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Zedler: Wirthschafft [2] HIS-Data
5028-57-1130-5-02
Titel: Wirthschafft [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 1135
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 581
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Übersicht
Philosophische Betrachtung der Wirthschafft-Lehre überhaupt (Forts.)
  Klugheit zu wirtschaften
 
  Erlangung und Erhaltung eines zeitlichen Vermögens
 
  Sparsamkeit
  Glück
  Heirat
  Mittel der Erlangung zeitlicher Güter
 
  unehrliche
  unanständige
  zulässige
 
  Güter
  Dienste
  Geld mit Geld verdienen

  Text  
Klugheit zu wirtschaften Da Geld, oder zeitliches Vermögen, ein Zweck von so hoher Wichtigkeit ist; Und die Erfahrung bezeuget, wie schwehr es zu erwerben, und wie vorsichtig damit umzugehen sey, damit man es nicht unvermerckt verlieren, oder liederlich darum gebracht werden möge: So muß nothwendig eine Klugheit in Ansehung unsers zeitlichen Vermögens seyn, die die Klugheit zu wirthschafften, oder vernünfftig Hauß zu halten, genennet wird, welche nichts anders ist, als eine Klugheit, die, aus der eigentlichen Natur eines zeitlichen Vermögens Mittel an die Hand giebt, zeitliches Vermögen zu erlangen, zu erhalten, und zu unserer nothdürfftigen Erhaltung, Ehre und Beqvemlichkeit, vernünfftig anzuwenden.  
Erlangung und Erhaltung eines zeitlichen Vermögens Was erstlich die Erlangung und Erhaltung eines zeitlichen Vermögens betrifft, so ist zuförderst dabey diese grosse Haupt Regel vorauszusetzen, daß diese beyde, nemlich die Erlangung und Erhaltung der Güter, niemahls von einander seyn müssen, wenn man zu einem Vermögen gelangen will. Denn ein Vermögen ist ein Vorrath der Güter, die uns eigenthümlich zuständig sind. Wenn man nun täglich, ja stündlich, auch noch so viel erlanget, aber täglich, ja stündlich, eben so viel, oder gar ein mehrers verthut, so gelanget man nimmermehr zu einem Vorrathe, und also auch nimmermehr zu einem Vermögen. Also machen die Erlangung und Erhaltung der Güter, beyde zusammen, nur ein eintziges zulängliches Mittel aus ein Vermögen vor sich zu bringen: Und jedes von  
  {Sp. 1136}  
  beyden, wenn es von dem andern getrennet wird, ist ein unzulängliches Mittel, das, wegen seiner Unzulänglichkeit, die Würckung des gesuchten Zweckes zu thun unfähig ist.  
Sparsamkeit Die Klugheit das erlangte zu erhalten, um zu einem Vermögen zu gelangen, und dieses, wo möglich, bis auf einen ansehnlichen Grad des Reichthums zu vermehren, wird die Sparsamkeit genennet. So ist es demnach unmöglich, ein Vermögen vor sich zu bringen, wenn man von dem, was man von Zeit zu Zeit an zeitlichen Gütern erlanget, nicht zurück halten und sparen will. Es ist aber auch unmöglich, viel zu sparen, wenn man nichts, oder allzu wenig erlanget, nemlich täglich kaum so viel, als man, das Leben kümmerlich hinzubringen, schlechterdings von nöthen hat.  
  Dergleichen Zeiten, da, vermöge der allgemeinen Glücks Umstände, dem grösten Theile der Einwohner eines Landes, mit allem ihren sauren Schweisse, ein mehrers zu erwerben nicht leicht möglich ist, heissen eigentlich schwere Zeiten. Es ist dahero die Frage, wie man doch zu Geld und Gut, davon man, durch sparen und zurücke legen, sich nach und nach ein Vermögen sammlen möge, gelangen könne? Darauf ist zu antworten, daß die Mittel oder Wege darzu, theils in unserer Gewalt sind, theils auch nicht: Das ist, daß die Erlangung zeitlicher Güter theils auf unsere Klugheit und Anstalten darzu, theils auch das Glück ankomme.  
Glück Das Glück ist zwar seiner Existentz nach ausser unserer Gewalt: Doch sind dem ohngeachtet Regeln des Glückes, wie nemlich ein jeder sein Glück, wenn es gleich ausser seiner Gewalt ist, erkennen, beurtheilen, und sich in dasselbe schicken solle. Man hat also bey Betrachtung der eigentlichen Glücks-Umstände, in denen man sich befindet, auf diejenigen Regeln vor andern Achtung zu geben, durch die man entweder zu einem guten Vermögen gelangen kan, ohne daß man es verdienen dürffe, oder die doch, wenn wir es auch verdienen müssen uns unsre Nahrung erleichtern.  
  Alle solche Glücks-Umstände soll man, da zeitliches Vermögen eine Sache von so hoher Wichtigkeit ist, über die massen werth halten: Denn sie thun ja offt mehr zu dem Zwecke, als alle Klugheit und Geschicklichkeit vermag. Kunst, Geschicklichkeit, Klugheit, vermag gemeiniglich, wenn gar kein Glück dabey ist, nicht viel mehr, als daß sie von dem Hunger erretten, und man davon sein spärliches Auskommen habe. Sollen sie ein mehrers thun, und ein sonderliches Vermögen, oder Reichthum erwerben, so muß sie das Glück unterstützen, ja darbey das Beste thun; Welches, wenn wir betrachten, daß das Glück in GOttes Händen sey, unserer Meynung nach hauptsächlich dasjenige ist, was man bey allem Arbeiten und Erwerben den göttlichen Segen nennet: Dahero man in unserer Sprache gar recht Glück und Segen immer zusammen setzet als Dinge, die wo nicht einerley, doch einander sehr nahe verwandt sind. Denn niemand wird sagen, daß der Segen GOttes eben in Wunderwercken bestehen müsse: Bestehet er nicht in Wunderwercken, so muß er durch die Ordnung der Natur sich äussern, als welche GOtt theils erhält, theils regieret: Die Ordnung der Natur, aber, soweit sie ausser unserer Gewalt  
  {Sp. 1137|S. 582}  
  ist, und dennoch in den Fortgang unserer Unternehmungen einen Einfluß hat, heisset Glück: Also kan der ordentliche Segen GOttes bey unserer Arbeit nichts anders seyn, als ein von GOtt bescheertes, auch wohl zuweilen besonders regiertes Glück.  
  Demnach lässet sich hieraus auch nach der Vernunfft begreiffen, was das sey: Der Segen des Herrn machet reich ohne Mühe; Seinen Freunden giebet ers schlaffend. Man muß nemlich nicht meynen, daß die wahre zulängliche Grund-Ursache eines guten zeitlichen Vermögens nur unser Arbeiten und Bemühen sey. Ohne Glück, und also ohne Gottes Segen, bringen wir mit aller unserer Arbeit nichts sonderliches vor uns: Und wer etwas vor sich bringet, der hat es nicht so wohl seiner Arbeit selbst zu dancken, als vielmehr dem Einflusse, den das durch Gottes Weisheit und Güte regierte Glück, das ist, der göttliche Segen, in seine Arbeit hat. Durch guten göttlichen Glücks-Segen auch nur allein, kan ein Mensch reich werden: Niemahls aber durch Arbeit allein, ohne Glück und Segen. Und wenn wir also auch bey unserer Arbeit reich werden, so werden wir durch den göttlichen Glücks-Segen reich, welchen so dann unsere Arbeit nur veranlasset.  
  Es ist dahero ein gefährlicher Irrthum, einen Effect, den man hauptsächlich dem Glück und göttlichen Segen zuzuschreiben hat, seiner Klugheit und Bemühung allein zuzuschreiben. Einigen zeiget das Glück Gelegenheit, zu einem Vermögen zu gelangen, ohne daß sie es verdienen dürffen, zum Exempel denen, die reiche Eltern, oder Anverwandten haben, deren Erben sie werden; Oder die von reichen guten Freunden beschencket, oder zu Erben eingesetzet werden; Oder denen eine besondere Verbindung ihrer Glücks-Umstände Mittel und Wege zeiget, reiche Heyrathen zu thun. Einige hingegen müssen ihr Vermögen verdienen, sie werden aber in ihrer Nahrung durch das Glück unterstützet, daß sie es darinnen sonderlich hoch bringen.  
  Die letztern haben sich zu hüten, daß sie das Glück, so auf ihrer Seiten ist, z.E. die gute Kundschafft in der Nahrung, nicht durch Nachläßigkeit, Sicherheit, Übermuth, Trotz, auf ihre Geschicklichkeit, verschertzen. Die erstern aber haben, aus dem Grunde der Klugheit das Glück zu erkennen, und sich in dasselbe zu schicken, wohl zu erwegen, daß, gleichwie solche Glücks-Umstände ohne ihr Verschulden sich ereignen, also sie auch ebenso leicht, ohne ihr Verschulden, ihnen wieder vor den Augen gleichsam verschwinden können: Ja daß, zwar nicht die Erlangung solcher Glücks-Umstände, wohl aber, gleichwie der vernünfftige Gebrauch, also auch die Verschertzung derselben, ja die Gereichung derselben zu ihrem Verderben, in ihrer Gewalt sey.  
  Aus der ersten Betrachtung, wie bald nemlich gutes Glück verschwinden könne, folget, daß diejenigen, denen das Glück auf gedachte Art günstig ist, sich darauf nicht eben allzu trotziglich zu verlassen, sondern wohl zu erwegen haben, daß das Glück nur die eine, und wenn es allein ist, unzulängliche Grund-Ursache unsers Wohlergehens sey, daß also dem ohngeachtet Vernunfft und Klugheit erfordere, etwas rechtes zu lernen, ingleichen sich Freunde zu machen;  
  {Sp. 1138}  
  Damit man entweder bey wanckendem Glücke eine Zuflucht haben, oder das fort daurende Glück nicht müßig misbrauchen, sondern sich dadurch nach Würden in der Welt heben möge: In Erwegung, daß der Müßiggang allein, wenn auch gleich kein anderes Unglück darzu kommt, leicht das gröste Vermögen in sehr wenigen Jahren zu ruiniren, und dessen gewesenen Besitzer weit unglücklicher, als alle, die von Anfang an arm gewesen, zu machen fähig ist.  
  Durch die andere Betrachtung aber, daß man sich nemlich bey dergleichen Glücke wohl hüten müsse, es nicht närrisch zu verschertzen, wird theils eben dieses bekräfftiget, theils folget auch daraus, daß es z.E. unbesonnen sey, sparsame und wohlhabende Eltern durch liederliche Aufführung und Ungehorsam in ihrer guten Meynung, stutzig zu machen, oder vermögende Verwandten und Freunde durch widerwärtige Aufführung vor den Kopff zu stossen, als wodurch mancher sich um sein Glück gebracht, oder doch darinnen sich viel geschadet.  
Heirat Was das Glück einer wo nicht reichen, doch vortheilhafften Heyrath betrifft, so erfordert allerdings der Zweck der Ehe, und in Absicht auf denselben, Vernunfft und Klugheit, daß Personen von nicht sonderlichem Vermögen in dem Heyrathen auch auf das Vermögen dencken, als welches doch unstreitig erfordert wird, wenn die Eheleute wohl mit einander leben sollen. Das Vermögen aber einer Person, die dißfalls in Vorschlag kommen kan, ist entweder ein schon erworbenes, oder es kan doch eine Person, ob sie gleich kein Vermögen besitzet, von besonderer Fähigkeit seyn, ein zum wenigsten genügliches Vermögen erwerben, oder durch Sparsamkeit und Haushältigkeit erhalten zu helffen; Und offtmahls werden das die gesegnetesten Ehen, wenn Liebe, Verstand und Glück einen fleißigen unglücklichen Erwerber, und eine gute Wirthin, zusammen führet, ob sie gleich offt nicht hundert Thaler an würcklichem Vermögen zu einander bringen.  
  Cicero erzählet, Offic. Lib. II. daß Themistocles, als er gefraget worden, ob er seine Tochter lieber einem armen redlichen, oder einem reichen nicht zu redlichen Manne geben wolte, geantwortet habe: Ich will lieber einen Mann, der kein Geld, als Geld, das keinen Mann hat.  
