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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-7-31
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wird auch vor dem landes-herrn in ansehen dessen familie gesorget, vor die verhaltung gegen freunde und anverwandten.
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S. 183 (Forts.)   ⇦ S. 183 §. 30
  §. 31. III. Nach der dritten betrachtung eines regenten gegen seine freunde, erfordert dessen angelegenheit, und die beschaffenheit des Teutschen Reichs, welches aus so vielen fürsten und ständen bestehet, daß ein landes-herr sich bemühet, nicht allein mit seinen bluts- und stamms-befreundten, sondern auch mit andern vornehmen ständen, und sonderlich denen benachbarten, in guter freundschafft und vernehmen, zu stehen. Doch werden hierinnen gewisse unterschiede gehalten, denn mit etlichen, Scan 203
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  als den bluts-freunden, nahen nachbarn und religions-verwandten, gehet ein landes-herr anders um, als mit weit entlegenen, und anderer religion zugethanen, denn die freundschafft und vertrauen hat seine gewisse maasse und gradus.
  Die gemeine bezeugungen gegen alle bekandten und freunde, bestehen darinnen, daß ihnen der landes-fürst freundliche grüsse und zu-entbiethungen, bey gelegenheit, da seine diener, oder andere bekandte vornehme leute, von ihnen zu jenen reisen, wiederfahren, und sich um ihren zustand befragen lasse, dergleichen auch hinwiederum von ihnen mit höfflichen danck annimmet. 2. Daß er ihnen auf die Neuen-Jahrs-Tage glückwünschungs-schreiben schicket.* 3. Daß er, im fall sie durchs land reisen, und sonderlich, da sie es ihme zu wissen thun, sie freundlich empfahen, in seine hof-statt laden, oder sonst bewirthen, und alsdenn ihnen die oberstelle, und alle ehre und vorzug, wie es der gebrauch, und hof-sitten erfordern, wiederfahren lässet. 4. Ihre Gesandten, die sie ihme zuschicken, gerne annimmet, vertraulich höret, ihnen alle ehre, nach der art, wie sie gesandt seyn, und es des Herrn Creditiv-schreiben erfordert, und sonderlich wenn sie an ihrer statt die gesandten ordnen, oder ihnen so viel, als sich selbst, zugetrauet haben wollen, erzeigen lässet. 5. Ihre andere vornehme diener, die etwa sonst reisen, oder nur etwas weniges, und nicht, als gesandte, anzubringen haben, zu sich erfordert, mit ihnen, von ihres herrn zustande, sich höfflich besprachet, dieselben auch, nach ⇩  *
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  gelegenheit, zu hofe zeucht, oder kostfrey hält. 6. So sie etwas, zu ihrer hof-statt gehörig, durchs land führen lassen, und darüber gebührenden schein ertheilen, wird ihnen solches Zollfrey paßiret, und sonst ihnen, und den ihrigen, auch denen, die sie recommendiren, gute förderung und vorschub gethan.
  Ist aber die verwandschafft und vertraulichkeit etwas grösser, so pfleget der landes-herr alle seine freudige und leidige zufälle schrifftlich ihnen zu notificiren, als, in freuden-fällen, die geburt und verheyrathung fürstlicher kinder, antretung einer regierung, glückliche erb-vertheilung, und andere wichtige verträge. In Leid, das absterben seiner nahen angehörigen, oder sonst einen grossen schaden der ihnen, und seinem lande, bevorstünde. Solche notificationes bekömmet er nun wiederum von seinen freunden, und nimmet dieselben gerne an, antwortet darauf und gratuliret ihnen in freuden- oder condoliret in leides-fällen, wie denn bey fürstlichen cantzeleyen die art, wie solches, und an wen es geschicht, mit fleiß aufgezeichnet zu finden. 2. Pfleget er dieselben auf begehren, auch Persönlich, bey etlichen vorhergesetzten begebenheiten, zu besuchen, oder seine gesandten darzu zu schicken, auch daß es ihm hinwieder von denenselben geschehe, zu bitten, er nimmet auch wohl sonst anlaß, ausser solchen fällen, zu vertraulicher conversation und unterredung, zu ihnen zu reisen, sich mit ihnen bey der hof-statt, oder auf der jagt, mit fürstl. und gebührlichen übungen, und freundli-
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  cher annehmung dessen, was ihnen zu ehren wiederfähret, zu ergetzen, und daß desgleichen von jenen hinwiederum bey ihme geschehe, zu begehren, und zu veranlassen. 3. Eine anzeige guter freundschafft und vertrauens ist auch dieses, wenn fürstliche personen einander bey denen fürstl. Kindern, die GOtt bescheret, zu gevattern bitten, und durch solches christliche werck bezeugen, daß sie dasjenige, was einem christlichen tauff-paten zu thun gebühret, gegen ihre liebe fürstliche kinder sich bey einer solchen person versehen. Das vornehmste aber einer vertrauten freundschafft ist, wenn ein landes-herr mit dem andern seine angelegenheiten in schweren regierungs- reichs- und land-sachen offenhertzig theilhafftig machet, ** treuen rath darüber begehret, auch hinwiederum mittheilet, ihme auch mit allerhand mitteln, nach der sachen beschaffenheit, darzu dienet und beförderlich ist, als mit vorschuß an geld, zuschickung kriegs-volcks, munition, vorrath an lebens-mitteln, schickung verständiger leute, vorbitten bey hoher reichs-obrigkeit, unterhandlung bey einem dritten, mit deme man in verwirrten sachen stehet, getreuer unterredung in gesamtem anliegen, und dergleichen, was treue und wohl-gemeynte freunde gegen einander zu erweisen pflegen. ⇩ **
  Bey diesen freundschafften insgemein, nimmet ein landes-fürst, und dessen verständige treue räthe, fleißig in acht: Daß auch die erst angeführten und gemeinen höfflichkeiten, gegen diejenige, mit denen man solche lange gepflogen, oder die darzu
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  von neuem freundlichen anlaß geben, niemahls unterlassen werden, denn dadurch achten sich dieselben personen beschimpffet, und wird ohne gnugsame ursache mißgunst erwecket. 2. Daß er auch gegen die, mit welchen er solche kundschafft noch nicht hat, mit respect sich verhalte, und entweder da sie höher und mächtiger, oder doch gleich, und ihres ruhms und fürstl. vorhabens wegen, ehre und liebe würdig, auch sich gegen ihme nie unfreundlich erwiesen, ihnen damit zuvor kömmt: Was aber geringere seyn, oder sonst also beschaffen, daß man ihre freundschafft nicht sonders zu wünschen hätte, dieselbe den anfang und anlaß machen lässet. 3. In der conversation, die er mit ihnen selbst, oder ihren abgesandten und dienern hält, brauchet er gute vorsichtigkeit, daß er ihnen mit gehörigem titul, und anderer bezeugung, höfflich, und nach gebühr, begegnet, in seiner nachfrage nicht zu fürwitzig und eigentlich, in entdeckung seiner gemüths-meynung nicht zu schnell und vertraulich sich erweiset, auch alsdenn, und sonst bey männiglich, da es ausgebreitet werden könte, deroselben nie anders, als mit ehren, und zum wenigsten ohne hönische und schimpffliche reden gedencket. Denn wo in solchen umständen verstossen wird, pfleget die freundschafft nicht zu bestehen, sondern nur haß und widerwillen, davon man einsten unvermuthete ungelegenheit hat, zu entspringen. 4. Darneben muß er auch darauf sehen, und sich erkundigen, wie hingegen ihme, und den seinigen, von solchen freunden und bekandten begegnet
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  gnet werde, und da etwas vorgienge, so zu seinem schimpff hinaus lieffe, nach gelegenheit und unterscheid der sache, und gebühr nach, erinnern, oder giebt es sonst höfflich, und bey gutem anlaß, hinwieder zu erkennen, daß er seiner hoheit, und respect, welchen ein regent in keinerley wege verwahrlosen muß, auch eingedenck sey. 5. In dem letzten grad der vertraulichkeit und freundschafft wird die gröste behutsamkeit gebrauchet, daß ein landes-fürst denjenigen, mit welchem er alle seine vornehmste angelegenheiten communiciret, oder ihme in dem seinigen rathen will, wohl betrachtet, ob er christenthums oder tugend halben eines sonderbaren vertrauens würdig, ob er auch verständige, verschwiegene, treue räthe, und diener habe, ob er auch rath und mittel von dar zu gewarten. Denn die erfahrung und vernunfft bezeuget, daß mit hochmüthigen, eigennützigen, ungerechten, und in verwirrten händeln schwebenden regenten wenig auszurichten, und von ihrer freundschafft nur schaden zu gewarten. Insonderheit aber wird dahin gesehen, daß mit dem rath und hülffe, die man einem nahen und vertrauten freunde thut, niemand wieder recht angegriffen, und beleidiget, auch des reichs-satzungen und hoheit in acht genommen werden, zu welchem ende sehr vorträglich, daß sich die landes-herren vor verbündnissen mit andern ständen, dadurch sie gehalten wären, sich jener in allen gelegenheiten anzunehmen, aufs müglichste hüten und äussern. Denn ob gleich darinnen die reichs-satzungen ausgenommen wer-
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  den, so geschicht es doch durch mißdeuten, und ungestümes anhalten, daß mancher fürst und herr darüber zuweit gehet, und wegen seiner bundes-genossen, sich und sein land in unglück stürtzet. 6. Obgleich auch ein regent keinen solchen freund findet, mit deme er in völligem vertrauen stünde, so erheischet es doch manchmahl die noth und beschaffenheit der sache, daß er in etlichen dingen einem andern eröffnung thun, rath und hülffe begehren, und hinwiederum dergleichen von sich verspüren lassen muß. Solchen falls wird bedachtsamlich erwogen, mit was gelegenheit, wie weit, und auf welche dienliche maasse solches geschehen könne, und sonderlich, daß keinem nichts wider gebühr, vernunfft und höfflichkeit, angemuthet, und also, dergleichen von sich zu begehren, nicht anlaß gegeben werde, nichts weniger, daß man zuförderst mit denen in vernehmen und correspondentz über einer sache stehe, welche dißfalls einerley haupt-meynung, und gleichmäßige ursachen zur wohlfarth haben, in diesem oder jenem dinge, also, wie verhoffet wird, sich zu erzeigen. Denn wegen der unterschiedenen religionen, mancherley interessen und vorhaben, be-freundung und verwandniß, rechtfertigung und streitigkeiten, führen die stände des reichs gar unterschiedliche anschläge und absehen, *** welche man beyläuffig wissen, und vor augen haben muß, wo mit denselben in wichtigen sachen etwas gehandelt werden soll. 7. Endlich, weil an der Nachbarn und anstossenden Potentaten freundschafft oder feindschafft viel gelegen, so erweiset sich
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  darinnen eines landes-fürsten verstand und tugend nicht wenig, wenn er durch oben beschriebene und andere wege ihre gewogenheit und gutes vernehmen zu erhalten, oder in fürfallenden streitigkeiten sich mit ihnen, nach recht und billigkeit, zu vergleichen, trachtet, insonderheit aber, da er etwas vermercket, was ihren landen schaden, oder auch nutzen, bringen, und also endlich das seinige auch mit betreffen könte, hat er nicht zu unterlassen, ihnen darinnen, so viel nur müglich, und es zu danck angenommen werden will, beyräthig zu seyn, oder auch, nach befügniß der sachen, treuliche erinnerung, nachricht und warnung zu ertheilen. Zu dem ende wird erfordert, daß man des zustandes der nachbarn sich mit guter bescheidenheit jederzeit informiret halte, und also auf den gemeinen nutzen und schaden, welchen nachbarn von und mit einander haben können, desto besser, und mit grunde zu gedencken, gefast seyn möge.
  * In so weit es nemlich der observantz gemäß, denn zuweilen schicket man solche schreiben so bald ab, bey anderer zeit und umständen wartet man biß dergleichen erst von andern eingelauffen, wovon man aus den actis der geheimden cantzeleyen und der erfahrung sich weitere nachricht erwerben muß.
  ** Bey etlichen fürstl. häusern ist in denen pactis domus dieses auch vorgeschrieben und versehen worden, daß in diesen und dergleichen wichtigen sachen die hohen anverwandten fleißige communication pflegen, vor einen mann stehen, treuen rath begehren, und also alles, was zu beförderung des fürstl. hauses splendeur gereichen mag, beobachten wollen und sollen. Wobey denn ein fürst billig bleibet und solche genaue auch zugleich heilsame verknüpffung von seinen dienern beobachten und nicht leicht etwas darwieder
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  thun lässet: Denn die regiments-arth der teutschen fürstenthümer erfordert nicht nur ein solches, sondern es dienet auch zu behutsamer verwaltung des regiments vortrefflich. Dahingegen wo ein fürst oder dessen räthe hierinnen andere principia führen, und gerne eine absolute, auf niemands weiter ein absehen richtende regierung ausüben wollen, sie dadurch grosses mißtrauen bey den anverwandten, neid, wiederwillen, sich selbst aber und ihren landen hauptsächlichen schaden erwecken, und endlich in eine eigenwillige herrschafft [rempublicam herilem] verfallen werden.
  *** Worinnen es mit unsern Teutschlande[1] überhaupt, als auch insonderheit denen darunter begriffenen staaten und fürstenthümern, eine besondere beschaffenheit hat, dergleichen man in andern ländern nicht leichte finden wird. Und wie nun dadurch dem gemeinen besten unverneinlich gar grosse verhinderniß entstehet, also machet auch solches die regierung der fürstenthümer sehr beschwerlich, welches denen, so von derer reichs-stände unter sich habenden öffentlichen strittigkeiten und rechtfertigungen, heimlicher jalousie, unterschiedlichen staats-absehen, welches alles nach der reformation durch das religions wesen sehr häuffig vermehret worden, nur einige nachricht haben, nicht unbekant seyn kan, auch von denen, so zu staats-geschäfften gebrauchet werden sollen, fleißig erlernet werden muß. Weil wir uns aber dermahlen in dieser gefährlichen materie nicht weiter einlassen können, so wollen wir einen jeden auf die erfahrung, welche durch betrachtung der vorgelauffenen und noch vorlauffenden handlungen, einsehung der archiven und reiffes nachdencken erlanget wird, verwiesen haben. ⇩ [1]
 
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  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: Teuschlande
   
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Stand: 15. September 2017 © Hans-Walter Pries