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Zedler: Zeichen [3] HIS-Data
5028-61-545-6-03
Titel: Zeichen [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 61 Sp. 556
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 61 S. 291
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  Text  
  VI. Exegetische Abhandlung.  
  Es kommen in der H. Schrifft viele Stellen vor, in welchen das Wort: Zeichen, gebrauchet wird. Wir wollen die vornehmsten davon hersetzen, und dieselben so viel nöthig seyn wird, erklären.  
 
1) Die Beschneidung der Vorhaut soll seyn ein Zeichen des Bundes,
1 B. Mos. XVII, 11.
 
  Gleich vorher hatte GOtt die Beschneidung seinen Bund genennet, v. 10. Nun aber nennet er die Beschneidung der Vorhaut ein Zeichen des Bundes zwischen ihm und Abrahams Nachkommen. Es ist hier zu mercken, daß er die Beschneidung selbst nicht ein Zeichen heisset, sondern den Bund selbst, in dem die Beschneidung im Alten Testamente wahrhafftig ein Mittel der Wiedergeburt war, wie Neuen Testamente die heilige Tauffe das Mittel unserer Wiedergeburt ist, durch welches wir gerecht und Erben seyn des ewigen Lebens. Tit. II. 5: Aber, indem er die Erklärung hinzu thut, daß die Vorhaut am Fleische hatte sollen beschnitten werden, nehmlich deswegen, weil es solte ein Zeichen seyn, daß Christus nicht von Unbeschnittenen, sondern von Beschnittenen Eltern solte herkommen. Gleichwie hinwiederum, wenn von der Beschneidung Christi gefragt wird, warum er sich habe beschneiden lassen, geantwortet wird: es sey darum geschehen, daß er hierdurch lehrete; er sey aus dem Saamen Abrahams gebohren worden. Denn er solte und wolte ein Diener der Beschneidung werden, Röm. XV, 8. Und also hat Moses hiermit von der Beschneidung des Herrn Meßias geweissaget.
 
 
2) Und das Blut soll euer Zeichen seyn an den Häusern darinne ihr seyd etc.
2 B. Mos. XII, 13.
 
  Es solte nicht Menschen- Kälber- oder Ochsen-Blut seyn, noch von dem Blute Isaacs, wie es einige Jüdische Lehrer verstehen wollen, noch das Blut der Beschneidung, sondern des geschlachteten Osterlammes Blut solte es seyn. Dieses Blut, sagt der Herr, soll euer Zeichen seyn an den Häusern, das ist, die beyden Pfosten samt der Oberschwelle sollen damit bestrichen werden, damit wenn ich das Blut sehe, ich für euch übergehe, oder eure Häuser überhüpfe, wie es R. Salomo gegeben, und euch nicht die Plage wiederfahre, die euch verderbe, oder, wie es eigentlich nach dem Hebräischen heisset: et non erit in vobis plaga percussoris. Er will sagen: So wird euch der Würg-Engel nicht können Schaden thun; er wird keine Macht haben euch zu schaden. Denn ich werde es hindern, und ihm nicht gestatten, sintemahl GOtt neben dem Würg-Engel durch Egypten Land zog, als daß er keinem Thiere noch Menschen Schaden zufügen konnte, wo es ihm
 
  {Sp. 557|S. 292}  
 
  GOtt nicht zuließ; und darum wird hinzu gesetzt: wenn ich Egypten schlage.
 
 
3) Zeichen und Wunder wird geben ein Prophet oder Träumer, der unter euch aufstehen wird.
5. B. Mos. XIII, 1.
 
  Die Ausleger sind nicht einig, was durch Zeichen und Wunder verstanden werde. Einige halten sie für gleichgeltende Wörter, und meinen eins bedeute soviel als das andere, wie der Verfasser des Buches Siphra. Allein dieses kan nicht wohl seyn. Denn vors erste braucht Moses hier zwey besondere Worte: hernach unterscheidet er sie auch mit dem oder; und endlich sind sie an sich selbst unterschieden, und eines bedeutet mehr als das andere. Denn ein jedes Wunder ist wohl ein Zeichen aber ein jedes Zeichen ist nicht gleich ein Wunder. Daher machen andere diesen Unterschied, und sagen: ein Zeichen geschehe am Himmel, ein Wunder aber auf Erden. Und dahin rechnen sie was dort stehet, daß etliche mit dem Wunder auf Erden, so Christus an dem Besessenen erwiesen, nicht wären zu frieden gewesen, sondern auch über dieses ein Zeichen begehret hätten von ihm vom Himmel
Lucä XI. 16.
 
  Lyranus machet noch einen andern Unterschied und spricht: ein Zeichen ist, das in der Nähe, ein Wunder aber, so von weitem her geschiehet. Abulensis will, ein Zeichen sey, daß bald geschehe und unmittelbar erfolge; bedeute aber nichts wunderbahres: ein Wunder hingegen sey, das lange hernach erst geschehe, und bedeute allemahl, was sehr wunderbahres. Allein am besten ists, wenn man mit Gerharden sagt: ein Zeichen sey ein Merckmahl eines gewiß erfolgenden Dinges, und ein Zeichen geben so viel, als vorher sagen, daß etwas gewiß erfolgen werde; so aber nicht über die Natur, und nicht ausser der Natur, noch derselben ungewöhnlich ist; sondern etwa zur Gewißheit göttlicher Verheißung oder Drohung gegeben wird. So gab Samuel dem Saul unterschiedliche solche Zeichen, als einen Beweis seiner Verheißung, und das er gewiß König werden würde in Israel, 1 Samuel X, 2. ein Wunder hingegen geschehe ausser der Natur, und ein Wunder thun heisse so viel, als etwas verrichten, so über die Natur ist. Z.E. Da Mosis Stab zur Schlangen wurde, und was dergleichen Wunder in Egypten mehr waren.
2 B. Mos. VII u.ff.
 
  Solche Wunder konnten nun zugleich auch Zeichen seyn: Also da dort zu Hiskiä Zeiten der Schatten am Zeiger Ahas zehn Stuffen zurück gieng, das war so wohl ein Zeichen, wie es genennet wird 2. B. König. XX. 9, Jes. XXXVIII, 7; als auch ein Wunder, wie es heißt 2 Chronic. XXXII, 24. und durch solche Zeichen und Wunder würden falsche Propheten Israel zur Abgötterey zu verführen suchen.
 
 
  Fragt man aber: Wie es möglich sey, daß solche falsche Propheten Zeichen und Wunder geben können; so antworten einige der Jüden, es würden nur solche Zeichen allhier verstanden, die etwas repräsentiren, oder bedeuten und vorbilden sollen, wie also Jeremias ein Joch an seinem Halse getragen, zum Zeichen daß Israel gefangen weggeführt werden solle.
Jerem. XXVII, 2.
 
  Und eben solche
 
  {Sp. 558}  
 
  Zeichen hätten nun auch die falschen Propheten gebraucht; so hätte sich Zedekias, der falsche Prophet, eiserne Hörner gemacht und dadurch den Ahab fälschlich versichert, daß er hiermit die Syrer stossen würde,
1 B. Kön. XXII, 11.
 
