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Zedler: Weisheit [6] HIS-Data
5028-54-1114-8-06
Titel: Weisheit [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 54 Sp. 1147
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 54 S. 587
Vorheriger Artikel: Weisheit [5]
Folgender Artikel: Weisheit, Personen
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Theologische Abhandlung der Weisheit (Forts.)
  Stellen der Bibel [6-8]
Literatur
Siehe auch

Stichworte Text   Quellenangaben
Stellen der Bibel (Forts.)
6) Sirach I, 17. Weisheit wohnet allein bey den auserwehlten Weibern.
 
 
Diese Worte finden sich zwar nicht in den Griechischen, da allein stehet: Die Weisheit ist erschaffen mit den Gläubigen in Mutter-Leibe; Und was jetzt gesagt ist: Wohnet allein bey den auserwehlten Weibern, hat die Lateinische Version für sich hinzugesetzet. Dennoch hat sie die Christl. Kirche und Luther behalten wollen, weil sie an sich gut und erbaulich sind, auch mit der übrigen H. Schrifft wohl übereinstimmen.
 
 
Es ist aber dieses der Verstand: Die Furcht des Herrn, sammt der daraus erwachsenden himmlischen Weisheit hänget den Gläubigen so feste an, als wär sie ihnen angebohren, und wandelt, oder wohnet allein mit, oder bey den auserwählten, oder fürtrefflichen Weibern; Gehet mit ihnen, als eine bekannte Freundin, um, leitet sie, als eine treue Führerin, zu dem Himmel, und bleibet bey ihnen, als eine beständige Einwohnerin der zerbrechlichen Hütten dieses Leibes.
 
 
Ohne Zweiffel hat Sirach hiermit dem damahligen weiblichen Geschlechte unter dem A. Testamente einen erquicklichen Trost geben wollen: Daß, ob es gleich dem Allerhöchsten beliebet habe, denen Männern an seinem Bunde, an dem Gottesdienste, und an der Freyheit, einen Vorzug für den Weibern zu gönnen; sie dennoch nicht meynen, als ob sie von der Gnade GOttes
 
  {Sp. 1148}  
 
gar ausgeschlossen, sondern vielmehr festiglich gläuben solten, dieselbe gehe sie auch dermassen nachdrücklich an, daß er sie offt vor den Männern mit sonderbarer himmlischen Krafft und Weisheit begabe, und dieselbe, als ihr Eigenthum, bey ihnen wohnen lasse.
 
 
Deswegen sie dann denen rühmlichen Exempeln der alten gottseligen Weiber, der vernünfftigen Sara, der gesegneten Lea, der angenehmen Rahel, der lobsingenden Mirjam, der gläubigen Zippora, der unverzagten Debora, der andächtigen Hanna, der begnadeten Esther, der männlichen Judith, der standhafften Maccabäerin, der tugendhafften Susannen, u.s.w. nach ihrer Masse, nur beständig folgen, und sich festiglich versichern solten, wie GOtt vorher andere ihres gleichen mit Weisheit und ewigem Ruhme becrönet habe, so werde er es auch bey ihnen an solchem Masse der Weisheit, das zur Erhaltung ihres ewigen Heyls nöthig sey, nicht fehlen lassen.
 
 
Wolte man die üblichen Exempel Tugendliebender Weibsbilder in dem N. Testamente hinzusetzen, deren entweder von den Aposteln und Evangelisten, oder von den historischen Scribenten und Lehrern der ersten Christlichen Kirche, rühmlich gedacht worden ist, so würden sich nicht in geringerer Anzahl treue Freundinnen JEsu und seiner Jünger, heldenmüthige Märtyrerinnen, unerschrockene Bekennerinnen, freudige Lehrerinnen, andächtige Beterinnen, vernünfftige Christinnen, an alten und jungen, Jungfrauen und Kindern, finden, die es denen Männern offt zuvor gethan haben, und an welchen erfüllet ist, was Paulus Galat. III, 28 saget.
Siehe auch 1 Petr. III, 7.
 
7) Matth. XI, 19. die Weisheit wird von ihren Kindern gerechtfertiget.
 
 
Die Söhne der Weisheit bedeuten soviel, als die Weisen, denn es ist dieses eine sehr bekannte Hebräische und Griechische Redens-Art. So spricht man paides hiatrōn, die Söhne der Ärtzte, anstatt: Die Ärtzte.
Siehe Maldonatum. Ingleichen Schotti Adag. S.N.T.
 
Was das Wort Rechtfertigen anbetrifft, so behauptet und schliesset Camerarius in h.l. daß so viel gesaget werde, daß die Weisheit von den ihrigen verehret werde, da sie eine andere verachten, auf welche Weise von den Zöllnern gesaget wird, dikaiosai ton Theon, daß sie GOtt recht gegeben, das ist, gepreiset hätten, wie er es ausleget,
Lucä VII, 29.
 
und hält davor, daß sich dieses umso viel mehr hieher schicke, weil Lucä VII, 35. da eben dieses berichtet, das Wort pantōn hinzugesetzet wird: Die Weisheit wird von allen ihren Kindern gerechtfertiget; Es aber thöricht seyn würde, davor zu halten, daß die Weisheit von allen ihren Kindern so nichtswürdig geachtet werde, daß sie insgesammt wider dieselbe ein Urtheil zu fällen sich unterstünden.
Siehe Gatakeri Diatrib. de Stylo N.T.
 