  Die meisten, die, wie billig, in ihren Freyers-Gedancken und Anschlägen auf Vermögen sehen, pflegen nur die erste Art, nemlich das schon erworbene Vermögen, vor Augen zu haben, und wo sich dergleichen findet, ohne ferneres Bedencken ihr Glück zu versuchen. Denn was man als etwas schon gegenwärtiges sehen kan, und nur einstreichen zu dürffen vermeynet, fällt freylich leichter und mehr in die Augen, als was man erst urtheilen soll; Wir meynen die nur jetzt angeführte andere Art, auf das Vermögen in dem Heyrathen seine Absicht zu richten, da nemlich Leute vom Verstande, die auch wohl wenig, oder nichts haben, dennoch mit gar reiffem Rathe in Absicht auf das Vermögen einander heyrathen können.  
  Nichts desto weniger ist in reichen und nicht reichen, ja armen Heyrathen, so gar einerley Unterschied und Regel der Klugheit zu beobachten, daß sich durch weniges Nachsinnen sehr leicht begreiffen lässet, man kön-  
  {Sp. 1139|S. 583}  
  ne sich in reichen Heyrathen so leicht und so sehr vergehen, und habe sich also damit so vernünfftig und behutsamlich in Acht zu nehmen, als mit einer mäßigen, oder gar armen: Und hingegen könne man durch eine nicht gar reiche, oder auch durch eine arme Heyrath, je so schier sein Glück machen, als durch eine reiche.  
  Es ist wahr, wenn man in einer reichen Heyrath zugleich eine vernünfftige und haushaltige Person findet, so ist es in so weit vor ein ungemeines Glück zu achten. Wenn hingegen die Person, und vielleicht ihre gantze Freundschafft, an Geschwistern, Herren Vettern, Frauen Muhmen, Schwägern, nur der Üppigkeit und Pracht ergeben sind, so sehen wir in dergleichen reichen Heyrath, da das reiche Heyraths-Gut leicht zu verprassen ist, ein schlechtes Glück. Denn der andere Ehegatte ist entweder gleiches Sinnes, so werden sie bald mit Freuden arm: Oder nicht, so wird die vornehme Freundschafft dem elenden Bettel-Hunde, der nicht zu leben weiß, es auch von der galanten Frau gar nicht lernen will, die Hölle bey nahe in recht eigentlichem Verstande heiß genug machen.  
  Aber gleichergestalt, wenn auch zwar nicht gar reiche, ja gar bedürftige Personen, einander heyrathen, jedoch nur zum wenigsten von der einen Seite Arbeitsamkeit, Glück und Verdienst, von der andern gute Wirthschafft, gleichsam als ein Heyraths-Gut zusammen bringen; So ist an einer gar glücklichen und gesegneten Ehe ebenso wenig zu zweiffeln: Wohl aber, wenn faules und verschwenderisches, wollüstiges und hoffärtiges Bettel-Volck sich zusammen verbindet.  
  Wir halten demnach dieses vor die allgemeine Haupt-Regel der Klugheit zu heyrathen, in Absicht auf das zeitliche Vermögen: Man bemühe sich, eine gute Wirthin zu bekommen. Zeigen nun die Umstände Mittel und Wege, eine gute Wirthin mit einem schon ersparten guten Vorrathe zu finden, und ihrer theilhafftig zu werden, so ist es desto besser: Wo nicht, so halte man auch die blosse Tugend der Haushältigkeit vor eine nicht allzu geringe Mit-Gabe. Denn ist gleich kein würckliches Vermögen da, so kan doch auch nur diese grosse Haupt-Tugend eines Frauen-Zimmers, wenn sie sich mit dem Fleisse eines geschickten, unermüdeten und glücklichen Arbeiters gleichsam zugleich mit verehliget, einen gar genügsamen Ehe-Segen eines zeitlichen Vermögens erzeugen und hervorbringen.  
  Zum wenigsten ist dieses, nemlich arbeiten und sparen, der von GOtt geordnete ordentliche Haupt-Weg, auf welchem, weil uns GOtt darauf gewiesen, man die Fuß-Stapffen des göttlichen Segens unstreitig finden wird. Schon erworbenes Geld und Gut erheyrathen, ist ein feiner bequemer Neben-Weg, auf welchem man aber von jenem nur etwas mühsamern Haupt-Wege sich gleichwohl nicht allzu weit entfernen muß, wenn man sich nicht unglücklich verirren, und in Versuchung und Stricke fallen will.  
