HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Westphalen HIS-Data
5028-55-957-5
Titel: Westphalen
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 55 Sp. 957
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 55 S. 494
Vorheriger Artikel: Westphalen, der Westphälische Kreiß
Folgender Artikel: Westphalen … Hertzogthum
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

  Text Quellenangaben
  Westphalen, Lat. Westphalia oder Vestphalia, eine grosse Landschafft in Deutschland, so in den alten Zeiten zu Sachsen mit gerechnet worden.  
  (1) Nahme.  
  Es ist noch nicht ausgemacht, woher dieses Land seinen Nahmen erhalten habe. Denn obgleich die erste Sylbe West ohnfehlbarlich auf dessen Lage zielet, so bleibet doch die letztere in ihrer Dunkelheit, und wird Conring es wohl nicht leicht jemanden überreden, daß des Ptolomäi Chali und diese Phali einerley, beyde aber von Fohlen oder Füllen solchen Nahmen erhalten. Daß ihnen auch wegen der Fohlen, so sie im Wappen geführet, solcher Nahmen zugewachsen, wie solches unter andern auch Meinder de statu religionis et Reip. in Veteri Saxonia, in der vorgesetzten Vorrede dieses Buches … zu erhärtern suchet, kan man ebenfalls nicht wohl glauben, und wird dazu heutiges Tages die alte Tradition von dem Rosse, als der alten Sachsen Haupt-Wappen sehr in Zweifel gezogen.  
  Die Galli oder Wahlen haben auch hier nichts zu schaffen, und obschon von einigen davor gehalten wird, dieser Nahme sey von den neuen Einwohnern, die Carl, an statt der aus dem Lande geführten Sachsen, von jenseits Rheins wieder herein geschickt, entstanden, so werden doch vielleicht wenige solcher Meynung beypflichten, weil nicht nur jene Nahmen älter sind, sondern auch nicht zu erweisen stehet, daß Carl aus diesen Landen die Einwohner weggeführet, wie er zwar aus Nord-Albingia gethan, und noch vielweniger, daß er aus Gallia neue Einwohner wieder hieher gesandt.  
  Die Gothischen Victovali oder Taifali, und die Norwegischen Westfolder, möchten hier auch wohl keinen Platz finden. Wolte man gleich sagen, daß, weil in beyden Ländern zwey Gauen, Ostvala und Westvala, insbesondere solchen Nahmen geführet, so wären sie von diesen beyden zuerst entsprungen, und hernach, wie es öffters zu geschehen pfleget, auch denen gantzen Län-  
  {Sp. 958}  
  dern beygeleget worden; so bliebe es doch wieder ungewiß, wie diese beyde Gauen zu solchen Nahmen gekommen.  
  Caspar Abel hat diesen Einfall, weil doch bey den Deutschen, sonderlich bey den Sachsen, annoch eine gemeine Redensart ist, in seinen vier Pfählen seyn, ob vielleicht diese Länder davon ihren Nahmen erhalten, und dadurch gleichsam ein von der Natur selbst durch die Flüsse Rhein, Weser und Elbe bepfähltes, und von andern wohl unterschiednes Gebiete angezeiget würde; allein diesen seinen Einfall wiederlegt er auch selber wieder, und spricht, es schiene dieses nicht anzugehen, weil die Nieder-Sachsen vor Pfähle Päle sprechen, und sie also viel mehr Ost und Westpälinger heissen müsten.  
  Schatenius meynet, es wären diese Benahmungen aus dem Worte Feld geschmiedet, welches in der Plat-Deutschen Sprache so wohl als in der Nordischen Fell, Vell, ausgesprochen werde, und diese Derivation bedünckt Eccardo die wahrscheinlichste zu seyn, und wollen wir auch hier nicht wiedersprechen, ob wohl zwischen falle und fahlen noch ein ziemlicher Unterscheid; nur ist dabey zu erinnern, daß Schatenius sie nicht zuerst auf die Bahn gebracht, sondern auch Rolevinc sie schon berührt L. I, c. 2.
  da er unter andern vorgelegten Meynungen, auch dieses anführt, daß einige davor hielten, die Westphälinger hätten vom Westlichen Felde, eben als die Westerwalder von dem gegen Westen gelegenen Walde, den Nahmen; Und die Sachsen-Chronicke bezeugt solches noch deutlicher, daß das Theil Landes von der Elbe bis an die Weser das Ostvelt, und dessen Einwohner Ostvelony, oder Ost-Sassen, das aber von der Weser bis an den Rhein das Westvelt, und dessen Einwohner Westveldinger und hernach Westvelinger geheissen.  
  Wenigstens ist diese Erklärung viel wahrscheinlicher, als alle andere, und wenn man gleich des Engelhusii seine, die er mit dem alten Verse bestätigen wollen, Westfalus a fallo de feilen dicere mallo (als wenn sie gleichsam Westfeilinger von Carl dem Grossen wegen ihrer Untreu genannt worden) und des Rolevincs seine (da er sie bald von fidelis, bald auch von Phalos, das vor dem einen Cameraden bedeutet habe, herführt) noch mit in die Wagschale legen wolte, so würden sie doch gegen sie viel zu leicht erfunden werden.  
  Andere wollen den Ursprung herleiten von der Römischen Göttin Vesta; andere von dem deutschen Wort Wallen, das so viel heisset als ämsig gehen; aber alles beruhet hiervon auf blosse Muthmassungen.  
     
