⇧ S. 348 Sp. 1 |
|
|
Forts. S. 348 Sp. 1 |
BÜCHERVERBOT, hat mit der Censur
gleichen Zweck, Verhütung des Schadens, welcher durch die
Verbreitung einer Schrift entstehen könnte; aber die Censur
wirkt bevor das Buch zu seiner Bestimmung völlig bereitet ist,
das Bücherverbot dagegen wenn diese Vorbereitung schon
beendigt ist. Es bezieht sich entweder auf seine Ausgabe, auf
die Verbreitung, den Handel mit demselben, oder es bezieht
sich, und droht auch Strafe, auf den Besitz desselben.♦ |
|
|
Nach dem römischen Kaiserrecht ward
wider den peinlich verfahren, welcher ein böses Buch zwar
vernichtet, aber die starken Stellen daraus bekant gemacht
hatte (Inst. 1. 36.). Man hat Spuren von griechischen
Bücherverboten, und die Römer duldeten von allen punischen
Schriften nur ein Buch von der Landwirthschaft. Alle
Zwangsgewalt hat zu allen Zeiten und an allen Orten, wo man
schreiben und lesen konnte, die Bücher verfolgt, verrufen oder
verbrannt, worin ihre |
|
S. 348 Sp. 2 |
BÜCHERVERBOT |
|
|
Schwächen und Angriffsblößen verrathen,
der Haß wider sie entflamt, und ihr Sturz stumm und still, aber
desto wirksamer vorbereitet wurde. Wilhelm der Eroberer
scheint der erste zu seyn, von dem eine geschichtliche
Nachweisung darüber aufbewahrt worden; er soll das
Schreiben im Angelsächsischen verboten und befohlen haben,
die Urkunden und Bücher nur französisch zu
schreiben 1). Er setzte es in der That durch, die franz.
zur Hof- und Statssprache in England zu machen.♦ |
|
|
In der Kirche gab es früher
stillschweigende Bücherverbote, als öffentlich erklärte. Wer
die Schriften von Ketzern hatte, machte sich der Ketzerei
verdächtig; und da man die Ketzer verbrannte, wo man sie
fand, so verbrannte man wenigstens ihre Bücher, wenn man
sie selbst nicht haben konnte. So lange die Spanier mit den
Mauren im Kriege waren, oder von den bekehrten Mauren
unter ihnen Glaubensabfall, oder was gleichbedeutend war,
Empörung zu befürchten hatten, hatten sie allerdings guten
Grund, muhammedanische Bücher zu verbieten, und ihren
Besitz hart zu bestrafen, weil er des Aufruhrs verdächtig
machte. Welchen abscheulichen Mißbrauch aber verderbte
Hof- u. Kirchenleute damit getrieben haben, ist bekant.♦ |
|
|
Ein stilles Verbot ging durch die
katholische Kirche, dem Volke die Bibel nicht in die Hände zu
geben, und nach dem Erfolge zu urtheilen, war es statsklug,
weil die Kirchentrennung entstand, als sie durch den Druck in
der Landessprache von Luther unter das Volk gebracht wurde;
die Waldenser und Wicleffe hatten es bei mangelnder
Buchdruckerei vergebens versucht 2). Die
tridentinische Kirchenversamlung, welche jene Trennung
bestimt aussprach, entschied sich zugleich für eine strengere
Bücheraufsicht, und nach ihrem Sinne machte Papst Pius
IV. 3) ein Verzeichniß verbotener Bücher bekant,
nachdem Paul IV. das erste eigenmächtig erlassen
hatte 4). Pius gab dazu gleichfalls eine Anweisung,
worin auch das Bibellesen eingeschränkt, und der Gebrauch
der Übersetzungen in den Landessprachen für schädlich erklärt
wird. |
|
|
Um dieselbe Zeit wurden auch
Bücherverbote von Stats wegen und namentlich in
Teutschland nach dem Reichstagsabschiede von 1530 erlassen.
Der westphälische Frieden verbot ausdrücklich wider ihn zu
schreiben; und der Kaiser verbot 5) die Bücher,
welche die geduldeten Glaubensbekentnisse, den Grund der
allgemeinen und Statssachen oder Rechte angreifen, höchst
schädliche und ganz verkehrte Anweisungen gegen die
teutschen Rechte und Freiheiten enthalten. Nach dem letzten
Wahlvertrage mit dem Kaiser sollen nur solche Bücher nicht
geduldet werden, welche mit den symbolischen Büchern
beiderlei Religionen und mit den guten Sitten nicht vereinbar,
oder aufrührerisch sind. Es ist indessen dieses Verbot sehr
nachsichtig gehandhabt, und nur mit Strenge auf die
Landesverbote wider den Vertrieb ausländischer Kalender und
anderer mit Stempel belegten Drucksachen gehalten, bis in
dem franz. Kriege besonders Östreich die Bücherverbote
ausdehnte und schärfte. Nach dem Bundesbeschluß vom 20.
Sept. 1819 hat die Bundesversam-
|
|
|
- 1) Ingulfus Croyland. abbas 155.
- 2)
Wharton auct. Vsser. de scripturis et sacris vern. 432.
- 3) 1564.
- 4) 1557.
- 5) 1715 u. 1725
|
|
S. 349 Sp. 1 |
BÜCHERVERBOT |
⇧ Inhalt |
|
lung die Befugniß, aus eigener Autorität,
durch einen Ausspruch, von dem keine Appellation Statt
findet, die Schriften zu unterdrücken und die betreffenden
Regirungen sind verpflichtet diesen Ausspruch zu vollziehen,
welche (Schriften) unter der Hauptbestimmung des §. 1.
begriffen (in der Form täglicher Blätter oder heftweise
erscheinen), dergleichen solche, die nicht über 20 Bogen im
Druck stark sind, und nach dem Gutachten einer von ihr (der
Bundesversamlung) ernannten Commission, der Würde des
Bundes, der Sicherheit einzeler Bundesstaten, oder der
Erhaltung des Friedens und der Ruhe in Teutschland
zuwiderlaufen. Alle in Teutschland erscheinenden
Druckschriften müssen mit dem Namen des Verlegers, und
insofern sie zur Klasse der Zeitungen und Zeitschriften
gehören, auch mit dem Namen des Redacteurs versehen seyn.
Druckschriften, bei welchen diese Vorschrift nicht beobachtet
ist, dürfen in keinem Bundesstate in Umlauf gesetzt werden,
und müssen, wenn solches heimlicher Weise geschieht, gleich
bei ihrer Erscheinung in Beschlag genommen, auch die
Verbreiter derselben, nach Beschaffenheit der Umstände, zu
angemessener Geld- oder Gefängnißstrafe verurtheilt
werden.♦ |
|
|
Dieses ist mit möglichster Schonung des
Buchhandels gefaßt; und es bezieht sich nicht auf den Verkehr
mit teutschen Schriften, welche im Auslande ohne
Beobachtung obiger Vorschriften gedruckt sind. Allerdings
wird der Buchhändler den Beweis führen müssen, daß ein
solches Buch im Auslande gedruckt sey, und also dem Verbot
nicht unterliege; doch dieser Beweis ist leicht durch
obrigkeitliche Bescheinigung vom Druckorte zu führen. Da
die Zeitungen, Zeitschriften und gedruckten Bücher bis zu 20
Bogen ohne vorgängige Genehmigung der Landesbehörden
nicht erscheinen sollen, so gehören gleichfalls zu den
verbotenen Schriften die, welche ohne Genehmigung
erscheinen würden. |
|
|
Nach der englischen Gesetzgebung muß
der Drucker seinen Namen und Wohnort auf dem ersten und
letzten Blatt der Bücher angeben, und bei Zeitungen auf jedem
Blatte, mit Beifügung des Namens und Wohnortes des
Herausgebers. Wenn sie dawider handeln, so verfallen sie in
schwere Geldstrafe. Dieses ist das einzige und noch sehr
uneigentliche Bücherverbot dort. Von Seiten der Verwaltung
kann auch kein Buch, wie gefährlich es sey, verboten werden,
sondern das Geschwornengericht hat allein zu entscheiden, ob
jemand wegen einer gememschädlichen Schrift in Strafe zu
nehmen sey, das Parlement müßte sonst selbst einzuschreiten
Lust haben. Und wenn man dort das schuldig über Bücher jetzt
aussprechen wollte; so würde es die Werke des geistreichsten
engl. Schriftstellers unserer Tage, des Lords Byron, treffen,
insonderheit wegen seiner vision of judgment, doch nicht
Byron ward wirklich gerichtlich verfolgt, sondern der
Verleger, aber vergebens, obgleich es das muthwilligste
Spottgedicht auf das christliche Himmelreich ist, und die
Majestät beleidigt. |
|
|
In Frankreich beschränkt sich das
Bücherverbot auf ähnliche Weise wie in England, nur darf
keine Zeitung ohne besondere Erlaubniß der Regirung und
ohne schwere Vorstandsleistung erscheinen, wodurch das
Zeitungswesen in die Hände der Reichen gebracht wird. Es
sind die Gerichte, welche darüber entschieden, und diese
müssen in Betreff der Bücherverbote |
|
S. 349 Sp. 2 |
BÜCHERVERBOT |
|
|
nach den dortigen Umständen eben so
streng seyn, als die Engl. nach den Verhältnissen ihres Landes
milde seyn können. Übrigens unterliegen die fremden Bücher
