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Zedler: Unterthan [3] HIS-Data
5028-49-2253-2-03
Titel: Unterthan [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 49 Sp. 2268
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 49 S. 1149
Vorheriger Artikel: Unterthan [2]
Folgender Artikel: Unterthanen, (Abforderung der)
Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Gebot und Verbot (Forts.)
  geistliche oder Kirchensachen
 
  Landesherr unterschiedlicher Religion
 
  Protestantischer Fürst mit katholischen Untertanen
  Katholischer Fürst mit protestantischen Untertanen
 
  Katholischer Bischof mit protestantischen Untertanen
 
  Ehe-Sachen
  Katholische weltliche Fürsten mit protestantischen Untertanen
Literatur
Dienstpflichten (Rittergut)
Militärpflichten
Verweis

Stichworte Text Quellenangaben
geistliche oder Kirchensachen Dieses Recht, Gesetze zu geben, und vollstrecken zu lassen, erstrecket sich aber nicht etwan nur auf Polizey- und Justitz oder sogenannte weltliche Sachen, sondern auch vermöge der der hohen Landes-Obrigkeit in Ansehung der Geistl. oder Kirchen-Sachen zustehenden Macht und Gewalt, auf diese nicht weniger, als auf jene. Denn obgleich an und vor sich ein Fürst und Landes-Herr seine Unterthanen zu Annehmung einer andern Religion, als worzu sich dieselben zeithero bekannt haben, zu zwingen, so wenig, als dieselben deswegen zu bestraffen befugt ist, weil solche im Glaubens-Sachen einer andern Lehre und Meynung beypflichten, als der Fürst und die Geistlichkeit glaubet; mithin einem jeden seine völlige Gewissens-Freyheit billig ungekränckt zu lassen, wie bereits unter den Artickeln:  
 
  • Autonomia, im II Bande, p. 2272.
  • Religion, im XXXI Bande, p. 443 u.ff. und
  • GOttes-Dienst, im XI Bande, p. 382 u.ff.
 
  mit mehrerm gezeiget worden, so ist doch hin-  
  {Sp. 2269|S. 1150}  
  gegen auch soviel gewiß, daß ein Fürst und Landes-Herr wenigstens in Ansehung des öffentlichen GOttes-Dienstes und der dahin sich beziehenden nöthigen Kirchen-Zucht zu desto besserer Beschützung und Beybehaltung des öffentlichen Ruhe-Standes in denen seiner höchsten Gewalt unterworffenen Ländern und Staaten allerhand gute und löbliche Verordnungen und Veranstaltungen machen, auch die Übertreter derselben, sie seyn übrigens einer Religion zugethan, welcher sie wollen, auf das ernstlichste und nachdrücklichste bestraffen lassen könne.  
  Was aber hierbey vor Klugheit und Vorsicht zu gebrauchen, und wie weit sich absonderlich derer Deutschen Reichs-Fürsten und anderer unmittelbaren freyen Reichs-Stände Macht und Gewalt erstrecke, ist bereits oben in dem Artickel: Recht eines Fürsten in Kirchen-Sachen, im XXX Bande, p. 1391 u.ff. und Recht zu reformiren, ebend. p. 1418 u.ff. ausführlich dargethan worden.  
  Seynd nun aber dergleichen Kirchen-Ordnungen gemachet; so verbinden selbige alle und jede Unterthanen derselben Republick und desselben Fürstens; dergestalt, daß, wenn darinnen nichts wider GOttes Gebot verordnet worden, denenselben als Ordnungen der Kirchen Gehorsam geleistet werden muß. Sperner P. I …,
  und stehet denen Geistlichen nicht frey, wenn sie nicht nach ihrem Sinne gemacht sind, dieselben aus eigener Gewalt, und nach eigenem Belieben zu verwerffen, zu verdammen, oder ihnen alle Verbindlichkeiten zu benehmen. Denn es steht keinem Unterthanen zu, über die Gesetze zu urtheilen; sondern er muß demjenigen, was der Fürst haben will, schlechterdings gehorchen. Lincker Res. …
  Wie denn auch von derselben Beobachtung die Geistlichen selbst nicht frey sind, obschon in dem C. 7 et 10 X. de Constit. verordnet, daß die Verordnungen, und Gesetze derer Leyen die Geistlichen oder Kirchen nicht verbinden können, wenn sie auch gleich zu ihrem Besten gegeben worden, woferne sie nicht besonders von der Kirche approbiret worden. Lincker in Dissert. …
  Denn weil wir heut zu Tage keine besondere Geistliche Republick, welche von der Weltlichen gantz unterschieden wäre, aus rechtmäßigen Gründen behaupten können, sondern vielmehr sprechen, daß die Kirche ihrer äusserlichen Verfassung nach mit allen ihren Kirchen-Dienern und Geistlichen der weltlichen Obrigkeit nach dem Befehle CHristi und derer Apostel unverworffen sey. Besiehe Titii Probe des Deutschen Geistlichen Rechtes …
  So folget auch, daß, da die Kirche ihrer äusserlichen Verfassung nach und die Geistlichen der weltlichen Obrigkeit unterworffen sind, selbige auch in Sachen, welche die Religion nicht angehen, ihnen gültiger Weise Gesetze vorschreiben möge, und diese selbige auch zu beobachten aus dem Rechte der Natur verbunden sind. Huber. de Jure
  Andere Personen aber, welche nicht Unterthanen desselben Staates sind,  
  {Sp. 2270}  
  oder derselben Religion nicht beypflichten, sind auch nicht an dieselben Kirchen-Gesetze gebunden; es geschehe denn solches stillschweigends wegen ihrer habenden unbeweglichen Grund-Stücken, als in deren Ansehung sie sich auch in denen Sachen, welche nicht die Personen, sondern die Güter, und davon der Kirche und denen Geistlichen zu entrichtenden Abgaben betreffen, nach denen Verordnungen des Landes-Fürsten zu richten schuldig sind.  
  Wenn dannenhero ein Catholischer in eines Protestirenden Landes-Herren Gebiete unbewegliche Grund-Stücke besitzet, es verordnet aber der Landes-Fürst, daß von einem jeden unbeweglichen Grund-Stücke denen Priestern jährlich ein gewisses Opffer-Geld gegeben werden solle; so ist der Catholische Besitzer desselben Guts auch verbunden, sich nach dieser Verordnung des Landes-Fürsten zu richten, und von seinem Hausse, Garten oder Gute dem Pfarr-Herrn desselben Ortes, in dessen Kirchspiel das Grund-Stücke liegt, jährlich das gesetzte Opffergeld zu zahlen schuldig. Besiehe Böhmers Jus … und Christian Gottlieb Wolffens Systema des Geistl. Kirchen-Rechts …
Landesherr unterschiedlicher Religion Gegenwärtig wollen wir doch auch noch eines und das andere davon beyfügen, wie sich ausserdem und sonst noch sowohl Catholische Fürsten und Landes-Herrschafften gegen ihre der Protestantischen Religion zugethane Unterthanen, als auch protestirende Fürsten und Stände gegen ihre Catholische Unterthanen, in denen Deutschen Reichs-Landen zu bezeigen haben.  
Prot. Fürst mit kath. Untertanen Und zwar fliesset in Ansehung der letztern aus dem vorbemeldeten Rechte, Kirchen-Gesetze zu machen und vorzuschreiben, unter andern auch dieses, daß ein Fürst Protestirender Religion denen in seinem Gebiete befindlichen Klöstern und allen andern Catholischen Unterthanen, welche nicht in dem durch den Westphälischen Friedens-Schluß festgesetzten 1624 Jahre den 1 Jenner einem Bischoffe, das Diöcesan-Recht betreffend, unterworffen gewesen, und über die nicht der Bischoff im bemeldeten Jahre dasselbe Diöcesan-Recht ruhig ausgeübet hat, besonders auch Feyertage, und zwar sowohl ordentliche, als ausserordentliche vorzuschreiben befugt sey. Denn die Catholischen Unterthanen derer Evangelischen Landes-Fürsten seyn nur in soweit denen Bischöffen in Ansehung des Diöcesan-Rechts unterworffen geblieben, in sofern solche die Bischöffe im bemeldeten Jahre geruhig ausgeübet haben. Instrum. Pac. Art. V §. 48.
  Woraus denn augenscheinlich von sich selbst folget, daß die Catholischen Unterthanen in denen Dingen, die ihr Gewissen und Glaubens-Bekänntniß nicht berühren, wohin ohnstreitig die angesagten Göttliche Feyertage gehören, sich nach denen Befehlen ihrer Evangelischen  Landes-Herrschafft richten, und dererselben Kirchen-Gewalt unterwürffig seyn müssen. Böhmer, J.E. …
  {Sp. 2271|S. 1151}  
  folglich der Fürst auch befugt sey, ihnen dergleichen Göttliche Feyertage vorzuschreiben,  
  Und hindert nichts, wenn man gleich vorgeben will, daß nach denen Grund-Sätzen derer Catholischen das Recht den GOttes-Dienst anzuordnen, und Feyertage anzusetzen, denen Päbsten und Bischöffen, als Geistlichen Kirchen-Regenten, zugeschrieben,
  • Wiestner in Instit. …
  • Gonzalez ad c. 6 …
  und solches vermöge der Kirchen-Gewalt ausgeübet würde, welche alleine nach ihrer Hypothesi denen obgedachten Regenten zustünde, folglich es dem Geistlichen Rechte zu wieder, wenn weltliche Landes-Herren, und zwar unterschiedener Religion, dergleichen Göttliche Feyertage, sowohl ordentliche, als ausserordentliche, anzusetzen sich unterfangen wollten, als welche ihrem Glaubens-Bekänntnisse nach als unrechtmäßig angeordnet zu halten, und ob dieselben zwar sonst in weltlichen Sachen zu allem Gehorsam verbunden, dennoch solches ihrer Meynung nach in Geistlichen Sachen seinen Abfall habe.  
  Denn das Recht, Feyertage anzusetzen, ist eigentlich eine Würckung der Landes-Fürstlichen Hoheit oder der Obersten-Gewalt in der Republick, welches in denen ersten Zeiten, da die Kayser und Fürsten sich noch des Rechtes, in Kirchen-Sachen zu disponiren, gebrauchen mochten, von denen Kaysern beständig ausgeübet worden, wie solches die Capitularien derer Fränckischen Könige, beym Baluzio Tom. I Ditmarus beym Leibnitz. T. I … und viele andere Schrifftsteller bezeugen.  
  Ob nun also gleich die Päbste vor den Zeiten der Reformation sich desselben Rechtes unter dem Vorwande, es sey solches eine Geistliche Sache, dergleichen aber gehöreten nur ihrer und derer Bischöffe Cognition zu, allein unterzogen, und die Fürsten davon ausgeschlossen; so haben sie doch die Natur desselben Rechtes durch ihr Unternehmen nicht verändern, und es dem Rechte in Kirchen-Sachen dessen Würckung es ist, entziehen können.  
  Da nun also das Recht über Kirchen-Sachen dem Landes-Fürsten zukömmt, und zwar denen Protestirenden Fürsten nicht allein über ihre Unterthanen Protestirender, sondern auch Catholischer Religion, die Kirchen-Gewalt derer Bischöffe aber in denen Landen Protestirender Staaten gäntzlich suspendiret, folglich stillschweigend der Evangelischen Landes-Herrschafft zugeeignet ist, Instrum. Pac. Art. V §. 48,
  und also die Bischöffe in denen Landen Protestirender Fürsten, wenn sie nicht im Jahre 1624 den 1 Jenner das Diöcesan-Recht über die darinnen befindliche Catholische Unterthanen ruhig ausgeübet haben, sich ferner über dieselben zum Nachtheil der Höchsten Landes-Herrschafft kein Recht anmassen können, vielmehr dem Fürsten in solchem Falle die Catholischen Unterthanen in allen Dingen, so ihr Glaubens-Bekänntniß und Gewisssen nicht angehen, nach Innhalt des mehrmahls angezogenen §. 48. Art. V. Instrum. Pac. gäntzlich unterworffen worden, und also höchst falsch  
  {Sp. 2272}  
  ist, daß solches nur auf die weltlichen Geschäffte, nicht aber auch auf die Geistlichen zu ziehen, als von welchem ersten gar kein Zweiffel entstanden, folglich auch davon nicht in dem Westphälischen Friedens-Schlusse, als einer ausser allen Zweiffel gesetzten Sache, gehandelt, das letzte aber wohl in Zweiffel gesetzet, und diesem abzuhelffen zum solennen endlichen Termine der 1 Jenner des 1624 Jahres gesetzet worden; so bleibet unsere Meynung ausser allem Zweiffel höchst gegründet, daß nehmlich der Fürst auch befugt sey, ihnen Göttliche Feyertage, sowohl ordentliche, als ausserordentliche, vorzuschreiben; worwider nichts hindern mang, daß sie dergleichen Unternehmen des Landes-Fürsten ihrem Glaubens-Bekänntnisse nach als was unrechtmäßiger Weise unternommenes ansehen.  
