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bejahende Eigenschaften |
Es hat uns aber der
Begriff, daß GOtt ein von der
Natur
wahrhafftig
unterschiedenes
Wesen sey,
verschiedene
verneinende Eigenschafften GOttes an die
Hand gegeben; da wir aber auch oben gesehen, daß GOtt die erste
Grund-Ursache
aller
Dinge ist, so wird uns dieses, so viel die
menschliche Schwachheit zuläst,
auch auf bejaende Begriffe leiten. |
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Es äussert sich GOtt durch die
Schöpffung, und durch die Erhaltung der
Welt.
Würdigen wir dieses eines genauern Anschauens, so entdecket sich allenthalben
unsern Augen ein allweisester
Verstand, ein
gerechter sowohl als allgütiger
Wille, und eine überschwenckliche Allmacht. |
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Was sonst etwa noch von GOtt bejaende
Eigenschafften vorkommen
sollten, wird
sich gar leichte unter nur genannte 3. beschlüssen lassen, denn alle bejaende
Eigenschafften GOttes sind Thätigkeiten GOttes gegen die
Natur, und zwar
vollkommen wohl und mit unbeschreiblicher
Kunst abgerichtete Thätigkeiten, die
von keinem andern, als von einem freyen und willkührlich-würckenden Wesen
ausgeübet werden können. Da nun aber unsere
Gedancken
menschlicher Weise
geschehen, so können wir uns freylich die
Freyheit und Willkührlichkeit in GOtt
nicht anders als menschlich
vorstellen, nemlich als einen vollkommenen
vernünfftigen
Verstand, vollkommenen
Willen und vollkommenen
Macht, das, was man
gedenckt und will,
würcklich auszuführen. Denn soll menschlicher Weise etwas
durch willkührliche Thätigkeit hervor gebracht werden, so kann es ohne Verstand,
Wille und Macht nicht geschehen, dahero müssen auch alle bejaende Eigenschafften
oder Thätigkeiten GOttes gegen die Natur auf obgedachte
Begriffe hinaus lauffen. |
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Verstand Gottes |
Von dem
Verstande GOttes also zu
reden, werden wir nicht besser
thun können,
als wenn wir
Müllern Metaph. ... welchem wir so bey
Ausarbeitung dieses
Articels das meiste zu dancken, seine
Gedancken abborgen.
Wir befinden nemlich bey Betrachtung der
Welt so einen vortreflichen
Zusammenhang und Ausfluß eines aus dem andern, daß überall unverwerffliche
Zeugen eines weisen Wesens auftreten, welches dieses alles so weißlich geordnet
und gemacht, daß, wer nur seine Augen nicht muthwillig verschlüssen
will,
allenthalben Spuhren von dem allervollkommenesten
Verstande, der dieses alles so
eingerichtet, antreffen wird. |
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Da nun aber der
menschliche Verstand, wenn er auch |
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{Sp. 325|S. 180} |
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die Geschicklichkeit, deren er von
Natur fähig ist, auf den höchsten Gipfel
gebracht hat, nur einige kleine
Theile derer in der Natur selbst an einander
hangenden Reihen derer
Dinge in seinen
Begriffen zu erreichen fähig ist, so muß
hingegen der
göttliche Verstand, oder die göttliche Weißheit, indem GOtt der
Schöpffer und Erhalter aller
Dinge ist, unstreitig auch die
gantze ungeheure
Subordination aller Dinge in der gantzen
Welt, ja, da GOtt unendlich, und
an die endlichen Determinationen, die er denen
weltlichen Dingen
gesetzet, nicht ein Mahl gebunden ist, unendlich weiter sich erstrecken, so, daß
wenn GOtt auch einen der gantzen Natur vollkommenen adaequaten
Verstand, der die gantze Natur vollkommen zu übersehen
vermögend wäre,
erschaffen hätte, selbiger dennoch vom göttlichen Verstande noch eben soweit als
die Natur von GOtt, das ist, als die Endlichkeit von der Unendlichkeit
unterschieden seyn würde. |
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Doch aber selbst dabey, daß wir GOtt einen
Verstand zuschreiben,
muß man
