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Zedler: Weib [6] HIS-Data
5028-54-1-2-06
Titel: Weib [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 54 Sp. 26
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 54 S. 26
Vorheriger Artikel: Weib [5]
Folgender Artikel: Weib [7]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 5 Artikelübersicht Teil 7  Fortsetzung

Übersicht
Ob die Weiber zu tauffen sind?
Ob die Beschneidung der Weiber bey manchen Völckern üblich sey?
Ob die Weiber durch Kinder-Zeugen selig werden?

  Text   Quellenangaben
  Ob die Weiber zu tauffen sind?  
  Die völlige und gründliche Auflösung dieser Frage beliebe man unter dem Artickel: Tauffe, im XLII Bande, p. 280 u.ff. zu lesen. Wir fragen dahero ferner:  
  Ob die Beschneidung der Weiber bey manchen Völckern üblich sey?  
  In Egypten, Äthiopien, Africa, und theils Asien, ist diese (so genannte) Beschneidung sehr üblich; Ob sie wohl eigentlich eine Aus- und keine Beschneidung heissen solte, wie der alte Strabo ausdrücklich erinnert. Der H. Ambrosius spricht, die Egyptier, so wohl Männ- als Weib-  
  {Sp. 27|S. 27}  
  lein, würden in dem vierzehenden Jahre beschnitten. Der Bischoff Paul Jovius sagt, aus der weiblichen Schaam rage eine Caruncula, ein Stücklein Fleisch hervor, so sie abzuschneiden pflegten. Tecla Mariam, ein Abeßiner, meynet, die Nympha, Duret de l’origine des langues nennet es parvam carnositatem, ein klein Bißlein Fleisch, würde ihnen abgeschnitten. Origines schwatzet von dem Nabel; Golius heisset es ein auswachsend länglicht Ding. Therenot sagt:  
  Die Mohren sind Mahometaner, haben aber einigen Aberglauben, davon die Türcken nichts wissen. Denn die Mohren beschneiden ihre Töchter, indem sie ihnen ein klein Stück von dem, was man Nympha nennet, abschneiden. Und es verrichten solche Beschneidung die Weiber, da hingegen die Türcken dieses nicht, als nur an denen Knaben, vollstrecken.  
  Johann Heinrich Hottinger spricht, es wüchse denen Weibern was aus der Schaam, so man in annoch zartem Alter wegnehme; nicht zwar, daß solches ein Gesetz wäre, oder um der Religion willen, sondern nur das Vitium naturae wegzuräumen, das sonst der Empfängniß und Geburt hinderlich wäre.  
  So spricht man wohl; aber es stecken noch andere Ursachen darhinter, so sich nicht wohl sagen lassen. Depper beschreibt diese Ausschneidung gar gröblich. Um das Vorgebürge der Guten Hoffnung wissen die Weiber nichts von solcher Ausschneidung, drum lassen sie es immer so hin seyn, sind aber gar nicht schamhafftig damit, sondern zeigen es, um ein liederlich Stücklein Geldes, den Schiffern, und wer es nur sehen will.  
  Georg Andres von Schleßwig sah es auch wohl, wuste aber nicht, was er daraus machen solte. Thomas Bartholin spricht: Bellonus und Jovius haben gemeynet, die Äthioper beschnitten ihre Weiber an der Clitoris. Die Art und Weise lehren Aetius und Aegineta, so es doch mit der Nympha verwirren. Wegen allzu grossen Wachsthums, wird es annoch in Oriente gebrannt, wozu alte Weiber bestellet sind: Und ist so nöthig, als zierlich, wegen der ungestalt-grossen auswachsenden Clitoris. Zu Alcair, in Egypten, gehen die Mägdlein gantz bloß; wenn sie aber ausgeschnitten, oder verheyrathet sind, tragen sie Hemden. Daß er aber meynet, diese Verrichtung hiesse eine Circumcision, eine Beschneidung, will Ludolffen gar nicht in den Kopff; zumahl, da die Araber von der Männer Beschneidung das Wort Chatana, von der Weiber Ausschneidung aber das Wort Chafadta, brauchen.  