Vergl. Lucä VII, 29. wo eben dieses Wort, in diesem Verstande, von den Zöllnern gebrauchet wird: edikaiosan ton Theon, sie rechtfertigten GOtt, das ist, sie gaben GOtt recht, und erkannten und preiseten ihn vor gerecht, denn der Glaube giebt GOtt die Ehre,
Röm. IV, 20. Cap. III, 25. 26.
  {Sp. 1149|S. 588}  
 
8) Apost. Gesch. VII, 22: Moses ward gelehret in aller Weisheit der Egypter, und war mächtig in Worten und Wercken.
 
 
Hieraus ist zu erkennen, daß die Egyptier nicht einerley, sondern viel und mancherley Weisheit gehabt haben. Sie kan aber gar füglich in zwey Classen eingetheilet werden.
 
 
Den erstlich hatten sie eine nicht geheim gehaltene Weisheit, (Sapientiam apertam) zu welcher ein jeder, der etwas studiren wolte, gelangen konnte; und dahin gehöreten die Geometrie, Arithmetic, Astrologie und Music, oder die Feldmesser- Rechen- Stern- und Singe-Kunst, und dergleichen.
 
 
Hiernächst aber hatten sie auch eine verborgene Weisheit, (Sapientiam occultam) die mit Hierogliphischen u. heimlich verborgenen Sachen umging, da sie die grössesten und schweresten Geheimnisse, der natürlichen, göttlichen, und politischen Dinge, durch gewisse Sinn-Sprüche, oder durch andere nachdenckliche Reden und Rätzel, vortrugen, und selbige nicht jedermann entdecketen.
 
 
In allen diesen ward nun Moses unterrichtet, sagt Stephanus; Er lernete so wohl die öffentliche, als heimliche, so wohl die bekannte, als verborgene Weisheit. Wir dürffen nicht meynen, der Egypter Weisheit sey vor Mosen zu wenig gewesen. Gewiß, es ist genug, daß hier stehet, die Egypter haben pasan sophian, alle Weisheit gehabt. Es bestätigen auch andere Scribenten ein gleiches. Macrobius nennet Egypten eine Mutter der Künste (Matrem artium); Und Apulejus schreibt denen Egyptiern vor andern Völckern die Gelehrsamkeit zu, und nennet sie kat' exochen Eruditos, die Gelehrten. Ja, wer vor diesem nicht in Egypten studiret, und da seine Weisheit hergeholet hatte, konnte vor keinen recht gelehrten Mann paßiren; Wer hingegen in Egypten gewesen war, bekam gleich ein Ansehen.
 
 
Und in solcher Egyptischen Weisheit, in solchen Disciplinen und Künsten, in solchen verborgenen Wissenschafften, ward nun Moses unterrichtet, erzogen, unterwiesen. Ja, es blieb nicht allein dabey, sondern er ward auch zu allen Exercitien gehalten, die so wohl zu Krieges- als Friedens-Zeiten vonnöthen waren. Denn weil er des Königes Successor und Reichs-Nachfolger seyn solte, muste er, als ein junger Printz, in allen Königlichen Exercitien Wissenschafft haben.
 
 
Es fragt sich aber hierbey: Warum GOtt Mosen an dem Egyptischen Hofe, und nicht lieber von Hebräischen Lehrern habe erziehen lassen? Und da führen die Gelehrten dreyerley Ursache an:
 
 
Erstlich, weil er, wegen des scharffen Königlichen Edicts, ordentlicher Weise nicht anders bey dem Leben erhalten werden konnte, wo nicht des Königes Tochter sich dessen unterfangen hätte.
 
 
Vor das andere, damit er an dem Königl. Hofe auch Königl. Qualitäten und Sitten, als Grosmüthigkeit, und andere Fürstliche Tugenden, lernen und annehmen möchte, dieweil ihn GOtt einmahl als einen Fürsten und Hertzog des Israelitischen Volckes gebrauchen wolte.
 
 
Und drittens, damit, wenn ihm alle, auch die verborgene Weisheit der Egyptier, bekannt wäre, er mit desto glücklicherm Succeß, als ein Gesandter GOttes, für Pharao erschienen, und desto mehr Autorität und Ansehen für ihm haben möchte.
 
 
Siehe auch den Artickel: Ägyptische Weisheit, im I Bande, p. 637.
 
Literatur  
  • Rechenbergs Hierolex.
  {Sp. 1150}  
   
  Real. ...
   
  • Luthers extrahirt. bibl. Lex. ...
  • Rambachs Dogm. Theol. Th. I ...
  • Baumgartens Theol. Moral ...
  • Walchs Rel. Streitigk. ausser der Evang. Kirche, Th. II ...
Siehe auch Siehe auch den Artickel:  
 
  • Weise, Lat. Sapiens;
  • Ingleichen
    • Weisheit GOttes;
    • Weisheit (Schätze der);
    • und Weisheit (Sendung der).
 
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries