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Zedler: Weisheit [4] HIS-Data
5028-54-1114-8-04
Titel: Weisheit [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 54 Sp. 1138
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 54 S. 582
Vorheriger Artikel: Weisheit [3]
Folgender Artikel: Weisheit [5]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Theologische Abhandlung der Weisheit.
  Einteilungen

Stichworte Text   Quellenangaben
  Theologische Abhandlung der Weisheit.  
  In der Heiligen Schrifft wird das Wort Weisheit in verschiedenem Verstande gebrauchet.  
  Pred. Sal. I, 18. wird gesagt: Wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämens. Eigentlich: In der Vielheit der Weisheit, in der Wissenschafft vieler Dinge, und in aller genauen Erkänntniß, oder Kunst.  
  Pred. II, 21 wird eines Menschen gedacht, der seine Arbeit mit Weisheit, (mit der besten Überlegung) Vernunfft, (Vorsichtigkeit) und Geschicklichkeit, (oder Glück in Ausführung seines Werckes) gethan hat.  
  Es kommt von der Klugheit eines Thieres vor, nach welcher es das Gute befördert, oder das Böse vermeidet, Job. XXXIX, 17.
  Es wird weise für scharffsinnig gebrauchet, 2 Sam. XIV, 20.
  Ein Weiser, in Ansehung seines Werckes, ist ein erfahrner Künstler, 1 Chron. XXII, 15.
  Endlich wird ein jeder in demjenigen weise genennet, in welchem er erfahren und geübt ist. So werden Psalm LVIII, 6. Jes. III, 3. die verschlagenen und ingeniösen Werckleute Weise genennet.  
  Jes. XIX, 11. Ich bin der Weisen Kind, und komme von alten Königen her.  
  Jer. IX, 16. Bestellet Klag-Weiber, die des Schreyens und der Klag Lieder, ein Mitleiden dadurch zu erregen, wohl erfahren sind. In dem Hebräischen [hebräischer Text] die darzu weise sind.  
  Vornemlich aber ist eine Art der Weisheit, welche uns die Heil. Schrifft anpreiset.  
  Pred. VII, 30. Wer ist so weise? Und wer kan das auslegen? Eigentlich: wer ist wie der Weise? Und wer ist, oder wie hoch ist nicht zu schätzen, der das Wort auszulegen weiß?  
  Hiob findet in aller Dinge Wissenschafft, ohne GOtt, keine Weisheit: Denn des Menschen Weisheit ist, GOtt fürchten, Hiob XXVIII, 28.
  Mit [hebräischer Text] wird öffters [hebräischer Text] oder [hebräischer Text] Erkänntniß, oder [hebräischer Text] Wissenschafft, verbunden, wie auch Paulus sophian kai phronēsin, Weisheit und Verstand, oder gnōsin, Erkänntniß, öffters verknüpffet.  
  Eine Gefärthin der Weisheit ist die Klugheit und Vorsichtigkeit, da, nach den Regeln der Weisheit, durch Liebe und Furcht GOttes, in gutem Gewissen, das Böse verworffen, und das, was das Beste ist, erwählet wird. David saget, Psal. LI, 8, daß ihm in dem Verborgenen die Weisheit kund gemacht worden sey. Es wird dadurch die Weisheit GOttes angezeiget, nach welcher er den Sünder selig und gerecht macht. Die Erkänntniß dieser Weisheit ist des Menschen Weisheit, Jes. XXXIII, 6.
  Derjenige, in welchem GOtt diesen Rathschluß gefasset, und welcher solchen zu Wercke gerichtet, wird auch die Weisheit, und die Weisheit GOttes, genennet; Sprüchw. VIII, 11 u.ff.
  Es wird eben derselben in der vielfachen Zahl der Nahme [hebräischer Text]  
  {Sp. 1139|S. 583}  
  die Weisheiten, beygeleget, Cap. I, 20.
  Desgleichen wird ein jeder Verstand und Erkänntniß des Guten und Nützlichen also genennet; Sprüchw. XXIV, 7. XIV, 1. Siehe Cocceji Lexic. ...
  Die Weisheit gehörte in den ersten Menschen zu dem Ebenbilde GOttes, welches man unter andern aus Hiob IV, 21. ersehen kan, da die Worte, welche Luther also übersetzet hat: Ihre übrigen vergehen, und sterben auch unversehens, nach dem Hebräischen also lauten: [eine Zeile hebräischer Text] Ist nicht ihre Herrlichkeit, welche in ihnen war, weggenommen worden? (welche Herrlichkeit doxa, das göttliche Ebenbild, ist) sie sterben, aber nicht in der Weisheit. Da also die Weisheit mit der Herrlichkeit des Menschen zugleich verlohren gegangen ist, so muß sie ehemahls ein Theil derselben gewesen seyn. Wie also GOtt ein weiser GOtt, und wie insonderheit der Sohn, als das wesentliche Ebenbild Gottes, die selbstständige Weisheit ist, Sprüchw. VIII
  Also trug der Mensch auch hierinnen das Bild seines Schöpffers, und bewieß seine Weisheit und Klugheit darinnen, daß er bey allen seinen Handlungen sich den rechten Endzweck, der mit dem Endzwecke des Schöpffers harmonirte, vorstellete, und die allerbequemsten Mittel erwählete, die zu dessen Erreichung dieneten, auch allezeit das Beste dem Bessern vorzog. Ohne diese Weisheit, würde er weder geschickt gewesen seyn, GOtt aus den Creaturen zu erkennen, noch die Herrschafft über die Creaturen zu führen.  
  Es ist aber von dieser Weisheit zu mercken, daß sie nicht unendlich gewesen sey, sondern ihre Grentzen gehabt, und Wachsthum zugelassen habe; Daher es möglich war, daß der Mensch durch die List und Schalckheit des Satans, hintergangen werden konnte.  
Einteilungen Damit wir uns von den mancherley Bedeutungen des Wortes: Weisheit, in der Heiligen Schrifft einen richtigen Begriff machen mögen, wollen wir folgender, als der vornehmsten, Eintheilungen der Weisheit gedencken. Die Weisheit ist  
 
