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BUND (im statsrechtlichen Sinne), wenn
man den Begriff, 1) des Wortes in den Sachen sucht,
welche damit bezeichnet werden: in dem Bunde, welchen,
nach Luthers Bibelübersetzung, Jehovah mit Noah aufrichtete,
in dem alten Bunde des Judenthums und dem neuen des
Christenthums, in dem Amphiktyonenbunde und dem
latinischen Bunde, in dem Städte- und dem
Schweizerbunde, in dem teutschen und dem heiligen Bunde;
so findet man überall einen Verein für einen bleibenden
gemeinschaftlichen Zweck entweder für die höchsten
Interessen der Verbundenen überhaupt, und zu einem völligen,
besonders einem hierarchischen State, oder wenigstens für die
Begründung und Aufrechthaltung einer öffentlichen Ordnung
und für die Ersetzung von Statseinrichtungen.♦ |
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Die falsche Hilfe im letzteren Falle sind die
geheimen Bunde, welche das tadelnde Beiwort schon
hinlänglich von dem echten und rechten Bundeswesen
abscheidet.♦ |
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Das Wort Bund ist unserer Sprache
eigenthümlich und hat in andern kein Synonymum, am
wenigsten im Latein des Mittelalters die conjuratio, oder in
dem Französischen fédération, aber bei uns eine Art
Heiligung, wahrscheinlich weil es durch Luthers
Bibelübersetzung in der Bedeutung eines Vertrags mit Gott
unter das Volk kam, woraus Johannes Müller es ohne Zweifel
in verwandtem Sinne zur Weihe seiner Schweizergeschichte
benutzte. Und wenn ein Bund auch solcher Weihe entbehrt, wie
sie das unsichtbare Oberhaupt jenem alten und neuen Bunde in
der heiligen Schrift, oder dem heil. Bunde in der neuesten Zeit,
verleihen kann, so erhebt er sich dort über die einfachen, noch
so feierlichen Verträge durch den Glauben an
Unwiderruflichkeit, worauf er beruht. Läge in seinem
statsrechtlichen, von kirchlichen Vorstellungen getrennten,
Begriff nicht doch eine bleibende Verpflichtung, welcher nicht
einseitig mit dem
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- 1) Vielseitig erörtert in Bezug auf den
teutschen Bund von Behr, Gagern, Heeren, Klüber, Müller,
Zachariä u. a. in Ersch Handbuch der Lit. 181 ff. und
383 ff. genannten.
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entsprechenden Rechte entsagt werden
darf, so würde bundbrüchig nicht eine Steigerung von
wortbrüchig und mit verrätherisch nicht verwandt seyn.♦ |
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Diese bleibende Verpflichtung gründet sich
auf den fortwährenden Bundeszweck, zu dem sich das einzele
Bundesglied also nicht verbinden kann, um sich davon wieder
zu entbinden. Durch diese bleibende Verpflichtung
unterscheidet sich der Bund von dem Bündniß. Er ist
entweder die Annäherung zum Statsvereine oder die
Steigerung des Statsvereins. Eine Annäherung, wenn er
Statszwecke zum Gegenstände hat, und wenn ein Statsverband
entweder gar nicht vorhanden, oder in der Auflösung begriffen
ist, wie dieses z. B. die Hanse den teutschen Städten
leisten sollte, als sie ohne wechselseitigen Handel nicht
bestehen, und dafür von dem Reiche den nothwendigsten
Schutz nicht haben konnten. Eine Steigerung, wenn zwischen
Staten solche genaue Volksverhältnisse bestehen, daß eine
gemeinschaftliche Ordnung derselben nützlich wird; davon ist
das neueste Beispiel der Bund zwischen Kolumbia und Peru,
wonach das Bürgerrecht in ihnen gemeinschaftlich ist, und
beide Staten ihre Unabhängigkeit, und deren Vertheidigung
zur Bundessache machen. Die höchste Steigerung würde seyn,
wenn durch den Bund alle Staten zu dem Reiche der Wahrheit
und Tugend verschmelzen sollen.♦ |
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Es liegt nun nahe, daß es Elemente gibt,
welche nothwendig zum Bundeswesen führen müssen. Indeß
entsteht doch kein Bund anders als durch Verträge, wenn man
von mystischen Verhältnissen absieht; denn er müßte sonst
von der Natur gebildet werden und unter das Gesetz ihrer
Nothwendigkeit fallen, welches der Erfahrung widerspricht,
und das Recht überdies von ihm ausschließt, das die Natur
nicht kent. Beruht er auf Vertrag, so beruht er auf der Freiheit
und Gleichheit seiner Mitglieder und auf dem Grundsatz
gleicher Rechte und Pflichten für das gemeinschaftliche
Interesse.♦ |
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Seine Natur erfodert ferner, daß nach
seiner Begründung über die Bundesverfassung und
Verwaltung nach Abstimmung entschieden werde, weil ohne
solche Entscheidung der Bund entweder gar nichts entscheidet
und also gar nicht ins Leben und zur Werkthätigkeit komt,
sondern Idee bleibt; oder sich der Entscheidung eines seiner
Mitglieder, wie Griechenland seiner Oberfeldherren Philipp
und Alexander, wenn nicht eines dritten z. B.
