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Zedler: Zusammenhang der Materie HIS-Data
5028-64-585-4
Titel: Zusammenhang der Materie
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 64 Sp. 585
Jahr: 1750
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 64 S. 306
Vorheriger Artikel: Zusammenhang der Knochen
Folgender Artikel: Zusammenhang der Rechts-Sachen
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text Quellenangaben
  Zusammenhang der Materie.  
  Wir können in der Erkenntniß der Natur, wenn wir die Materie eintheilen, nicht weiter kommen, als auf kleine Cörperlein, massen die beste Vergrösserungs-Gläser uns z.E. in dem Golde nichts anders zeigen, als kleinere Theile des Goldes und nicht einmahl die Kleinesten. Derowegen da gewiß ist, daß die Theile des Goldes, sie mögen so klein seyn,  
  {Sp. 586}  
  als sie wollen, so lange sie noch Gold verbleiben, aus Vermischung anderer Materien entstanden sind, und folgends noch aus subtileren Theilen bestehen; so erkennet man zur Gnüge, daß, wenn wir auch die Cörper, welche aus einer vermischten Materie entstehen, nach ihren mechanischen Eigenschafften vollständig erkennen könnten, wir dennoch bey blossen Cörperlein würden stehen bleiben, und nicht weiter kommen. Derowegen haben wir auch bey den Cörpern keine tieffere Ursache des Zusammenhanges der Materie als die Bewegung zu suchen, wenn wir mit Erklärung der natürlichen Dinge zu thun haben.  
  Man siehet hieraus, daß die Physick eben nicht so sehr intereßiret ist bey der Erkenntniß der eigentlichen Beschaffenheit der Elemente, oder der einfachen Dinge; sondern wir zufrieden seyn können, wenn wir nur die allgemeine Erkenntniß derselben haben; theils weil dieses zureichet, GOtt nach seinen eigentlichen Eigenschafften, das ist, als unendlich auch aus Betrachtung der Natur zu erkennen, theils weil dadurch denen Vorurtheilen abgeholffen wird, die sonst zum Nachtheil der Physick entstehen.  
  Unter diesen Vorurtheilen ist nicht die geringste, wenn man sich einbildet, man könne alle Begebenheiten der Natur aus einigen gesetzten Gründen durch die Vernunfft erklären: Woraus der Mißbrauch der mechanischen Philosophie entstanden, und wodurch selbst Cartesius, so grosses Nachdencken er sonst hatte, verleitet worden, in der Physick mehr zu dichten, als zu erklären.  
  Andere, die viele Versuche angestellet, dergleichen der berühmte Engelländer Robert Boyle gethan, haben dieselbe aus solchen Vorurtheile nicht genung gebrauchet, indem sie gleich auf die mechanische Ursachen verfallen, und aus den letztern Gründen die Sachen erklären wollen, und daher mit vieler Mühe nichts weiter herausgebracht, als daß alles in der Natur mechanisch zugehe. Ja es ist auch dadurch geschehen, daß man im Experimentiren nicht alles so in Acht genommen, wie es sich gebühret, und die Aufnahme der Wissenschafft erfordert hätte.  
  Unterdessen es nicht zu leugnen, daß die Figur der Cörperlein und andere flüßige Materien, die herum in Bewegung sind und sie drucken, das ihre dazu mit beytragen, daß sie fester oder weniger zusammen halten. Den Unterschied des Zusammenhanges zeiget die Erfahrung, als wodurch wir erkennen, daß nicht alle Materie einerley Grad der Festigkeit hat, ja einige, die wir flüßige zu nennen pflegen, gar nicht zusammenhangende Theile haben, ausser etwan in den kleinen Cörperlein, die wir weder mit unseren Sinnen, noch Gedancken erreichen.  
  Daß aber zwey Cörper fester an einander halten, wenn sie in einem grossen, als wenn sie in einem kleinen Theile einander berühren; ist so wohl der Vernunfft als der Erfahrung gemäß. Man begreiffet leicht, das zwey Cörper, die einander in einem grossen Theile berühren, an mehreren Orten an einander gedrucket werden, als andre, die einander in einem kleinen berühren. Was aber an vielen Orten an einander gedrucket wird, muß  
  {Sp. 587|S. 307}  
  schwerer von einander zu bringen seyn, als was an wenigen an einander gedrucket wird.  
  Die Erfahrung leget dieses gleichfalls klar vor Augen. Man nehme eine Kugel und einen Würffel von einerley Materie, und also von gleicher Schwere, und drucke sie mit gleicher Krafft an, zum Exempel durch Gewichte, die in einem unausgedehneten Faden angebunden und also mit ihrer gantzen Schwere auf die Kugel und den Würfel drucken. Alsdenn wird man befinden, daß die Kugel sich unter dem Gewichte leichter wegstossen lässet, als der Wüffel: folgends ist dadurch klar, was oben behauptet worden.  
  Hieraus erhellet nun, wie weit man die Gründe der Atomisten, welche Gassendus in neuern Zeiten hervor gesucht, und die sonderlich in Engelland, auch an andern Orten, vielen Beyfall gefunden, ingleichen die Meynung des berühmten Malebranche und Jacob Bernouilli annehmen kan, damit man weder der Wahrheit etwas vergiebet, noch verwirfft, was man zu verwerffen nicht Ursache hat.  
  Freilich hat weder Gassendus, der auf die Figur der Cörperlein gefallen, noch auch Malebranche und Bernouilli, welchen beyden das Drucken flüßiger Materien besser angestanden, die letzte Ursache erreichet: Allein es ist auch nicht allezeit nöthig, daß wir bis auf die Letzte gehen. In der Physick begnügen wir uns meistentheils mit der nächsten, und da kommet uns Gassendus und Malebranche mit dem Bernouilli zu statten. Wer gewohnet ist, keiner andern Ursache den Platz einzuräumen, als deren Gegenwart er erweisen kan, der darf sich nicht fürchten, daß er in besondern Fällen auf die unrechte verfallen werde. Wolffs vernünfftige Gedancken von GOtt, der Welt und der Seele des Menschen, Th. I, ...
     

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Stand: 29. März 2013 © Hans-Walter Pries