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Zedler: Wille Gottes [3] HIS-Data
5028-57-25-9-03
Titel: Wille Gottes [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 45
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 36
Vorheriger Artikel: Wille Gottes [2]
Folgender Artikel: Wille Gottes [4]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 2 Artikelübersicht Teil 4  Fortsetzung

Übersicht
I. Abhandlung des Willens Gottes in der ersten Bedeutung. (Forts.)
  5) Eintheilungen des Göttlichen Willens. (Forts.)
 
  (4) entweder befehlend, oder beschliessend
  (5) Willen des Zeichens und Wohlgefallens
  6) Nutzen dieser Lehre.

  Text Quellenangaben
 
(4) Der Wille GOttes ist entweder befehlend, oder beschliessend, (Jubens, vel decernens)
 
 
  Der befehlende Wille hat das Gute, das GOtt von uns gethan, und das Böse, das er von uns gelassen haben will, zu seinem Gegenstande. Der beschliessende Wille aber hat dasjenige zu seinem Objecte, was GOtt entweder selbst thun, oder von andern geschehen lassen will. Der befehlende Wille, der den vernünfftigen Creaturen Gesetze vorschreibet, der ist nicht unwiderstreblich. Denn weil GOtt dabey mit vernünfftigen Creaturen zu thun hat, so will er sie nicht als Klötzer und Steine tractiren, und ihren Willen mit Gewalt zu dem Gehorsam beugen, sondern es heißt: Ich lege euch vor Leben und Tod, Segen und Fluch, daß ihr das Leben erwählet,
5 B. Mosis XXX, 15. u.ff.
 
  Daher können die Menschen wider den befehlenden Willen GOttes handeln. Da denn aber auch GOtt durch die Bestraffung ihres Ungehorsams zeiget, daß seyn Wille ernstlich gewesen, und daß es ihm nicht gleichgültig sey, ob man seinen Willen beobachte, oder übertrete.
 
 
  Der beschliessende Wille hat zu seinem vornehmsten Gegenstande dasjenige, was GOtt selbst thun will. Das ist von zweyerley Art: Entweder, er will etwas nach seiner blossen Macht thun, ohne dabey auf das Verhalten der Creaturen zu sehen, daher dieser Wille, der zu dem Reiche der Macht gehöret, unwiderstreblich ist: Weil keine Macht der Creaturen der Macht GOttes widerstehen kan, Psalm XXXIII, 9: Wenn er spricht, so geschiehts.
 
 
  Oder, er will etwas unter gewissen Bedingungen thun, nachdem die vernünfftigen Creaturen sich verhalten werden. Dahin gehören alle Bedrohungen und Verheissungen, die unter einer gewissen Bedingung vorge-
 
  {Sp. 46}  
 
  stellet sind,
1 B. Sam. II, 30. u.ff.
 
  Und diese Art des göttlichen Willens gehöret vornemlich zu dem Reiche der Gnaden. Es hat aber auch der beschliessende Wille zu seinem geringern Gegenstande dasjenige, was GOtt von den vernünfftigen Geschöpffen geschehen lassen will. So hat GOtt von Ewigkeit her beschlossen, den Sünden-Fall der Menschen, und anderes Böse, geschehen zu lassen. Da will GOtt nichts selber thun. Er will nicht selber würcken, nicht befehlen, nicht reitzen, nicht zu der Sünden antreiben, welches alles wider seine Vollkommenheit streiten würde; Sondern er will nur diese und jene sündliche Handlung geschehen lassen, oder, er will seine absolute Macht nicht anwenden, dieselbe zu hindern.
 
 
  Damit billiget er die sündliche Handlung der Creaturen nicht; Sondern weil er in dem Lichte seiner Allwissenheit vorher gesehen hat, daß die vernünfftigen Creaturen, nach freyer Wahl, auf diese und jene sündliche Handlung fallen werden; So hat er, bey der Übersehung aller gegenwärtigen und zukünfftigen Umstände, nach seiner und erforderlichen Weisheit, für zuträglicher gefunden, dieselbe geschehen zu lassen, als sie durch eine absolute Macht zu verhindern etc.
 