Protectors, Mediators, unterwirft, also in Abhängigkeit und
Unterthanenverhältniß fällt.♦ |
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Es schließt jedoch das Stimmrecht der
einzelen weder eine entscheidende Stimme bei
Stimmengleichheit, noch die Vereinfachung der Stimmen
durch Gesamtsummen aus, weil in beiden Fällen das
Stimmenrecht und seine Ausübung nicht aufgehoben, sondern
nur die Ausübungsweise bestimt wird, damit es theils immer,
theils leichter zur Entscheidung komme. Die entscheidende
Stimme ist allerdings ein Vorrecht, dies läßt sich zwar formell
ausgleichen , wenn es unter den Bundesgliedern der Reihe
nach umgeht, aber materiell bleibt es doch bestehen, weil es,
nach Zeit und Umständen, von dem einen in den wichtigsten
Sachen, von dem andern in Kleinigkeiten ausgeübt wird. Man
hat dieses dadurch vermeiden wollen, daß die entscheidende
Stimme dem Orakel wie bei den Griechen oder dem Loose wie
bei den Germanen überlassen wird; aber die Orakel sind in
unserer Zeit verstummt, |
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und Verstandessachen dem Loose oder
Zufall zu überlassen, findet man auch bedenklich. Besser
scheint indeß die Entscheidung des Looses als gar keine
Entscheidung, besonders wenn der Bundeszweck mehr in
einem Ordnen, als in dem Erhalten des Geordneten besteht.
Doch hat man wol nicht blos bei Stimmengleichheit, sondern
selbst bei dem Widerspruch einer einzigen Stimme (dieses bei
Änderung in der Bundesverfassung) dem Alten vor dem
Neuen entscheidende Stimme beigelegt, d. h. man läßt
in diesem Falle den Antrag beruhen.♦ |
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Ein so gestalteter Bund ist in Gefahr
überhaupt zu beruhen, wenn er nicht durch kräftigen
Gemeingeist belebt, oder durch außerordentliche Ereignisse
zur Regsamkeit angetrieben wird. Wie nun die Abstimmung
selbst bestimt seyn, und wie sich die Geschäftsbehandlung
entweder von den Bundesgliedern selbst oder von ihren
Abgeordneten, schriftlich oder mündlich ordnen mag; so kann
dabei so wenig wie bei irgend einem abstimmenden Verein der
Vorstand fehlen, Es ist aber diese Vorstandschaft für die
Geschäftsbehandlung von der Vorstandschaft für den Bund
selbst zu unterscheiden: ein Bund kann vollkommen gestaltet
und belebt seyn, ohne einen Vorstand zu haben; weil er es ist,
wenn seine Mitglieder als solche sich erkennen und auf ihre
Rechte und Pflichten halten; die mechanische Leitung der
Bundesgeschäfte kann aber des Vorstandes nicht entbehren.