  Die Meisterin solcher Verrichtung heißt Chafidhaton. Bellonius heisset diß an hängende Stücklein der Schaam Hymenem, oder Alas, so aber falsch ist. Johann Weßling, der 5 Jahr zu Cair in Egypten gewohnet hat, sagt: Das unnütze grosse und überflüßige Wachsthum der Clitoris ist in Arabien und Egypten ein gemeines Unheyl. Darum müssen sie bey Mägdgen, was etwan hervorraget, weg schneiden, oder weg brennen.  
  Bey den Persianern soll es auch in dem Gebrauche seyn, wie Bellon meldet; deswegen dürffen die Weiber auch zu der Kirchen kommen, da hingegen bey den Türcken solche, als unbeschnittene, davon ausgeschlossen sind: Ein unbeschnitten Weib wird bey den Arabern für sehr  
  {Sp. 28}  
  schmählig gehalten, und mit dem schändlichen Nahmen Bandaron, oder Badaron, beleget. Allein Olearius will von den Weibern weder bey Gastereyen, noch in der Kirchen etwas wissen.  
  Daß nun aber in denen mitternächtigen Europäisch- u. Asiatischen Ländern, auch bey den Türcken, dergleichen bey Weibern nicht gefunden wird, darüber darff sich niemand verwundern; Maßen man ja weiß, daß die Leute unter der Zona Torrida, wie an Angesicht, Farbe, Haaren, und gantzer Gestalt, also auch an andern Theilen des Leibes von andern Menschen sehr unterschieden sind. Johann Wild, der solche Ausschneidung selbst mit angesehen hat, sagt hiervon also:  
  In Egyptenland werden nicht nur allein die Manns-Personen beschnitten, sondern auch die Weiber, welchem ich erstlich keinen Glauben geben wollen, aber hernach hab ichs erfahren und kans mit Wahrheit sagen, daß dem also sey. Denn auf eine Zeit, als eine solte beschnitten werden, gab ich fleißig Achtung, wie ich mit List möchte dazu kommen, daß ichs persönlich könte sehen.  
  Erstlich kamen die Weiber zusammen, hatten Paucken und Saiten-Spiel, sungen, und waren gutes Muths, diß währete eine gute Weile. Darnach machten sie ein Bette, mitten in die Stuben, und legten diese darauf, welche solte beschnitten werden, die war gantz ausgezogen bis aufs Hemde. Da sie nun auf dem Bette lag, vermahnten sie die andern Weiber, sie solte getrost seyn, es würde ihr kein Leid wiederfahren, denn solches sey der Gebrauch um des Gesetzes und Religion willen. Darnach knieten zwey Weiber nieder, hielten ihr die Hände, und eine andere hatte ein Scheer-Messer in der Hand, deckte ihr das Hemd auf, und beschnitt sie.  
  Da sie nun beschnitten fiengen die Weiber an zu singen und zu frolocken, die gute Dirne aber wurde gar schwach, daß sie die Weiber mit köstlichem Geruch u. Balsam anstreichen musten, bis sie ein wenig zu sich selber kam. Das Blut stillten sie alsobald, huben sie vom Bette auf, und zogen sie wieder an. Sie werden aber beschnitten, weil sie noch klein sind, etwa bey acht, oder neun Jahren.„¶  
     
  Ob die Weiber durch Kinder-Zeugen selig werden?  
  Ein Jeder siehet so gleich ein, worauf wir bey dieser Frage vornehmlich unsre Absicht haben; nemlich auf die Worte des Apostels: 1 Timoth. II, 15: Sie wird aber selig werden durch Kinder-Zeugen, so sie bleibet im Glauben, und in der Liebe, und in der Heiligung, sammt der Zucht.  
  Da dieses eine Schrifftstelle ist, von welcher vielerley Auslegungen vorhanden sind, so wollen wir uns anjetzo auf einige beziehen, und dieselben unsern Lesern zu eigener Prüfung überlassen.  
