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CORPUS JURIS CIVILIS. Mit diesem
Gesamtnamen bezeichnet man gegenwärtig die einzelnen
Abtheilungen der vom Kaiser Justinian herrührenden
Rechtssamlung, welche ursprünglich nur den Namen des Codex, der Pandekten, der Institutionen führten, und
welchen späterhin einzelne Verordnungen, jedoch nicht in eine
officielle Samlung vereinigt, als Novellen hinzugefügt
wurden.♦ |
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Justinian selbst hat diese seine
Rechtssamlung nie mit seinem Gesamtnamen, und am
allerwenigsten mit dem Titel Corpus juris belegt, indem er
durch diesen Ausdruck 1) eher das Ganze des Rechts, den
Rechtszustand, das Rechtssystem bezeichnete, so häufig auch
sonst das Wort corpus, selbst im juristischen Verstande ein
Buch 2) bedeutet; vielmehr wurden zu seiner und in der
spätern Zeit, die einzelnen Theile seiner Samlung nur nach
ihrem, jedem zukommenden Namen benant.♦ |
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Indessen hat der Ausdruck corpus juris
civilis, seit dem zwölften Jahrhunderte 3), schon die
Gesamtheit des Justinianischen Rechtsbuchs bezeichnet, und
ist, seitdem zuerst Dionysius Gothofredus, solchen als
Titel 4) bei seiner unglossirten Ausgabe gebrauchte, d. h.
seit 1583, allgemein geworden; jedoch nur bei unglossirten
Ausgaben, da die glossirten sich fast ausschließlich, der bei
den Glossatoren üblichen Benennungen, nach den einzelnen
Theilen: Digestum vetus, Infortiatum, Digestum novum,
Codex, Volumen und Institutiones bedienen. Der Name:
Corpus juris civilis Romani rührt erst von Freyesleben, aus
dessen Ausgabe (1721) her. |
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I. |
I. Veranlassung zu der Justinianischen
Rechtssamlung 5). |
⇧ Inhalt |
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So unpassend es seyn würde, die frühern
Rechtsquellen des römischen Stats hier vollständig
aufzuführen,
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- 1) c. un. §. 1. C. V. 13. de rei
uxor. act. Rem in praesenti non minimam aggredimur, sed in
omni paene corpore juris effusam. — So auch Livius III. c. 34.
Vulgatur denique rumor duas deesse tabulas, quibus adjectis
absolvi posse velut corpus omnis Romani juris.
- 2) fr. 32. §.
2. D. XXXII. de legatis in III. Si Homeri corpus sit legatum, et
non sit plenum. — c. un. C. Theod. I, 4. de respons. prud. —
Papiriani corpus.
- 3) Z. B. zwischen 1171 —1194. S.
Wenck Magister Vacarius. p. 26. — totum corpus juris in
einer Urkunde von 1262, bei Sartius de claris archigymn.
Bon. professorib. Append. p. 214. — corpus juris in einer
Urkunde von 1335. in Mencken Scriptt. rer. Germ. T. 1. p.
429. nro. 53 u. s. w.
- 4) Russard gab seiner Ausgabe den
Titel: Jus civile, Baudoza später: Jus civile universum.
- 5)
Vergl. vorzüglich v. Savigny Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter. Bd. 1. Cap. 1.
