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Zedler: Mutter [1] HIS-Data
5028-22-1604-6-01
Titel: Mutter [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 22 Sp. 1604
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 22 S. 820
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Stichworte Text  Quellenangaben
  Mutter, Mater, Mere, heist in denen Rechten überhaupt eine jedwede Weibs-Person, die einen oder mehrere Kinder zur Welt gebracht hat.  
  Und geniessen dieselbe unterschiedene Rechte und Freyheiten. Nicht aber zu gedencken, was ihnen nur als Weibs-Personen vor besondere Vortheile zustehen, wovon unter dem Artickel Weib ein mehrers beyzubringen seyn wird; so haben sie sich ausser dem noch vieler andern Rechts-Wohlthaten zu erfreuen, wovon eines und das andere zu gedencken vorfällt.  
Erbrecht Zwar nach Maßgebung der ältesten Römischen Gesetze hatten die Mütter erst so wenig etwas von der Verlassenschafft ihrer noch bey ihren Lebzeiten verstorbenen Kinder zu erben, als ihnen die geringste Gewalt über dieselben, wie etwan den Vätern, zustand; wovon insonderheit unter dem Artickel väterliche Gewalt ausführlich gehandelt werden wird.  
  Indessen geschahe doch mehr aus Behertzigung der natürlichen Billigkeit, als vermöge ausdrücklicher Gesetze und Verordnungen, daß ihnen die Römischen Stadt-Richter, wenn sich der Fall ereignete, daß Kinder bey Lebzeiten ihrer Mutter verstarben, dieselben so wohl zu dieser, als diese wiederum zu jener Verlassenschafft, als rechtmäßige Erben zuliessen. Wie insonderheit aus dem bekannten Edicte Unde cognati und dem Principio Inst. de Scto Tertulliano mit mehrerm erhellet.  
  Nachmahls ließ sich unter andern der Kayser Claudius, die denen Müttern insbesondere gantz natürliche Weichhertzigkeit und Betrübniß über den Verlust ihrer Kinder bewegen, die Verordnung zu machen, daß man dieselben, um sie dadurch gewisser massen wiederum in etwas zu trösten, zu ihrer Kinder Verlassenschafft, als rechtmäßige Erben hinzu lassen solte, §. 1. Inst. eod.
  Wiewohl auch verschiedene Rechts-Gelehrte der Meynung sind, daß diese von dem  
  {Sp. 1605|S. 821}  
  Kayser Claudius ergangene Verordnung nicht überhaupt von allen und jeden Müttern ohne Unterschied, sondern nur insbesondere von denenjenigen zu verstehen sey, welche sich des in denen Römischen Gesetzen bekannten Rechtes derer drey oder vier Kinder zu erfreuen gehabt, wovon gleichfalls ein besonderer Artickel nachzusehen. Cujacius in Not. Poster. ad §. 1., Inst. h.t. Bes. auch Schultings Annot. ad Ulpiani Fragm. Lib. XXIX, c. 3. p. 672.
  Endlich aber wurde die bisher üblich gewesene Strenge derer alten Römis. Gesetze durch den Tertullianis. Rathschluß, wovon gleichfalls ein besonderer Artickel handelt, dergestalt gemildert, daß ins künfftige, wenn sich eine dergleichen Fall zutrüge, denen Müttern allezeit vergönnet seyn solte, sich ihre abgestorbenen Kinder Erbschafft anzumassen; welches aber dennoch nur von denen leiblichen Müttern, nicht aber auch zugleich von denen Groß-Müttern zu verstehen war; wie sonderlich aus dem §. 2. Inst. de Scto Tertull. erhellet.  
  Ja was noch mehr; so kam auch diese Rechts-Wohlthat wiederum noch nicht allen, obgleich leiblichen Müttern, sondern nur allein denenjenigen zu statten, welche das erstgedachte Recht derer drey oder vier Kinder vor sich hatten; wiewohl ihnen dennoch auch dißfalls bisweilen durch eine besondere Begnadigung von dem Fürsten geholffen ward.  
  Ferner ist hierbey zu mercken, daß, wenn die verstorbenen Kinder wiederum Kinder gezeuget, und dieselben, oder auch nur deren Kinder und Kindes-Kinder bey ihrem erfolgten Absterben am Leben waren, dißfalls ihren noch am Leben seyenden Kindern alle Hoffnung, daß geringste von ihrer Verlassenschafft zu erben, abgeschnitten war.  
  Weiter schloß auch deren Vater allezeit die Mutter von der Erbschafft aus, und dieses sonderlich nach denen bekannten Edicten Unde legitimi und Unde decem personae.  
  Endlich gieng auch ein vollbürtiger Bruder (frater consanguineus) ob wohl, als ein blos im durch freye Willkühr seines Vaters an die Seite gesetzter, und von diesem an Kindes Statt angenommener (adoptivus), der Mutter vor. L. 1. §. ult. ff. de suis et legit. haered.
  Eine Schwester aber, wenn sie gleich ebenfalls vollbürtig (consanguinea) war, hatte deshalber keinen besondern Vorzug; sondern erbte allezeit, wenn es eine Tochter war, die verstorben, auf die Helffte, war es aber ein Sohn, zu gleichen Theilen (pro virili). L. 2. C. Th. de sec. nupt.
    welches alles zwar gantz kürtzlich, aber doch ziemlich gut und genau, in des Ulpianus Fragm. Lib. XXVI, c. 8 abgehandelt, nachgesehen werden kan.
  Bis endlich der Kayser Justinianus, wie in vielen andern Stücken, so auch hierinnen, eine Änderung getroffen. Denn zu geschweigen, daß derselbe nicht allein das beruffene Recht derer drey oder vier Kinder in Ansehung derer Mütter gantz und gar abgeschaffet wissen wollen; so hat er unter andern auch ausdrücklich verboten, das künftighin schlechterdings nicht mehr weder denen Vollbürtigen, (consanguineis) noch auch denen leiblichen (uterinis) Brüdern vor denen Müttern einiger Vorzug verstattet werden solle. Nov. CXVIII, c. 2.
  Wie nun hauptsächlich der Tertullianische Rathschluß derer Mütter Bestes  
  {Sp. 1606}  
  in Ansehung der von ihren Kindern zu erbenden Verlassenschafft besorget; so ward im Gegentheile auch denen Kindern hinwiederum wegen der von ihrer verstorbenen Mutter zu hoffenden Erbschafft, sonderlich durch den Orphilianischen Rathschluß geholffen, wovon an seinem Orte.  
  Daß also vermöge der darinnen geschehenen Verordnung nicht allein die Söhne und Töchter ohne Unterschied, sondern auch sogar die in Unehren erzeugten Kinder, ihrer leiblichen und natürlichen Mütter Erben seyn konnten, und überdieses auch noch alle andere Anverwandten und Bluts-Freunde von mütterlicher Seiten her, ausschlossen. Pr. Inst. und §. 2 und 3, Inst. de SCto Orphit.
  Nachdem aber gleichwohl noch immer ein mercklicher Unterschied zwischen der Art und Weise sowohl, als dem eigentlichen Grunde eine väterliche und mütterliche Erbschafft anzutreten, gemachet worden war; so hob endlich der Kayser Justinianus denselben gleichfalls dergestallt auf, daß insonderheit nach Maßgebung der CXVIII Novelle c. 1, die Kinder ihren Eltern, es mochte gleich die väterliche oder mütterliche Erbschafft betreten, aus einerley Grunde und mit einerley Rechte folgten; welches denn auch durch die neuern und heut zu Tage üblichen Rechte dergestalt bestätiget worden, daß nicht allein die Mütter von denen Kindern so wohl, als die Väter, und die Kinder hin wiederum von beyderseits Eltern, es sey gleich Vater oder Mutter, erben können. Besiehe hierbey die Artickel Erbe, Kinder und Vater.  
     

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HIS-Data 5028-22-1604-6-01: Zedler: Mutter [1] HIS-Data Home
Stand: 18. September 2016 © Hans-Walter Pries