  Den 13 December 1732 verteidigte M. Zachariä zu Kiel eine Philologische Dissertation: De felici matrum cura, educandis liberis adhibenda. Die erste Abtheilung derselben ist folgenden Inhaltes: das Wort: sozethai haben die meisten Ausleger durch: Das ewige Leben erlangen, erkläret. Einige davon sagen, es werde die Eva verstanden, und Paulus bekräfftige, sie sey durch das Gebähren der Frucht, nemlich des versprochenen Saamens, selig geworden, durch welchen auch alle Weiber,  
  {Sp. 29|S. 28}  
  (in Absicht deren hier der Numerus verändert würde) selig werden solten, doch unter der Bedingung des Glaubens. Diese Meynung soll dem Epiphanius gefallen haben, und Hammondus dieselbe annehmen, wie Polus (in Critica) bezeuget. Sie meynen, dieses komme mit dem vorhergehenden wohl überein, und dia deute eigentlich das Mittel dieser Seligkeit an. Aber Paulus würde sodann gesagt haben: Eva ist selig worden, wie er vorher beständig von vergangener Zeit redet. Über dieses beweiset das Wort meinōsin gnugsam die Falschheit dieser Meynung.  
  Theophylactus, wie Erasmus in comment. in h.l. schreibet, führet an, daß einige diesen Ort von der Jungfrau Maria auslegeten, als wenn durch sie alle Weiber selig würden: Weil sie den Erlöser gebohren hätte; Er verwirfft aber dieses Gedichte, immassen der Zusammenhang des Textes darwider sey. Fast alle Ausleger sind einig, daß Paulus von allen Weibern, die durch Kinder-Zeugen selig werden sollen, rede. Hemmingius in Commentario spricht:  
  Dieses ist zum Troste und Unterrichte derer Weiber hinzugesetzt: Denn obgleich das Weib verführet ist, so kan es doch eben, wie der Mann, der Gnade GOttes theilhafftig werden.  
  Erasmus gehet wider den Thomas Aquinas hefftig los, welcher die Erklärung also gemacht hatte:  
  Sie wird selig werden nach der Seligkeit des Leibes, weil sie ihr Geschlecht und Vermögen zu gebähren nicht verliehren wird; Sie wird seelig werden nach der Seligkeit der Seele, weil sie der Gnade nicht wird beraubet werden.  
  Polus erzehlet, es werde einer von dem Hammondus angeführet, welcher also sage: Sie wird erhalten werden, nemlich zeitlicher Weise, wie sōzethai offt gebraucht wird; Daß also dia nicht ein Mittel, sondern den Zustand andeutet, wie 1 Pet. III, 20. stehet: Errettet werden di hydatos, aus dem Wasser. Es ist eine Erleichterung des Fluches 1 Mos. III, 26; Als wenn man sagte: Sie wird erhalten werden, aber schwer. Polus aber setzt hinzu: Was in dem Texte folget, ist nicht eine Bedingung, daß das Weib soll von der Gefahr bey der Geburt befreyet seyn.  
  Hunnius, in Comment. … schreibet, daß einige Papisten aus den ersten Worten Pauli die Gerechtigkeit der Wercke beweisen wolten. Andere meynen, es sey die Zeugung der Kinder nicht als eine würckende, sondern nur als eine mittlere Ursache, anzusehen, durch welche die Weiber, als auf einer von GOtt angewiesenen Bahne, gehen müsten; Oder sie sey ein Weg, oder eine Weise zu der Seligkeit zukommen, oder causa privativa.  
  Noch andere sagen, dia teknogonias sey so viel, als teknogonousa, wenn sie Kinder zeuget: Oder dia stehe vor en, als Röm. IV, 11: di akrobystias; Röm. II, 27. dia grammatos, vor en grammati; V. 23. Plato: dia phobou gignethai, in Furcht seyn. Xenophon: Der sein Alter zubringet dia pounthous, in Trauren. Hunnius brauchet folgende Worte:  
  Man muß auf die Redens-Art Acht geben, welche nur soviel sagen will: Das Weib werde selig werden, so, daß ihr das Kinder-Zeugen, oder, eheliche Leben, daran nicht  
  {Sp. 30}  
  hinderlich sey.  