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CORPUS JURIS
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⇧ Inhalt |
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welches vielmehr der Gegenstand eines
spätern Artikels über die Gesetzgebung der Römer seyn muß,
eben so nothwendig wird es seyn, einen Rückblick auf
dieselbe zu werfen, und kürzlich die Thatsachen zu berühren,
welche die Justinianische Rechtssamlung vorbereitet und
herbeigeführt haben. |
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Zur Zeit des beginnenden römischen Stats
und unter der Herrschaft der sogenanten Könige vertraten
Sitten und Gewohnheiten allein die Stelle der Gesetze. Diese
Gewohnheiten wurden theils durch Satzungen bloßer
Herrscherwillkür, theils durch wirkliche, von dem Volke
genehmigte Verfügungen ergänzt. Dreihundert Jahre später,
und nachdem die königlichen Verfügungen längst vergessen
und außer Übung gewesen seyn sollen, veranlaßten zur Zeit
der freien Republick die Streitigkeiten der Volkstribunen mit
den Consuln das berühmte Gesetz der zwölf Tafeln 6), in
welchem außer der Verfassung des Stats, welche in dasselbe
aufgenommen wurde, auch ein großer Theil jener alten
Gewohnheiten förmlich als Gesetz ausgesprochen
ward 7), obgleich dadurch begreiflicher Weise den übrigen
aus diesen Gewohnheiten geflossenen Rechtssätzen
keineswegs ihre rechtliche Eigenschaft genommen werden
konnte.♦ |
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Das Zwölftafelngesetz wurde hiedurch die
Grundlage des bürgerlichen Rechts, und behielt diese
Eigenschaft auch bis auf die Zeiten des Kaisers Justinian. Alle
Gesetzgeber und Rechtsgelehrten der folgenden Zeit hatten die
Ordnung des Zwölftafelngesetzes vor Augen; wiewol sie die
neugebildeten Rechtslehren nicht alle Mal an den gehörigen
Plätzen einschoben; namentlich das Edict des Prätors, die
Commentatoren über dasselbe, und Kaiser Justinian selbst, da
er bei seiner Rechtssamlung die Ordnung des Edicts und seiner
Commentatoren vorzugsweise befolgen ließ.♦ |
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Nach den zwölf Tafeln eröffneten sich bis
auf die Zeiten der Kaiser mehre Rechtsquellen verschiedener
Gattung, wodurch häufig das Recht der zwölf Tafeln
beschränkt und verändert, noch häufiger aber ergänzt wurde.
Diese lassen sich auf zwei Hauptarten, ausdrückliche
Gesetzgebung (jus scriptum) und Gewohnheitsrecht (jus non
scriptum) zurückführen. Zu der erstern Art gehörten die
Volksschlüsse (leges, plebiscita) und die Senatsschlüsse
(senatusconsulta); zu der letztern, das durch
Bekantmachungen der Magistratspersonen, namentlich der
Prätoren und Ädilen (Edicta magistratuum, Edictum
perpetuum), und das aus Gutachten, Commentaren über die
gedachten Rechtsquellen und über die Edicte, systematischen
Bearbeitungen der vorhandenen Rechtssätze (auctoritas
prudentum) und Rechtssprüchen ausgebildete Recht.♦ |
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Direct wurde dem zu Folge das
Zwölftafelnrecht durch die Volks- und Senatsschlüsse
erweitert, und neu bestimt, indirect durch die Edicte der
Magistratspersonen umgeschaffen. Als nämlich der römische
Stat seine Hoheit über ganz Italien, und über weite Strecken
außer Italien verbreitet hatte, auch man nun in vielen
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- 6) Vergl. H. E. Dirksen Übersicht
der bisherigen Versuche zur Kritik und Herstellung des Textes
der Zwölf-Tafel-Fragmente. Leipz. 1824. 8.
- 7) Niebuhr
römische Geschichte. Bd. II. S. 46 fgg.
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CORPUS JURIS
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Verkehr mit den Fremden gekommen war,
so bildete sich nach und nach ein allgemeines natürliches
Recht (jus gentium) aus, welches sich anfänglich blos auf
diese Fremden bezog, und da sie nicht nach dem römischen jus
civile (s. Civilrecht) beurtheilt werden konten, von den, ihnen
vorgesetzten Richtern zur Entscheidung ihrer
Rechtsverhältnisse angewendet wurde.♦ |
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Allmählig wurde jedoch das eigene
nationale Recht der Römer diesem allgemeinen immer
ähnlicher und mit demselben verschmolzen, und so suchten
die Prätoren durch ihre Edicte diesen Übergang vorzubereiten
und zu regeln. Unter der Regirung der Kaiser wurde das alte
nationale Recht noch einige Zeit in den frühern Formen, durch
Volks- und Senatsschlüsse auf die gedachte Weise modificirt,