  Allein weil hier nicht bloß von Zeichen, sondern auch von Wundern geredet wird, und daß die falschen Propheten beyde zur Verführung Israels geben würden: so kan diese Meynung nicht wohl statt finden. Daher sagen andere der Jüden, es würden solche Zeichen und Wunder allhier gemeynet, die durch Beschwörung und Zauberey geschehen, dergleichen die Zauberer in Egypten gethan hätten, u.s.w. welchem wir eben nicht widersprechen wollen. Denn ob es wohl an dem ist, daß der Teuffel und seine Werckzeuge keine wahrhaftigen und also genannten Wunder thun können, weil solches GOtt allein zukommt, Ps. CXXXVI, 4: so kan er doch, weil er die Natur verstehet, vielerley Wunder-Dinge ins Werck richten, die wir Menschen für Wunder halten, weil wir ihre Ursachen nicht wissen, und nicht sehen, wie es zugehet. So ist auch der Teuffel ein listiger Geist, und kan den Menschen gar leicht ein Blendwerck vormachen, daß sie meynen, dieses oder jenes zu sehen, welches sie doch nicht sehen. Und so können auch seine Werckzeuge, falsche Propheten, solche wunderliche Dinge den Menschen vormachen, welche sie mit Augen und äusserlichen Sinnen von göttlichen Wunderwercken nicht leicht zu unterscheiden wissen.
 
 
  Und von dergleichen redet auch Christus Matth. XXIV, 24, und Paulus nennet sie Zeichen und Wunder der Lügen, oder wie es Luther gegeben, lügenhafte Kräffte, Zeichen und Wunder, 2 Theß. II, 9. nicht allein weil sie offt durch Betrug, Beschwehrung, und Zauberey geschehen, nur dem Scheine nach; sondern auch deswegen, weil, ob es gleich wahrhaftige Wunderwercke sind, ihr Zweck und Ende doch die Lügen zu bestätigen sey. Solche Zeichen sind entweder an sich selbst falsch und erdichtet, und viel mehr Wunder als Wunderwercke; oder wenn sie gleich wahrhaftig sind, so sind sie doch in Ansehung ihrer Zeichen Lügen, und in Ansehung der Kirchen, Versuchungen und Proben GOttes.
 
 
4) Du hast aber doch ein Zeichen gegeben denen, die dich fürchten, Ps. LX, 6. das ist: Du hast eine herrliche Sieges-Fahne aufgerichtet.
 
 
  Der Verstand von diesen Worten ist folgender: Wir sehen jetzt augenscheinlich, daß du zu deinem Volcke dich wieder in Gnaden wendest, indem du ihm einen herrlichen Sieg über den andern verleihest wider die Feinde, darüber wir in Zuversicht auf deine Güte und Treue desto behertzter, frölicher und sicherer gemacht werden. Luthers Randglosse: Die Historia bezeuget, daß GOtt von einer Zeit zur andern Hertzoge erweckt habe, durch welche das Volck Israel zur Ruhe gebracht, und von den Feinden erlöset worden.
 
 
5) Zeichen, kömmt im LXXIV Ps. 9. vor.
 
 
  Es bedeutet das Hebräische Wort eigentlich ein solches Zeichen durch welches uns entweder etwas vor Augen gestellet, und zu Gemüthe geführet wird, was längst geschehen, oder was Künfftig für
 
  {Sp. 559|S. 293}  
 
  Gutes und Böses geschehen solle,
Ps. CV, 27.
 
  Hernach wird es auch gebraucht von äuserlichen Policey und Feldzeichen, dergleichen GOtt der Herr seinem Volcke schon in der Wüsten aufzurichten befohlen hatte, 4 B. Mos. II, 2: Da denn die Talmudisten anmercken, ein jeder Stamm habe seyn besonderes Panier und Zeichen gehabt:
 
 
 
  • Der Stamm Ruben das Bild eines Menschen,
  • der Stamm Juda das Bild eines Löwen,
  • Ephraim das Bild eines Ochsen,
  • Dan einen Adler;
  • der Stamm Juda eine grüne Fahne,
  • Ruben eine rote,
  • Ephraim eine Goldgelbe,
  • und der Stamm Dan eine bunte, aus weiß und roth vermengt.
 
 
  Hier verstehet man es theils von dem Policey- und Feldzeichen, theils aber von Lehr- und Kirchenzeichen, so sie zur Zeit der Babylonischen Gefängniß beydes verlohren, ja den Gesalbten des Herrn selbst, Klagl. IV. 20, da die Alten nicht mehr sassen unter dem Thor. V. 14, daß sie solten das Volck richten; ja sie sahen die Feldzeichen nicht mehr, ihre Armeen waren geschlagen, und in die Dienstbarkeit geführet. Da hat es geheissen: Unsere Zeichen sehen wir nicht mehr.
 
 
6) Zeichen thun, wie David zu GOtt sprach: Herr thue ein Zeichen an mir,
Ps. LXXXVI, 17.
 
  Sonst wird das Zeichenfordern, nicht allemahl in GOttes Wort gebilliget, wie unser Heyland zeigt, als die Pharisäer ein Zeichen von ihm sehen wolten,
Matth. XII, 39.
 
  Als er zum Königischen hinab gehen wolte sprach er: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder sehet etc.:
Joh. IV, 48.
 
  Eben wie es auch Paulus den Jüden verwiesen, daß sie gerne Zeichen forderten,
1 Corinth. I 22.
 
  Deswegen auch der Heuchlerische Ahas kein Zeichen fordern wolte,
Jes. VII, 11. 12.
 
  Allein unter solche verwegene Zeichenforderer, die GOtt versuchen, kan man den frommen David nicht zählen. Denn die Zeichen sind mancherley. Es sind Wunderzeichen, Gnadenzeichen, Zornzeichen; es giebt auch gewisse Hülfs- und Liebeszeichen, wobey man Gottes Gnade und Huld verspüren kan, sie mögen nun mit, oder ohne Wunder geschehen seyn; und diese lassen sich von unsern GOtt gar wohl bitten, wenn sie nur in wahrer Busse, Demuth und Glauben gebeten werden. Denn ist die Person gläubig: so ist auch die Bitte heilig und GOtt nicht zuwider.
 
 
7) Zeichen, von welchem GOtt durch den Propheten Ezechiel IX, 4. u.ff. sagt: Zeichne mit einem Zeichen an die Stirne die Leute.
 
 
  Was dieses für ein Zeichen gewesen, davon haben die Kirchen-Väter und andere Ausleger unterschiedener Gedancken. Etliche halten dafür der Buchstabe [ein Buchstabe Hebräisch] welcher in dem Hebräischen Alphabet der letzte ist, sey ihnen an die Stirnen gezeichnet und das Wort [ein Wort Hebräisch] das Gesetz damit bedeutet worden, daß GOtt diejenigen zeichnen und erhalten wolle, die nach seinem Gesetz und Zeugniß im Glauben und Leben einher gehen etc. Andere haben vermeynt: Der Buchstabe [ein Buchstabe Hebräisch] habe das tröstliche Wort bedeutet, welches der Sohn GOttes beym Ezechiel seiner Kirche zuspricht: Du sollst leben etc. XVI. 6.
 
 
  Viele unter den Kirchen-Lehrern geben vor, als hätten die Knechte GOttes das Zeichen des Creutzes an der Stirne
 
  {Sp. 560}  
 
  getragen, zum Zeugniß, das sie Erben des gecreutzigten Heylandes aller Welt seyn; daß also GOtt zu dem Mann in Leinwand gesagt hätte: Zeichne den Buchstaben [ein Buchstabe Hebräisch] an die Stirne der Leute, so da seufzen. Zu der Zeit, sagen sie, brauchten die Juden nicht die heutiges Tages gebräuchlichen Hebräischen Buchstaben, sondern die alten, welches die Samaritischen sind. Bey den Samaritern nun hat das [ein Buchstabe Hebräisch] welches ihr letzter Buchstabe ist, unter andern die Gestalt eines Creutzes, nicht allein eines solchen, daß da bestehet aus einem langen Holtze, darüber ein Zwerch-Holtz gehet, wie ein Lateinisches grosses T, sondern auch eines solchen, welches aus zweyen Höltzern, wie wir sagen, Creutz-weiß über einander liegt . Diese beyde Gestalten, sagen sie, habe der Buchstabe [ein Buchstabe Hebräisch] auf den alten Müntzen der Ebräer, und wird nicht nur allein solches vom Origines, sondern auch vom Hieronymus bezeuget.
 
 
  Wiewohl nun dieses alles feine Gedancken sind: So haben sie doch keinen gewissen und beständigen Grund; zumahl daß man vor Zeiten bey den Juden Samaritische Buchstaben gebraucht, und daß im Samaritanischen A.B.C. das [ein Buchstabe Hebräisch] wie ein Creutz formiret gewesen: Wiewohl im Abyßinischen dieser Buchstabe einem Creutze ähnlich siehet. Am besten trifft man es wohl, wenn man sagt, daß das Hebräische Wort, welches beym Ezechiel stehet, nicht den Buchstaben [ein Buchstabe Hebräisch] bezeichne, sondern mit Luthern für ein Zeichen genommen werden müsse. Denn hier stehet nicht der blosse Buchstabe [ein Buchstabe Hebräisch] sondern das Wort, das von einem solchen Worte herstammet, welches ein Zeichen bedeutet. So haben es auch verstanden die LXX Dollmetscher, die Chaldäische Paraphräsis, nebst dem Syrischen und Arabischen Übersetzer, sonderlich Cyprianus, welcher es also giebt: Du solt ein Zeichen zeichnen auf die Stirne der Männer.
 
 
  Was es aber eigentlich für ein Zeichen seyn solte, wird daselbst nicht ausgedruckt; vermuthlich, daß, wie die Kriegs-Knechte die Nahmen der Kayser, die Hohenpriester den allerheiligsten Nahmen ihres Gottes, 2 B. Mos. XXVIII, 36. an ihren Stirnen getragen: Also sind auch im Gesichte die Knechte GOttes mit diesem Nahmen des Herrn Jehovah gezeichnet worden.
 
 
  Dem sey nun, wie ihm wolle, so hat GOtt der HErr vermuthlich dieses Mahl-Zeichen darum verschweigen wollen, damit man solches nicht zum Aberglauben mißbrauche, wie mit dem Heiligen Creutz Zeichen geschiehet. Schneider in seinem Biblischen Lexico, unter dem Worte: Zeichen, schreibt über obige Stelle also: Von was für Art und Form dieses Zeichen seyn sollen, ist verschiedentlich untersuchet, und geschlossen worden, es deute auf ein Creutz-förmiges Zeichen. Amelius hat in der Erörterung der schwerrsten Schrifftstellen Alt. Test. … alles, was hin und wieder gesagt worden, zusammen gezogen, welches hier zu lesen nicht unangenehm seyn wird.
 
 
  Es sind viele, welche meynen, daß dieses Zeichen der Buchstabe T gewesen, welcher sonderlich bey den alten Hebräern ein Creutz vorgestellet.
Baronius
 
  Zum Grunde
 
  {Sp. 561|S. 294}  
 
  wird gesetzet, daß die Ebräer vor dem der Samariter Buchstaben gebraucht, wie denn Origines solche alten Buchstaben nennet, und in dem Verzeichnisse der Samaritanischen Buchstaben der Buchstabe T bald durch bald durch X abgebildet worden. Man will dieses Vorgeben dadurch beweisen, daß man noch heutiges Tages einige Siclos finde, welche unter andern Samaritanis. Buchstaben auch den Buchstaben T Creutzweise vorstellen: es wäre auch ein Verzeichniß der Buchstaben bekannt, darinne man dergleichen T Creutzweise geschrieben sähe. Daß man aber insgemein heutiges Tages dergleichen Buchstaben bey den Samaritanern vergeblich suchte, wäre ohne Zweiffel daher gekommen, weil die Samariter als ein listiges verschlagenes Volck, nach dem Tode unseres Heylandes den Buchstaben T in so fern derselbe Creutzweise geschrieben wird, gar selten gebraucht, damit die Christen keinen Beweiß-Grund von dem Creutze Christi aus dem Ezechiel hernehmen könnten. Allein
 
 
 
1) ist es sehr ungewiß, ob die alten Juden die Samaritanischen Buchstaben vor diesem gebrauchet. Denn obgleich Waltonus dieses zu behaupten gesucht, und zum Schein des Origines und Hieronymus Zeugniß brauchet: so sind doch andere gelehrte Männer, welche diesen Satz mit vielen Gründen umstossen.
Peter Zorn T. I, Bibliothecae Antiquario-Exegeticae …
 
 
2) Was die Samaritanischen Siclos betrifft, so ist dieses ebenfalls sehr ungewiß, oder so beschaffen, daß man es billig gantz und gar verwerffen kan. Denn weil man auf solchen Müntzen oder Siclis diese Worte findet: Das heilige Jerusalem; so ist wohl nicht zu glauben, daß die Samariter als Feinde Jerusalems und des Tempels einer bey ihnen sehr verhassten Stadt ein solches Lob beygelegt haben. Wie? wenn man sagte, daß die Jüden vor dem Gefängnisse solche Müntze geschlagen, oder daß man deren Alterthum, als wenn sie gar erdichtet wären, in Zweiffel zu ziehen gedächte.
 
 
  Indessen wollen wir die Mittelstraße ergreiffen. Wir gestehen, daß vor dem bey den Samaritern der Buchstabe T Creutzweise geschrieben gewesen. Denn dieses bejahet Hieronymus, und es ist gar keine Folge, daß, weil gedachter Buchstabe in dem heutigen Samaritanischen Alphabet gantz anders gefunden wird, deswegen Hieronymi Zeugniß müsse verworffen werden. Vielmehr ist wahrscheinlich, daß die Samariter, damit sie desto geschwinder schreiben könnten, die alte Form des Buchstabens in etwas, wie derselbe anjetzo aussiehet, geändert.
 
 
  Doch dem sey wie ihm wolle: so wird hier gar nicht auf diesen Buchstaben angespielet. Das Hebräische Wort [ein Wort Hebräisch] heisset ein Zeichen, womit etwas versiegelt wird. Es stammet auch von einem Hebräischen Worte [ein Wort Hebräisch] her, welches versiegeln heisset, vornehmlich, da die ältesten Ausleger hier keinen Buchstaben, sondern ein Siegel verstehen.
 
 
  Hierzu dienet auch die Verknüpffung dieser Worte mit dem vorhergehenden. GOtt hatte vorher weitläufftig allen Greuel, der in Jerusalem war, erzehlet; Hierauf thut er folgende schreckliche Droh-
 
  {Sp. 562}  
 
  Worte hinzu: Darum will ich auch wider sie mit Grimm handeln, und mein Auge solte ihrer nicht verschonen, und will nicht gnädig seyn. Und wenn sie gleich mit lauter Stimme vor meinen Ohren schreyen, will ich sie doch nicht hören. Gleich hierauf wurde mit lauter Stimme vor des Propheten Ohren geruffen: Lasset herzu kommen die Heimsuchung der Stadt und ein jeglicher habe ein mörderlich Waffen in seiner Hand.
 
 
  Bey solcher allgemeinen verderblichen Land-Strafe konnte es gar leicht geschehen, daß die Frommen mit denen Gottlosen aufgerieben und ausgerottet würden. Ob hiermit auf die Kinder Israel gesehen werde, welche die Pfosten ihrer Thüren mit dem Blute des geschlachteten Oster-Lämmleins bezeichnen musten, damit der Würg-Engel vorüber gienge, solches lässet man dahin gestellet seyn. Dieses aber ist gantz gewiß, daß das Zeichen an der Stirne ein Merckmahl gegeben, damit man wissen konnte, wer ihr Herr sey.
 
 
  Bey den Römern war dieses zwar auch gebräuchlich, allein es hatte eine gantz andere Bewandniß, indem es den Knechten zu einer schweren Leibes-Straffe, keinesweges aber zur Erkenntniß des Nahmens ihrer Herren dienete. Ausser dem ist doch auch gewiß, daß man an der Stirne, Prachts und Ehren halber güldene oder silberne Bleche mit darauf geschriebenen Nahmen oder Buchstaben getragen. War nicht das Stirnen-Band des Hohenpriesters etwas dergleichen? Im gegenwärtigen Orte werden die Frommen vor der Stirne gezeichnet, weil sie Knechte GOttes sind, und durch das Siegel des lebendigen GOttes von den Gottlosen und Heuchlern sollen unterschieden werden.
 
 
  Dieses Zeichen kan ferner auf eine zwiefache Art und Weise betrachtet werden; entweder wie solches alle Auserwählten insgemein haben, oder wie solches nach den Umständen der Sachen und Zeiten an den Auserwählten sonderlich muß beobachtet werden. Überhaupt und insgemein begreiffet dieses Zeichen in sich die Gaben des Heiligen Geistes, den Glauben, die Weisheit, die Hoffnung, die Liebe, die Evangelische Heiligkeit, den Frieden, und die Freude in dem Heiligen Geist, dadurch die Gläubigen bis zur Zeit ihrer Erlösung behalten und versiegelt werden.
 
 
  Gewiß durch dieses Zeichen werden
 
 
 
1) die Frommen von denjenigen unterschieden, die Christi Eigenthum nicht sind, sondern vielmehr mit dem Teuffel und der Welt in einer Gemeinschafft leben.
 
 
 
2) Können die Frommen von dem höchsten Gute des zukünfftigen Lebens, und von der himmlischen Seeligkeit durch diese Gaben ein rechtes Pfand und völlige Versicherung haben.
 
 
 
3) Werden sie durch diese Wohltaten GOttes gestärcket, befestiget, und in aller Gewißheit erhalten, damit sie GOtt in allen Fällen und Gelegenheiten dienen, die er an die Hand giebt. Denn, wie wir dasjenige, welches wir von dem gemeinen Gebrauch absondern, und bewahren wollen, versiegeln: also zeichnet der Herr seine Knechte, die er erhalten will zu dem Dienste, zu welchem er sie erwählet und ausersehen.
 
 
  Jedoch ist unsere Meynung nicht, daß hier ein solches allgemeines Zei-
 
  {Sp. 563|S. 295}  
 
  chen aller Gläubigen müste verstanden werden; sondern daß hier die Rede von dem Zeichen sey, welches den sonderbaren Umständen nach, muß in Augenschein genommen werden. Es wird nachdrücklich gesagt, daß sie vor der Stirne gezeichnet worden, zur Anzeige, daß gedachtes Zeichen allen solte in die Augen leuchten, und also gantz offenbar seyn: Dahingegen oben gedachte Gaben des Geistes inwendig in den Hertzen meistentheils verborgen, und vor der Welt unbekannt bleiben. Mit einem Worte dieses Zeichen vor der Stirne ist ein öffentliches Bekenntniß der wahren und reinen Glaubens-Lehre, welche von denjenigen öffentlich durch ein Bekenntniß wird dargethan werden, welche die wahre Kirche vorstellen. Hierzu werden sie wider alle Anfechtung der Welt gestärcket, und durch die Versiegelung des Heiligen Geistes bewahret.
 
 
8) Zeichen dieser Zeit, Matth. XVI, 1-3, sind gewisse Begebnisse, welche nach den Weissagungen der Propheten auf gewisse Zeiten geschehen, und sich zutragen musten, aus welchen geschehenen oder sich zu getragenen Dingen die gewissen Zeiten könnten erkannt werden, und darneben zu schliessen war, daß dasjenige, was auf gewisse Zeiten verheissen worden, muste erfüllet werden, oder schon erfüllet war.
 
 
9) Zeichen des Menschen Sohnes am jüngsten Tage,
Matth. XXIV, 30.
 
  Was hierunter verstanden werde, ist unter den Gelehrten nicht völlig ausgemacht. Die meisten sagen es sey das Zeichen des Creutzes, an welchem Christus das Werck der Erlösung verrichtet, und dieses würde an dem Himmel erscheinen, wenn Sonne und Mond verfinstert seyn würden, so wohl zum Troste der Gläubigen, als zur Verdammniß der Ungläubigen. Andere sagen das Zeichen werde seyn die Narben der Wunden in der Seite, Händen und Füssen des verklärten Leibes Jesu Christi, weil in der Heiligen Schrifft stünde: Sie werden sehen, in welchen sie gestochen haben,
  • Zachar. XII, 10.
  • Offenbahr. I, 7.
 
  Man kan nicht wohl anders sagen, als daß die obigen Worte unsers Jesu, dem Sinn und der Meynung nach, eines sind mit seinen vor dem Hohenpriester ausgesprochenen Reden: ich sage euch: von nun an wirds geschehen, daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Krafft und kommen in den Wolcken des Himmels,
Matth. XXVI, 64.
 
10) Zeichen an Sonne, Mond und Sterne,
Lucä XXI, 25.
 
  Etliche legen dieses verblümt aus: Die Sonne sey die Religion, der Mond die Policey und das Regiment, die Sterne aber beyder ihre Vorsteher, als da sind im geistlichen Stande Lehrer und Prediger; im weltlichen Könige, Fürsten, und Regenten: so daß des Herrn Meynung sey, es würde vor dem jüngsten Tage die Religion und der wahre Gottesdienst verdunckelt, das Regiment auf Erden zerstöret, und so wohl hohe Potentaten als auch Lehrer und Prediger gewaltige Fälle thun.
 
 
  Andere aber meynen, daß hierunter eine pathetische Beschreibung des schrecklichen bevorstehenden Ge-
 
  {Sp. 564}  
 
  richts des grossen Jammers, der sich vorher bey den Menschen würde spüren lassen, enthalten sey. Denn, wie denen, so in grossem Elende sind, der Himmel dünckt auf den Schultern zu liegen, die Erde unter ihnen erbeben, und der helle Tag finster seyn, wie es also den Israeliten zu seyn dünckte, da sie von Salmanasser überfallen, und weggeführet wurden, nehmlich daß ihnen die Sonne am hellen Mittage untergienge, und der Tag für ihren Augen dunckel, Amos VIII, 9.: So würde es auch hier seyn, die Leute würden für Schrecken und Hertzeleid den Tag nicht wahrnehmen, es würde ihnen scheinen, als sey keine Sonne mehr am Himmel und als sey der Mond gar verloschen.
 
 
  Allein es treibet uns keine Noth, hier von den Buchstaben abzuweichen. Man muß vielmehr davor halten, daß wahrhafftig an der Sonne, Mond und auch an den Sternen übernatürliche Zeichen, das ist, Finsterniß werden geschehen,
Matth. XXIV, 29.
 
  Denn es ist ja bekannt, daß bey gemeinen Finsternissen der Sonne die Sonne an sich nicht finster werde, sondern vor, wie nach ihren Schein behalte, nur wird dieselbe durch die Entgegenstellung des Mondes verhindert, ihre Strahlen wie vorher, auf die Erde zu werffen. Hier aber vor dem jüngsten Tage soll die Sonne an sich finster werden, und der Mond seinen Schein verlieren, als welcher seinen Schein der Sonne abborgt.
 
     

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Stand: 31. März 2013 © Hans-Walter Pries