  Im übrigen sind, bey der Klugheit zu heyrathen, jungen Leuten die Regeln, sein Glück zu erwarten, und sich in die Zeit zu schicken, aber auch denenjenigen, die nun zu ihrer Reiffe gediehen, die Regel, nicht aus dem Warten ein Zaudern zu machen, um nicht, vor allzu grosser Klugheit zu  
  {Sp. 1140}  
  warten, unter die Hagestoltzen, und in das alte Register zu gerathen, fleißig einzuschärffen.  
Mittel der Erlangung zeitlicher Güter Die Mittel der Erlangung zeitlicher Güter, die in unserer Gewalt, und also insoweit völlig unserer Klugheit überlassen sind, heissen die Mittel zu erwerben, das ist, durch unverdrossene wohl angewendete Arbeit und Klugheit, an zeitlichen Gütern so vieles in unser Eigenthum zu bringen, daß wir davon nicht allein leben, sondern auch, so viel möglich, zu einem beständigen Vermögen nach und nach etwas zurück legen können. Da nun solcher Mittel, bey so vielerley Ständen und Gewerben der Menschen, bey nahe unzählig sind, so, daß ein gesunder Mensch, der sich in der Welt nicht zum wenigsten nothdürfftig nehren kan, ordentlicher Weise am meisten selber daran Schuld seyn muß: So soll ein kluger und ehrliebender Mensch, von was vor Stande er auch sey, ein Gelehrter, oder Ungelehrter, ein Geistlicher, oder ein Weltlicher, sich zuförderst schämen, zu betteln, ingleichen auf eine unehrliche und unerlaubte, oder, ohne dringende Noth, auf eine unanständige Handthierung sich zu liegen, oder auch nur dann und wann bey Gelegenheit den aus dergleichen Handlungen zu zielenden schändlichen Gewinnst sich belieben zu lassen.  
  Die unehrlichen, und in göttlichen und weltlichen Rechten verbotenen Handthierungen, sind nicht allein den Regeln der Gerechtigkeit zuwider, sondern auch, wenn wir gleich die Regeln der Gerechtigkeit nicht in Betrachtung ziehen, den Regeln der Klugheit; Wenn wir nemlich auch nur den Schaden erwegen, den man dadurch an seiner Ehre, und an tausend von derselben abhangenden grossen Vortheilen leidet, da man doch bey der so unzählbaren Menge ehrlicher und anständiger Gewerbe, keine Ursache hat, (als seine eigene Niederträchtigkeit) zu unehrlichen und unanständigen seine Zuflucht zu nehmen.  
unehrliche Zu den unehrlichen, und in göttlichen und menschlichen Rechten nicht erlaubten Handthierungen, gehören nicht allein alle grobe Diebereyen, sondern auch alle verbotene Arten, Geld an sich zu bringen, als da sind:  
 
  • Der ungerechte Wucher;
  • Geschencke und Gaben, durch welche Richter und Patronen, die etwan Ämter zu vergeben haben, sich bestechen lassen;
  • Die Rabulisterey;
  • Allerhand verdächtige Accidentien in öffentlichen Ämtern, oder anvertrauten Geld-Einnahmen;
  • Das grobe und subtile Kuppeln;
  • Die Künste listiger Frauens-Personen, die Buhler in ihre Netze zu ziehen, und sie um das ihrige zu berücken, wenn sie ihnen auch keine allzugroben Ausschweiffungen erlauben;
  • Das Spielen, wenn man es zu seinem ordentlichen Nahrungs-Gewerbe machet;
  • und so weiter.
 
unanständige Unanständige Erwerbungs-Mittel sind diejenigen, die zwar an sich selbst nicht unzuläßlich, aber in Ansehung dessen, der sich ihrer, in der Meynung, daß der Geruch des Gewinnstes aus einer jedweden Sache sey, (Lucri bonus odor ex re qualibet) bedienet, der Wohlanständigkeit zuwider sind. Z.E. Wenn ein Geistlicher wolte Bier schencken, eine Obrigkeitliche Person den Nachtwächter-Dienst mit vertreten, und so weiter.  
zulässige In Ansehung der zuläßlichen und anständigen Erwerbungs-Mittel, erfordern die Regeln  
  {Sp. 1141|S. 584}  
  der Klugheit zuförderst eine zuverläßige Wahrhafftigkeit derselben. Diese aber kan entweder Gewisheit, oder ein gnugsamer Grad der Wahrscheinlichkeit seyn. Denn was die letzte betrifft, so ist die bekannte Regel zu mercken: Wer nichts waget, (z.E. in dem Kauff-Handel) der gewinnet nichts. Aus diesem Grunde ist ein Geld- Geitziger in vielen Fällen unfähig, viel zu gewinnen: Dieweil er in Ansehung der wahrscheinlichen Erwerbungs-Mittel allzu furchtsam ist, und ehe er einen Thaler wagen und anlegen soll, vorher gesichert seyn will, daß er ihn unmöglich einbüßen könne.  
  In welchen Mitteln aber weder Gewisheit, noch ein gnugsamer Grad der Wahrscheinlichkeit ist, deren sich mit ziemlichem Aufwande zu bedienen, ist keine Klugheit vor einem Menschen, der erst etwas erwerben soll; Dahin gehören die Alchymisterey, die Berg-Wercke, die Lotterien. Ein anders ist von Leuten zu sagen, die schon ziemliches Vermögen haben, und auf solche Dinge zu ihrer Lust, aus Curiosität, oder aus Freygebigkeit, soviel wenden, als den Regeln einer vernünfftigen und nicht verschwenderischem Lust, Curiosität, oder Freygebigkeit, gemäß ist.  
  Die zuverläßlichen Erwerbungs-Mittel bestehen entweder in Diensten, die man der menschlichen Gesellschafft erweiset, die nemlich in blossen Thaten beruhen; Oder in Gütern, die in dem Eigenthume sind. Die Dienste, dadurch etwas zu erwerben ist, sind entweder edle, die in einem durch die weltlichen Gesetzen erhabenen Ehren-Stande geleistet werden, z.E. die Dienste der Obrigkeitlichen Personen, der Gelehrten; Oder gemeine Dienste, die in den niedrigen und unterworffenen Ständen gethan werden, z.E. die Dienste des Gesindes, der Tagelöhner.  
Güter Die in dem Eigenthume befindlichen Güter sind entweder Geld, als der Nervus rerum gerendarum selbst, in sofern nemlich Geld mit Gelde zu verdienen ist: Oder Geldes werth, nemlich alle andere so wohl unbewegliche, als bewegliche Güter, durch welche man Geld verdienen, und welche man vor Geld erlangen kan: Die unbeweglichen, wenn sie gehörig angebauet, und haußwirthlich genutzet werden; Die beweglichen aber, wenn sie durch mancherley Künste ausgearbeitet, und zum menschlichem Gebrauch auf tausenderley Art zubereitet, und andern entweder vor Geld eigenthümlich überlassen werden, oder nur der Gebrauch derselben ihnen vor Geld gegönnet wird.  
Dienste Unter den Diensten, dadurch etwas zu erwerben ist, erfordern die meisten besondere Wissenschafften, Geschicklichkeiten und Künste, die man erlernet, und es darinnen so viel möglich hoch gebracht haben muß. Diese Wissenschafften und Künste demnach haben zwar in die Öconomie, als wichtige Erwerbungs-Mittel, einen starcken Einfluß: Sie gehören aber selbst nicht in die Öconomie, als aus deren Gründen ihre Regeln nicht fliessen; Sie sind also, so zu reden, fremde Mittel der Haushaltungs-Kunst.  
  Eben dieses ist auch von den Künsten zu sagen, dadurch die in dem menschlichen Eigenthum befindlichen Sachen ausgearbeitet werden.  
Geld mit Geld verdienen Hingegen Geld mit Gelde zu verdienen, ist ein der Haushaltungs-Klugheit eigenes Mittel. Es kan solches auf zweyerley Art geschehen,  
  {Sp. 1142}  
  entweder durch vorsichtiges Ausleyhen auf gewöhnliche Zinsen, oder durch die Handlung, entweder unmittelbar mit dem Gelde selbst, oder mit Waaren, die man einkauffet, um sie mit Vortheil wieder zu verkauffen; Dahero die Handlungs-Kunst oder Wissenschafft allerdings eine besondere öconomische Wissenschafft ist.  