verbotähnlichen Steuern. |
|
|
Es gibt also ein Bücherverbot, welches von
dem Inhalt der Schriften unabhängig ist, und sich bloß auf
unterlassene Formalitäten: Angabe des Druckers
u. s. w. gründet, und dieses Bücherverbot ist
allgemeiner europ. Gebrauch. Insofern der Zweck der
vorgeschriebenen Formalitäten nur ist, daß der Stat wisse, an
wen er, oder Jeder sich zu halten habe, der durch die Schrift
verletzt wird, läßt sich diese Vorschrift und dieses
Bücherverbot so wenig tadeln als daß Jedermann sich bei der
Obrigkeit melden muß, der mit Pulver oder Gift handeln will,
und handelt er damit ohne sich zu melden, in Strafe verfällt;
denn die Schrift ist auch ein schnellwirkendes Mittel zum
Guten und zum Bösen.♦ |
|
|
Treibt man die Formalitäten weiter in
Betreff der Zeitungen etc. und wegen ihrer Benutzung zum
Statseinkommen und dessen Sicherung, so kann man die
eigenen Zeitungen nicht benachtheiligen, ohne das
Statseinkommen zugleich in Schaden zu bringen; man kann
wol die auswärtigen Zeitungen verbieten, aber wenn man das
thun muß, so sollte man es doch nicht thun, sondern sie nur
gleichmäßig mit den einheimischen besteuern. Treibt man aber
die Formalitäten weiter nicht aus Steuerrücksichten, sondern
der Sicherheit wegen, vermehrt man also die Fälle der
Bücherverbote, und folglich der Gedankenmittheilung, so mag
das nützlich oder auch nothwendig seyn; aber im Allgemeinen
läßt sich dazu nur sagen: de libertate respondendum est.♦ |
|
|
Die Bücherverbote wegen Inhalts der
Schriften können entweder von den Gerichten oder von der
Verwaltung ergehen. Das Gericht muß sie erkennen, um den in
einer Schrift Verletzten klaglos zu stellen; aber es kann das
Verbot nur auf den Vertrieb des sträflichen Buchs, nicht auf
seinen Besitz in dritter Hand ausdehnen, ohne inquisitorisch zu
werden. Ein alter fester Stat kann unbedenklich das
Bücherverbieten den Gerichten überlassen, weil sie gewiß
kräftig einschreiten werden, wenn sie Gefahr sehen. Eine
junge Gewalt überläßt es ihnen statsklug, weil sie dadurch den
Schein von sich entfernt und die Form, so entscheidend in den
Augen des Volks, des gerichtlichen Verfahrens gewint. Die
kirchlichen Bücherverbote und ihr Schicksal widersprechen
dem nicht, weil sie zum Vollzug, und zu welchem! gekommen
sind, wo die Regirungen mit ihnen einverstanden waren, und
nur dort auf sich beruhen, wo die Regirungen es gerathen
fanden.♦ |
|
|
Werden die Bücherverbote
verwaltungsmäßig erlassen, so können sich die Regirungen
Gefälligkeiten dabei erweisen, und gegenseitig die Bücher
verbieten, die ihnen schädlich scheinen. Bei
verfassungsmäßiger Preßfreiheit kann die Regirung solche
Gefälligkeiten nicht erweisen, sondern muß die Klage von den
Gerichten entscheiden lassen, und darf also dergleichen
Gefälligkeiten auch von andern Regirungen nicht fodern, ohne
die Gleichmäßigkeit der Foderungen unter ihnen zu stören.
Verwaltungsmäßige Bücherverbote können in einzelen Fällen,
besonders bei Unruhen oder Kriegen, nützlich und nothwendig
seyn; im Ganzen aber nur bei ungebildeteren Völkern und
schwachem Verkehr wirksam seyn. Wollten |
|
S. 350 Sp. 1 |
BÜRGISTEIN |
|
|
die drei gebildeten und herrschenden
Völker: die Teutschen, Franzosen und Engländer ihre Literatur
jährlich von allem Unrath verwaltungsmäßig säubern, so
würden sie 500 Bücherverbieter anstellen müssen, da
wenigstens 24,000 Bücher jährlich herauskommen, und ein
Gelehrter sein Lebenlang höchstens 2000 Bücher in einem fort
durchlesen kann, also 12 ihr Lebenlang mit der Ausbeute eines
Jahrs beschäftigt seyn würden. Wenn man hienach weiter
rechnet, so wird man 500 Bücherverbieter noch viel zu wenig
finden. |
(v. Bosse.) |
|
|
⇧ Inhalt |