sich wohl in Acht nehmen, daß das
Wort
Verstand nicht in seiner
gewöhnlichen
natürlichen
Bedeutung vor eine oder etliche in GOtt, wie in uns
Menschen
befindliche determinirte
Kräffte, eine
Erkenntniß, die man vorher nicht
hatte, zu erlangen, genommen werde, und also die Anthropopathie in
einen verwerfflichen Anthropomorphismum degenerire. Denn der göttliche
Verstand ist eine
Würckung GOttes in die
Natur, die denen Würckungen
unsers
Verstandes nur ähnlich siehet. Es können demnach in GOtt keine
Sinne, kein
Gedächtniß, keine
Urtheilungs-Krafft, keine Dichtungs-Krafft, und überhaupt
keine
Vernunfft in natürlichem
Verstande seyn, weil selbige mit allen ihren
Kräfften eben GOtt allererst erschaffen als eine Fähigkeit, die einen von Natur
unwissenden
Geist
voraus setzet, dem sie zu einem nothdürfftigen
Mittel
verliehen worden, die Unwissenheit zu vertreiben, und die zu seinem
Zwecke
nöthige
Wissenschafft zu erlangen. |
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Kann man nun also GOtt keinen natürlichen Verstand zuschreiben, desto
weniger werden sich die
Würckungen des
Verstandes von ihm
sagen lassen, als daß
GOtt um etwas
erkennen zu können, es erst
empfinden müsse, das empfundene
mercke, oder sich dessen
erinnere, und hierdurch die
Ideen derer
Dinge erlange,
diese als concretas in ihre abstracta zergliedere, und aus
diesem
Grunde die Ideen in Propositionen zusammen ordne, aus
deren einer er andere vorher unerkannte
Wahrheiten durch
Schlüsse heraus bringe
und demonstrire, vielweniger, daß er etwas
wahrscheinlich
vermuthe. |
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Da indessen GOtt der Schöpffer des
menschlichen Verstandes ist, so
erkennet
er, ob gleich
sein Verstand selbst nicht
menschlich ist, doch das verborgenste
des menschlichen Verstandes. Der das Ohr gepflantzet hat, sollte der
nicht hören: der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen:
Ps.
94. 9. GOtt selbst braucht zur Erkenntniß dessen kein Auge, Ohr und dergleichen
natürliche Kräffte, weil er ein übernatürliches Wesen ist, und also auch die
sich selbst gelassene richtige
Vernunfft, als einen Hertzens-Kündiger verehret.
Wir
verneinen also von GOtt alle diejenigen
Eigenschafften des Verstandes,
welche natürlich und endlich. Also kann dem göttlichen Verstande kein erstes
Principium gesetzet seyn, aus welchem seine in der
Ordnung der Natur
hervorleuchtende Weisheit, wie etwa die menschliche aus dem ihrigen, auf eine
von der Freyheit oder dem
Willen GOttes independente Art sollte flüssen
müssen. |
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{Sp. 326} |
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Es
irren also die
Scholastischen
Weltweisen, wenn sie
gesagt, daß
man die
Wahrheit in dem
Verstande GOttes antecedenter ad voluntatem Dei,
das ist, nicht als von dem freyen
Willen GOttes
dependirend, sich
vorstellen
müsse. In dem
menschlichen Verstande ist es zwar also, dessen
Wahrheiten und deren
Erkenntniß von seinem endlichen
Principio cognoscendi
und der
Natur derer
Dinge oder
Obiecte, diese beyde aber nicht von
der Freyheit
der menschlichen
Seele, sondern von GOTT und Natur dependiren;
GOTT aber durch die
Wahrheit den menschlichen
freyen Willen, nicht aber jene
durch diesen, will gemeistert haben; dahero freylich die Wahrheit der
menschlichen Erkenntniß von dem
menschlichen Willen independent ist. |
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Aber auch dieses läst sich auf den
göttlichen Verstand nicht deuten. Denn da
der göttliche Verstand und
Wille
nicht zwey
unterschiedene
Dinge in GOTT selbst,
sondern nur zwey unterschiedene
Verhältnisse der einigen
gantz einfachen
GOttheit gegen die
Welt sind, die wir nur wegen der Ähnlichkeit, die sie mit
denen
Würckungen
unsers Verstandes und
Willens haben, vermittelst der