  Denn wenn man dieses zum Grunde der Betrachtung dieser Fragen setzen wollte, müste sodann ohne allen Zweiffel folgen, daß nehmlich kein Protestirender Fürst über seine Catholische Unterthanen sich einiges Stückes des Rechtes in Kirchen-Sachen unterziehen möchte, da ja bekannt, daß nach denen Grund-Sätzen der Cätholischen das gantze Recht in Kirchen-Sachen denen weltlichen Herrschafften wider Recht und Billigkeit verweigert, und dem Pabste und denen Bischöffen zugeeignet wird, so aber durch den Westphälischen Friedens-Schluß völlig geändert worden.  
  Eben so wenig mag dem Rechte des Fürsten, seinen Catholischen Unterthanen Göttliche Feyertage vorzuschreiben, einigermassen hinderlich seyn, wenn sie sich darauf beruffen, daß dergleichen willkührliche Feyertage mit zu denen Kirchen-Gebräuchen und Ceremonien, auch öffentlichem GOttes-Dienste gehörten, deren völlige Freyheit in dem Religions-Frieden denen Protestanten vorbehalten worden, dergestalt, daß, da nach dem Osnabrüggischen Friedens-Schlusse Art. V. §. 31. denen Unterthanen unterschiedlicher Religion nach dem Anno decretorio ihr freyer GOttes-Dienst, wie sie solchen damahls ausgeübet, mit deutlichen Worten eingeräumet, die Protestirenden Rechts-Gelehrten beständig dafür hielten, daß die Catholischen Landes-Herren ihren Evangelischen Unterthanen nicht anmuthen könnten, mit ihnen ihre Feyertage zu feyern, Henninges Medit. … noch vielweniger an solchem Tage sich aller Arbeit zu enthalten.  
  Wie nun, schliessen sie weiter, denen Catholischen Ständen nicht erlaubt ist, ihren Protestirenden Unterthanen anzubefehlen, daß sie die Catholischen Feyertage mit celebriren sollten; also müsse solches auch denen Protestanten in Ansehung ihrer Catholischen Unterthanen unerlaubt seyn, weil die Regel in dem Instrum. Pac. Art. V §. 1, fest gegründet, daß, was einem Theile recht ist, auch dem andern Theile vergönnt sey. Denn was diese Regel anbetrifft; so leidet selbige in unterschiedenen Fällen, wo nehmlich der Grund des Unterschiedes ein anders erfordert, dergleichen in dem §. 16, 17, 19, 21, und 22. Art. V. Instr.  
  {Sp. 2273|S. 1152}  
  Pac. zu ersehen, ihren Abfall; dergestalt, daß nicht so gleich also zu schliessen ist: Dieses stehet denen Protestanten frey, folglich müsse es denen Catholischen auch frey stehen; oder dieses ist denen Catholischen verboten, folglich muß es auch denen Protestanten verboten seyn: Denn öffters erfordert der Grund des Unterscheides, daß einer Parthey etwas erlaubt, der andern hingegen solches untersaget sey.  
  Dergleichen Unterscheid des Grundes äussert sich nun auch in gegenwärtigem Falle. Denn es ist bekannt, daß bey uns Protestanten, was die ordentlichen Feyertage anbelanget, wir keine besondern feyern; welche nicht zugleich von der Catholischen Kirche gefeyert werden. Also feyern wir den Sonntag, die drey hohen Feste, die Apostel-Tage; und eben diese seyn gleicher Gestalt bey der Catholischen Kirche in beständigem Andencken. So haben wir auch öffters Feyertage, welche ausserordentlicher Weise angesetzet werden, dergleichen sind öffentliche Lob- und Danck-Feste wegen glücklich erfolgten Ausgangs einer zum Nutzen des Landes projectirten Sache oder erhaltenen Sieges, öffentliche Bet- Buß- und Fast-Tage bey öffentlicher allgemeiner Landes-Noth und dergleichen. Und vor diesen haben auch die Catholischen keinen Abscheu; vielmehr werden selbige auch nach ihrem Glaubens-Bekänntnisse jederzeit mit grosser Andacht gefeyert. Dieses seyn demnach diejenigen Feste welche bey uns üblich seyn, und von keiner andern Gattung wissen wir etwas.  
  Da nun unsere Feyertage wider ihr Glaubens-Bekänntniß und Gewissen nicht lauffen, vielmehr selbige auch von ihnen insgesammt gefeyert werden, und daher denen Catholischen Unterthanen gegen ihre Gewissens-Freyheit und Confeßion nichts zugemuthet wird, wenn sie gleich die von Protestirender Obrigkeit angeordnete Feste, z.E. Buß-Tage, Danck-Feste, wiewohl nach dem Gebrauche der Römischen Kirche mit feyern müssen, jedem Landes-Fürsten aber in seinem Gebiete das Recht in Kirchen-Sachen über seine Catholische Unterthanen in Sachen, welche ihrer Confeßion und Gewissen nicht zuwider seyn, zustehet; So fliesset daraus, daß auch solches dem so theuer erkaufften Westphälischen Osnabrüggischen Friedens-Schlusse nicht zuwider sey.  
Kath. Fürst mit prot. Untertanen Anders aber verhält es sich in Ansehung derer Protestirenden Unterthanen in eines Catholischen Landes-Fürstens Gebiete. Denn die Catholischen haben sehr viele Feyertage denen Heiligen gewidmet, die sie ihnen zu Ehren auch noch heut zu Tage feyern, deren Celebrirung aber denen Protestanten ohne Verletzung ihres Gewissens nicht auferleget werden mag.