1) in die selbstständige und in die habituelle (in HYPOSTATICAM et HABITUALEM) einzutheilen.
 
 
Unter der selbstständigen Weisheit wird selber der wahrhafftige Sohn GOttes, welcher mit dem Vater gleiches göttlichen Wesens ist, verstanden; Indem er selbst in dem höchsten Grade der Brunnen und Quell aller habituellen Weisheit ist;
  • Sprüchw. VIII, u.ff.
  • Weisheit VII, 25 u.ff.
Vergl. mit
  • Ebr. I. 3;
  • Matth. XI, 19;
  • Lucä XI, 49;
  • 1 Corinth. I, 24, 30.
 
So wird GOtt der Herr Allein-Weise genennet;
  • Röm. XVI, 27.
  • 1 Tim. I, 17.
Vergl. auch
  • Röm. XI, 33.
  • Ephes. III, 10.
  • Jacob. I, 5.
 
Insonderheit Christus, welcher uns zur Weisheit gemacht ist.
 
 
Die Habituelle Weisheit gehöret zwar eigentlich zu dem Verstande, aber so, daß sie aus der Richtigkeit des Willens entspringet, oder wenigstens mit einem verbesserten und zu allen Tugenden geneigten Willen, auf das genaueste verbunden ist. Es ist, nach der Redens-Art der heiligen Schrifften, keine wahre Weisheit, ohne Heiligkeit und gottseliger Neigung des Willens.
Dieses bezeuget Hiob, klärlich, Cap. III, 13 und 17.
 
3) die Weisheit der menschlichen Natur Christi, welche
 
  {Sp. 1140}  
 
dieselbe durch die Gnade der Vereinigung mit der Gottheit empfangen, ist von derjenigen zu unterscheiden, welche sie durch die habituelle Gnade erlanget hat.
Königs Vind. …
 
3) Unsre habituelle Weisheit ist entweder mit Betrachtung, (contemplativa) oder mit Ausübung beschäfftiget, (practica). Zu der letztern gehöret die Theologie, masen der Endzweck der Theologie nicht eine blosse Erkänntniß, (gnōsis) sondern die Ausübung (praxis) ist, und dahero alles, was in der Theologie vorgetragen wird, auf die Ausübung (praxin) gehet, wo nicht unmittelbar und indirecte, doch mittelbar und directe.
 