So ist z. B. nicht gesagt, daß Östreich der Vorstand des
teutschen Bundes sey, und dieses hindert nicht; wäre aber nicht
gesagt, daß der östreichische Gesandte den Vorsitz auf dem
Bundestage haben solle, und hätte ihn Niemand eingenommen,
so würde es gar keinen Bundestagsbeschluß gegeben haben,
sondern blos diplomatische Verhandlungen. Hat der Bund
selbst ein bestimmtes Mitglied zum bleibenden Vorstand, so
hat er ein Oberhaupt, oder einen Ersten unter Gleichen. Hat
dieses Oberhaupt entscheidende Stimme bei
Stimmengleichheit, so nähert sich der Bund dem State; hat es
entscheidende Stimme neben dem angegebenen Falle noch in
andern Sachen, so haben die Bundesglieder darin nur noch
berathende Stimme, und so geht der Bund in den Stat
über. |
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Betrachten wir das Bundeswesen in
Beziehung auf die allgemeinen Zwecke, welche die größten
natürlichen Körperschaften, die Völker, ihrem Wesen nach
erreichen sollen, so finden wir in den Elementen, woraus ein
Volk wird und ist, in der Eigenthümlichkeit seines Bodens und
seiner Sonne, in der Gleichartigkeit seiner Kämpfe wider die
Natur, in dem augenscheinlichen Vortheil vereinter Arbeit, um
die Natur sich dienstbar zu machen, in der Gleichmäßigkeit
des Empfindens und Denkens, in der Gemeinschaft der
Sprache und der Sitten, der Kunst u. Wissenschaft, in der Lust
und Liebe aus dieser Gemeinschaft und in der Sehnsucht nach
ihrer Vollkommenheit, eben so viele Triebfedern für einen
Volksbund.♦ |
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Es ist klar, daß es nicht einmal zur
mechanischen Einheit und Ordnung des völkerschaftlichen
Zusammenwirkens, und noch weniger zur harmonischen
Volksentwickelung, ohne Verein, kommen kann; und daß also
ein Volk ungestaltet (nicht gestaltlos), wie die Germanen zu
Cäsar's Zeiten bleibt, wenn es nicht wenigstens ein
Bundeswesen hat, um Frieden in sich, Freunde und Feinde
gemeinschaftlich, und ei- |
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nen wenn gleich schwankenden
Einigungspunkt für seine Sachen zu haben.♦ |
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Auch ist das Bundeswesen nach
Hüllmann's fleißigen Geschichtsforschungen die Grundlage
der Staten des Alterthums gewesen. Das Familienband führte
zum Bunde, der heilige Herd, und die Familienfeste führten
zum Bundesaltar und Bundesfest. Die Begriffe, Mahlzeit und
Gemeinschaft, flossen in einander, wie in dem teutschen Wort
Genossenschaft, in dem Griechischen und Römischen koine, coena. Den natürlichen Schwägerschaften oder Phratrien
wurden bürgerliche nachgebildet, bei den Spartanern Obä, bei
den Römern Curiae genant.♦ |
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Jede solcher Genossenschaften hatte einen
aus ihrer Mitte gewählten Vorsteher, gemeinschaftliche
Berathungen, und an gewissen Zeiten gemeinschaftliche
Mahle unter Verehrung einer eigenthümlichen und
Gesamtgottheit. Die Vorstandschaft des Bundes ging unter den
Genossenschaften Reihe um, und dieser Wechsel, wie die Zahl
der Genossenschaften richtete sich nach der
Jahreseintheilung 2).♦ |
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Wir finden ein ähnliches Bundeswesen
unter den Germanen; Landesgemeinen nach Sitzschaften und
Örtlichkeiten wol abgemarkt, doch nicht bestimt geschlossen,
aber öffentliche Zusammenkünfte und Gastmähler zu
bestimmten Zeiten, ein Markt- u. Geleitswesen 3).
Die Standesgenossen betrachteten sich auch in spätern Zeiten
noch als Familiengenossen, und nannten sich Brüder, ihre
Vorstände die Ältermanner, Väter, nach dem Ursprung aus
den Geschlechtshäuptern.♦ |
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Wenn das Bundeswesen nur der Keim des
Stats ist, so ist es doch wieder als Bundesstat seine höchste
Blüthe. Griechenland hat davon ein Paar kümmerliche
abfallende Knospen in der Anlage zum Bundesgericht
(Amphiktyonen) in der Hochfeier seiner Dichter und Künstler
auf den Volksfesten, und in der Lust an seinem Volksideale
(der Griechheit) gezeigt; aber wie sehr sie auch durch ein
leichtsinniges, pöbelhaftes Treiben verdorben sind, sie wurden
seitdem als die Hoffnungszeichen für den praktischen Moment
des vollendeten Volkslebens mit Bewunderung und
Begeisterung aufgenommen. Es soll nicht verschwiegen
werden, daß der Bundesstat in diesem Sinn mit dem wahren
Freistat eins und dasselbe ist.♦ |
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Zwischen dem einfachen Bundeswesen
und dem Bundesstat steht ein Statenbund in der Mitte. Er
beruht, wie der östreichische Gesandte an dem teutschen
Bundestage sagte, auf der Gleichheit der Mitglieder und auf
dem sie alle umschließenden Nationalbunde; durch die
Gleichheit der Mitglieder unterscheidet er sich von dem
Reichsvereine mehrer Staten, und durch die Vereinigung
mehrer Staten mit vorbehaltener Unabhängigkeit etc. von
dem Bundesstate. Wenn die obige Untersuchung über das
Bundeswesen in Beziehung auf ein Volk nicht misglückt ist;
so würde sich daraus für einen Statenbund ergeben, daß er
nicht entbehrt werden kann, wenn die Volkszwecke erreicht
werden sollen, und wenn die einzelen Staten sich nicht zur
Einheit verschmelzen lassen; daß er aber für seine
Bundesglieder theils dem einfachen Bundeswesen, theils dem
Bundesstate sich nähern wird, je nachdem ihnen entweder
blos
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- 2) Statsrecht des Alterthums 8 ffl.
