1. Th. Cap. II
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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-2
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Von der Maasse der Landes-Fürstlichen Hoheit, in ansehung Käyserlicher Majestät und des Reichs.
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S. 41 (Forts.) CAP. II. ⇦ S. 41 (Anfang)
  Von der Maasse der Landes-Fürstlichen Hoheit, in ansehung Käyserlicher Majestät und des Reichs.
   
  Innhalt.
  Daß eine teutsche fürstliche hoheit nicht gar absolut sey, sondern auf die Kayserl. Majestät und das heil. reich ihren unterthänigen respect habe. §. 1.
  und zwar erstlich, daß er bey erhaltung seines staats, den staat Kayserl. Majest. vor augen habe. §. 2.
  andern, bey seinen gesetzen auf die reichs-gesetze sein absehen richte. §. 3.
  drittens, die Justiz in absehen auf die hohen reichs-gerichte administrire. §.  4.
  Vierdtens, die handhabungs mittel nach denen reichs gesetzen mäßige. §. 5.
   
  DAmit aber aus dem vorhergehenden capitel nicht die meinung geschöpffet werde, als ob eine teutsche landes-herrschafft so gar frey, und ohne einige ziel und maasse ihre hoheit zu gebrauchen hätte, so haben wir uns zu erinnern, wie im ersten theil schon kürtzlich gemeldet worden,
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  daß wir von solchen landen reden, die im Römischen Reich teutscher nation liegen, auch von solchen herren und ständen, die von der Käyserl. Maj. als dem höchsten oberhaupt im Reich mit ihren landen und herrschafften, oder doch mit deroselben regalien beliehen werden.
§. 1[1] Daraus folget nun, daß sie auch unter dem Käyser und dem Reich seyen, und mit empfahung ihrer regalien das Reich, wie im R. A. de Anno 1500. Tit. der teutsche orden, geredet wird, erkennen: Also daß dannenhero ein teutscher fürst oder landes-herr, nicht allein in seinem gewissen gegen Gott den Allmächtigen, seine regierung und handlung zu verantworten hat, sondern er ist auch schuldig, und mehrentheils mit eydes-pflichten verbunden, * einem ordentlichen erwehlten regierenden Römischen Käyser und dem Reich, gebührlichen respect und gehorsam zu leisten, und demjenigen, was Käyserliche Majestät, und die Chur-Fürsten und Stände des Reichs, altem herkommen nach, geordnet und geschlossen haben, und noch schliessen werden, für sich, und in seiner landes-regierung in acht zu nehmen, es wäre denn, daß er eines andern durch gewisse privilegien, freyheiten und bedingungen befugt wäre. [1]
  * Die formul ist: Ihro Kayserl. Maj. und dem Heil. Reich treu, hold, gehorsam und gewärtig auch nimmer wissentlich in dem rath zu seyn, noch einwilligen oder befehlen, da ichtwas wieder I. K. M. oder das Reich gehandelt werde, in einigen wege, sondern dessen ehr, nutzen und frommen befördern, und ihn vor schaden warnen etc.
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  Solche schuldigkeit und maasse der landes-fürstl. hoheit, desto besser zu verstehen, wollen wir dieselbe, nach denen vorhero im 1. capitel gesetzten vier haupt-puncten der landes-fürstlichen regierung, betrachten und erklären. **
  ** etwas weniges davon hat der herr autor noch in addit. §. 23. mit angeführt.
§. 2 §. 2. Bey dem Ersten, nehmlich der erhaltung seines fürstlichen standes, ehre, macht und hoheit, ist er schuldig, zuförderst den respect, ehre und hoheit des teutschen Reichs, und der Kayserlichen Majestät vor augen zu haben, nicht allein (1) mit äusserlichen worten und titul, daß er nemlich den Römischen Kayser seinen allergnädigsten Herrn nennet, und ihme den titul Ihrer Käyserl. Majestät giebet, sich aber einen unterthänigsten, oder allerunterthänigsten gehorsamsten fürsten des Reichs heisset und nicht, wie gegen andere, sich Von Gottes Gnaden, und Wir, sondern nur, Ich schreibet, und was dergleichen gebührliche ceremonien und höflichkeiten mehr sind.
  Sondern er ist auch (2) mit seinen pflichten dahin gewiesen, daß er sich, und seine lande und leute bey dem Röm. Reich, und unter dessen höchsten botmäßigkeit erhalte, und weder sich selbst davon ausziehe, und eine mehrere freyheit, als sich von alters her, und rechtswegen gebühret, mit gewalt oder vortheil suche, noch weniger aber einem andern fürsten im Reich, oder gar einem fremden sich unterwerffe.
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  (3.) Da das Römische Reich von äusserlichen feinden oder innerlichen auffrühren, angefallen und beleidiget würde, ist er schuldig, auf erfordern der Käyserl. Maj. und des Reichs, oder derjenigen, die darzu durch einhelligen schluß und satzung verordnet sind, mit etlicher, oder mit aller macht seiner land und leute, oder an dessen statt mit einem gewissen geld, oder reichs-steuer, vor die freyheit und beschützung des vaterlandes sich dar zu stellen und hülffe zu leisten. *
  * Woraus ferner abzunehmen, was von der so genannten neutralität eines reichs-standes, welche zumahl in denen letzteren Kriegen mit Franckreich sich hervor gethan, zu halten sey. Ausser deme auch dar zu thun wäre, daß dieses wieder das eigene beste derer stände gehandelt; denn wenn man darzu stille sitzet, wenn ein auswärtiger mächtiger feind die ihm nahe gelegenen länder auffrißt, so kann es wohl am ende nicht anders denn übel hergehen. Im übrigen hat man im teutschen reiche den matricular-anschlag an mannschafft und gelde.
  (4.) Ob wohl andere hohe potentaten, die keinen ober-herrn im lande haben, an christlichen tugenden, zucht und erbarkeit, auch dasjenige, was andern leuten insgemein recht oder unrecht ist, oder mit einem wort, an göttliche, natürliche, oder aller völcker recht auch gebunden sind, kan man doch in den wenigsten fällen, wenn sie darwieder handeln, in dieser welt sich an ihnen erholen, sondern wer zumahl schwach, oder ihr unterthan ist, der muß ihre Fehler und gewaltthaten mehrentheils dem gerechten Gott, zu seiner zeit zu richten, heimstellen. Ein fürst aber des reichs ist schuldig und
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  verbunden, demjenigen, den er beleidiget, und unrecht thut, und wider recht und seine freyheit und privilegia, die er etwan rechtmäßig erlanget hat, beschweret, auf dessen klage, nach gelegenheit und unterscheid der fälle, auch des herkommens, vor des Reichs hohen Gerichten, oder in andere wege, wie es dißfalls die satzungen vermögen, zu antworten, und was ihm daselbst endlich zu- oder ab-erkennet wird, zu thun und zu lassen, also, daß solchergestalt die teutsche landes-herren nicht allein an obengemeldete, sondern auch die im römischen reich übliche * sonderbare rechte und gebräuche gewiesen seynd, und darnach gerechtfertiget werden. Doch haben dißfalls die fürsten und herrn vor andern geringen personen einen vorzug, daß sie auf gewisse weise, und an gewissen orten, nehmlich nach unterscheid der sachen, vor einem andern fürsten des reichs, den sie zu einem austräglichen richter erwehlet, oder vor Ihren eigenen räthen, oder am Käyserl. Hofe, oder Cammer-gericht, in klage genommen werden, auch sie daselbst gegen andere klagen, damit ihre angelegenheiten zu erhaltung ihres respects und staats desto wichtiger, und zur gnüge betrachtet, und sie nicht übereilet werden, wie solches aus des Heil. Reichs-Cammer-Gerichts-Ordnung, und anderen vom zustand und verfassung des Römischen Reichs ausgegangenen büchern, weitläufftig zu befinden.
  * Worunter auch die Kayserl. und civil- rechte in sei-
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  ner masse, mit zu zehlen sind, wiewohl in neuern zeiten der bekannte Fürstenerius, ein anders zumahl in personalibus behaupten wollen, dessen gründe zwar aus denen reichs-gesetzen, observantz und der täglichen erfahrung noch eine erläuterung bedürffen.
§. 3 §. 3. Bey dem andern punct, da wir gesagt, daß der Landes-fürst macht habe gesetze und ordnungen zu machen, hat er, wegen des Reichs über Ihn schwebenden botmäßigkeit, dahin zu sehen, daß solche ordnungen und gesetze nicht wider diejenige gesetze und ordnungen, welche dem gantzen teutschlande durch Käyserl. Maj. und die sämmtlichen stände vorgeschrieben, sondern vielmehr denenselben gemäß und nachfolgig seyn, es wäre denn,* daß er dieselbe auf seiner lande zustand umständlicher und genauer einrichten wolte, oder es wäre eine sache in den reichs-ordnungen nicht berühret, sondern im mittel gelassen, oder betreffe eine zweiffelhafftige rechts-frage, die einer erklärung bedörffte, oder es wäre das gegenspiel durch lange gewonheiten, oder begnadigung des Käysers, und des Reichs, in seinem fürstenthum und lande jederzeit gebräuchlich gewesen. **
  * Gleichwie die hier folgende exceptionen der erst gesetzten regul ziemlichen abbruch thun; also ist wohl überhaupt richtig, daß, ob gleich die gesetze, so des gantzen reichs wohl- und zustand betreffen, von einzelnen reichs-ständen nicht dürffen abgeschaffet werden, dennoch diesen in denen übrigen fällen, landes-ordnungen und gesetze zu machen frey stehe, ob auch solche gleich
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  nicht in allen denen gemeinen reichs-gesetzen gleich seyn möchten. Zumahlen der hhr. Schützii und Strauchii wiedrige meynungen aus der kammer-gerichts-ordnung und einigen reichs-abschieden selbst sich wiederlegen. So brauchen auch heut zu tage die gesetze der reichs-stände keiner Kayserl. confirmation mehr, ob gleich vor alters dergleichen denn und wenn geschehen seyn mag.
  ** Daher die disputation des reichs-abschiedes zu Worms d. a. 1521., von succession der brüdern-kinder in Sachsenland nicht angenommen worden, ob gleich demselben die clausula derogatoria einverleibet war, als welche nur auf die künfftigen gesetze der reichs-stände, nicht aber auf das uhralte, und von denen Römischen Kaysern in denen privilegiis de non appellando stillschweigend mit approbirte sachsen-recht sich erstrecken konte.
  Ja er ist (2) schuldig, die ordnungen und gesetze des reichs, welche auf gebührliche weise, und mit gemeinem schluß*** der stände gemachet worden, in seinem fürstenthum und landen zu publiciren, auch daß denselben nachgelebet werde, verschaffung zu thun, und die übertreter zu straffen. Sintemahl auch etlichen reichs-satzungen eine gewisse straffe, wider die obrigkeiten, die denenselben nachzukommen säumig sind, einverleibet, welche solchen falls von dem höchsten Reichs-Gericht, oder Käyserl. Cammer pflegen eingefordert zu werden.
  *** Und dieses ist der wahre grund, worauf die verbindungs-krafft derer reichs-schlüsse und gesetze beruhet. Daher man in den meisten reichs-
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  abschieden die worte finden wird: haben wir uns mit denen ständen, und die stände sich hinwiederum mit uns verglichen. Zwar will der hr. Thomasius in seiner dissertation d. potest. Princ. legislat. dieses nicht ohne unterscheid passiren lassen; ich halte aber davor, daß dessen angeführte raison gar wohl mit dieser meynung conciliiret werden könne, wozu hier der raum zu kurtz.
  §. 4. Bey dem dritten punct, nemlich der gerichtbarkeit, können und mögen in vielen landen des reichs diejenige, welche mit denen aussprüchen und urtheilen der landes-fürsten und ihrer cantzeleyen und hof-gerichte sich nicht begnügen wollen, sondern vermeinen daß sie dadurch wider recht beschweret werden, in gewisser zeit an das Käyserliche Cammer-Gericht oder Reichs-Hoff-Rath sich beruffen, und daselbst die sache noch einsten erkennen lassen. Etliche fürsten und stände aber sind entweder biß auf eine gewisse hohe summe, deren die sache würdig ist, oder also gäntzlich, durch käyserliche privilegia und altes herkommen befreyet, daß von ihren urtheilen und bescheiden zu appelliren niemand zugelassen ist, gleichwohl aber sind sie hingegen destomehr schuldig, gericht und gerechtigkeit den anruffenden zu ertheilen, und die streitigen sachen ihrer unterthanen zu verhören, damit nicht im fall sie allzusehr verzüglich wären, oder das recht gar versagten, sie deßhalben verantwort- oder abforderung solcher sachen* an höhere örter gewarten müssen.
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  * Womit der hr. autor auf die querelam denegatæ vel protractæ justitiæ abziehlet, von welcher man nach gemeiner Lehre davor hält, daß solche, ohngeachtet ein reichs-stand das privilegium de non appellando hat, dennoch statt habe. Wobey doch meines erachtens der unterscheid zu machen, ob ein unterthan sich wegen durchgehend verweigerter justitz und ganz ungehörter klage beschweret, oder wenn es etwan in rechtl. erörterung seiner sachen nicht gleich nach seinem kopff gegangen, daraus so bald einen fall verweigerter justitz erzwingen will: letztern falß kan mit guten gründen das gegenspiel, und daß die provocation zu den höchsten reichs-gerichten nicht statt habe, dargethan werden; welches aber weiter zu berühren itzo unser vorhaben nicht zulässet.
§. 5 §. 5. Zum Vierdten, ob wohl, wie unten mit mehrerm erkläret werden soll, ein Landes-fürst, zu handhabung seiner hoheit, und vollstreckung seines obrigkeitlichen vorhabens, ein und ander zwangs-mittel, auch gar eine kriegs-verfassung im lande zu gebrauchen und aufzurichten hat, so ist doch solches in ansehung Käys. Maj. und des Reichs also gemäßiget, daß er wider dieselbe solche seine Macht und gewalt nicht wenden, oder auch einen andern fürsten und stand des reichs damit anfallen und beleidigen darf, wie er denn auch seine beschwerungen, die er wider einen andern seines gleichen, oder die nachbarn hat, welche gleich und recht leiden können, nicht mit heer-zug und gewalt, sondern, wie im reich herkömmlich, mit ordentlichem recht zu suchen, und also den land-frieden im reich, so viel
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  an Ihm ist, und er nicht mit gewalt von einem andern angetastet wird, zu halten schuldig ist, wie in beschreibung dieses puncts gehöriger orten mit mehrerm erleuterung geschehen soll.*
  * Im X. cap. dieses theils.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] Angabe fehlt in der Vorlage.
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Stand: 12. September 2017 © Hans-Walter Pries