  Grentzen.  
  Diese grosse Landschafft aber grentzet gegen Osten an Nieder-Sachsen, gegen Süden an Hessen, den Westerwald und den Rhein, gegen Westen an die vereinigten Niederlande, und gegen Norden an das deutsche Meer, und wird zu dieser grossen und weitläufftigen Landschafft insgemein gerechnet  
   
  {Sp. 959|S. 495}  
 
  thum Minden
 
 
  • die Grafschafften
    • Marck,
    • Ravenstein,
    • Schaumburg,
    • Spiegelberg,
    • Lippe,
    • Pyrmont,
    • Rietberg,
    • Hoya,
    • Diephold,
    • Bentheim,
    • Tecklenburg,
    • Steinfort
    • Lingen,
    • Reckheim
    • und andere mehr, so daherum gelegen seyn.
 
     
  Natürliche Beschaffenheit.  
  Es ist eines der kältesten Landschafften in Deutschland; gleichwohl aber sehr volckreich. Außer dem Getreide hat es an vielen Dingen einen Überfluß. Und obgleich an etlichen Orten das Land als zum Exempel in dem Sauerland und dem Hertzogthum Bergen, ziemlich rauh ist, so ist es doch nicht überall so beschaffen, sondern es ist der Acker und die Gegend an der Weser bey Paderborn, Lippe, Soest, Heervorden, Ham und weiter, über die maßen und nach Wunsche fruchtbar.  
  Gegen den Rhein und das Heßische Gebürge zu wird Eisen, Kupffer, Bley und andere Metallen, in Menge gegraben: Der beste eiserne Drat wird in Altenau, einem zu Westphalen gehörigen Städtgen, gefertiget.  
  Das gantze Land aber hat vortrefflich schöne Vieh-Weide und viel Holtzung. Und weil sonderlich viele Eicheln daselbst in den Wäldern wachsen, so ist es wegen der Schwein-Mastung am meisten berühmt, und kan mit seinen Schincken und Würsten viel andere weit entlegene Länder versehen; die besten Westphälischen Schincken liefert die Stadt Hamm an der Lippe, welche auch daher von den Holländern Hammen genennet werden.  
  So wird dieses Land nicht weniger gelobet wegen des köstlichen Bieres, so sie in Ermangelung des Weins darinnen brauen. Und weisen die köstlichen Biere zu Paderborn, Minden, Soest, der Koith zu Münster, die Buse zu Oßnabrüg, und der Grüsing zu Tecklenberg, daß die ungeschickten Verse von Westphalen nicht allerdings wahr sind:  
  Hospitium vile, grof Brod, dünn Bier, lange Miele
Sunt in Westphalia; si non vis credere, lop da.
  Oder
  Schlecht Logiment, und lange Meil.
Schwartz Brod, schlimm Bier, grob Schweine-Keul,
Gibt allenthalben in Westphalen,
Wer es nicht glaubt, mags selbst erfahren.
     