- 3) Darstellung des statswirthschaftlichen Zustandes in den
teutschen Bundesstaten 19 ffl.
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der Nothfall der Volkseinheit wider äußere
und innere Feinde, oder ein Volksideal vorschwebt. Es läßt
indeß die eine Richtung sich mit der andern vertauschen, ob
leichter oder schwerer, hängt von der Regirungsweise der
einzelen Staten und von der Verhandlungsform der
Bundesgeschäfte, am meisten aber von dem Geiste des
Zeitalters ab, je nachdem er religiös, hochsinnig und
arbeitsrüstig, oder mystisch, auf Eitelkeit und Gewinnkünste
gerichtet, und arbeitsscheu ist. |
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Es bleibt nun noch von dem Bunde ganz
neuer und doch alterthümlicher Art, von dem heiligen Bunde
zu sprechen (von den Bunden mit Eigennamen, s. die
besondern Artikel). Es war am 26. Sept. 1815, daß der Kaiser
von Östreich, der König von Preußen und der Kaiser von
Rußland eine Urkunde unterzeichneten, welche weder einer
Berathung ihrer Minister erwähnt, noch von ihnen
kontrasignirt ist, und deren (zu Petersburg abgedruckte)
Abschrift der russische Kaiser selbst beglaubigt hat.♦ |
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Es wird darin zuerst die innige
Überzeugung ausgesprochen, welche die drei Fürsten durch
die großen Ereignisse der drei letzten Jahre und durch die
Wohlthaten der göttlichen Vorsehung für die ihr gänzlich
vertrauenden Regirungen von der Nothwendigkeit erhalten
haben, das Verfahren der Mächte in ihren gegenseitigen
Verhältnissen auf die erhabenen Wahrheiten zu gründen,
welche die ewige Religion des Heilandes lehrt. Die Fürsten
erklären hierauf, daß die Urkunde keinen andern Zweck habe,
als vor der Welt ihren unerschütterlichen Entschluß kund zu
thun, zur Regel ihres Verfahrens sowol in der Verwaltung
ihrer Länder, als in ihren politischen Verhältnissen mit allen
andern Regirungen nur die Vorschriften dieser heiligen
Religion, die Vorschriften der Gerechtigkeit, der Liebe und
des Friedens zu nehmen.♦ |
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Hierauf folgt die Übereinkunft Art. 1. daß
die drei Fürsten in Gemäßheit der in der heiligen Schrift
gebotenen allgemeinen Bruderliebe, durch das Band einer
wahren und unauflöslichen Brüderlichkeit verbunden, sich in
allem und überall beistehen, und sich als die Familienväter
ihrer Unterthanen und Armeen ansehen werden.♦ |
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Art. 2. daß dem gemäß sowol unter den
Regirungen als unter ihren Unterthanen der einzige Grundsatz
gelten werde, sich gegenseitig zu dienen, sich einander die
Zuneigung zu beweisen, wovon sie beselt seyn müssen, und
sich nur als die Glieder einer und derselben christlichen Nation
zu betrachten; und die drei Fürsten betrachten sich, ihrerseits
als die Bevollmächtigten der Vorsehung, um drei Zweige
derselben Familie zu regiren, indem sie bekennen, daß die
christliche Nation in der That keinen andern Fürsten hat, als
Gott unsern Heiland; daß die Fürsten daher ihren Völkern mit
der zärtlichsten Fürsorge empfehlen, sich täglich mehr in den
Grundsätzen und der Ausübung der Pflichten zu bestärken,
welche der Heiland die Menschen gelehrt hat.♦ |
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Art. 3. Daß alle Mächte eben so
bereitwillig als zärtlich in diese heilige Allianz aufgenommen
werden sollen, welche feierlich zu den geheiligten
Grundsätzen sich bekennen wollen, welche diese Urkunde
eingegeben haben. |
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Die kaiserliche Bekantmachung derselben
zu Petersburg am 25. Dec. 1815 erkent zuerst die
verderblichen Folgen für die ganze Welt an, daß die
politischen Verhältnisse zwischen den europäischen Staten
nicht auf den |