  Eben dieses ist auch, in Ansehung der unbeweglichen Güter, von der mit besagten Gütern beschäftigten Stadt- und Land- Wirthschafft, zum wenigsten in Ansehung des grössesten Theils ihrer Verrichtungen, zu urtheilen. Zum wenigsten hat der Gebrauch eingeführet, das besagte Wirthschafft als einer der wichtigsten Special-Theile der Öconomie betrachtet wird; Ob gleich vieles davon, wie in andern Künsten, damit man sich nähret, der Öconomie nicht eigen ist. Also kan man sagen, daß die Öconomie, was die Erwerbungs-Mittel betrifft, theils ihrer eigenen Mitteln sich bediene, die aus ihren eigenen Gründen, nemlich aus der Natur des Eigenthums, fliessen: Theils fremder Mittel, nemlich auch aller andern Künste und Wissenschafften, als die wir mit höchstem Rechte auch mit zu dem Zwecke unserer Erhaltung, und also in der Absicht, etwas damit zu erwerben, treiben.  
  Daß die besondern Öconomischen Wissenschafften, als nemlich die Kaufmanns- oder Handlungs-Wissenschafft, die Stadt- oder Land-Wirthschafft, Disciplinen der Gelehrsamkeit seyn sollen, welche also auf Universitäten mit so gar sonderbahrem Nutzen systematisch abzuhandeln wären, haben wir bis auf diese Stunde uns nicht überzeugen können. Gelehrte Wissenschafften, oder Disciplinen, haben nicht mit sinnlichen und unmittelbaren, sondern mit abstracten und sehr mittelbaren Wahrheiten zu thun, selbige aus den sinnlichen, als aus ihren Gründen, scharffsinnig zu erfinden und zu erweisen; Und zu diesem Zwecke dienet die systematische Abhandlung.  
  Die besondern oder specialen Öconomischen Wissenschafften aber, so gut, als die Handwercks-Künste, haben mit unmittelbar sinnlichen Erfahrungen zu thun, und mit Regeln und Handgriffen, die so fort unmittelbar in solchen Erfahrungen ihren Grund haben, ohne daß sie, wie die gelehrten Wissenschafften, durch tieffes Nachdencken sich in eine an einander hangende Reyhe sehr mittelbarer abstracter Wahrheiten von solchen Erfahrungen und Handgriffen einzulassen, von nöthen haben solten: Immassen auch die Erfahrung bezeuget, daß alle Lehrlinge besagter Künste, ihre gantzen Lehr-Jahre über, nichts anders thun, als fleißig zusehen, Achtung geben, und nach und nach mit Hand anlegen, auch dadurch in ihrer Art vollkommen geschickte Leute werden. Worzu soll also hier eine systematische Abhandlung dienen, da der Zweck einer gelehrten systematischen Abhandlung in dergleichen Dingen nicht statt hat? So, daß es fast lächerlich seyn würde, z.E. die Kunst zu ackern, zu säen, zu erndten, zu dreschen, zu fischen, Vogel zu stellen, zu backen, zu waschen, und so weiter, in ein gelehrtes, auf tief heraus geholete mechanische, physicalische, und moralische Gründe gebautes Systema zu bringen.  
  Wir leugnen nicht, daß viele gar merckwürdige und sehr nützliche Nachrichten, von allerhand derglei-  
  {Sp. 1143|S. 585}  
  chen Dingen, von guten erfahrnen Hauswirthen aufgezeichnet, und in Büchern mitgetheilet werden können , wie wir z.E. gar feine Koch-Bücher, gar feine Sachen von dem Land- Wesen, (de re rustica) und so weiter, haben; Wir leugnen auch nicht, daß aus dem gelehrten, sonderlich physicalischen und mechanischen Wissenschafften, denen Hauswirthen, Künstlern und Handwerckern, theils zu Erleuchterung ihrer Arbeit, theils zu Verbesserung derselben, viele gute Nachrichten mitgetheilet werden können. Deswegen muß man aber nicht aus allen Dingen Lehrbegriffe der Wissenschafften machen, und sie in die Hör-Säle der Gelehrten weisen wollen; Sondern es wird wohl darbey verbleiben, was Cicero Offic. Lib. II. gantz an dem Ende hiervon urtheilet: Sed tote hoc de genere, de quaerenda, de collocanda pecunia, etiam de utenda, commodius a quisbusdam optimis viris ad medium Janum sedentibus, quam ab ullis Philosophis ulla in schola disputatur.  
     

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Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries