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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-17-28-4
Erste Section > Siebzehnter Theil
Werk Bearb. ⇧ 17. Th.
Artikel: CHOCOLATE
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszenntrum 36 : 28
Siehe auch: HIS-Data Ch
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
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Forts. S. 28 Sp. 2 CHOCOLATE, Chocolade, Cacao tabulata etc., eine aus gelind gerösteten, und in einem erwärmten eisernen Mörser zu einem weichen Teig zerstoßenen, und dann auf einem ungewärmten Steine, oder in einer eigenen Maschine zu einem ganz feinen, gleichförmigen Brei zerriebenen Cacaobohnen angefertigte, in blecherne Formen gegossene, und hier erkaltete harte dunkelbraune Masse mit und ohne Zusatz von Zucker und Gewürz. Man bringt jetzt Alles in Chocolate, und Chocolate in Alles, man chocolatisirt das ganze Pflanzenreich.  
  I) Die bittere Cacaomasse heißt Gesundheitschokolate, simplex s. medica, und ist, bei noch nicht zu tief gesunkenen Verdauungskräften, und bei Nichtdisposition des Magens zu Schleim- oder Säureerzeugung, in Abzehrungen, bei großer Entkräftung, nach Blutflüssen etc., bei Hämorrhoidalbeschwerden, für Hypochondristen, Onaniten etc., und bei Atrophie der Kinder in Wasser oder Milch gekocht, sehr wirksam. Mit ungeröstetem Cacao schmeckt sie, oder wenn während des Reibens 2⁄3 des Gewichts gestoßener Zucker zugesetzt werden, so hat man:  
  II) die gemeine Tafelchocolate, Cacao tabulata vulgaris für Kinder und verwöhnte Personen.  
  III) Die gute, feine, mit Zimmt, Gewürznelken, Cardamomen, Vanille, Perubalsam und dergleichen gewürzte Tafelchocolate (Vanillechocolate), wie die echte Wiener, Turiner, Mailändische, Römische, Französische, Holländische etc., muß möglichst frisch seyn, hellvioletbraun oder dunkelbraunroth aussehen, eine außen glatte, durchaus gleichförmige zarte, trockne, lieblich gewürzhaft riechende, und eben so mild specifik, nicht widrig bitter schmeckende Masse bilden, die im Bruche nichts Körniges, keine glänzende Punkte zeigt, auf der Zunge leicht und ganz schmilzt, und eine Art von angenehmer Erfrischung zurück läßt. — In Wasser, in Thier- oder Mandelmilch, Eigelb, Wein etc., muß sie ohne Bodensatz auflöslich seyn. —♦  
  Schlechte Tafelchocolate sieht pechschwarz aus, hat ein mehliges oder grießliches, grobes Korn, schmeckt bitter, gibt einen brenzlichen Dampf beim Kochen, und ein Getränk, das zähe, klebrig oder wäßrig, inconsistent ausfällt, fadsüßlich riecht, syrupartig schmeckt, und einen fettigen, ungleichartigen Bodensaft macht. 1) Aus nicht ganz frischen Bohnen bereitet, schmeckt sie fettig und wird leicht ranzig; 2) aus zu grünem, unreifem, oder zu schwach geröstetem Cacao, schmeckt sie unangenehm salzig; 3) aus zu stark geröstetem, halbverkohltem, oder vorher schon verdorbenem Cacao, schmeckt sie ekelbitter oder moderig, und gibt ein  
S. 29 Sp. 1 CHOCOLATE  
  schwärzliches, brenzliches Getränk, welchem die nöthige, ölige Beschaffenheit abgeht; 4) mit Eisen- oder Kalktheilchen ist sie vermengt, wenn dort die Bohnen in eisernen Brennern geröstet, und die Cacaomasse in eisernen Mörsern oder Stahlcylindern, hier, wenn sie auf einem Kalksteine gerieben worden ist. Cadet fand in 1 Pfd. solcher Chocolate durch Gallussäure als Minimum 36 Gran Eisen, und mittelst verdünnter Schwefelsäure 48 Gr. Gyps; 5) mit Kupfertheilchen ist sie von den messingenen Mörsern vergiftet, wenn sie grünlich beschlägt. –  
  Verfälscht ist sie a) mit Hülsenfrucht-, Getreide- oder Kartoffelmehl, wenn sie im Munde nicht ganz zergeht, fadteigig schmeckt, beim ersten Aufwallen des Getränks wie Leim riecht, und dieses nach dem Erkalten gallertartig wird; b) mit milchigen Sämereien: gerösteten Mandeln etc., die sie ranzig machen; c) mit andern der schon ausgezogenen Cacaobutter untergeschobenen Ölen und thierischen Fetten, wenn sie einen Käsegeruch, und Talggeschmack hat, das Getränk aber schon beim Kochen, noch mehr beim Erkalten einen häufigen Fettstoff absetzt; d) mit Honig, Farinzucker, Syrup, und mancherlei Cacaoabgängen, wenn sie süßletschig schmeckt, und das Getränk in der Tasse erdige, griesige Klümpchen zurück läßt; e) mit Orlean, Tragant, und Mimosengummi, wovon sie ungleichstoffig, und, mit Wasser gekocht, schlierig ausfällt, vom Orlean aber einen bittern Geschmack annimmt; f) durch eine ungleiche Vermengung der Cacaosorten, wenn sie weniger fein ausfällt; g) der rohe Cacaoteig von den Antillen gibt ein ungleichartiges Getränk, auf dem das Cacaoöl schwimmt.  
  Eine Unze guter Tafelchocolake auf eine Portion, nach Umständen bald mehr, bald weniger, mit Wein etc. bereitet, dient in den obigen Krankheiten, wenn man zugleich flüchtiger Reizmittel bedarf.  
  IV) Chinachocolate, s . Chinarinde.  
  V) Die Erdmandelchocolate aus gelind gerösteten Erdmandeln (Cyperus esculentus, s. unten) mit Zucker zusammen gerieben, und gehörig gewürzt, läßt sich allein zu Pasten, oder mit gleichviel Cacao auch zu Tafeln formen, und gibt ein sehr liebliches, nährendes Kraftgetränk, gleich der Chocolate aus Wallnüssen. Die ärmere Menschenklasse in Spanien und Südfrankreich benutzt auch die Erdeichel (Erdnuß) Arachis hypogaea, zu Chocolate.  
  VI) Die Fleischchocolate ward zuerst von Bantigny aus Cacao und Osmazom, dem Kraft- und Riechstoffe der Fleischbrühe, angefertigt, und Philigieno genannt. Sie ist vorzüglich nährend und stärkend für Hektiker und Schwächlinge aller Art.  
  VII) Die Gerstenchocolate ist ebenfalls ein gutes Nahrungsmittel für Abgezehrte und Brustkranke. Noch leicht verdaulicher ist:  
  VIII) Die Salepchocolate, so genannte Wiener Brustchocolate, aus Salep- oder Astrachal- Wickenschleim mit mehr oder weniger Cacao u. Gewürzen versetzt.  .
  IX) Die Kaffeechocolate, ein Pulver aus gerösteten Cacao- und Kaffeebohnen, gibt ein anziehendes, belebendes Getränk (s. Kaffee).  
  X) Die isländische Mooschocolate, welche  
S. 29 Sp. 2 CHOCOLATE  
  aus 4 Theilen ausgeschälter Cacaobohnen, 4 fein. Zuckers, 2 isländ. reinen Moospulver und ¼ Salepwurzel bereitet wird, kommt nur in Pulverform vor; ist sie aber in Tafeln ausgeschlagen, so enthält sie zu wenig Flechte mit zu vielem Cacao oder Zucker, wie die der Chocolatefabrikanten, welche oft nichts Anderes ist, als gewöhnliche Chocolate, mit ein wenig nicht einmal fein gepulverter Flechte vermengt. Sie riecht dann nicht bestimmt nach dieser, schmeckt weniger bitterlich, und wird beim Kauen nicht sehr schleimig, wie sie es doch sollte. Sie ist zwar wohlschmeckender, aber nicht so leicht verdaulich, wie die echte Mooschocolate. Eine ganz geruch- und geschmacklose, wo die Flechte vorher mit kalter Kalilauge ausgezogen, kalt gewaschen und getrocknet ist, wird zu einem bloßen Nahrungsmittel, während die echte wenigstens ein Linderungs- und Restaurationsmittel für Lungenkranke ist (vgl. Lichen Island.).  
  XI) Die Reischocolate (Poudre content), eine Erfindung Lentin's, in Pulver- oder Pastenform, wird aus Reismehl (6 Unz.), feinem Zucker und Cakaopulver von jedem 3 Unz., feinem Caneel 2 Dr. bereitet. Ein Eßlöffel davon liefert mit 1 ½ Tassen Milch und gleichviel kochendem Wasser einige Mal aufgekocht, ein nicht unangenehmes, leicht sättigendes und nährendes Getränk, oder Suppensurrogat für gesunde Mägen, statt des Thee- oder Kaffeefrühstücks. Für Lungenkranke etc. läßt es sich mit einem concentr. isl. Moosdecoct, oder mit Salep und wäßrigem Chinaextrakt in Latwergenform verbinden, und löffelweise zwischendurch den Tag über nehmen.  
  XII) Die Zittwerchocolate ist ein gutes Wurmmittel für Kinder etc.  
  Übrigens ist die gemeine Chocolate ein zweckmäßiges Einhüllungsmittel mancher Arzneien, z. B. der Quecksilberpräparate, der Perurinden (s. Chinarinde, XVI. 349 ff.)  
  Diätetisch ist die Gesundheits- oder leicht gewürzte Tafelchocolate ein erwärmendes, belebendes, und, zumal mit Milch oder Wasser und Eicheln etc. bereitet, ein nährendes Kunstgetränk, verlangt aber einen guten Magen. Für Gesunde taugt sie um so weniger zum Alltagsgetränk, je gewürzreicher sie ist, am wenigstens die mit Pfeffer und Ingwer etc. verfälschte. Blut- und gallenreiche, so wie fette, müßige oder viel sitzende Personen sollten sie nicht trinken, weil sie die Neigung zu Blutstürzen und Schlagflüssen vermehrt. Für Kinder ist sie zu schwer verdaulich und erhitzend.♦  
  Die Milchchocolate mit Eigelb versetzt, paßt für magere, trockene, alte, abgelebte, abgezehrte, schwindsüchtige, mit Husten, besonders dem Kitzelhusten geplagte, oder an Hämorrhoiden Leidende, so wie für alle Entkräftete und Erschöpfte, als ein sehr nährendes Getränk, die Weinchocolate aber nur für kalte, phlegmatische und reizlose Naturen. —Endlich wird sie auch zu manchen Arzneien gesetzt, um sie wohlschmeckender zu machen, z. B. zu Morsellen, Pastillen etc.  
  Außerdem benutzt man sie zu mancherlei Confitüren in verschiedenen Formen, zu Torten, Cremes, Suppen, Likören etc. *).
 
  • *) Vgl. J. J. Stahl de Chocolata Indorum ejusque viribus medicis. Erf. 1736. 4. — J. H. Grosser arzneilicher {1} Grundriß v. d. Chocolate, deren Gebrauch und Mißbrauch etc. Schweinf. 1786. 8. — Parmentier i. d. Neuesten Entdeck. franz. Gelehrten, v. Pfaff u. Friedländer. VII. VIII. S. 61. etc. — Kaffee, Thee und Chocolade etc. f. Haushaltungen. m. K. Lpz. 1823. 8.
{1} Fußnote ergänzt von S. 30 Sp. 1
   
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Stand: 13. März 2018 © Hans-Walter Pries