  • Henninges Medit. …
  • Antevindic. Stat. Evangel. Episc. Hildesheim. …
  Wenn sie also die Catholischen Feyertage ihrer Confeßion zuwider mit zu feyern gezwungen werden sollten; so würde solches eine Verletzung des Gewissens ihrer Confeßion und Lehre, und daher entspringende Turbation des in dem Anno decretorio festgesetzten Zustandes der Kirchen seyn, so doch in dem Westphälischen Osnabrüggischen Friedens-Schlusse gäntzlich  
  {Sp. 2274}  
  untersaget ist. Woraus denn von sich selbsten, und zwar aus dem Grunde der Ungleichheit, folget, daß die bekannte Regel: Was einem Theile gerecht ist, das solle auch dem andern Theile gerecht seyn, hieher wegen des angeführten Unterschiedes nicht zu ziehen sey, und, ob schon denen Catholischen untersaget ist ihre Protestirende Unterthanen zu Feyerung ihrer Feyertage anzuhalten, dennoch denen Protestirenden solches wohl zustehe, als durch derer ihre Feyertage die Catholischen nicht so wohl geärgert, und ihnen etwas wider ihr Gewissen und Confeßion lauffendes angemuthet wird, als widrigen Falls wohl denen Protestirenden Unterthanen Catholischer Landes-Herren geschiehet. Siehe hiervon mit mehrerem Christian Gottlieb Wolffens Tractat von Buß- Bet- und Fast-Tagen, … und Ejusd. Systema des geistlichen Kirchen-Rechts …
Kath. Bischof mit prot. Untertanen Weil es sich aber öffters zuträgt, daß hingegen auch in eines Catholischen Bischoffs Gebiete Protestirende Unterthanen wohnen; so fragt es sich nicht unbillig, ob die Bischöffe auch über selbige das Diöcesen-Recht und die Kirchen-Gewalt auszuüben befugt seyn, oder aber ob nicht vielmehr die in anderer und weltlicher Fürsten ihren Landen eingeführte Suspension der Bischöfflichen Gewalt auch auf die Unterthanen der Bischöffe erstrecket werden möge? Und dabey muß man wohl unterscheiden, ob nehmlich die Unterthanen eines Catholischen Bischoffes im Jahre 1624. ein eigenes Consistorium gehabt haben, oder ob sie die Jurisdiction derer Bischöffe dazumahl erkannt haben, und ihr unterworffen gewesen.  
  Haben sie in bemeldtem Jahre ein eigenes Consistorium gehabt, vor dem sie in Kirchen- und geistlichen Sachen gestanden haben, und ihm unterworffen gewesen; so ist auch in Ansehung desselben die Kirchen-Gewalt und das Diöcesen-Recht derer Bischöffe suspendiret, und es stehet dem Bischoffe, wie nicht minder derselben Officialen, in Kirchen-Sachen kein Recht zu; Vielmehr übet das Consistorium über selbige das Diöcesen-Recht und die Kirchen-Gewalt nach wie vor aus. Instrum. Pac. Westph. Art. V. §. 31.
  Woferne sie aber in bemeldtem Jahre kein eigenes Consistorium gehabt, vielmehr der geistlichen Gerichtsbarkeit derer Bischöffe unterworffen gewesen, so müssen sie auch noch ferner in denen Sachen, welche die Augspurgische Confeßion mit nichts angehen der geistlichen Gerichtsbarkeit derer Bischöffe unterworffen seyn. In denen Fällen aber, welche die Augspurgische Confeßion, und also ihr Gewissen angehen, seyn sie allerdings der Bischöfflichen Gerichtsbarkeit nicht unterworffen, sondern gantz independent.  
  Und dahero, was die Glaubens-Artickel, Kirchen-Ceremonien, Gebräuche und Ordnungen, Bestellungen derer Kirchen-Diener, die Sachen, eine begangene Simonie, den Pfarr-Satz, die Zehenden, die Anordnung der Feyertage, u.d.g. betreffend, als welche nach dem Religions-Frieden von 1555. Art. 15. unter die Religions-Sachen gerechnet werden, anbelanget, dasselbe ist allerdings der geistlichen Gerichtsbarkeit derer Bischöffe nicht unterworffen. Nicht minder sind auch diejenigen Sachen, welche nach den Lehr-  
  {Sp. 2275|S. 1153}  
  Sätzen der Augspurgischen Confeßions-Verwandten durch eine nothwendige Folge daraus fliessen, ob sie gleich nicht eigentlich die Glaubens-Artickel angehen, allerdings der geistlichen Gerichtsbarkeit der Bischöffe entzogen.  
  Dahero denn, weil wir keine Heilige verehren, noch ihnen zu Ehren einige Fest-Tage feyern, auch kein Bischoff seine ihme unterthänige Augspurgische Confeßions-Verwandten zwingen kan, solche Feyertage, so denen Heiligen, die besonders nur in der Römisch-Catholischen Kirche davor erkannt und verehret werden, gewidmet seyn, mit denen Catholischen zu feyern. Denn ausser dem, daß dergleichen willkührliche Feyertage ohnstreitig mit zu denen Kirchen-Gebräuchen und Ceremonien, auch öffentlichem Gottesdienste gehören, davon völlige Freyheit in dem Religions-Frieden denen Protestanten vorbehalten worden; so ist auch dieses sattsam bekannt, daß die Catholischen sehr viele Feyertage denen Heiligen gewidmet, und ihnen zu Ehren feyern, deren Celebrirung denen Protestanten ohne Verletzung ihres Gewissens und Confeßion nicht auferleget werden mag.
  • Autor Medit. …
  • Autor Antivindic.
  Weil nun also die Anordnung derer Fest- und Feyertage nicht allein zu denen Kirchen-Gebräuchen und Ceremonien gehöret, sondern auch derer Protestanten Gewissen und Confeßion angehet, beyde Fälle aber, weil sie die Augspurgische Confeßion betreffen, nach Inhalt des Westphälischen Friedens-Schlusses keinem Bischoffe zugehören, sondern vielmehr denen Protestanten selbst überlassen werden müssen; so ist gantz sicher zu schlüssen, daß auch die Anordnung derer Fest-Tage nicht von dem Bischoffe geschehen möge, und sie demselben in diesem Stücke nicht unterworffen seyn. Stryck in Us. …
  Hierzu kömmt noch dieses, daß unter denen Sachen, welche die Augspurgische Confeßion betreffen, nicht allein alle diejenigen Stücke, welche die Glaubens-Artickel bezielen, sondern auch solche, welche auf einige Art und Weise die freye Religions-Ubung turbiren, und solchen Sachen, welche zum Wesen und Wohlseyn der Religion und der Kirche nöthig sind, verhindern mögen, begriffen werden. Daher denn Sincerus in seinem so betitelten Tractat: Die auf das allerbeste gegründete Jurisdictio ecclesiastica Catholischer Landes-Herren über ihre Protestantische Unterthanen im Jahre 1726. §. 6. u.ff. wider den Westphälischen Frieden starck verstossen, wenn er zu der denen Catholischen Landes-Herren annoch vorbehaltenen Kirchen-Gewalt zehlet, daß ihnen frey stünde, ob sie ein Consistorium aufrichten, oder das bereits aufgerichtete denen Unterthanen lassen wollten, als welches gantz offenbahr dem Art. V. §. 31. I.P.W. zuwider lauffet.  
  Denn die Erfahrung zeiget zur Gnüge, daß das freye Religions-Exercitium derer in Catholischer Fürsten Landen gelegenen Augspurgischen Confeßions-Verwandten nicht frey und ungehindert sey, wenn sie keine Consistorien haben, die mit Leuten ihrer Religion besetzet sind, und welche für die Wohlfarth der Kirchen, sammt guter Ordnung darinnen beyzubehalten, Sorge  
  {Sp. 2276}  
  tragen. Und daß der Landes-Herr unterschiedener Religion für die Wohlfarth und den glücklichen Zustand derjenigen Kirche, die er als eine ketzerische und Verdammenswürdige ansiehet, mit aufrichtigen Hertzen eyffrigst Sorge tragen sollte, streitet wider die Vernunfft, die Grund-Sätze seiner Religion und die tägliche Erfahrung.  
  Wer wollte also sagen, daß die Bestellung derer Consistorien keinesweges so beschaffen sey, daß sie die Regierung nicht wenigstens stillschweigends angehen sollte, da doch ohne selbige die Wohlfarth der Kirche, das freye Religions-Exercitium und gute Ordnung nicht füglich erhalten werden mag? Denn ob schon die Protestirenden Rechts-Lehrer, vornehmlich diejenigen, welche nach denen Grund-Sätzen einer gesunden Sitten-Lehre und des natürlichen Rechts urtheilen, nicht zugeben, noch zugeben können, daß die Consistorien schlechterdings nöthig wären; so erstrecken sie doch solches nicht auf den Fall, wenn der Fürst einer unterschiedenen Religion zugethan ist.  
  Weil nun also dieser Grund-Satz richtig ist, daß alles dasjenige hierunter begriffen werde, wodurch anderer Gestalt das freye Religions-Exercitium und die Wohlfarth der Kirche verhindert wird; so folget aus oben ausgeführten Gründen auch nothwendig, daß die Bestellung der Consistorien eine die Augspurgische Confeßion betreffende Sache, und folglich der geistlichen Gerichtsbarkeit eines Catholischen Landes-Herrn nicht unterworffen sey, ob schon die Catholischen nach geschlossenem Religions-Frieden auf dem Reichs-Tage zu Augspurg folgende Beschwerden hervor gebracht:  
  „So unterstehen sich die Confeßions-Verwandten doch, eigene geistliche Gerichte und Consistoria aufzurichten, und also die Catholischen in ihrer rechtmäßigen Jurisdiction, deren sie zur Zeit des aufgerichteten Friedens noch in Possession gewesen, zu entsetzen, und darzu nicht allein ihre eigene Unterthanen, sondern auch in denen Gemeinschafftungen, und da etwa der Catholische Stand in totum directus dominus, der Confeßions-Verwandte aber entweder Lehns- oder Pfandsweise gar, oder zum Theil utilis dominus ist, die Unterthanen von dem Catholischen ordentlichen Consistorio abzuweisen, und auf ihre neu aufgerichtete Gerichte zu zwingen, so solches die Religion doch gar nicht angehe.“ Besiehe Cortrejus in Observ. …
  Und also leidet in allen denen Sachen, welche entweder die Religion derer Protestanten, oder aber ihr Gewissen angehen, nicht minder in denenjenigen ohne welche sonst das freye und ungehinderte Religions-Exercitium nicht erhalten werden könnte, die sonst denen Catholischen Bischöffen gelassene Kirchen-Gewalt ihren Abfall; dergestalt, daß selbige nichts anzuordnen befugt seyn, was beyden Stücken einiger massen zuwider ist.  
  Hieraus folget nun, daß kein Bischoff befugt ist, die Protestirende Unterthanen zum Niederfallen vor dem Venerabili anzuhalten, weil solches allerdings nach denen Grund-Sätzen ihrer Religion und Lehre ihrem Gewissen zuwider ist. Noch weniger kan er sie anhalten, und ihnen anbefehlen, vor denen aufgerichteten Bildern derer Heiligen und Crucifixen niederzufallen, als dergleichen Thun nach der  
  {Sp. 2277|S. 1154}  
  Augspurgischen Confeßion für eine Sache, die wider das Gewissen lauffet, nicht unbillig gehalten wird, in welchen Sachen allerdings derer Bischöffe Kirchen-Gewalt ausgeschlossen ist. Autor (oder vielmehr Thomasius) in Antivind. …
  Gleichergestalt ist auch kein Catholischer Bischoff befugt, seine Protestirende Unterthanen zu zwingen, an denen Catholischen Feyertagen, so zu Ehren derer Heiligen angeordnet worden, sich aller Arbeit gäntzlich zu entschlagen, oder zu enthalten, als welches stillschweigends ebenfalls mit in den Zustand der Religion lauffet, welcher doch nach dem Gebrauche des Anni decretorii schlechterdings beständig bleiben muß, per Art. V. I.P.W. §. 31. ibi: quatenus illa dicto anno exercuerunt.  
Ehe-Sachen Ob aber die Ehe-Sachen auch hierzu gehören, und folglich von der Kirchen-Gewalt derer Catholischen Bischöffe exemiret seyn? ist noch nicht gäntzlich ausgemachet. Viele derer Protestirenden Rechtsgelehrten rechnen solche Ehe-Sachen zu denen die Augspurgische Confeßion betreffenden Stücken, aus der Ursache, weil die Lehr-Sätze derer Protestanten in Ehe-Sachen, welche sich nach der Vorschrifft des unverfälschten göttlichen Gesetzes und denen richtigen Grund-Sätzen einer gesunden Moral richten, mit der Lehre der Römisch-Catholischen in vielen Stücken nicht übereinkommen, und dahero durch Beyhülffe derer berühmtesten Rechtsgelehrten diese höchstwichtige Lehre gantz eine andere Gestalt gewonnen, als sie vor den Zeiten der Reformation vorstellete. Göbel, in Dissertat. …
  Hingegen suchen die Catholischen Schrifftsteller solches aus dem Grunde, weil wir dennoch in vielen, ja denen meisten Stücken, was die Ehe-Sachen anbetrifft, uns nach dem Päbstischen Rechte richteten, und wir also in denen meisten Stücken mit ihnen einerley Recht hätten, wenige ausgenommen, derenthalben doch überhaupt die Ehe-Sachen des Bischoffs Jurisdiction nicht entzogen werden könnten, des Bischoffs habende Gewalt zu gründen. Welcher Meynung auch Henninges in Medit. … und Böhmer in J.E. … beypflichten.  