Anthropopathie uns unter dem Bilde eines Verstandes und Willens vorstellen,
so hebt sich von sich selbst auf, wenn man
fraget, ob Verstand oder Wille eines
dem andern in GOtt vorgehe, und welches von einander dependire? GOtt
ist untheilbar. |
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Reden wir also von dem
Willen oder dem
Verstande GOttes, so ist es GOtt
selbst. Er hat durch die
Schöpffung, und also offenbarlich durch seinen Willen
aller in der
Natur hervor leuchtenden
Weisheit ihre ersten
Principia
gesetzet. Er ist der Schöpffer derer
Elemente und
Geister, welche die
Principia der natürlichen
Weisheit sind, die in dem
Zusammenhange derer Dinge selbst anzutreffen. Er ist der Schöpffer derer
Sinne und der
Vernunfft,
welche das
Principium der
menschlichen Weisheit sind. Er ist der
Urheber aller
Zwecke derer Dinge, als des Principii aller
moralischen
Weisheit: Da nun alles in dem göttlichen Willen seinen
Ursprung hat, und durch
angezeigte Principia alle erschaffene Weisheit eben endlich und
umschränckt ist, indem sie sich über dieselbe nicht erstrecken kann, so kann die
erschaffende Weisheit selbst kein Principium, das sich ad
voluntatem creandi antecédenter verhalte, weil, wenn sie wie die
menschliche Weisheit antecedenter ad voluntatem humanam in die
Grentzen
determinirter
Principiorum eingeschräncket wäre, sie
unstreitig endlich, und folglich nicht göttlich seyn müste. |
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Es bleibt also, wie schon
gesagt, dabey, daß der
göttliche Verstand kein
determinirtes
Principium habe, aus welchem seine in der
Ordnung der Natur
hervorleuchtende Weisheit auf eine von dem
Willen GOttes
independente Art flüssen sollte. Ob nun gleich die göttliche Weisheit, in
so ferne sie in denen natürlichen
Wercken GOttes auf eine endliche Art
determinirt befunden wird, sich
unserm Verstande in einer fortwährenden
Folge des einen aus dem andern darstellet, und also die
Existentz derer
natürlichen Dinge sowohl als unserer
Ideen von demselben an gewisse
Grentzen der Zeit, in welcher das folgende aus dem vorhergehenden erfolget,
gebunden ist, so kann doch in GOtt selbst, weil er ein von der Natur
unterschiedenes Wesen, und also ausser aller Zeit ist,
unmöglich, wie etwa in
der Natur und in denen
Würckungen des menschlichen Verstandes, eines auf das
andere folgen, sondern die gantze Folge der Zeit, und |
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{Sp. 327|S. 181} |
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die
gantzen in derselben auf einander folgenden Reihen aller
Dinge und deren
in denen menschlichen
Seelen durch sie erweckten
Gedancken und
Begierden müssen
nothwendig dem göttlichen
Wesen alle zugleich und das eine so
unmittelbar als
das andere, und nicht etwa auf ein Mahl nur ein
Theil der Zeit und derer in ihr
geschehenen Dinge
gegenwärtig seyn. |
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Es ist also eben Falls nur auf
menschliche Weise
gesprochen, wenn man GOtt
eine Vorhersehung zuschreibt, weil in GOtt keine Zeit, und also auch kein
Vorhersehen Stat hat. Von der Vorsehung GOttes aber selbst werden wir unten
unter Vorsehung GOttes
reden. |
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Da endlich das
Wesen einer menschlichen
Gedancke ein mehrers nicht in sich
halten kann, als nach ihrem
Principio
möglich ist, so kann GOtt, wenn
wir ihn nach derjenigen Thätigkeit betrachten, die wir uns unter dem Bilde
eines
göttlichen Verstandes vorstellen, weder an die Grentzen, die er seiner
Weisheit in der
Natur, noch vielweniger an diejenigen, die er dem
menschlichen
Verstande durch die
Schöpffung mit freyer Bestimmung determinirter
Principiorum gesetzet, und folglich an gar keine Grentzen gewisser durch
ein Principium determinirter
Möglichkeiten und
Unmöglichkeiten gebunden
seyn. |
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Also demnach, wenn wir den in GOtt zu suchenden
Ursprung der in der
Natur zu
erblickenden
Weisheit einen
Verstand
nennen, von solchem Verstande aber alle
natürlichen Einschränckungen durch die Abstraction hinweg thun, als
neulich die Einschränckung in die Grentzen eines determinirten
Principii, die determinirte Folge des folgenden aus dem
vorhergehenden, Krafft deren nicht beydes zugleich, sondern nur eines nach dem
andern existiren kann, und endlich die Einschränckung in die Grentzen
gewisser Möglichkeiten, welche, und nicht ein mehrers, ein gewisses
determinirtes Principium zuläst, so überkommen wir eine richtige
Idee von der Allweisheit und Allwissenheit des
göttlichen Verstandes,
so weit sie dem
menschlichen Verstande aus dem
Grunde, daß GOtt ein von der
Natur unterschiedenes Wesen sey, aufs höchste durch blos verneinende
Ideen
und
Schlüsse zu erreichen möglich ist. |
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göttlicher Wille und Macht |
Gleiche Bewandniß hat es mit dem
göttlichen Willen und
Macht. Wir
Menschen
finden in uns eine Fähigkeit,
Zwecke und
Mittel zusammen zu ordnen, so, daß wir
Zwecke
wollen, und zum
Gebrauch derer dazu dienlichen Mittel uns entschlüssen,
welche Fähigkeit wir unsern
Willen nennen, gleichwie hingegen die
Kräffte der
Natur, so weit der Gebrauch derselben unserer
Freyheit der
Gestallt
unterworffen ist, daß wir durch selbige, als durch Mittel, unsere abgezielte
Zwecke zu erlangen, und zur
würcklichen
Existentz zu bringen vermögen, unsere
Macht
heissen. So stellen wir uns auch die Thätigkeit, durch welche GOtt die in der
Natur so richtig auf einander passenden Zwecke und Mittel erlesen, als einen
Willen oder Rathschluß GOttes, die Thätigkeit aber, durch welche GOTT solches
alles vermittelst der Schöpffung und Erhaltung würcklich herzustellen vermag,
als die Macht GOttes. |
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Wir mercken aber nochmahls, daß solches nur nach
menschlicher Weise
gesagt
werde, sintemahl beyderley Thätigkeit, so deutlich auch ihre
Existentz,
in so fern sie sich in der
Natur auf die in derselben determinirte
endliche Art äussert, uns in die Augen leuchtet, dennoch von Seiten GOttes, als
eines von der Natur unterschiedenes Wesens, der menschlichen
Vernunfft
unbegreiflich ist. Es hat also der bejaende
Begriff, den wir sowohl |
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{Sp. 328} |
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von dem
Verstande oder der Allweisheit GOttes als auch von dem
Willen u. der
Allmacht GOttes haben, zu seinem wahrhafften Gegenstande das, was allen dreyen
Begriffen gemein ist, nemlich die
ungezweifelte
That und
Würckung GOttes, durch
welche er der Schöpffer und Erhalter der
Welt ist. Denn wenn der
menschliche Verstand von dieser göttlichen Thätigkeit den in ihr zu suchenden ersten
Grund
der
gantzen so richtig an einander hangenden Folge derer
Dinge auseinander
abstrahiret, so ist solcher abstracter Begriff die eigentliche
Idee des göttlichen Verstandes oder der göttlichen Weisheit. |
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Wenn der
menschliche Verstand von eben derselben göttlichen Thätigkeit den
in ihr eben Falls zu suchenden ersten
Grund derer in der
Natur denen
Dingen
bestimmten
Zwecke und Mittel abstrahiret, so ist solcher abstracte
Begriff die eigentliche
Idee des
göttlichen Willens. Wenn endlich der
menschliche Verstand von der gedachten göttlichen Thätigkeit den in ihr nicht
weniger zu suchenden ersten Grund der durch die
Schöpffung würcklich
hergestellten
Existentz
einer so ungeheure Menge aller Dinge und ihrer
Kräffte abstrahiret, so ist solcher abstracte Begriff die
eigentliche
Idee der Allmacht GOttes. |
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