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wahren Grundsätzen beruht haben, und
bittet zuletzt den Höchsten, daß er den kaiserlichen Wünschen
seinen Segen geben, daß diese heilige Allianz unter allen
Mächten zu ihrem allgemeinen Wohl sich befestigen, und
Niemand die Verwegenheit (témerité) haben möge, sich davon
loszumachen.♦ |
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Der König von den Niederlanden trat ihr
am 21. Jun. 1816 folgendermaßen bei. Se. M. der Kaiser von
Rußland hat mich auf den Grund des Art. 3. der zu Paris am
26. Sept. 1815 unterzeichneten Urkunde eingeladen, derselben
beizutreten, und ich erkläre hiemit, daß ich mich zu den
geheiligten Grundsätzen, welche die Urkunde eingegeben,
bekenne, ihren erhabenen Einfluß auf das Glück der Völker
einsehe, und mich zu ihrer Befolgung verbinde.♦ |
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Ähnliche Beitrittsurkunden erfolgten auf
russische, oder östreichische, oder preußische Einladungen
von den übrigen Fürsten, so wie von den freien teutschen
Städten, und mit einiger Modifikation von der Schweiz. Nur
der König von Großbritannien lehnte den formellen Beitritt ab,
weil die Bundesurkunde nicht kontrasignirt sey: mit andern
Worten, weil die Fürsten und nicht verantwortliche Minister
sich verpflichten, und diese Verpflichtung sich auf ihre Staten
zugleich (acte de cabinet und acte de gouvernement) bezieht,
wozu die englische Verfassung die Kontrasignatur
erfodert.♦ |
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Brougham brachte die Urkunde dennoch
im Parlement zur Sprache, und behauptete, der Vertrag sey
von einer schwankenden und allgemeinen Natur, er habe
keinen besondern und bestimmten Zweck und ziele blos dahin,
aus den drei Mächten eine große christliche Nation zu bilden;
er schloß mit dem Argwohn, daß sie irgend ein besonderes
Vorhaben im Stillen hätten. Castlereagh erwiederte, daß er
keinen Grund zur Eifersucht über diesen Vertrag sehe, sondern
vielmehr in ihm eine neue Bürgschaft des Friedens für alle
europäische Nationen.♦ |
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Damals deutete ihn die Opposition auf
einen Türkenkrieg, später auf Unterdrückung der sog. liberalen
Ideen. Aufmerksamkeit erregte er überall, und Scharen von
Schriftstellern suchten sie noch durch Übertreibungen für
Furcht oder Hoffnung zu vermehren; nach einigen war es ein
Mittel, wodurch Rußland zur Diktatur zu gelangen suchte,
nach andern sollte es gegen die Jesuiten gerichtet seyn, oder es
war ein Vorschritt zur Erreichung aller Vernunftzwecke, oder
ein Zeichen der zweiten Erscheinung unsers Herrn und
Heilandes.♦ |
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Indessen ward auch gefragt, welche
Hilfsmittel der Bund gewähre, um die Ausübung der
christlichen Lehren unter den vorliegenden Hindernissen
mehr zu bekräftigen, als bisher habe geschehen können? Man
bemerkte beiläufig, daß die Statskunst nicht vorsichtig genug
mit allem seyn könne, was zu Schwärmerei und Aberglauben
sich misbrauchen lasse, weil bei aller Vorsicht doch mit ihnen
Unfug genug getrieben werde. Die allgemeine Meinung
erkannte die edle Absicht der Stifter des heiligen Bundes.
Mehr läßt sich bis jetzt nicht sagen. Das wiedergeschlossene
Archiv des heiligen Bundes 1818/9 enthält eine
Urkundensamlung und eine Beurtheilung mehrer Schriften
darüber, wozu noch vorzüglich Ch. F. v. Schmidt-Phiseldeck,
die Politik nach den Grundsätzen der heiligen Allianz 1822
nachzutragen ist. Die Haupturkunde mit der russischen
Bekantmachung, der niederländischen Beitrittsurkunde und
Anführung von |
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andern in v. Martens Supplement au
recueil des traités 6. 656 ff.. |
(v. Bosse.) |
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