daß die
Menschen die
Furcht als etwas unanständiges betrachten, oder auch von
Natur also
geartet sind, daß sie
sich durch keinerley Vorstellungen allzu sehr bewegen lassen. Allein dies alles kan sie nicht
genugsam berechtigen, einen festen
Schluß von ihrer Aufführung im Tode zu machen,
immassen kein Mensch beständig genug ist, in
Dingen die auf
Empfindung ankommen, die
Änderung seines
Gemüths zu verreden. |
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Man wird uns hier vielleicht Schuld geben, daß wir hier die
Göttlichen
Gnadenwürckungen vergessen, allein wir haben sie mit Bedacht ausgelassen. Denn zu
geschweigen, daß sie an den wenigsten
Menschen zu spüren, so pflegen dieselben auch die
natürlichen
Bewegungen des menschlichen Hertzens nicht auszurotten, und ein
Paulus, so
sehr er auch mit der Gnade GOttes erfüllet ist,
fürchtet sich doch noch so fern vor dem Tode,
daß er lieber wünscht entkleidet, als überkleidet zu seyn. Die Gnade thut hierbey weiter
nichts, als daß sie den Menschen auf
GOtt lencket, seine Hofnung, die nach Überstehung
des leiblichen Leidens soll erfüllet werden, fest machet, und ihn zu
geduldiger Ertragung des,
was dem Fleische wehe thut, bereitet. Daß sie aber alle
Empfindung von der
Bitterkeit, und
Schmertzen des Todes wegnehmen solle, dieses gehöret unter die angenommenen
Meynungen. |
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Was wissen wir über dieses, wie es uns der Todte vorlegen wird? Wie wollen wir sagen,
daß wir den Abscheu nicht
empfinden werden, den ein jegliches natürliches und fühlendes
Wesen vor alle dem hat, was zu seinem Untergange oder Verderbniß gereichen kan? Wer
bey dem Tode vieler Leute zugegen gewesen, wird sagen können, wie sich die
Natur
meistentheils wieder die Trennung des
Leibes und der
Seele wehre, welches zwar bey
einem mehr, bey andern weniger aus meist bekannten
natürlichen Ursachen geschiehet,
doch niemahls gar aussen bleibt. Ja wenn man vollends öfftere Gelegenheit hätte, auf die
Reden der
Sterbenden, die sich sonst tapffer gegen |
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{Sp. 640} |
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den Tod gerühmet, auf den Inhalt, Art und Thon, wie sie vorgebracht werden, Achtung
zu geben, würde man noch deutlicher entdecken, wie schlecht ihre Beständigkeit,
ohngeachtet alles Zwanges, den sie sich anthun, und der äussersten Verstellung, die sie offt
brauchen, ausgeführt werde. |
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Der Kayser
Adrian hielt
wahrhafftig auf dem Sterbe-Bette mit seiner animula vagula,
blandula nicht darum ein Gespräch, weil sein
Gemüth
frey, sondern weil er unruhig war
wegen seines
Zustandes nach dem Tode, und nicht vertragen konnte, daß seine
Vergnügungen aufhören solten. Welche aus den
Worten des
Königs von Engelland
Heinrichs VIII, da er mit einem Glase Wein in der Hand ausgeruffen:
Es ist alles verlohren;
einen besondern Heldenmuth schliessen wollen, irren unsers Bedünckens gewaltig. Denn
wenn man die diesem Printzen natürliche Wollust und Wanckelmüthigkeit betrachtet, wenn
man den Versicherungen der meisten
Schrifftsteller trauen soll, daß er nicht aus eigner
Bewegung sondern erst auf
Veränderung eines seiner
Bedienten an den Tod gedacht, und
wenn man endlich den Inhalt der angezogenen Worte selbst ansiehet; so wird man viel eher
auf die
Gedancken gerathen, es habe ihm sein ungewisser Zustand, da er nicht gewust, wie
er den Tod betrachten müste, und die Ungedult, daß er seine Gedancken auf einmahl auf
eine gantz ungewohnte
Materie errichten müsse, solche
Rede ausgepreßt. |
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Wir glauben solcher
Gestalt von der vorhabenden Materie dasjenige gesagt zu haben,
was uns die gesunde Vernunfft an die Hand zu geben vermag. Wollen es aber, ja die
großmüthigen Verächter des Todes nicht annehmen, und ihre Ruhmsucht, als den
Deckmantel der
menschlichen Schwachheit nicht fahren lassen; so nehmen wir mit den
Worten des Poetens von ihnen Abschied:
Vade, vale, cave ne titubes!¶ |
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plötzlicher Tod |
Wir kommen auf die letzte Frage welche wir bey dieser Gelegenheit zu beantworten vor
nöthig geachtet haben: Ob nehmlich ein plötzlicher Tod vor ein Glück oder Unglück zu halten
sey? Pierius Valerianus de Litterator. Infel. … macht bey Gelegenheit des jählingen
Absterbens des George Valla viele sinnreiche Betrachtungen über die
Natur des Todes, und
behauptet, daß es manche
Personen vor ein grosses Glück rechnen würden, wenn sie
stürben, ohne kranck zu seyn. Er bemercket, daß dieser Zufall und alle andere, die nicht von
uns abhängen, nach der
Philosophie vor nichts