  Einwohner.  
  Der Vorwurf dasiger Einwohner bestehet darinnen, daß sie höltzerne Schuhe tragen; ihr Brod, welches Pumpernickel oder bon pour Nickel, genennet wird, so schwartz als der Erdboden, und so hart als ein Stein sey; ingleichen daß in ihren Häusern Menschen und Vieh beysammen wohnen.  
  Sonst hat man von den Westphälingern, auch noch einen Vers der also lautet:  
  Westphalus est sine pi, (pietate) sine pu, (pudore) sine con, (conscientia) sine veri, (veritate)
  In wie weit dieser Vers gegründet ist, überlässet man andern zu beurtheilen.  
  Indessen glücket es denen Westphälingern, daß sie in der Frem-  
  {Sp. 960}  
  de und ausser dem Vaterlande große, reiche und vornehme Leute werden, wie dessen so viele vornehme Famlien in Hamburg, Lübeck und Amsterdam, und die von ihnen ad pias caussas hinterlassene Stifftungen, ein Zeugniß abstatten können.  
  So haben sie auch den Ruhm, daß sie die schönen Wissenschafften zuerst mit excoliret.  
  Dem berühmten Justus Lipsius muß es in Westphalen nicht sonderlich gefallen haben, weil er in dem Andern Hundert seiner Episteln, so bey dem Plantino 1590 in 4. herausgekommen, und zwar in der XIII, XIV, XV und XVI Epistel von Westphalen eine gar schlechte Abbildung machet.  
  Der XIII Brief ist zu Oldenburg geschrieben. In demselben heißt es unter andern: in Scytharum Eremia mihi videor, nec inter homines satis certo. Omnes hic Suillii, Scrofae, porcii, et uno verbo, tui Hermanni (er ist aber an Janum Donsam gerichtet, zu dem Ende stehet: in barbaria apud pultiphagos, III Non. Octobr. 1586)  
  In der XIV Epistel lieset man: Taedia hospitiorum hic plus quam Germanica. Crede mihi amice, (er schreibt an Janum Hutenum) barbaria nulla barbaria est prae hac Westphalia; er ist datiret: Oldenburgi ex hara, quam hospitium appellant.  
  In der XV Epistel beschreibt er den Zustand, wie er ihn in Westphalen gefunden haben will. In der XVI aber macht er die Oldenburger nur zu halbe Menschen.  
  Diese Vorwürfe des Lipsius hat Johann Domannus beantwortet in seinem Apologetico pro Westphalia ad Cl. V. Justum Lipsium, so zu Helmstädt 1591 in 4. die Presse verlassen. In dieser Schutz-Schrifft hat gemeldeter Verfasser die Ehre seines Vaterlandes nachdrücklich zu retten gesucht und muß man ihm zum Ruhm nachsagen, daß er darbey dem Lipsio sein gebührend Lob nicht entziehet.  
  Er gestehet, daß er sich sonderlich durch sein Buch de Constantia, so er ein unvergleichliches Werck nennet, einen ungemeinen Ruhm erworben, er nennet ihn summum rei litterariae Dictatorem; er meldet aber dabey, daß er ihn eben wegen seines allzugrossen Ansehens angegriffen und seine Verleumdungen wiederlegen müssen. Und in der That, er lieset ihn den Text rechtschaffen, und mahlet ihn nach dem Leben ab. Stecket er seine Fehler nicht unter die Banck, so verschweiget er doch auch nicht, was an ihm zu loben ist.  
  Lipsius hat schwerlich einen guten Freund gehabt, der in die Wahrheit so offenhertzig herausgesaget, als den redlichen Westphaler Hans Doman, dessen Schutz-Schrifft schon werth ist, daß man sie gantz lieset. Sie ist nur sieben Bogen starck und stehen zu Ende die gedachten vier Schreiben des Lipsii beygefüget. Diese Schutz-Schrifft vor Westphalen hat man sonst auch den opusculis variis de Westphalia, so gelehrte Männer geschrieben, und Johannes Goas mit Anmerckungen erläutert, 1668 zu Helmstädt in 4. mit einverleibet. In dieser Sammlung kan man zugleich auch finden, wie sich Lipsius hierauf erkläret und entschuldiget hat.  
  Niederlage des Qvinctilii Vari.  
  In Westphalen ist in dem zwölften Jahr nach Christi Geburt die berühmte Niederlage des  
  {Sp. 961|S. 496}  
  Quinctilii Vari unter Anführung des Deutschen Helden Arminii oder Hermanns geschehen, wovon Vellejus Paterculus, Meldung thut.
     
  Bekehrung zum Christenthum.  
  Um das Jahr 688 ist Westphalen zum Christlichen Glauben bekehret worden: Denn da haben die beyden Evaldi bey ihnen gelehret, welche beyde nicht weit von Bremen Märtyrer worden. Hernach hat die Kirche Gottes immer mehr und mehr zugenommen, bis endlich das gantze Volck ist bekehret worden.  
  Adel:  
  Von den Adelichen Familien in Westphalen hat Herr Johann von Bersword ein schönes Werck hinterlassen, so die Domherren zu Hildesheim in Verwahrung haben sollen. Der verstorbene berühmte Herr D. Maibom zu Helmstädt schrieb 1698 den 1 Nov. an Herrn D. Behren folgendes:  
  „Was M.H. Herrn Doctors Begehren betrifft wegen des Johann von Bersword in Husten Libro de familiis nobilibus Westphalicis, so gebe zur Nachricht, daß solches Manuscript etliche Tage bey mir gehabt, und daraus etwas excerpiret, es gehöret aber einem Monacho Benedictino, welcher es wieder abforderte. Es ist sehr curiös und fleißig ausgeführt, ex tabulis antiquis colligirt und sehr weitläufftig. Die Copey aber, die ich hatte, war nicht zum besten geschrieben, daher ich muthmasse, daß in denen nominibus propriiis und annorum notatione etwas zuweilen mag geirret seyn.  
  Es allegiret dieses Manuscript auch Ferdinandus Episc. Paderborn. in seinen monumentis Paderbornensibus. Wenn M.H. Herr das Buch bekommen könnte, würde es ihm sehr zu statten kommen, oder er würde gar sein Vorhaben de familiis Westphalicis materia jam exhausta ändern, oder dieses mit wenigen Noten drucken lassen.„ Fellers Monument. var. inedit. …
  Von dem  
  Westphälischen Frieden  
  ist oben ein besonderer Artickel zu finden.  
  Von dem Westphälischen heimlichen oder Vehm-Gerichte, auch das  
  Westphälische Blut-Gerichte,  
  ingleichen der Freystuhl genannt, siehe man den Artickel: Vehm-Recht, im XLVI Bande, p. 966 u.ff.  
  So gehet auch von den  
  Westphälischen Waaren  
  ein Artickel vorher.  
  Schrifften:  
 
  • Nic. Schatenii Historia Westphaliae, Neuh. 1690 in Fol.
  • Werdenhag P. I. Rerum Hanseatic.
  • Abels Sächsische Alterthümer II Theil
  • Herm. Stangefol. Annales Circuli Westphalici, II Theile, Cölln 1656 in 4.
  • Hübners vollständige Geographie III Theil …
  • Uhsens Universal-Geographisch- Historisches Lexicon.
  • Hamelmanns opera genealogico-historica de Westphalia et Saxonia inferiore, cura Ernesti Casimiri Wasserbach, Lemgou 1711 in 4.
  • Schramms Reise-Lexicon.
  • Müllers klei-
 
  {Sp. 962}  
 
  ner Atlas I Theil …
 
 
  • Rolewinck de Westphqal. situ et moribus.
  • Gres Opuscula de Westphalia.
  • Neowald. de antiquis Westphaliae colon.
  • Winckelm. not. vet. Sax. Westphaliae.
  • Zeillers Itinerarium Germaniae
  • Ebend. Beschreibung des Westphälischen Kreises, mit Figuren.
  • Kurtze Nachricht von den Büchern in der Stollischen Bibliothec
  • Einleitung in die Geographischen Wissenschafften
  • Miri Lexicon Antiquitatum Ecclesiasticarum
  • C.S. Memorabilia Germaniae
  • Baudrands Lexicon Geographicum
  • Corvini Fons Latinitatis
  • Webers Einleitung in die Historie der Lateinischen Sprache …
  • Triers Wappenkunst.
 
     

HIS-Data 5028-55-957-5: Zedler: Westphalen HIS-Data Home
Stand: 16. Februar 2014 © Hans-Walter Pries