 
4) Die habituelle Weisheit ist ferner entweder von dieser Welt, und menschlich, welche aus natürlichen Grund-Sätzen ihren Ursprung hat, dem Lichte der Natur folget, und darinnen bestehet, daß ein Mensch von Natur mit gutem Verstande begabet ist, sich in allerhand weltliche Händel wohl finden und schicken auch gute Anschläge geben kann, wie
 
 
  • Joseph,
Psalm CV, 22..
 
 
  • Moses,
Apost. Gesch. VII, 22.
 
  • Salomo,
1 Kön. IV, 30.
 
  • Jonadab,
2 Sam. XIII, 3.
 
Oder himmlisch göttlich und geistlich, welche von der Erleuchtung des Heil. Geistes entstehet, und dem Lichte des Wortes folget.
Gerhard L. de lust. ....
 
Dieses ist die rechte Weisheit, von welcher Jeremias, Cap. IX, 11. 12. redet, da nemlich ein Mensch durch den Geist der Weisheit und des Verstandes regieret,
Jesai. XI, 2,
 
und damit begabet wird,
Joh. XXXVIII, 36.
 
das er nicht allein die heimliche Weisheit,
Psalm LI, 8.
 
die Weisheit, die von oben herab ist,
Jacob. III, 17.
 
verstehet, sondern auch die Weisheit, die stets um den göttlichen Thron ist,
Weisheit IX, 4.
 
erlanget, vermittelst welcher er auf das Gute weise, und auf das Böse einfältig wird,
Röm. XVI, 19.
 
In diesem Verstande bedeutet von Weisheit reden, nichts anders, als die Lehre, so da GOtt erkennen lehret, und zeiget, was sein Wille Rath und Meynung ist. Sie begreiffet alle Artickel, was man glauben soll, wie man für GOtt gerecht wird, u.s.w. Sie ist die fürnehmste und höchste Gabe des Geistes, davon die Welt gar nichts weiß. Von dieser Weisheit, von dieser hohen, heimlichen und verborgenen Lehre des Evangelii von Christo, das da GOttes Willen erkennen lehret, redet Paulus,
Coloss. I, 9. 28.
 
In diesem Verstande heisset ein weiser Mensch einen Christen, der da beyde von GOttes Willen gegen uns, und wie wir denselben in dem Glauben erkennen, nennen, und darnach in seinem Gehorsam leben sollen, zu reden weiß und sich untersteht. Das ist solche Weisheit, die nicht die Vernunfft erdacht, noch in keines Menschen Hertz kommen ist, und keiner der Obersten dieser Welt erkannt hat, wie Paulus, 1 Corinth. II, 6. saget; Sondern von dem Himmel, durch den H. Geist, denen, die da dem Evangelium glauben, offenbahret wird.
 
 
Diese himmlische Weisheit ist, als ein Vermögen, das Wahre und Falsche, daß Gute und Böse zu unterscheiden, bey dem Studio, nachdem der Satan soviel scheinbahre Irrthümer auf die Bahne gebracht hat, unentbehrlich. Denn muß man mit einer wichtigen Sache, daran viel gelegen ist, vorsichtig und
 
  {Sp. 1141|S. 584}  
 
weislich umgehen, so hat man gewiß bey theologischen Streitigkeiten was wichtiges vor sich. Es ist Gottes Wort. Die Kriege des Herrn sollen geführet, die Macht der Finsterniß unterdrücket, und wieder die Pforten der Höllen gestritten werden; Und das erfordert Weisheit von oben herab, die aber nur bey denen wohnet, die den Herrn fürchten, und durch das Gebet erlanget werden muß,
Jacob I, 5.
 