  Wir überlassen demnach die Entscheidung dieser Frage eines jeden eigener Beurtheilung, ob wir uns gleich nicht enthalten können, unsers Ortes der erstern Meynung beyzupflichten. Denn daß wir uns in vielen Stücken nach dem Päbstlichen Rechte richten, und wo wir dasselbe für billig zu seyn erachten, desselben Lehr-Sätze annehmen, giebt denen Bischöffen, unserm Ermessen nach, kein grösseres Recht, als ihnen nach Maßgebung des Westphälischen Friedens-Schlusses zustehet; Noch kan selbiges einige Sachen, so in dem Westphälischen Frieden unter denen die Augspurgische Confeßion betreffenden Sachen begriffen werden, davon entziehen.  
  Denn woferne dieser Lehr-Satz statt finden sollte, würde alsdenn ungezweiffelt folgen, daß auch die Bestellung derer Kirchen-Diener nicht zu denen die Augspurgische Confeßion betreffenden Sachen gezogen werden könnte, weil wir nehmlich bey derselben allerdings uns noch verschiedener Päbstischer Rechte, z.E. der Ordination, Investitur u.d.g. bedienen, dergleichen Bestellung aber nach dem, was wir in dem vorhergehenden gemeldet haben,  
  {Sp. 2278}  
  allerdings unter die Augspurgische Confeßion betreffende Sachen gehöret, über welche sich des Bischoffs Jurisdiction nicht erstrecken mag. Es ist vielmehr die Observirung derer Päbstlichen Rechte in Ehe-Sachen eine pur willkührliche Sache, welche denen Protestirenden abzuschaffen, und auch wiederum zu behalten, völlig freygestanden hat.  
  Wie nun, wenn ein Fürste eines andern Landes-Fürsten Rechte in seinem Gebiete wegen der darinnen steckenden besondern Billigkeit einführet, derjenige, dessen Rechte angenommen und eingeführet werden, sich die Jurisdiction über die Fälle, so aus solchem Rechte entschieden werden sollen, nicht anmassen kan, vielmehr derselben Entscheidung und Beurtheilung desjenigen Landesfürsten, der sie angenommen hat, freyem Willen billig anheim gestellet werden muß; Also können auch die Bischöffe aus der Ursache, daß wir in Ehe-Sachen die Päbstischen Rechte öffters gebrauchen, solche nicht vor ihre Gerichte ziehen, zumahl da allerdings die Protestirenden Unterthanen dadurch hefftig verkürtzet werden möchten, diese Verkürtzung aber überall in dem Westphälischen Friedens-Schlusse gäntzlich untersaget worden.  
  Dergleichen Verkürtzung erhellet absonderlich aus denen Actis Silesiacis, und zwar aus dem Gravamine V. woselbst folgendes befindlich:  
  „So werden auch die Evangelischen, ratione ihrer Religions- und Gewissens-Freyheit, auf vielerley Weise empfindlich gekräncket. Denen begütherten Witwen und unverheyratheten Personen, wird die Verheyrathung an ihre Religions-Verwandten schwer gemacht, verweigert, und dieselbe Catholische zu heyrathen durch vielerley Verzögerungen und Verhinderungen gedrungen. Die Heyrathen zwischen Catholischen und Evangelischen werden gleichfalls geweigert, es sey denn, daß der Evangelische Theil den Catholischen Glauben anzunehmen sich erkläre. Die bey denen A.C. Verwandten sonst zugelassene Matrimonis, so wohl ratione Consanguinitatis, als zwischen Gevattern u. Pathen, werden von der geistl. Obrigkeit dermassen angefochten, daß selbige entweder gäntzlich verbothen, oder wie auch wohl gar jam contracta wieder dissolviret, u. pro irritis erkläret, oder doch, wenn sie ohne Scheidung gelassen, hart und sehr empfindlich gestrafft werden, oder sich zu der Cathol. Religion beqvemen müssen.“  
  Und aus diesen Gründen halten wir mit Recht dafür, daß die Ehe-Sachen und die mit denselbigen verknüpffte Sachen, die Dispensation, Sonderung von Tisch und Bette, Ehescheidung, u.d.g. betreffend, lediglich zu denen die Augspurgische Confeßion betreffenden Sachen gehören, folglich in denenselben die geistliche Gerichtsbarkeit Catholischer Landes-Herren nicht statt finde. Wohin auch dasjenige gehöret, was Johann Deckner in Consult. … vorbringet, daß nehmlich die Commissarien des Kaysers Ferdinands III. in Sachen des Evangelischen Raths wider den Catholischen Rath daselbst, die Kirchen-Gewalt betreffend, den 29. Oct. 1650. dergestalt gesprochen:  
  „Daß die Jurisdictio ecclesiastica nicht nur in Ehe-Sachen, sondern auch in allen übrigen, was davon dependiret, nach Inhalt des I.P. suspendiret, und  
  {Sp. 2279|S. 1155}  
  die Judicatur in Ehe-Sachen und dergleichen denen Evangelicis inter Evangelicos allein, inter utriusque Religionis Partes des beklagten Theils Religion-Verwandten, hingegen die Execution, wie auch die Geld- und andern Straffen, dem von beyden Religionen ersetzten Rath verbleiben, u.s.w.“  
  Wenn nun also sich dergleichen Fälle zutragen, die aus dem Grunde, weil sie die Augspurgische Confeßion und das Gewissen angehen, derer Bischöffe Jurisdiction nicht unterworffen sind; So können auch die Bischöffe solche nicht vor ihre Gerichte und Consistorien ziehen; Vielmehr stehts es alsdenne denen Augspurgischen Confeßions-Verwandten und Unterthanen frey, auf gewisse Schieds-Leute zu compromittiren, oder aber sich durch den Weg der Prorogation an eines andern Protestirenden Fürstens Gerichte zu wenden, und von dannen die Entscheidung derselben Frage zu erwarten. Zumahl da in dem Westphälischen Friedens-Schlusse keine Art und Weise, die Streitigkeiten, so in Ansehung derer ausgenommenen und derer Bischöffe Jurisdiction entzogenen Fälle entstehen, zu entscheiden, vorgeschrieben, und also derer Unterthanen eigenen Willkühr, wie sie selbige geendiget wissen wollen, überlassen ist. Göbel Dissert. …
  Entstehet aber eine Streitigkeit in Ansehung dererjenigen Fälle, welche die Augspurgische Confeßion und das Gewissen derselben nicht betrifft, folglich der Jurisdiction derer Bischöffe unterworffen ist; so kan zwar der Bischoff, in dessen Gebiete sie sich befinden, und dessen Unterthanen sie sind, die Untersuchung und Entscheidung derselben gültiger Weise vornehmen. Unterdessen aber muß er sich doch nach denen Lehr-Sätzen derer Augspurgischen Confeßions-Verwandten vollkommen richten, und ist nicht befugt, dieselben nach den Lehr-Sätzen des Päbstlichen geistlichen Rechtes zu entscheiden, weil er anderer Gestalt dem Gewissen derer Protestirenden Unterthanen Gewalt anthun würde. Henninges in Medit. …
Kath. weltl. Fürsten mit prot. Untertanen Weil aber auch öffters in derer Catholischen weltlichen Fürsten ihren Landen Protestirende Unterthanen sich befinden; so fragt es sich nicht unbillig, ob auch dieselben Catholischen Fürsten befugt seyn, nach derjenigen Masse, die denen Catholischen Bischöffen in ihren Landen vorgeschrieben ist, über ihre Protestirende Unterthanen das Recht in Kirchen-Sachen und die Kirchen-Gewalt auszuüben? Und hierbey muß man gar wohl unterscheiden, ob nehmlich im Jahre 1624. als dem sonst so genannten Anno decretorio, dessen Zustand, Gebrauch, Observantz, Ubung, und Besitz den einzigen Grund der Entscheidung abgiebt, ein Catholischer Landes-Herr gegen seine Unterthanen unterschiedener Religion im Besitz der geistlichen Jurisdiction und des Rechts in Kirchen-Sachen gewesen ist, oder nicht.  
  Im ersten Falle muß es allerdings noch fernerhin dabey verbleiben; Dahingegen im letzten Falle, wenn von ihnen in solchem 1624. Jahre derselbe Gebrauch des Rechts in Kirchen-Sachen nicht ausgeübet worden, sich dessen ein solcher Landes-Herr ebenfalls aus keinerley Vorwande fürohin anmassen kan; gestalt der gantze Zweck und die einige Absicht des Westphälischen Friedens-Instruments dahin gegan-  
  {Sp. 2280}  
  gen, durch blosse Bestimmung der That alle Irrungen und Streitigkeiten, die ewige Vergessenheit und Beschwerden anbelangend, auf einmahl abzuthun und aufzuheben; Dahero der Stand des Besitzes in dem bemeldeten Anno regulativo die alleinige Richtschnur bey allen vorfallenden Streitigkeiten ist, wie denn solche Observantz des 1624. Jahres im bemeldetem Friedens-Instrumente §. 33. ausdrücklich eine Regel, und §. 25. unicum solumque fundamentum totius transactionis benennet wird, nach welcher Richtschnur alleine gesprochen werden muß, ohne daß man auf das Petitorium und die einem oder dem andern sonst krafft der Landesherrlichen Gewalt zustehende Befugnisse sehen müsse.  
  Man bleibt vielmehr bloß bey dem Possessorio oder dem würcklichen Posseß und dem Besitze solchen Rechtes, wie solches im offtbemeldten Anno decretorio gewesen ist, ohne Absicht einiges Rechts oder andern Beschaffenheit, wie aus dem Friedens-Executions-Haupt-Receß von 1650. §. 3. erscheinet, allwo es heißt: „Ohne Ansehen derer Jurium Petitorii, fürnehmlich nach dem blossen facto Possessionis, usus, Observantiae und Exercitii.“ Lincker Cons. …
  Aus welchem unwiderleglichen und Felsenfesten Grund-Satze denn gleich anfänglich dieser Schluß folget, daß ein Catholischer Landes-Herr gegen die in seinem Lande gesessene, der Augspurgischen Confeßion zugethane Unterthanen, in Sachen, die Religion betreffend, weiter etwas anders vorzunehmen und zu ordnen, krafft des Westphälischen Friedens-Schlusses, nicht befugt ist, als was er im Anno regulativo würcklich ausgeübet hat, folglich, wie daselbst die eigenen hieher gehörigen Worte lauten, quoad usum, observantiam, Exercitium und Possessionem von selbiger Zeit an, als dem Principio regulativo gemäß, hergebracht hat.  
  Ein mehrers Recht, als er im bemeldeten Jahre würcklich und in der That ausgeübet hat, kan er sich nicht anmassen. Und wenn also im bemeldeten Jahre der Catholische Landes-Herr keine geistliche Jurisdiction und Gebrauch des Rechts in Kirchen-Sachen besessen; so kan er auch nunmehro sich derselben nicht anmassen, weil man anderer gestalt von der in dem Friedens-Schlusse festgestellten Richtschnur, nehmlich von dem Zustande und der Observantz des 1624. Jahres abweichen, und einen gantz andern Gebrauch, eine andere Observantz, ein anderes Exercitium und eine andere Posseß, als der Friedens-Schluß vorschreibet, anführen würde; da doch eben um deswillen, damit über dem Rechte und der Beschaffenheit solcher Observantz keine neue Streitigkeiten entstehen möchten, das Friedens-Instrument alle Pacten, Verträge, Conventionen, Reverse, u.s.w. welche dieser Observantz des 1624. Jahres zuwider sind, gantz vernichtet und aufgehoben hat.  
  Und darff man sich hierbey nicht aufhalten, und sehen, aus was vor einem Rechte oder Titel die in eines Catholischen Landes-Herrn Gebiete befindliche Augspurgischen Confeßions-Verwandte und Unterthanen sich der sonst dem Landes-Herrn ordentlicher Weise zustehenden Kirchen-Gewalt entziehen, und sich derselben anmassen können. Und die Fragen, welche auf die Rechte, Befugnisse, Qvalitäten, u.d.g. gehen,  
  {Sp. 2281|S. 1156}  
  kommen bey Entscheidung derer aus dem Westphälischen Friedens-Schlusse zu entscheidenden Streitigkeiten in keine Betrachtung. Denn das Friedens-Instrument leget zur Regel und Richtschnur, nach der alles ermessen und beurtheilet werden muß, einzig und allein das Factum, die Observantz und Posseß des Anni decretorii, nicht aber zugleich das Recht und den Titel. Dahero was dem Facto oder der Observantz und Posseß des Anni decretorii nicht gemäß ist, dasselbe, wenn es gleich in Ansehung des Rechtes noch so richtig, hell und klar dargethan werden möchte, muß, weil es der in dem Friedens-Schlusse fest gestellten Regel und Richtschnur zuwider ist, schlechterdings nicht beobachtet werden.  