Böses gehalten werden dürffen. Endlich
behauptet er, daß die Art, wie Valla gestorben, ein Glück sey, weil vor seinem Tode weder
Schmertzen noch Unruhen vorher gegangen. |
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Alles dieses ist, an sich betrachtet, wahr, denn die hefftigen Schmertzen einer
vierzehntägigen Kranckheit versetzen den
Menschen, natürlicher Weise zu reden, in einen
kläglichen Zustand. Er kan weder die verbotenen noch erlaubten Ergötzlichkeiten geniessen,
er leidet an seinem
Leibe und an seiner
Seele, seine Gliedmassen erwecken ihm viel
Beschwerlichkeiten, seine
Vernunfft wird dadurch niedergeschlagen; er härmet sich, er
fürchtet den Tod, und kan nicht ohne Entsetzen an die Annäherung dieses
Königs des
Schreckens gedencken. |
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Ein plötzlicher Tod überhebt uns dieses alles, er |
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{Sp. 641|S. 334} |
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muß also vor einem Glück gehalten werden, wenn man nehmlich nicht die Lehren des
Evangelii betrachtet. Dieserwegen hat Pierius Valerianus diese Ausnahme sorgfältig hinzu
gefüget. Die Gottesgelahrheit lehret uns, daß der sündige
Mensch ohne Bereuung seiner
Fehler und den Glauben nicht ins Reich GOttes kömmt: und die
Erfahrung zeiget uns, daß
alle Menschen Sünder sind. Nach diesem Grund-Sätzen muß man es als ein grosses
Unglück ansehen, plötzlich zu
sterben: indem ein solcher Tod uns nicht
Zeit lässet, sich vor
GOtt zu demüthigen, und seine Barmhertzigkeit durch das
Verdienst unsers Heylandes
anzuflehen. Nun kan aber ein Mensch, der als ein Sünder und Unbußfertiger vor dem Throne
GOttes erscheinet, nichts anders als die ewige Verdammniß erhalten. Dieses ist die Lehre
des Christenthums.¶ |
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Es ist vergeblich, wenn man anführen wollte, daß ein zur Seeligkeit Auserwehlter nicht
ohne Busse sterben kan, ob sein Tod gleich plötzlich ist, und daß ein Ruchloser und
Verstockter nicht bußfertig sterben wird, ob vor seinem Tode gleich eine langwierige
Kranckheit vorher gehet. Man siehet indessen hieraus, daß ein plötzlicher Tod manchen
Menschen
schädlich, manchen aber nicht sey; ferner
erkennet man, daß auch eine
langwierige Kranckheit vor dem Tode einem Boßhafften nicht allezeit zur Bekehrung diene,
ja daß vielmahls dieselbe seinen
Verstand und Urtheilungs-Krafft so verderbe, oder zum
Verdrusse und Murren reitze, daß er die nöthigen Wahrheiten nicht genugsam überlegen
kan. |
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Will man also einen schnellen Tod für möglich halten, so muß man ihn nicht nach
Christlichen Absichten betrachten, sondern mit Augustus Augen ansehen. Ein glücklicher
Tod war nach dieses
Kaysers
Meynung derjenige, vor dem keine eintzige Kranckheit
hergieng. Einen solchen Tod wünschte er sich, einen solchen wünschte er auch den
Seinigen. Er fand dasjenige darinne, was ehrliche
Männer in dem Tode der Gerechten
finden, nehmlich einen Gegenstand aller Wünsche. Cäsar hatte gleiche
Gedancken in
diesem Stücke. Er hielt diejenige Langsamkeit verachtens
würdig, mit welcher Xenophons
Cyrus zum Tode gieng, und es schien ihm nichts schöner zu seyn, als unversehens aus der
Welt zu gehen.¶ |
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Hesiodus rechnet die Art, wie die
Menschen in der
goldenen Zeit gestorben, unter die
Vorzüge derselben, nehmlich im Schlaffe, und viele andere haben gleiche
Meynungen mit
diesem gehabt. Das Sprüchwort: Für den Tod ist kein Kraut gewachsen, zeigt die allgemeine
Nothwendigkeit an, die den Menschen oblieget, einmahl zu
sterben.
Todten und
Abwesenden soll man anderst nichts denn Gutes nachsagen. Die
Sprüchwörter: |
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- Es wird sobald eine Kalbs-Haut als Ochsen-Haut zu Marckte
getragen;
- der Tod schonet Niemandes;
- der Tod hat lange Beine;
- er steigt zu allen Fenstern ein:
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wollen sagen, daß der Tod weder Alter noch
Stand
ansehe. |
Es hat Nicolaus Taurellus Libellum de vita et morte, Nürnberg 1586 herausgegeben. Im
Jahr 1723 ist heraus kommen Dethardingii Meditatio academica de morte, worinnen zwar die
Sache vornehmlich auf eine medicinische Art vor- |
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{Sp. 642} |
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getragen wird, es kommen aber auch
Philosophische
Gedancken
dabey vor. Zu
Leipzig hat Herr Treuer 1707 Meditationes
mortis in artem morendi philosophiae, in Form einer
Disputation an das
Licht gestellet. Siehe übrigens auch
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