Eben bey solcher Weisheit lässet man sich zugleich von dem Geiste der Wahrheit, der Liebe, des wahren Eyffers, und der Sanfftmuth regieren, daß man nicht zancket, die Gegner nicht schändet, lästert, schmähet, und sich durch einen fleischlichen Zorn, auf allerhand Abwege bringen lässet. Paulus sagt: Ein Knecht des Herrn soll nicht zänckisch seyn; Sondern freundlich gegen Jedermann, lehrhafftig, der die Bösen tragen kan mit Sanfftmuth,
2 Timoth. II, 24. 25.
 
Wie manche unnütze Controversien würden unterblieben seyn, wie mancher Anstoß hätte vermieden, und mehr fruchtbarliches ausgerichtet werden können, wenn man allezeit himmlische Weisheit, den Geist der Wahrheit und der Liebe, bey sich gehabt hätte.
 
 
Zwischen dieser göttlichen und der menschlichen Weisheit, ist ein gedoppelter Unterschied. Der erste wird von der Art der Erkänntniß hergeleitet. Die Weisheit der Welt ist aus dem Lichte der Natur, und aus der nach dem Falle übrigen Erkänntniß; Die göttliche Weisheit aber, das ist, die Lehre des Evangelii, ist aus der besondern Offenbahrung des Geistes Gottes.
 
 
Der andere Unterschied wird von der Art und Weise zu lehren hergenommen: In der menschlichen Weisheit hat die menschliche Beredsamkeit statt; in der Lehre Christi aber nicht also: Denn es muß die Lehr-Art der Lehre gemäß seyn; der Lehrer aber ist der H. Geist, dahero hat er auch eine geistliche Weise zu reden.
Balduin in 1 Corinth II, ...
 
Ein anders ist, unter der Gewalt des Satans seyn, ein anders, von dem Satan besessen werden: Gleichwie es ein anders ist, unter der Gewalt des Anti-Christes seyn, ein anders, von ihm besessen werden.
Königs Cas. ...
 
Gleichwie die göttliche und menschliche Weisheit, also wird auch die Weisheit und Wissenschafft, von einander unterschieden. Diesen Unterschied pflegen die meisten darinnen zu suchen, daß sie die Weisheit, eine Erkänntniß der göttlichen, die Wissenschafft aber, der menschlichen Dinge, nennen. Daher sagt Augustinus über 1 Corinth. XII.
 
 
Die Weisheit bestehet in Betrachtung der ewigen: Die Wissenschafft aber in Beschäfftigung mit zeitlichen Sachen.
 
 
Abermahl Augustinus L. de Trin.
 
 
Dieses ist der wahre Unterschied der Weisheit und Wissenschafft, daß zu der Weisheit eine verständige Erkänntniß der ewigen Dinge, zu der Wissenschafft aber eine vernünfftige Erkänntniß der zeitlichen Dinge, gehöret.
 
 
Desgleichen gehöret, nach des Bernhardus Ausspruche, die Wissenschafft zu dem Verstande, und kommet ihm allein zu, die Weisheit aber zu dem Affecte. Es ist derowegen, dem Nahmen nach, wie Gerson de monte contemplat. … saget, die Weisheit (Sapientia) so viel, als eine schmackhaffte Wissenschafft, welcher Geschmack sich auf den Affect, das
 
  {Sp. 1142}  
 
Verlangen, die Begierde, und den Willen desjenigen, in welchem er ist, beziehet. Und daher kan in jemand eine grosse Wissenschafft, oder Erkänntniß seyn, in welchem eine mäßige, oder gar keine Weisheit seyn wird; Ursach: Weil er nicht den Geschmack an, und den Effect zu demjenigen hat, was er selber weiß, u.s.w. Dahero saget eben derselbe Gerson c. 7:
 
 
Daß einfältige Christen, die einen festen Glauben an die Güte GOttes haben, und nach diesem brünstig lieben, in Wahrheit mehr Weisheit haben, und noch mehr Weise genennet werden sollen, als alle andere Gelehrte, die ohne Liebe und ohne Zuneigung zu GOtt und seinen Heiligen sind, und auch solche GOtt mehr gefallen, als andere. Und welches noch mehr ist, dergleichen Gelehrte ohne Liebe sind GOtt unangenehm, ein verdorbenes Saltz, und bethörte Weisen.
Lexic. Theol. Altenst.
     

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Stand: 29. März 2013 © Hans-Walter Pries