 
  Übrigens ist zu bemercken, daß der Wille von einer weitläufftigern Bedeutung sey, als der Rathschluß. Der Wille erstreckt sich auch auf solche Dinge, die an sich selbst zu begehren sind, ob man gleich dieselben, nach Betrachtung aller Umstände nicht würcklich vollbringen will. Der Rathschluß aber ist der kräfftige Wille, da man dasjenige, was man will, auch würcklich zu thun beschliesset. Der Rathschluß GOttes ist also eine Würckung des göttlichen Willens, krafft dessen er das Beste dem Bessern, das Bessere dem Guten; und das Gute dem Bösen allezeit vorziehet.
 
 
(5) Wird der göttliche Wille in den Willen des Zeichens und Wohlgefallens (Signi et beneplaciti) eingetheilet; Welche Distinction in einem orthodoxen und heterodoxen Verstande genommen werden kan.
 
 
  In heterodoxem Sinne wird diese Distinction gebraucht, oder vielmehr gemißbraucht, wenn man diese nachdrückliche Bezeugung GOttes, daß er aller Menschen Seligkeit wolle, und seinen Sohn für alle gegeben habe, so ausleget, als ob solches nur von dem Willen des Zeichens nicht aber von dem Willen des Wohlgefallens zu verstehen sey. Denn GOtt könne etwas nach dem Willen des Zeichens wollen, dass er nach dem Willen des Wohlgefallens nicht wolle.
 
 
  Turretinus schreibt in Institut. Theol. Elencht. Diese Distinction habe von dem Hugo de St. Victore ihren Ursprung, sey von dem Lombardus fortgepflanztet, von dem Thomas und den übrigen Scholastickern angenommen worden, und werde noch behalten. Dieser Distinction halber, machen ferner einige Reformirte Theologen unter dem geoffenbahrten und geheimen Willen einen Unterschied, da doch der geoffenbahrte und geheime Wille nicht mit einander streiten kan, wenn man GOtt nicht der Falschheit und Heucheley beschuldigen will, indem er anders rede, als meyne;
 
  {Sp. 47|S. 37}  
 
  Sondern nur dieser Unterschied ist, daß der geheimen Wille sich mit den unterschiedenen Gerichten GOttes beschäfftiget, welche Paulus unerforschliche Gerichte nennet,
Röm. XI, 33.
 
  Der geoffenbahrte Wille aber betrifft das Geschäffte unserer Seligkeit, da GOtt alle Heimlichkeiten seines Hertzens, ohne einige Verstellung und Falschheit, uns geoffenbahret hat.
 
 
  Desgleichen machen die Reformirten ohne Grund noch eine Eintheilung, unter der Allgemeinheit des Willens GOttes, und unter dem gnädigen Willen GOttes selber. Jedoch, wir bleiben anjetzo bey der Eintheilung unter dem Willen des Zeichens, und dem Willen des Wohlgefallens, stehen. Diese Eintheilung wird in orthodoxem Verstande von vielen Lutherischen Gottesgelehrten gebrauchet, als welche diese Eintheilung nicht verabscheuen.
Siehe Carpzovs Isagogen ...
 
  Wir sagen, dieser doppelte Wille GOttes streite nicht wider einander, sondern was GOtt äusserlich andeute, das wolle er nach seinem Wohlgefallen.
Siehe Form. Concord. ...
 
  Wir beruffen uns auf
 
 
 
  • Apost. Geschicht XX, 27.
  • 1 Corinth. II, 10,
  • 5 B. Mos. XXIX, 29.
  • Ebr. VI, 18.
  • 4 B. Mos. XXIII, 19.
 
 
  Besonders kan diese Eintheilung in den Örtern der Heil. Schrifft statt finden, welche von den Versuchungen der Frommen handeln. Z.E. In der Versuchung des Abrahams befahl GOtt dem Abraham, seinen Sohn Isaac zu opffern; Das war der Wille des Zeichens. Unterdessen hatte er in seinem Hertzen beschlossen, daß er nicht geopffert, sondern ihm lebendig zurück gegeben werden sollte: Das war der Wille des Wohlgefallens.
 
 
  Wenn Johann Paul Hebenstreit, in seiner Philosophia prima ... die Frage aufwirfft: Ob GOtt etwas nach dem Willen des Zeichens wolle, so er doch nach dem Willen des Wohlgefallens nicht will? So antwortet er: Ut nostra [Ca. sechs Zeilen lateinischer Text]. Eben dergleichen findet man aus D. Hildebrands Theol. dogm. ... ausgezeichnet, in des Probsts Reinbecks XI Betracht. über die Augsp. Conf. ...: Notabis hoc loco [5 Zeilen lateinischer Text].
 