  Ubrigens wenn ein Catholischer weltlicher Landes-Fürst im Jahr 1624. die geistliche Jurisdiction über seine Unterthanen gehabt; so muß er selbige nach demjenigen Masse, wie es denen Bischöffen vorgeschrieben ist, nur in denen Fällen und Sachen, welche die Augspurgische Confeßion nicht angehen, ausüben, und ihnen nicht in Ansehung des Processes etwas vorschreiben,was ihrer Religion und Gewissens-Freyheit zuwiderlaufft. Dahero wir uns billig auf das bereits oben besagte beziehen, weil, was von denen Catholischen Bischöffen gesagt worden, auch denen Catholischen weltichen Landes-Herren, die im Jahre 1624. die geistliche Gerichtsbarkeit über ihre Protestirende Unterthanen gehabt, zukommt.  
Literatur Was sonst noch für Fragen hieher gehörig sind, und etwan bey Gelegenheit vorkommen könnten, selbige wollen wir der Weitläufftigkeit halber vorbey gehen, und den geneigten Leser auf den Autorem Tract. Juris Reformandi, und den Autorem Antivindic. Hildes. verweisen, als in welchen beyden Schrifften selbige weitläufftig ausgeführet, und mit vollkommenem Verstand entschieden worden sind. Besiehe Christian Gottlieb Wolffens Systema des Geistl. Kirchen-Rechts, …
  Sonst aber handeln auch noch von denen Unterthanen und deren Pflichten überhaupt und besonders
  • Jacob Andreas Crusius in Tract. de Eminenti Jure Principis in subditos,
  • Naurath in Hypothesi Juris Subditorum.
  • Besold in Tract. de Jur. et Ord. Civit.
  • Speidel in Bibl. Jur. Vol. II. v. Subditus, nebst vielen andern daselbst angezogenen Rechts-Lehrern.
Dienstpflichten (Rittergut) Zum Beschluß dieses Artickels fügen wir noch etwas aus der Wirthschaffts- oder Haushaltungs-Wissenschafft bey:  
  Wer ein Land- und Ritter-Guth zu kauffen willens ist, hat der dabey befindlichen Unterthanen halber über folgende Umstände Erkundigung einzuziehen:  
 
  • Wie viel der Unterthanen bey dem Guthe seyn?
  • Wie viel gantzer Höfe, Bauer- oder Pferdner-Güther, Hintersässer-Güther und Häuser sich dabey befinden?
  • Was sie an gewissen Schoß, Gülten, Zehenden, Erb- Feder- und Haus-Zinsen, Eyern, Käsen, Lamms-Bäuchen, Gänsen und dergleichen, Fastnacht- Herbst- Rauch- und andern Hünern, Frohn-Diensten und andern beständigen Gefällen jährlich abstatten müssen?
  • Wie viel Anspann-Dienste zum Ackern, Egen, Mist und Getreyde, auch Heu- und Grummet-Einführen von den Unterthanen geleistet werden, auch ob sie bey dem Einführen selbander zum Auf-

    {Sp. 2282}

    und Abladen dienen?
  • Ob die Unterthanen mit Gras- und Getreyde-Mähen gewisse Tage thun, oder gewisse Felder und Wiesen schneiden und hauen, oder ob sie bey dergleichen Diensten gewissen Lohn bekommen?
  • Ob die Unterthanen alle Hand-Dienste in der Heu- und Getreyde-Ernte verrichten?
  • Ob sie alle nöthige Bau-Materialien laden und anführen?
  • Ob sie Jagd-Dienste mit Führung des Zeuges und der Netze, auch selbst mit Jagen leisten, und das Zeug und Netze wieder zur Stelle auf des Ritter-Guthes Grund und Boden bringen?
  • Ob der Zehend-Schnitt eingeführet?
  • Ob Erb-Schnitter, Erb-Drescher vorhanden, die alles Getreyde oder nur ein gewisses ausdreschen?
  • Ob Hausgenossen-Dienste mit einkommen, und erfordert werden?
  • Ob so wohl der Dienste, als Erb-Zinsen halber, ein richtiges und unstrittiges Erb-Register vorhanden? um alles dessen, was die Unterthanen zu leisten verbunden, versichert zu seyn.
  • Ob die Unterthanen Inquisiten bewachen, und in peinlichen Fällen die Unkosten tragen?
  • Ob Zwang-Gesinde auf dem Guthe?
  • Ob und wie weit die Unterthanen das Bothschafft-Lauffen verrichten müssen, und was sie zum Bothen-Lohne bekommen?
  • Ob sie Flachs rauffen, rösten, auswaschen, stauchen, brechen, hecheln, spinnen, ingleichen auch den Hanff, ob sie Hopffen abnehmen und pflücken, auch Obst brechen müssen, und anderes mehr.
 
Militärpflichten Endlich giebet uns auch die gewöhnliche, ob wohl nicht allzurichtige Eintheilung der Unterthanen in dem Lehr- Wehr- und Nähr-Stande, noch die Frage an die Hand: Ob die Landes-Herren ihre sämtliche Unterthanen in gewisse Corps, Compagnien und Regimenter eintheilen können? Da die Landes-Herren, vermöge der Landesherrlichen ihnen zustehenden Hoheit, berechtiget sind, von ihren Unterthanen nach Gefallen Soldaten anzuwerben, so könne sie auch wohl die sämtlichen Unterthanen in gewisse Corps, Compagnien und Regimenter eintheilen, sie in den Waffen üben, und mit Officierern versehen lassen, damit sie Proben ihrer Tapfferkeit ablegen, und also zur Vertheidigung des Landes tüchtig werden mögen; wie der Artickel Land-Militz, im XVI. Bande p. 433. u.f. mit mehrerm besaget.  
Verweis Siehe überhaupt auch noch den Artickel: Subditus, im XL. Bande p. 1526.  
     

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HIS-Data 5028-49-2253-2-03: Zedler: Unterthan [3] HIS-Data Home
Stand: 9. September 2016 © Hans-Walter Pries