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Zedler: Zorn [2] HIS-Data
5028-63-501-3-02
Titel: Zorn [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 63 Sp. 511
Jahr: 1750
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 63 S. 269
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Hinweise:

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Übersicht
I. Zorn des Menschen (Forts.)
  (E) Juristische Abhandlung
  (F) Biblische Abhandlung
  (G) Schrifften von dem Zorne der Menschen

  Text Quellenangaben
  (E) Juristische Abhandlung.  
  Es ist bey dieser Abhandlung, in welcher von dem Rechte der Zornigen, oder vielmehr von demjenigen, was der Zornigen wegen aus denen Rechten angemercket zu werden verdienet, geredet werden soll, nothwendig der Unterscheid des Zornes zum Voraus zu setzen, da nehmlich derselbe in den rechtmäßigen und unrechtmäßigen oder ungerechten Zorn eingetheilet wird.  
  Der rechtmäßige Zorn bestehet darinnen, wenn ich nehmlich nothwendig über eine mir angethane  
  {Sp. 512}  
  Beleidigung zürnen muß, darüber auch andere Leute zürnen müssen, oder wie Lauterbach Disp. de Ira, …, schreibet, quae ratione irritantis et ad iram provocantis est injusta, ita ut ipse aliquid contra jus faciat; Dabey ich aber die gebührenden Schrancken nicht überschreite, sondern zwischen der mir zugefügten Beleidigung, und der daher entstandenen Rache, oder der aus dem Zorne entspringenden von mir unternommenen Handlung eine rechtmäßige Proportion und Gleichheit ist.
  • Farinac
  • Lauterbach Disp. de Jra
  Der unrechtmäßige Zorn aber ist derjenige, wenn keine wahre Beleidigung vorhanden, über die ich rechtmäßig zürnen könnte. Z.E. Es ist mir einer etwas schuldig, und ich mahne ihnen, dieser aber wird hierüber böse, und schläget mich oder injuriret mich auf andere Weise; oder wenn gleich eine rechtmäßige Ursache des Zorns vorhanden, sie ist aber nicht so groß, als des Beleidigten seine in dem Zorne unternommene Handlung ist. Z.E. Es greifft einer den andern mit ehrenrührigen Worten an, und letzterer ersticht ihn deswegen im Zorne. Carpzov Pr. Cr. …
  Ferner theilet man den Zorn ein in den übermäßig grossen, und nicht so hefftig grossen Zorn.  
  Ersterer ist wenn der Zorn die Menschen dergestalt eingenommen, daß er fast von allen Sinnen und Verstand gekommen, und nicht weiß, was er redet oder thut; letzterer hingegen, wenn der zum Zorne Gereitzte nicht von aller Vernunfft gekommen, sondern noch beständig weiß, was er redet oder thut, folglich dasjenige, was er im Zorne unternimmt, wohlwissentlich begehet, ob sein Gemüthe schon hefftig verwirret ist, und ihm demnach die völlige und reiffe Überlegung ermangelt.
  • Farinac Pr. Crim. …
  • Carpzov. l.c.
  Nach diesen Arten des Zorns werden sodann alle Handlungen derer Zornigen beurtheilet werden müssen. Und da ist denn zu gedencken, daß, wenn einer eine in denen Rechten sonst erlaubte Handlung oder Contract im Zorne unternimmt, man einen Unterschied machen muß, ob der Zorn übermäßig, groß oder mittelmäßig gelinder und nicht zu hefftig gewesen sey? Im ersten Falle ist dasjenige, was er in solchem rasenden Zorne, welcher ihm allen Gebrauch seines Verstandes benommen, unternommen hat, nicht anders, als wie derer Rasenden ihre Handlung, besonders da der so hefftige Zorn von der Raserey nicht anders, als in der Zeit unterschieden ist, schon dem Rechte selbst nach null und nichtig; folglich darf es nicht allererst durch den Ausspruch des Richters als ungültig erkläret werden, sintemahl bey allen und jeden Contracten und Handlungen eine genaue und ungezweiffelte Wissenschafft und Verstand vonnöthen, l. 57. ff. de R.J.
  Diese beyde Stücke aber werden durch den hefftigen Zorn verhindert; folglich mag dasjenige, was einer in solchem äussersten Zorne und Raserey vornimmt; ihn weder verbinden, noch zu recht beständig seyn,
  • l. 48. ff. de R.J.
  • Lauterbach Disp. de Ira
  Anders verhält es sich, wenn der Zorn nicht so hefftig, sondern ge-  
  {Sp. 513|S. 270}  
  linder und mäßiger gewesen. Denn obschon auch diese Art des Zorns eine genaue und reiffe Überlegung ziemlich verhindert; so ermangelt doch nicht aller Verstand, oder ein wahrer und zu denen Contracten erforderlicher genugsamer Wille; folglich, da besonders noch zu denen Contracten und andern Handlungen nicht eine so vollkommene und reiffe Überlegung vonnöthen, sondern es genug ist, wenn einer wissentlich und ungezwungen contrahiret, oder etwas verspricht, wenn gleich keine so vollkommene Überlegung vorhanden, arg. l. 24. …
  ist derjenige, welcher aus Jachzorn etwas verspricht, aber seines Verstandes und Sinnen noch mächtig ist, und weiß, was er thut, daran gebunden.
  • Eichel in Comment. …
  • Lauterbach l.c.
  Hieraus fliesset, daß, wenn einer im Zorne etwas gelobet, er ist aber dermassen zornig, daß er seines Verstandes nicht mächtig, solches Gelübde ihn nicht verbinden mag; da hingegen, wenn er nicht so hefftig, sondern etwas mäßiger zornig ist, und weiß, was er thut, er selbiges Gelübde zu halten verbunden ist. Worwider nichts thut, daß zu einem jeden Gelübde ein wohlbedächtiger Wille des Gelobenden erfordert werde: angesehen doch nicht eine so übermäßige und vollkommen reiffe Überlegung erforderlich, sondern schon genug ist, wenn nur einige, ob zwar einigermassen perturbirte Überlegung und Verstand zu ersehen, dergleichen aber denen einigermassen Zornigen nicht ermangelt. Lauterbach l.c. ...
  Eben dieses ist von dem im Zorne gethanen Eyde zu gedencken. Denn wenn einer in mäßigem Zorne etwas geschworen, obgleich nicht eine so völlige und vollkommene Überlegung vorhergegangen, ist solcher Eyd verbindlich.
  • Farinac
  • Gutierez Lib. II. Quaest.
  Hingegen daferne einer im übermäßigen Zorne, welcher ihm gleichsam allen Verstand und Vernunfft beraubet, etwas geschworen hat, ist solcher Eyd null und nichtig, und wird er daraus nicht verbunden. Lauterbach l.c. ...
  Gleichergestalt, wenn einer in übermäßigem Zorne, welcher ihn gantz ausser sich selbst, und ausser den Gebrauch seiner Vernunfft gesetzet hat, seine Kinder oder Eltern enterbet hat, ist selbige Enterbung, besonders weil sie noch die Vermuthung des Unrechts wider sich hat, auch eine jede Enterbung mit gutem Vorbewust und Wohlbedacht, nicht aber leichtsinniger Weise und in der Hitze des Zorns geschehen soll, l. 18. …
  null und nichtig.
  • l. 19. C. de inoff. testam.
  • Lyncker Vol. I.
  Da hingegen, wenn der Zorn nicht so übermäßig, auch eine rechtmäßige Ursache der Enterbung vorhanden, selbige zu Recht beständig; anerwogen ein Testament oder anderer letzter Wille nur so viel erfordert, daß einer wisse und verstehe, was er thut, nicht aber, daß er alles und jedes so reiflich und genau überleget habe, ein solcher mittelmäßiger Erzürnter aber besonders, wenn es nicht so gleich in der ersten Hitze, welches auch auf den allerhefftigsten Zorn zu ziehen, sondern erst einige Tage darauf geschehen, allerdings weiß, was er thut, und seiner Sinnen nicht beraubet ist.
  • Lauterbach Coll. …
  • Lyncker
  Ferner wenn einer im äussersten und grösten Zorne ein Testament zerreisset, oder et-  
  {Sp. 514}  
  was darinnen ausstreichet; so wird doch dasselbe nicht ungültig, wohl aber, wenn er es im mittelmäßigen und nicht so hefftigen Zorne gethan hat. Lyncker l.c.
  Hat einer im Zorne mit einem andern einen Contract geschlossen, wenn er auch gleich zum Besten einer milden Sache gereichete; so ist der im äussersten und den Gebrauch der Sinnen beraubenden Zorne geschlossene Contract ungültig; dahingegen, wenn er in mittelmäßigem Zorne geschlossen worden, er zu Recht beständig ist, weil zu denen Contracten nicht ein so genau und vollkommen reiflich überlegter Wille erforderlich, sondern schon genug ist, wenn nur diejenigen, die mit einander contrahiren, wissen, was sie thun.
  • Farinac
  • Lauterbach l.c.
  Hat einer aus Zorn und Feindschafft gegen diejenigen, die von ihm sonst erben müssen, sich in ein Ehe-Gelöbniß eingelassen; so ist dasselbe, woferne es im übermäßigen Zorne geschlossen worden, ungültig; dahingegen, wenn es bey mäßigem Zorne geschehen, und der Erzürnte, ohngeachtet er die Sache nicht so reiflich überleget hat, dennoch gewust, was er thut, ist selbiges zu Recht beständig, und verbindet ihn nicht anders, als wie diejenigen Ehe-Gelöbnisse, welche bey mäßiger Betrunckenheit geschlossen werden.
  • Perez de Matrim. …
  • Lauterbach l.c.
  In Gerichten soll ein Richter sich den Zorn und Haß wider eine Person nicht einnehmen lassen. Hat er aber in solchem Hasse und Zorne ein Urtheil ausgesprochen; so gehet dasselbe allerdings in seine Krafft Rechtens, wenn wider selbiges nicht binnen 10 Tagen Leuterung oder Appellation eingewendet worden, l. pen. ff.
  Noch mag selbiges deßhalber als schon dem Rechte nach null und nichtig angesehen werden.  
  Hingegen wenn er einen aus Haß, Rachgier, und im Zorne bey ermangelnder rechtmäßiger Ursache unbilliger Weise ins Gefängniß setzet, wird er billig mit der Sachsen Busse beleget. Ja daferne er aus Zorn einen Unschuldigen, oder der wenigstens nicht eine solche Straffe verdienet hat, zum Tode verurtheilet hat, oder ihm gewaltsamer Weise ein wider die Wahrheit lauffendes Bekenntniß heraus presset, deßwegen er am Leben gestrafft wird, und dasselbe Urthel an ihm vollziehen lässet, wird er als ein vorsetzlicher Todschläger bestrafft.
  Ferner wenn einer aus Zorn und Rachgier den andern peinlich anklaget, und dieselbe Rachgier ist am Tage; so ist zwar solche nicht gäntzlich zu verwerffen, unterdessen aber darf der Richter doch nicht wider den Beklagten mit der Inquisition verfahren, woferne er nicht zugleich einige wahrscheinliche Umstände der beschuldigten That anzugeben weiß. Auf gleiche Weise, wenn einer im Zorne dem andern ein begangenes Verbrechen vorgeworffen hat, wenn er gleich sich schrifftlich oder mündlich erkläret, er wolle ihm solches beweisen, wird solches doch vor keine Anklage geachtet. Lauterbach l.c. ...
  Wenn ein Beklagter im Gerichte, sowohl auch ausser Gerichte, im äussersten Zorne, dergestalt, daß er nicht gewust, was er geredet oder gethan, etwas gestanden und bekennet, kan er solches Bekenntniß wiederrufen, und wenn er selbiges nach der Zeit nicht vor genehm gehalten, verbindet ihn solches  
  {Sp. 515|S. 271}  
  nicht.
  • Farinac
  • Gvazzin
  • Lauterbach l.c.
  Hat ein Zeuge wider einen andern einen Haß und Zorn, ob er schon nicht zu übermäßig groß (denn wenn er hefftig, muß ihn der Richter von dem Zeugnisse abhalten) so wird seinem Zeugnisse kein Glauben beygemessen; daher auch einer Mutter, welche im Zorne bekennet, ihr Sohn wäre nicht von ihrem Manne, sondern im Ehebruch von einem andern gezeuget worden, kein Glauben gegeben wird.
  • Menoch A.J.Q. …
  • Lauterbach Coll. …
  Die im Zorne begangenen Verbrechen sind allerdings wahre Verbrechen, wie solches Lauterbach Disp. cit. … folgendergestalt behauptet: [7 Zeilen lateinischer Text].  
  Ob aber ihr Verbrechen unter die aus Verschulden, oder aus Vorsatz und betrüglicher Weise geschehenen zu rechnen sey, wird durch den Unterscheid des Zorns ermessen; anerwogen, wenn der Zorn nur angenommen oder affectirt ist, damit einer um so viel freyer sündigen könne; so ist das in selbigem begangene Verbrechen allerdings ein vorsetzlich Verbrechen. Theodoricus in Coll. Crim. …
  Folglich findet auch die ordentliche Straffe statt.
  Da hingegen, wenn selbige allerdings wahrhafftig und nicht angenommen oder verstellet, auch so hefftig ist, daß er seiner Sinnen nicht mächtig gewesen, vielweniger, was er thue oder lasse, gewust; so ist solches begangene Verbrechen wohl nicht ein vorsetzliches, als worzu eine vollkommene Wissenschafft und Wille erfordert wird, beyde Stücke aber dem Erzürneten ermangeln.
  • Theodoricus l.c.
  • Carpzov
  Doch aber, weil es in ihrer Macht gestanden, den Zorn durch die ihnen dazu gegebene Vernunfft zu unterdrücken und zu mäßigen, und sie solches unterlassen haben, ist es ein verschuldetes Verbrechen. Lauterbach Disp. cit. ...
  Folglich mag auch die ordentliche Straffe des Verbrechens nicht statt finden, wenn auch schon keine rechtmäßige Ursache des Zorns vorhanden gewesen; angesehen auch eine unerhebliche Ursache, welche die Wissenschafft und den Gebrauch des Verstandes benimmt, den Vorsatz zu verbrechen ausschliesset, und ob sie zwar nicht gäntzlich entschuldiget, dennoch selbiges mindert, und sie nur in Ansehung ihres darbey begangenen Verbrechens und Schuld, und damit andere gewarniget werden, ihren Begierden den Zügel zu lassen, vielmehr dahin gewiesen werden, sich der Vernunfft zu Unterdrückung der Begierden zu gebrauchen, bestraffet werden.
  • Theodoricus l.c.
  • Carpzov
  Jedoch soll dieses statt finden; so muß dasselbe Verbrechen sogleich und in noch währender Hitze des Zorns begangen seyn. Denn soferne solches nicht in der ersten Hitze, sondern einige Zeit nach derselbigen geschehen; so ist es ein aus Vorsatz begangenes Verbrechen, und wird mit der ordentlichen Straffe beleget. Theodori-
  {Sp. 516}  
  cus l.c.
  Gleichfals, wenn es den Thäter nach übergangener Hitze des Zorns nicht gereuet, sondern er sich noch wohl damit rühmet; so wird aus der beständigen Beharrung darinnen der Vorsatz zu verbrechen geschlossen, und er deßwegen ordentlicher Weise bestraffet.
  • Theodoricus l.c.
  • Farinac
  • Anton Matthäi de Crim. …
  Sonst fliesset aus demjenigen, was jetzo erwehnt worden, daß ein in der grösten Raserey des Zornes sich befindender Mensch den Schaden, den er zu solcher Zeit jemanden zugefüget, zu ersetzen sich nicht entbrechen, und wenn er mit der Klage aus dem Aquilianischen Gesetze belanget worden, sich mit seinem hefftigen und rasenden Zorne nicht schützen können,
  • arg. l. 44. …
  • Lauterbach l.c.
  Daferne aber auch der wahre, und nicht angenommene oder verstellte Zorn nicht zu hefftig gewesen, daß er ihm den Gebrauch seines Verstandes und der Sinnen entzogen, vielmehr er gar wohl gewust, was er geredet oder gethan; so wird selbiges unter die vorsetzlichen Verbrechen gezählet. Denn ohngeachtet er ohne vollkommenen und reiffen Vorsatz oder Überlegung, vielmehr aus den ersten Bewegungen des Zornes und der Affecten sündiget, weil er aber doch dasjenige, was er thut, weiß und will, dieses aber schon einen gefährlichen Vorsatz würcket; so wird er vor einen vorsetzlichen Verbrechen gezählet, dergestalt, daß obschon nicht zu leugnen, daß derjenige, welcher aus reiffem Bedacht und Rathschlage sündiget, im grösten Grade ein vorsetzlicher Verbrecher heisse,
  • P.H.G.O. …
  • Carpzov
  • Anton Matthäus de Crim.
  dennoch auch dieser als ein muthwilliger und vorsetzlicher Verbrecher mit der ordentlichen auf das Verbrechen gesetzten Straffe beleget werden,
  • arg. l. 5. C. de injur.
  • P.H.G.O. …
  Und zwar findet diese Regel um so viel mehr statt, wenn der Zorne unerheblich und unrechtmäßig gewesen, oder derjenige, von dem er sich beleidiget zu seyn er achtet, gar keinen, wenigstens sehr geringen Anlaß darzu gegeben, oder der Zornige noch darzu die erste Gelegenheit gegeben, und Urheber des Zanckens und der Beleidigung gewesen. Woraus denn fliesset, daß derjenige, welcher von dem Zancke Urheber gewesen, sich wegen der in solchem begangenen Verbrechen mit dem Zorne nicht schützen möge; sintemahl jeder Schaden und Verbrechen denenjenigen beygemessen wird, welche darzu den ersten Anlaß gegeben.
  Hingegen daferne der so mäßig Zornige, und welcher gar wohl gewust, was er redet oder thut, eine rechtmäßige Ursache seines Zorns anführen kan, und er ist dergestalt von einem andern beleidiget worden, daß auch ein sehr gelassener Mann dadurch in Hitze gebracht werden, und seinen Zorne nicht leichtlich stillen könne; so wird auch mit diesem Verbrechern gelinder verfahren, und die ordentliche Straffe in eine ausserordentliche verändert.
  • Carpzov l.c.
  • Lauterbach l.c.
  Hieraus fliesset, daß, wenn einer, welcher nicht übermäßig erzürnet ist, dergestalt, daß er seiner Sinnen und Verstandes völlig mächtig ist, auch weiß, was er thut oder redet, (denn wenn er in dem allerhefftigsten Zorne, wegen ermangelnden völligen Gebrau-  
  {Sp. 517|S. 272}  
  ches der Vernunfft einen andern injuriret, findet die ordentliche Straffe der Injurie in Ansehung des ermangelnden Vorsatzes, den andern zu schimpffen, so wenig als die Injurien-Klage, statt, l. 3. … Harprecht … ob er schon obgedachtermassen von dem Richter ausserordentlich und willkührlich bestraffet werden möge) den andern in dem Zorne und in der ersten Hitze injuriret, ob zwar er sich wider die angestellte Klage mit der äussersten Hitze im Zorne nicht schützen möge, wenn er auch gleich erhebliche, wichtige und gerechte Ursachen zum Zorne hat, welches sich äussert, wenn er durch vorhergehende schwere Beschimpffungen zum Zorne, und daraus entstehenden, so wohl wörtlichen, als thätlichen Injurien, bewogen wird,
  • Carpzov
  • Anton Matthäus de Crim. …
  so wird doch derjenige, welcher durch des Beleidigten ihm angethane Beschimpffungen und Unrecht darzu gleichsam genöthiget worden, mit einer gelindern Straffe, als der ordentlichen, beleget.
  • Carpzov
  • Lauterbach
  Wie denn auch derjenige, welchen solche Injurie nach der Zeit gereuet, gleichfalls gelinder bestraffet, ja wenn die wörtliche Beschimpffung nicht zu groß und allzuempfindlich, und der Injuriante vor der Vornehmung sich erkläret, es sey ihm solche in der Hitze und Zorne ausgestossene Beschimpffung leid, er wisse auch dem Beschimpfften nichts, als Liebes und Gutes, nachzusagen; so muß sich der Kläger an solcher Erklärung billig begnügen lassen, und mag der libellirten Injurien halber fernern Proceß wider Injurianten nicht führen.
  • Würtembergisch Land-Recht
  • Carpzov
  • Lauterbach Disp. cit.
  Unterdessen aber muß der Injuriante dem Kläger doch alle verursachte Unkosten ersetzen, und wird derselbige noch billig wiewohl mit einer geringern Geld-Busse beleget. Richter Velit. Acad.
  Selbst das Königl. Pohln. und Churfürstliche Sächsische Mandat wider die Selbst-Rache, vom Jahr 1712. … hat in Ansehung der Ausforderungen zum Duell dieses vorgeschrieben, daß, daferne selbige in der ersten Hitze, da der Unwille entstanden, und die Beleidigung eben vorgegangen, von ihm selbst geschehen, derselbe an statt, daß die andern Provocanten alle Chargen auf immerwährend verlieren, und zwey Jahr gefangen sitzen müssen, das erste halbe Jahr hindurch aber mit Wasser und Brodt unterhalten werden, auch da der Provocant keine Charge hätte, er noch über dieses 2 Jahr länger in Verhafft bleiben muß, er mit Einziehung der Besoldung von seiner Function auf 2 Jahr und einjährigen Gefängniß bestraffet, und da er ausser Diensten, zweyjähriges Gefängniß ohne vierteljährige Speisung mit Wasser und Brodt statt finden solle.  
  Gleichergestalt, da bey denen öffentlichen Duellen die Verbrecher nach Beschaffenheit derer Personen mit acht- oder zehenjähriger Gefängniß, auch bey denen geringern mit achtjährigem Festungs-Bau beleget werden; so werden diejenigen, die in der ersten  
  {Sp. 518}  
  Bewegung, und bey der ersten Hitze mit dem Degen oder andern tödtlichen Gewehr an einander gerathen, wenn sie, daß es kein abgeredetes Werck gewesen, vermittelst Eydes erhalten, zu einjährigem Gefängniß condemniret. §. 51. des Duell- Mandats.
  Ferner wenn einer aus rechtmäßigen und erheblichen, nicht aber schlechten und geringen Ursachen äusserst erzürnet, und vor Zorn gantz ausser sich selbst gesetzet ist, in solchem rasenden Zorne aber GOttes-Lästerungen ausgestossen, wird derselbige nicht mit der ordentlichen Straffe der GOttes-Lästerer, sondern mit einer geringern bestraffet.
  • Reichs-Abschied vom Jahr 1500 und 1512 Tit. Von Gottes-Lästern,
  • Tiraquell de caus. min. poen.
  • Matthäus de Criminibus
  Welches aber nur von dem Falle Rechtens, wenn einer auf Menschen erzürnet gewesen; hingegen hat er unverantwortlich mit GOtt zürnen wollen, und daher GOttes-Lästerungen ausgestossen, wird er mit der ordentlichen Straffe allerdings beleget. Kreß ad ord. Crim.
  In wie ferne auch der Zorn bey denen Todtschlägern dem Todtschläger zu statten komme, wird aus demjenigen, was kurtz vorher überhaupt von denen Verbrechen erwehnet worden, erhellen. Ist der Zorn nur angenommen, und deswegen erdacht, damit einer desto leichter und sicherer das Verbrechen begehen könne; so wird die ordentliche Lebens-Straffe, weil es ein fürsetzlicher Todschlag, nicht erlassen, sondern er wird mit der ordentlichen Straffe der Todtschläger billig beleget.  
  Da hingegen, wenn es ein wahrer und nicht affectirter, darbey aber allzuhefftiger übermäßiger, und den Gebrauch der Sinnen hindernder Zorn gewesen, vermöge dessen er nicht gewust, was er gethan, oder geredet, und er in solchem Zorne einen Todtschlag gethan, mag, die ordentliche Straffe des Todtschlages nicht, sondern eine ausserordentliche Straffe an ihm vollzogen werden, welche jedoch, wenn eine erhebliche Ursache des Zornes vorhergegangen, noch mehr gemindert, in Ermangelung deren aber, und woferne der Todtschläger selbst Anlaß darzu gegeben, erhöhet wird. Lauterbach l.c. ...
  Wenn aber der Zorn nicht so übermäßig groß und hefftig gewesen, vielmehr er gar wohl gewust, was er gethan und geredet, und er hat in solchem Zorne einen entleibet; so ist solches ein fürsetzlicher Todtschlag, und wird er, seines gethanen Fürwendens ungeachtet, daß er nehmlich aus Zorn solches gethan, mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht,
  • l. 7. …
  • P.H.G.O. …
  • Carpzov
  • Theodoricus Coll. Crim.
  Es hätte denn selbiger eine rechtmäßige Ursache des Zornes gehabt, und in solchem Zorne den andern entleibet. Denn ohngeachtet auch dieser wider die Vorschrifft derer Rechte sich eigenmächtig, darbey aber wohl wissentlich und mit Willen gerächet, und darbey einen Menschen getödtet, dennoch aber, weil es schwer ist, einen rechtmäßigen Zorn so genau in denen Schrancken zu halten, auch der Entleibte Gelegenheit darzu gegeben; so folget, daß er auch gelinder, und nicht mit der ordentlichen Straffe des Todtschlages,  
  {Sp. 519|S. 273}  
  sondern ausserordentlich und nach Beschaffenheit derer Umstände mit Staupen-Schlägen beleget werden müsse.
  • l. 38. …
  • Carpzov
  • Tiraquell de poen. temper. …
  • Clarus
  • Lyncker
  Soll aber eine rechtmäßige Ursache des Zorns vorhanden seyn, und in Ansehung derselbigen der Todtschläger mit einer gelindern Straffe beleget werden; so wird darzu erfordert:  
 
1) Daß der Entleibte den Todtschläger zuvorhero und am ersten unrechtmäßiger und unbilliger Weise beleidiget habe, welches nicht allein mit höchst-unerträglichen, ehrenrührigen, auch öffters und unabläßig widerhohleten Worten, sondern auch mit Schlägen, oder auch mit vorgehabter eigenmächtiger und unbilliger Wegnehmung seines Vermögens und Sachen geschiehet,
  • Berlich
  • Lyncker
  • Theodoricus Diss. XI. Coll. Crim. …
  • Boer
 
und er durch solche zugefügte Beleidigung in Zorn gesetzet worden.
Carpzov ...
 
Folglich, wenn keine wahrhaffte Beleidigung von Seiten des Entleibten vorhergegangenen, ob sich schon der Todtschläger beleidiget zu seyn fälschlich eingebildet hat, mag sich der Todtschläger mit dem Zorne nicht schützen. Daher, wenn der Todtschläger zu vorhero GOttes-Lästerung ausgestossen, und der andere ihm eingeredet, er soll sich nicht so versündigen, oder aber selbiger zu vorher allerhand Händel gemacht, und ein anderer ihn, ruhig zu seyn, ermahnet, oder der Wirth ihm Friede geboten, nicht minder, wenn ihrer zwey sich mit einander schlagen, ein anderer redet ihnen im Guten zu, und ermahnet sie, friedlich zu leben, der Todtschläger erzürnet sich darüber, und entleibet ihn; so mag er sich nicht mit seinem Zorne schützen.
 
Gleichergestalt wenn der Erzürnte selbst der erste Urheber des Zanckes ist, und darzu Gelegenheit gegeben hat, mag er sich mit dem Zorne, als einem rechtmäßigen und erheblichen, nicht schützen.
Lyncker
 
Zum
 
 
2) so ist auch nicht eine jede Beleidigung des Entleibten genug, sondern die dem Todtschläger von dem Entleibten zugefügte Beleidigung muß auch groß und dermassen beschaffen seyn, daß ein jeder Mensch darüber zum Zorne beweget werden mag, und seinen hierüber billig empfindlichen Zorn nicht leichte zwingen kan.
  • Theodoricus l.c.
  • Valentin Voltz ad L. Cornel.
  Was aber eine dergleichen erhebliche und wichtige Ursache des Zornes sey, kan man durch eine allgemeine Regel nicht voraus setzen; sondern es kommt alles auf die Umstände der Beleidigung, so wohl auch derer Personen, und das Ermessen des Richters an.
  • Frantzkius
  • Carpzov
  Sonst mag billig hierunter gerechnet werden, wenn der Entleibte den andern mit höchst-ehrenrührigen Worten, die einen jeden ehrliebenden Mann in der Seele schmertzen müssen (folglich werden die geringen Injurien, als Hundsfut, und dergleichen hiervon ausgenommen, auf gleiche Weise, als wenn  
  {Sp. 520}  
  der Entleibte gegen den Todtschläger gesagt, du wirst nicht alle fressen, Carpzov … oder, wenn einem Edelmanne ein Bauer auf der Strasse begegnet, und ihm nicht ausweichen will, CarpzovValentin Voltz … als dergleichen Beleidigungen keine wahren Ursachen seines rechtmäßigen Zornes abgeben, und den Todtschläger von der ordentlichen Straffe nicht befreyen) unablässig angegriffen, und dadurch seine Gedult auf das hefftigste gereitzet, daß er sich nicht länger halten können,
  • Carpzov l.c.
  • Matthäus, de Crim. …
  Oder es hat der Entleibte ihn zuerst scharf und empfindlich geschlagen, (hingegen ist es nicht genug daß der Entleibte nach ihm bloß, oder ihn nicht so hefftig geschlagen, Carpzov …) oder aber es ertappet der Mann einen andern bey seiner Frauen, oder der Vater einen bey seiner Tochter im Ehebruche, und ermordet ihn.
  • l. 4. …
  • P.H.G.O. …
  Jedoch soll die ordentliche Straffe des Todtschlages nicht statt finden; so ist es nicht genug, daß eine dergleichen erhebliche Ursache des Zorns vorhanden, sondern es muß auch in der ersten Hitze und Zorne die Verwundung erfolget seyn. Denn wenn einige Zeit darnach, nehmlich eine oder mehr Stunden, (folglich wenn eine halbe Stunde nur erst verflossen, wird davor gehalten, als ob es in der ersten Hitze oder Raserey geschehen sey, anerwogen binnen solcher Zeit die Hefftigkeit des Zorns noch nicht verrauchet, Julius Clarus §. homicidium. … Boer Farinac Pr. Crim. … Richter Vol. II. …) und da die erste Hitze bereits verrauchet, er den Beleidiger anfiele, und ermordete, wird solches unter die fürsetzlichen und muthwilligen Todschläge gezählet, und er dannenhero, des gerechten Zornes ungeachtet, am Leben gestrafet.
  • Carpz. …
  • Lauterbach Disp. cit. …
  Und ist Bajardi seine Meynung in Addit. ad Clari Practicam Criminalem §. Homicidium, vermöge welcher er behaupten will, dass der Zorn 30 Tage daure, und was binnen diesen 30 Tagen geschehen sey, davor gehalten werden müsse, als ob es in der ersten Hitze vorgenommen worden, ungegründet, daher denn auch darauf nicht gesprochen wird.  
  Der Beweiß des Zorns, welcher von demjenigen, so sich damit schützen will, nothwendig geführet werden muß, und ohne welchen ihm kein Glaube beygemessen wird, geschieht nun nach Beschaffenheit derer Umstände, entweder überhaupt, oder nach denen verschiedenen Graden desselben, in beyden Fällen aber durch nichts anders, als durch Zeugen.  
  Überhaupt aber wird, daß einer auf den andern erzürnet sey, und wider ihn einen Haß trage, welches vornehmlich bey denen Zeugen sich eräussert, theils durch des Erzürnten Handlungen, dadurch man seinen Zorn und Haß wider diese oder jene Person absehen kan, theils auch durch die ihm angethane Beleidigungen oder andere Ursachen, aus denen man leichte schliessen kan, er seye auf ihn erzürnet, dargethan. Lauterbach ...
  Hingegen aber, wenn es auf die verschiedenen Gra-  
  {Sp. 521|S. 274}  
  de des Zorns ankommt, welches so wohl bey denen Contracten und andern Vergleichen, als auch bey denen Verbrechen nothwendig erfordert wird, ist ein grösserer Beweiß vonnöthen, vornehmlich bey der höchsten Art des Zornes, welcher dem Zornigen den Gebrauch des Verstandes benimmt, und er nicht weiß, was er redet oder thut, als welches so leichte nicht erwiesen werden mag, auch keine gewisse Regel davon gegeben werden kan; vielmehr kommt alles auf das Ermessen des Richters an, als welcher aus denen Umständen urtheilen muß, ob der Zorn äusserst hefftig, oder gelassener, und mäßiger gewesen.
  • Gutierrez
  • Farinac
  Sonst mag derselbe damit nicht erwiesen werden, daß die That den Zornigen nachgehends schmertzlich gereue, anerwogen auch wohl abgelegte Handlungen öffters eine Reue nach sich ziehen. Ja, wenn auch gleich solche Umstände vorhanden, daraus man schliessen könnte, es wäre die höchste Staffel des Zorns vorhanden gewesen, es lässet sich aber der Thäter die That hernach nicht gereuen; so wird davor gehalten, er habe solches wohlbedächtig und nicht in der Raserey des Zornes gethan.
  • Lauterbach l.c.
  • Teutscher Rechts-Gelehrter I Theil …
  Zu mehrer Erläuterung des bisher Besagten können hierbey auch noch die Artickel:  
 
  • Straffe, (Milderung der) im XL Bande, p. 564 u.ff.
  • Testament eines Unsinnigen, im XLII Bande, p. 1418.
  • Todschlag, im XLIV Bande, p. 770 u.ff.
  • und Zeugniß aus Zorn, im LXII Bande, p. 353
 
  nachgelesen werden.  
  (F) Biblische Abhandlung.  
  In der Heiligen Schrifft findet man unterschiedliche Exempel zorniger Menschen: Als  
 
  • an Mose über den Pharao,
2 Mose XI, 8.
 
  • an Jonathan,
1 Sam. XX, 30.
 
  • an denen von Amazia abgedanckten Kriegs-Knechten aus Ephraim,
2 Chron. XXV, 10.
 
  • an dem Syrischen Könige Rezin und Pekah dem Könige in Israel, vor denen sich aber Ahas nicht fürchten solte,
Esa, VII, 4.
  Solcher Zorn ist in Heiliger Schrifft hart verboten,
  • 3 Mose XIX, 18.
  • Ps. XXXVII. 1
  • Röm. XII, 18.
  • Eph. IV, 26.
  weil er eine schwere Tod-Sünde für GOtt und ein Werck des Fleisches ist, Gal. V, 20.
  Der Zorn ist eigentlich der Gottlosen ihre Sünde,
  • 1 Mose XLIX. 6.
  • Hiob XVIII, 4.
  • Sprüch-Wörter III, 30.
  • Matth. V, 22.
  und schadet dem Leben, Friede und Ehre,
  • Sprüch-Wört. XII, 16.
  • Syr. VIII, 19. Cap. XXX, 26.
  Denn des Menschen Zorn thut nicht, was für GOtt recht ist,
  • Jac. I, 20.
  • Biblisches Real-Lexic. I Th. …
  (G) Schrifften von dem Zorne der Menschen.  
  Von dem Zorne der Menschen können, ausser denen schon hin und wieder angeführten Schrifften, auch noch folgende nachgesehen werden:  
 
  • Lälius Peregrinus de animi adfectionibus
  • Wesenfeld in pathologia practica
  • Philaretus in Ethica
  • Buddeus in theologia moral.
 
  Unter den Vorreden des Jacob Thomasius handelt die neunte … de remediis iracundiae. So hat auch Friedrich Philipp Schlos-  
  {Sp. 522}  
  ser meletemata de morali aestimatione irae, zu Wittenberg 1728 auf das Catheder gebracht.  
     

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Stand: 29. März 2013 © Hans-Walter Pries