  Diese langen Umschweiffe werden für unnöthig gehalten. Man lasse dia in seiner eigentlichen Bedeutung, und nehme sōthēsetai von einer leiblichen Glückseligkeit an, wie es auch Matth. XXVII, 42. gebrauchet wird, da die Priester, Schrifftgelehrten und Ältesten von Christo sagen: [ein Satz griechisch]. Er hat andern geholffen, und kan ihm selber nicht helffen. Paulus gedencket hier nicht an das ewige Leben, er redet von den Pflichten und Vorzügen des männlichen Geschlechtes, setzet die Ursach hinzu, weil das Weib zuerst gesündiget habe; Erwehnet aber auch die Glückseligkeit der Weiber, nemlich, wenn sie, nach Davids Verheissung, fröliche Kinder-Mütter würden.  
  Obgleich Erasmus unserer Meynung zuwider ist; So zeiget er doch die Verbindung in Paraphr. … also:  
  Das Weib hat in der Gemeine nichts zu thun, wohl aber zu Hause, daß sie die Belohnung der Seligkeit verdiene. Was sie gesündiget hat, da sie den Mann verführete, muß sie mit Zeugung und Unterweisung der Kinder erstatten. Das wird geschehen, wenn sie sich mit allen Kräfften bestrebet, daß sie die Kinder, die sie ihrem Manne einmahl gebohren hat, durch den Glauben wiederum Christo zeuge, u.s.w.  
  Also ist Calvins Sorge unnöthig, da er in Comment. in Ep. Paul. … schreibet; Weil die Schwachheit die Weiber mehr argwöhnisch mache, so habe der Apostel seinen vorhergehenden Ausspruch mit diesem Troste gemildert. Welche das Kinder-Zeugen zu einem Wege, oder zu einer Weise selig zu werden, machen, irren: Denn der Glaube an Christum ist der eintzige Weg zur Seligkeit. Wie unglücklich wären ausserdem die Männer, und die unfruchtbaren Weiber?  
  Schmidii causa privativa aber ist ein sidtroxylon. Paulus wünschet anderswo, daß alle Leute unverheyrathet wären; Wie solte er das Kinder-Zeugen zu einer Ursache des ewigen Lebens machen? Augustinus verstehet durch die Kinder die guten Wercke der Menschen. Origines in Matth. … schreibet, das Weib sey die Seele, welche das Wort GOttes und der Wahrheit empfange, und gute Wercke, die Christo gleich wären, gebähre.  
  Der Zusammenhang aber lehret ein anders. Teknogonia ist nicht allein von dem Kinder-Zeugen, sondern auch von dem Kinder-Ziehen, anzunehmen; Weil bey dem Worte ginomai nicht nur die Bedeutung zu zeugen, sondern auch Sorge zu haben, ist.  
  Die übrigen Worte heissen: ean meinōsin en pistei kai agapē. Millius bezeuget, daß in zwey Abschrifften die eintzele Zahl gefunden werde. Wer sind aber die Personen, die in dem Glauben bleiben sollen? Nach Gerhards Berichte, haben Jacob, Faber und Cajetanus meinōsin auf das Weib und zugleich auf den Mann gezogen. Vorstius schreibt auch de Hebr. … daß Daniel Heinsius in Exercit. Sacr. ad N.T. und vor ihm Bellarminus, eben diese Meynung hätte. Vorstius aber fragt dabey, wie die Seligkeit des Weibes von der Seligkeit des Mannes herzuleiten sey? Siehe 1. Cor. VII, 13. 15.
  Gerhard nimmt mit Luthero, Vatablo, Castalione, Sculteto, Grotio,  
  {Sp. 31|S. 29}  
  Beza, und andern, die Worte von den Weibern an, und verstehet Enallagen Numeri darunter. Heshusius und Hemmingius machen den Schluß wider diejenigen, welche die Worte von den Kindern annehmen, daß also die Seligkeit der Mütter von den Kindern würde kommen müssen. Hunnius saget gar, daß solche Leute die Griechische Sprache nicht verstünden; Immassen es, nach ihrer Auslegung, heissen müsse: Durch das Zeugen ton teknōn, der Kinder.  
  Viele verstehen meinōsin nicht unbillig von den Kindern. Polus nennet hier den Hieronymus, Chrysostomus, Augustinus, Ambrosius, Estius und andere. Man setzet diesen entgegen:  
 
1) Daß auf solche Weise die Seligkeit der Mütter auf den Kindern beruhe. Wenn die Worte von dem ewigen Leben erkläret werden, so ist diese Meynung falsch; Wir haben sie aber von dem glückseligen Leben ausgeleget.
 
 
2) Das teknogonia und meinōsi der Zahl nach unterschieden wären. Hombergk in Parerg. Sacr. … sagt, teknogonia sey nichts anders, als goneia teknōn.
 
  Es hindert demnach nichts, daß wir nicht die Worte Pauli also übersetzen: Das Weib wird glücklich seyn durch das Zeugen der Kinder, wenn diese im Glauben, und in der Liebe, und in der Heiligung, sammt der Zucht bleiben.  
  Was bisher angeführet worden ist, hat der Verfasser in der ersten Abtheilung vorgetragen; Worauf er in der andern von der Sorgfalt der Ebräischen Weiber, die sie bey der Erziehung ihrer Kinder anwenden, handelt. Wir wollen aus derselben nur dieses eintzige gedencken: Die Jüden sagen, demjenigen, der kein Weib habe, fehleten 5. Stücke, als  
 
1) der Seegen,
1 Mos. I, 22;
 
2) Das Leben,
Pred. Sal. IX, 9;
 
3) Die Freude,
Sprüch-Wört. V, 18;
 
4) Die Hülffe,
1 Mos. II, 18;
 
5) Das Gute,
Sprüch-Wört. XVIII, 22.
  Ja, sie sprechen gar, er sey kein Mensch, welcher sich wegere, ein Weib zu nehmen.  
  Die andere über obgedachte Schrifftstelle geschriebene Dissertation, auf die wir uns beruffen wollen, ist de beanda per partum uxore, von M. Friedrich Wilhelm Stübnern, den 6 Junius 1733. zu Leipzig vertheidiget worden. Sie ist folgendes Inhaltes:  
  Die Person, von der hier geredet wird, ist ein Eheweib; Welches zu sehen ist, weil sie mit der Eva vergliechen, und von ihr gesagt wird, daß sie Kinder zeuge. Sōthēnai heisset so wohl ewig selig werden, als auch in der Welt Glückseligkeit erlangen. Teknogonia bedeutet das Gebähren, Kinder-Zeugen. Wer die Erziehung zugleich darunter verstehen will, der scheinet von der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes weit abzugehen. Obgleich dia, wenn es mit dem Genitivo verbunden ist, meistens Durch übersetzet wird; So halten doch fast alle Ausleger davor, man müsse hier die gewöhnliche Bedeutung verlassen. Wenn sie unter dem Worte sōthēnai  die ewige Seligkeit verstehen wollen; So müssen sie dia durch Im übersetze, und in dem Kinder-Zeugen die Ernährung und Erziehung zugleich begreiffen; Wenn aber sōthēnai von der Glückseligkeit dieses Lebens angenommen wird, so bleiben die Worte in ihrer ordentlichen Bedeutung.  
  Wer wolte auch leugnen, daß die  
  {Sp. 32}  
  Glückseligkeit der Eltern durch wohlgerathene Kinder sehr vermehret werde? Hierzu ist das Kinder-Zeugen der Grund. Die natürliche und erstere Bedeutung der Worte soll behalten werden, wo nicht wichtige Ursachen solches hindern. Wenn ein Wort eine Sache, die durch die Sinnen empfunden wird, und auch eine Sache, die bloß die Vernunfft begreiffet, bedeutet; So ist die erstere Bedeutung die eigentliche und natürliche. Die Menschen haben eher einen Begrif von der zeitlichen als ewigen Glückseligkeit, gehabt.  
  Überhaupt bedeutet sōthēnai erhalten, in Gefahr beschützet und errettet werden, daß man nicht umkomme. Daher ist dieses Wort auf das ewige Leben und desselben Glückseligkeit gezogen worden. Die Worte, welche in der H. Schrifft zu der Beschreibung des ewigen Lebens eigentlich gebraucht zu seyn scheinen, werden doch auch von der zeitlichen Glückseligkeit angenommen. Als makarios,
  • Apost. Gesch. XXVI, 2;
  • 1 Corinth. VII, 40;
  • Lucä XXIII, 29.
  Also wird auch sōthēnai gefunden. Joh. XI, 11, 12, 13: Schläffet er, (Lazarus) so wird es besser mit ihm. Vergl.
  • Apost. Gesch. XXVII, 20;
  • Lucä XXIII, 35.
  Welche das Wort Teknogonian durch den Stand, in welchem eine Mutter Kinder zeuget und erziehet, erklären, machen, daß eine Sache zweymahl gesaget werde. Denn der Verstand würde also seyn: Das Eheweib wird in dem Ehestande selig werden. Diese suchen der Schwierigkeit abzuhelffen, welche dia teknogonias geben: Wenn sie auch Kinder zeuget. Es ist aber nirgends eine Anzeige in dem Texte, daß Jemand gezweifelt habe, ob die Eheweiber selig würden. Aus eben diesem Grunde hätte man auch an der Seligkeit der Ehemänner zweiffeln müssen.  
  Das Wörtgen [ein Wort griechisch] würde auch fast seine Krafft verliehren, wenn die Rede von dem ewigen Leben wäre. Der 15. Vers wird mehr mit dem 11. und 12. als 14. verbunden. Die Weiber sucheten die Herrschafft über die Männer, und vielleicht auch das öffentliche Lehr-Amt. Paulus verbeut ihnen beydes; Dieses konnte ihnen beschwerlich seyn, oder deuchten; Er mildert aber die Beschwerlichkeiten seiner Gebote, mit der Verheissung einer Glückseligkeit. Man könnte auch die Verbindung des 14. und 15. Verses zeigen, und sagen: Weil Paulus an den Fall der Eva gedacht, so sey ihm bald die betrübte Straffe eingefallen, und habe er die Weiber deswegen zu trösten gesuchet. Es wird ihnen aber nicht die ewige Seligkeit wegen des Kinder-Zeugens verheissen: Denn warum hätte Paulus das zu einem Mittel der Seeligkeit gemachet, was ohne Schuld des Mannes und Weibes von dem Ehestande entfernet seyn kan?  
  Die Beständigkeit der Kinder in dem Glauben kan zu der ewigen Seligkeit der Mütter nichts beytragen. Wenn die Rede von der ewigen Seligkeit wäre, so wäre dieser eintzige Verstand möglich: Das Weib wird in dem Ehestande ewig selig werden, wenn sie selbst im Glauben, und in der Liebe, und in der Heiligung, samt der Zucht, bleibet. Glaube, Liebe und Heiligkeit, sind so genau mit einander verbunden, daß keines ohne das andere seyn kan.  
  Was endlich sōphrosynē zu der Erlangung der  
  {Sp. 33|S. 30}  
  ewigen Seeligkeit beytrage, ist in Wahrheit unbekannt. Der gelehrte Wallisius hat in einem Anhange seiner Mathematischen Wercke einen vierfachen Verstand des Wortes sōphrosynē angegeben. Es bedeutet einmahl einen gesunden und richtigen Verstand, und wird der Unsinnigkeit entgegen gesetzet.
  • Lucä VIII, 35;
  • Marci V, 15.
  • Apost. Gesch. XXVI, 25.
  Ferner zeiget es die Klugheit an, und stehet der Thorheit entgegen. Weil die Mäßigung ein grosser Theil der Klugheit ist, so wird jene auch mit diesem Nahmen beleget, und kan durch Sittsamkeit, Bescheidenheit, gegeben werden. Obschon die Mäßigkeit sich auf alle Tugenden beziehet; So wird doch dieses Wort von dieser und jener Tugend insonderheit gebrauchet. Als von der Nüchternheit, Sparsamkeit, Keuschheit, Schamhafftigkeit, von der Mäßigkeit in Kleidern, in Essen und Trincken, von der Gedult. Es scheinet, daß keine unter diesen Bedeutungen füglich zu denen Bedingungen, die ewige Seligkeit zu erlangen, gerechnet werden könne. Meinōsin kommet auch nicht mit Gynē überein. Mastricht führet zwar aus Velesii Lectionibus an, daß auch meinē gefunden werde; Er zeiget aber dabey an, wie wenig er den Velesianischen Lectionen traue. Man sucht sich dißfalls mit dem Vorgeben einer Enallage der Zahlen, oder daß Gynē eine Menge andeute, zu helffen: Allein man hat dergleichen harte Erklärungen, soviel möglich ist, zu vermeiden.  
  Wenn auf die zeitliche Glückseligkeit gezielet wird, so ist die Rede entweder von dem Weibe und ihren Kindern zugleich, oder von den Kindern allein. Das Weib kan durch den Glauben und die Tugenden glückselig werden, es wird aber solchergestalt nicht die Glückseligkeit durch das Kinder-Zeugen erlanget; Demnach muß auf das Leben und die Aufführung der Kinder zugleich gesehen werden. Wer wolte nicht alsbald diese Erklärung annehmen, wenn er höret: Das Weib wird durch das Zeugen der Kinder glückselig, wenn dieselben im Glauben, in der Liebe, und der Heiligung sammt der Zucht bleiben. Paulus erfordert also von den Kindern eine beständige Ausübung aller Pflichten gegen GOtt, eine Beobachtung der Schuldigkeit gegen den Nächsten, eine Enthaltung von bösen u. schändlichen Thaten, und eine Bemühung, die Verbindlichkeit gegen sich selbst wahrzunehmen. Vergl.
  • Tit. II, 11, 12.
  • Tit. I, 8.
  Wir halten aber davor, daß auch eine Mutter zu diesen Pflichten von Paulo angehalten werde. Denn fehlet es ihr an dem wahren Christenthume, so hindert und stöhret sie die Glückseligkeit, die sie von dem Kinder-Zeugen haben könnte; Sie muß sich schämen, wenn sie durch den Wandel der frommen Kinder bestraffet wird; Sie kan sich nicht sattsam über die Frömmigkeit der Kinder freuen. Warum saget aber Paulus hier nichts von der Glückseligkeit und Freude der Väter, die sie an wohlgezogenen Kindern erleben? Der Apostel hatte den Weibern harte Regeln vorgeschrieben, und tröstet also dieselben hiermit; Er lehret, daß die Mütter, nebst denen Vätern, in diesem Falle gleiche Glückseligkeit hätten. Ferner muß ein Eheweib bey der Geburt die Schmertzen allein ausstehen; Je grösser die Liebe der Mütter ge-  
  {Sp. 34}  
  gen die Kinder ist, desto grösser ist auch ihre Glückseligkeit, wenn sie sich über ihre Kinder freuen können. Man könnte also Pauli Worte auf folgende Weise übersetzen: Sie wird selig (glücklich, glückselig) werden durch das Kinder-Zeugen, so sie (Mutter und Kinder) bleiben im Glauben, in der Liebe, und in der Heiligkeit, samt der Zucht, (die mit Zucht, oder Mäßigkeit, verbunden ist).  
  Dennoch aber ist nicht alle Glückseligkeit des zukünfftigen Lebens nothwendig ausgeschlossen. Die Mütter werden sich auch in dem ewigen Leben über den geführten Wandel der Kinder erfreuen, wenn dieselben, nach bewiesener Frömmigkeit, Dienstwilligkeit, Mäßigkeit und Keuschheit, mit ihren Müttern die ewige Seligkeit geniessen werden. Wenn das Wort sōthēnai in der H. Schrifft auch die ewige Seligkeit andeutet, so gehet es doch auf den Anfang derselben in dieser Zeitlichkeit. Vergl.
  • Eph. II, 5;
  • 1 Timoth. IV, 16;
  • Galat. IV, 15.
  Zuletzt erkläret der Verfasser noch den 13 und 14 Vers, und saget, dieselben wären gleichsam Einschlußweise zwischen den 12 und 15 Vers gesetzet, zu beweisen, warum den Eheweibern der Gehorsam, die Pflicht zu lernen, und eine stille Lebens-Art zur Glückseligkeit der Männer, so ernstlich anbefohlen würde.  
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries