S. 282 (Forts.) |
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⇦ S. 282: §. 1 |
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§. 2. Ob nun wohl etliche hundert jahr hero den
weltlichen obrigkeiten, durch den geistlichen |
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stand, und die anstalt des päbstlichen stuhls zu
Rom, an diesem stück des regiments grosser abbruch geschehen, * und
darüber zwischen den streitigen religionen viel zwiespalt
entstanden. So ist doch solches recht durch sonderliche abschiede
und satzungen des Reichs, bevorab die, welche in an. 1555. zu
Augspurg von damaliger Käyserl. Maj. und denen Chur-Fürsten und
Ständen des Reichs, aufgerichtet worden, bekräfftiget, ** und
darinnen ausdrücklich gesetzet, daß die Teutschen Fürsten und
Stände, welche von den Röm. Catholischen sich in glaubens-sachen
gesondert, bey der Augspurgischen Confeßion, religion, glauben,
kirchen-gebräuchen, ordnungen und ceremonien, so sie aufgerichtet,
oder nachmals aufrichten möchten, ruhiglich und friedlich gelassen,
und geschützet, auch der römisch-geistlichen bischöffe jurisdiction
wider dieselbe, und solche ihre confeßion, religion, glauben,
kirchen-gebräuche, ordnungen und ceremonien, aufgehaben seyn soll.
Und ob wol solcher religions-friede und satzungen nicht ohne grosse
zerrüttung, mühe, gefahr und kosten, damahls, nach ausweisung der
historien erworben, seithero auch zu erhalten gleicher gestalt, wie
die vorgewesene unfälle und betrübte läufften bezeugen, sehr schwer
gewesen, so ist doch solcher anderweit mit einhelligem schluß, des
Teutschen Reichs, auch anderer benachbarten Stände, durch den
bekanten friedens-schluß, Anno 1648. aufs neue befestiget worden,
also, daß die Landes-Herren des |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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Protestirenden Theils so wohl nach dem Grunde
göttlicher und natürlicher, als auch nach zulassung der üblichen
reichs-rechte und satzungen, nebenst dem weltlichen, auch das
geistliche regiment, so weit einer christlichen obrigkeit zukömmet,
zu führen haben; *** Massen sie denn dieses, wie billig, seiner
vortrefflichkeit und wichtigkeit nach, vor das gröste regal- oder
obrigkeitliche recht halten und achten, und solches äusserlich zu
behaupten, alle die mittel und wege brauchen, die wir oben in
weltlichen regiments-sachen bey dem ersten punct der regierung
erzehlet. |
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* Man muß sich wohl recht höchlich verwundern, wie
es immer möglich gewesen, daß die Päbste zu Rom die lehre von
verknüpffung des geist- und weltlichen regiments, und daß jenes
einem weltlichen potentaten nicht zustehen könne, unter so
scheinbarem vorwand durchzutreiben gewust: Denn entweder können die
geistlichen sachen samt denen weltlichen von Einen regenten ihrer
beschaffenheit nach verwaltet werden, oder nicht; ist jenes, so hat
der römische stuhl viele hundert jahre her denen edelmüthigsten
Europäischen häuptern unrechtmäßig auf die hälse getreten, und sich
eines fremden guthes angemasset; ist aber dieses, so können die
vornehmsten Ertz- und bischöffe nebst andern prälaten des Teutschen
Reichs, ja der römische pabst selbst, nebst denen geistlichen
geschäfften, die weltliche regiments-sachen zugleich mit guten
gewissen nicht verwalten. Wolte man aber einwenden, daß solche
verknüpffung nur in der person eines weltlichen potentaten unzuläßig
sey, so wäre dieses nicht allein zuförderst zu erweisen, und die
lehre unseres Heylandes: Die weltlichen könige herrschen, ihr aber
nicht also: zu widerlegen, sondern auch einiger päbste deme
zuwiderlauffendes factum, ohne schaden der gerühmten infallibilität
umzustossen. |
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Anderer Theil. Cap. 11. |
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Also befreyete ja selbst pabst Eugenius IV. im
jahr 1404. die hertzoge von Cleve aller geistlichen gewalt derer
Ertz-bischöffe zu Cölln und bischöffe zu Münster, daß daher ein
sprichwort entstanden: Der hertzog von Cleve sey pabst in seinen
landen: Doch was brauchts, in einer so offenbaren sache sich länger
aufzuhalten, welche auch mitten im pabstthum sattsam ist erkant
worden. Es musten ja schon zu zeiten der Fridericorum und Henricorum
die päbste sich vieles unter die nase reiben lassen, so ihnen zu
schlechten ruhm gereichete; ist auch bekant, was hertzog George zu
Sachsen, ein sonst eyfriger papist, sagte, als ihme wegen der balley
Thüringen streit erreget wurde: Er wäre in seinem lande selbsten
Pabst, Kayser, und Teutscher Meister. |
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** Es haben aber auch vor diesen zeiten die, der
Catholischen religion zugethane regenten, von dem rechte in
geistlichen sachen nicht völlig abweichen wollen, sondern einer
viel, der andere wenig sich darinnen angemasset, nachdem es ihr
zustand leiden wollen, wie davon die exempel der landgrafen in
Hessen und hertzoge in Bayern, auch anderer mehr sattsam zeugen
können, und die scribenten hin und wieder davon nachricht
geben. |
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*** Daher auch die Landes-fürsten des Teutschen
reichs im Nürnbergischen reichs-abschied d. a. 1524. Schützer und
beschirmer des glaubens, genennet werden. |
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