 
  Der Probst Reinbeck selbst aber schreibet, an dem angeführten Orte:
 
 
  Wir lesen wohl in der Historie Abrahams, daß GOtt demselben befohlen habe, seinen eintzigen Sohn, den Isaac, ihm zum Opffer zu schlachten, da sich doch hernach, als Abraham gehorsam seyn wolte, gewiesen hat, daß solcher Befehl nicht der eigentliche Wille GOttes, sondern nur eine Versuchung gewesen sey."
 
 
  Es haben aber viele unserer Gottes-Gelehrten schon längstens darzuthun gesuchet, daß diese Eintheilung des Willens GOttes, in so fern das, was man den Willen des Zeichens
 
  {Sp. 48}  
 
  nennet, etwas anders bedeutet, oder haben will, als das, was man den Willen des Wohlgefallens heisset, man möge sie erklären, wie man wolle, höchst unanständig, und dem grossen GOtt in der That verkleinerlich sey. Das gieng wohl an, daß man den Willen GOttes, womit er z.E. Abrahams Beschneidung gewolt hat, in Ansehung der Zeit, ehe GOtt selbigen geoffenbahret, oder gar in Ansehung aller Ewigkeit, den Willen des Wohlgefallens, in Ansehung der Zeit aber, worinnen GOtt eben diesen seinen Willen dem Abraham geoffenbahret hat, den Willen des Zeichens nenne. Es sey aber ein Wille, und ein Object, welches GOtt wolle. Hingegen, wo man vorgebe, GOtt wolle eine Sache, nach dem Willen des Zeichens, und wolle eben derselbigen Sache Gegentheil, nach dem Willen des Wohlgefallens, so könne man es nicht anders, als ernstlich verwerffen.
 
 
  Es beruffen sich zwar einige auf die angeführte Geschichte mit dem Abraham, und wenden ein, GOtt habe die Absicht nicht gehabt, daß Isaac würcklich geopffert werden solte, und dahero könne man es nicht anders, als eine Vorstellung, ansehen. Ja, wenn es der rechte Ernst GOttes gewesen wäre, so könne es Moses keine Versuchung nennen. Die andern aber antworten hierauf zweyerley:
 
 
 
a) Wenn wir denen, welche die allgemeine Gnade GOttes leugnen, so viel einräumeten, es geschehe, und zwar offt, daß GOtt äusserliche Zeichen gebe, als wolle er eine Sache, die er doch in der That nicht wolle, so hätten wir schon ein grosses vergeben, Und wenn wir schon darzu setzeten, es gehe in ernstlichen Sachen, und die der Menschen Seligkeit betreffen, nicht an, so würden sie doch den Grund fordern, warum wir eben dieses ausnähmen, da wir doch gestünden, daß GOtt sich offt äusserlich anders anstelle, als er es würcklich meyne? Zudem, so sey die Geschichte von der Versuchung Abrahams gewiß kein Kinder-Spiel, sondern eine sehr ernstliche Sache.
 
 
 
b) Mosis Erzählung enthalte, daß GOtt den Abraham, nachdem die gantze Versuchung vorbey war, gelobet, daß er seiner Stimme gehorchet habe; Daraus sey hoffentlich klar, daß die Stimme GOttes Gehorsam gefordert habe, und daß solcher erforderter Gehorsam würcklich geleistet worden sey. GOtt werde ja aber nicht den Gehorsam eines Menschen loben, der das gethan habe, was er würcklich nicht haben wolle. Es sey nichts gewissers, als daß GOtt das alles würcklich und ernstlich haben wollen, was Abraham darauf auch würcklich gethan.
 
 
 
  GOtt habe befohlen, Abraham solle seinen Sohn opffern; Das habe er auch gethan. Nur sey mercken, daß, wer jemand etwas zu thun befehle, so ernstlich der Befehl auch immer sey, es nicht also verstehe, der Mensch solle sich keinen anderweitigen Befehl an der gäntzlichen Vollziehung hindern lassen; Sondern er solle zu der Sache schreiten, und so lange, bis das Werck vollendet werde, fortfahren, so lange ihn nicht eine höhere Gewalt hindere.
 
 
  Eine hohe Landes-Obrigkeit befehle dem Nachrichter, gewisse Missethäter mit dem Strange, oder auf andere Art, hinzurichten.
 
  {Sp. 49|S. 38}  
 
  Dieses Gebot sey kein Schertz. Der Nachrichter müsse auch alle Anstalten machen, ob gleich allezeit in der Obrigkeit Gewalt bleibe, die würckliche Vollziehung durch ertheilten Pardon zu hindern. Man irre sich, wenn man GOttes Befehl an Abraham als einen Entschluß GOttes vortrage: Isaac müsse sterben. Wer wolle das aus GOttes Worte erzwingen? Es stehe da nicht, was GOtt, selbst zu thun, oder zu verhängen beschlossen, sondern, was er dem Abraham auferleget habe. Diese Auflage sey ernstlich, sie fordere Gehorsam; Sie benehme aber doch GOtt selbst die Freyheit nicht, die Vollziehung zu hindern.
 
 
  Man wisse nicht, was man damit meyne, wenn man spreche: Weil es eine Versuchung sey, so sey GOttes Absicht eine andere, als die in den Worten angezeiget werde. GOtt wolle das würcklich, was er zu der Versuchung jemand auflege. Ein Lehrer fordere dem Schüler eine Probe seines Fleisses, durch gewisse Fragen und Aufgaben, ab, um zu sehen, was hinter ihm stecke. Das wären Versuchungen; Jedoch sey kein Zweifel, daß er das Exercitium, oder die Antwort auf die Frage, würcklich, nicht Verstellungs-weise, haben wolle.
 
 
  Niemand solle also sagen: Wenn GOtt von Abraham ernstlich verlangt, daß er den Isaac opffern solte, so müste er auch ernstlich gewolt haben, daß Isaac sterben solte. Denn es wären dieses gewiß unterschiedene Dinge, wie das Exempel von der Landes-Obrigkeit und dem Nachrichter, welches zuvor gegeben worden ist, wohl zu erkennen gebe. Diesemnach habe man sich, bey vermeyntlicher Vertheidigung der Distinction, unter dem Willen des Zeichens und Wohlgefallens, gar nicht auf die Geschichte von Abrahams Versuchung zu beruffen. Der Probst Reinbeck aber habe, an dem angeführten Orte, p. 182, billig erinnert, daß man das Wort Verstellung von GOtt nicht ohne Beysatz, womit die gewöhnliche harte Bedeutung dieses Wortes gemildert werde, gebrauchen solle.
 
  Diß also sind die fünf vornehmsten Distinctiones, die von dem göttlichen Willen in den Schrifften der Theologen vorkommen.  
     
  6) Nutzen dieser Lehre.  
 
1) Ist der freye Wille GOttes der Grund der gantzen Religion: Denn, wenn GOtt nicht willig und frey handelte, so könnten wir weder Gutes von ihm bitten, noch das Böse wegbitten, noch weniger, als wir verbunden sind, der Sonnen für Ihr Licht und Wärme zu dancken, weil sie solches nicht aus freyem Willen sondern aus Nothwendigkeit der Natur ausgehen lässet. So würde auch die gantze Lehre von der Sorge und Vorsehung GOttes, und von seiner Regierung über die Menschen, wegfallen, wenn er aus Nothwendigkeit der Natur, ohne einige Willkühr des Willens, handelte.
 
 
2) Der freye Wille GOttes soll uns bewegen, unsern Willen ihm zu unterwerfen, und, mit Verleugnung unsers eigenen Willens, zu vollbringen, nach dem Exempel Christi, Psalm XL, 8. 9: Deinen Willen, mein GOtt, thue ich gerne. Johann. IV, 34: Meine Speise ist die, daß ich thue den Willen des, der mich gesandt
 
  {Sp. 50}  
 
  hat, und vollende sein Werck. Matth. XXVI, 39: Nicht mein, sondern dein Wille, geschehe.
 
 
3) Weil uns nichts nach einer fatalen Nothwendigkeit begegnet, sondern alles nach dem weisen und heiligen Willen GOttes, der nichts anders will, als was uns gut und heylsam ist; So sollen wir in allen Widerwärtigkeiten ruhig und getrost seyn, und darinnen Gedult beweisen, damit wir den Willen GOttes thun, und die Verheissung empfahen,
Hebr. X, 36.
     

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Stand: 1. März 2013 © Hans-Walter Pries