das Edict erhielt dagegen immer größere Wichtigkeit; am
allerwichtigsten und bis zur höchsten Ausbildung gebracht,
wurde aber das durch die Rechtsgelehrten gebildete
Gewohnheitsrecht. Die Existenz nämlich so verschiedenartiger
Rechtsquellen und deren Conflict mit einander, hatten die
wissenschaftliche Verarbeitung derselben für die Praxis bei
weitem unentbehrlicher gemacht, um so mehr, als dieselbe bis
jetzt ein sehr künstliches Geschäft geworden war.♦ |
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Was nun von dieser Seite ein dringendes
Bedürfniß geworden war, dazu hatte sich gerade damals von
der andern Seite durch ein ausgedehntes literarisches Streben
sehr viel innerer Trieb gefunden, so daß die Anzahl dieser
erläuternden Werke der Rechtsgelehrten fast in das
Unendliche stieg. Je bequemer aber dieselben für die Praxis
waren, und je zugänglicher durch diese Verarbeitung der alten
Quellen deren Masse auch dem ungelehrten Richter gemacht
worden war, desto höher war auch die Vernachlässigung der
Quellen selbst, und die Unfähigkeit, dieselben unmittelbar und
ohne Hilfe theoretischer Schriften zu gebrauchen, gestiegen; ja
erstere hatte in eben der Maße zugenommen, in welchem sich
die letztern vervielfältigt hatten.♦ |
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Endlich hatte sich in dieser Periode, außer
den frühern Rechtsquellen, eine neue in den Constitutionen
der Kaiser eröffnet, und zwar seit Constantin dem Großen
von überreicher Ergibigkeit. Vor dessen Zeit waren dieselben
nämlich größtentheils Rescripte, d. h. Beantwortungen von
Anfragen; seit dieser Zeit, und da nunmehr der größte Theil
der gesetzgebenden Gewalt des Volks auf die Kaiser
übergegangen war, wurden sie auch Edicte, oder wirkliche
Verordnungen, welche allgemein verbindliche Kraft
hatten.♦ |
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So war denn kurz vor dem Untergange des
abendländischen Reichs, und namentlich zu Anfange des
fünften Jahrhunderts, der Zustand der Rechtsquellen und
überhaupt der römischen Gesetzgebung in Hinsicht auf ihre
rechtliche Verbindlichkeit folgender geworden: der Theorie
nach galten die alten Volksschlüsse, die Senatsschlüsse, das
Edict und die Constitutionen der Kaiser, neben den
ungeschriebenen gewohnheitsrechtlichen Normen, und zwar in
der Maße, daß das Zwölftafelngesetz die Grundlage des
Ganzen blieb und als solche betrachtet wurde; der Praxis nach
wurden jedoch nur die Schriften der alten Rechtsgelehrten und
die Constitutionen der Kaiser gebraucht♦ |
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Hiedurch waren zwar die Schwierigkeiten
in dem Gebrauche der alten Rechtsquellen gehoben; an die
Stelle derselben aber, gerade durch diese verän- |
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derte Lage, worin sich die Rechtspflege
befand, ganz neue getreten. Die erläuternden Schriften der
Rechtsgelehrten, welche man nun allein in den Gerichten, statt
der alten Rechtsquellen selbst, den Entscheidungen zum Grunde
legte, waren so erstaunend zahlreich geworden, daß sie sehr
schwer zu erhalten, und ihr Ankauf von dem Richter, wegen der
großen Kosten der Abschriften, fast unmöglich geworden war.
Auch waren die Ansichten der einzelnen Verfasser hin und
wieder so verschieden, daß der Gebrauch ihrer Schriften für den
Richter äußerst mühsam und schwierig geworden war, besonders
da das in der damaligen Zeit eintretende Sinken der
wissenschaftlichen Cultur, und das Steigen der Unwissenheit der
gerichtlichen Personen, die Auswahl der bessern Meinung unter
mehren verschiedenen beinahe unmöglich gemacht
hatte. Eben so zahlreich waren die Constitutionen
der Kaiser geworden, und eine Samlung der hier und da
zerstreuten, um so weniger in dem Besitze des Richters, als sich
kaum noch in den Archiven vollständige Samlungen derselben
befanden.♦ |
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Um also den vorhandenen Stoff zu fixiren und den
Gerichten zugänglich zu machen, schritt man zu einer Auswahl.
Dem ersten Übel abzuhelfen, erließ Kaiser Valentinian III. im
Jahre 426 eine Constitution 8), nach welcher die gesetzliche
Autorität der Schriften der Rechtsgelehrten, auf die Schriften des
Papinianus, Paullus, Cajus, Ulpianus und Modestinus beschränkt
wurde; das letztere zu verhüten, wurden Samlungen kaiserlicher
Constitutionen unter öffentlicher Autorität verfaßt, der
Gregorianus und Hermogenianus Codex (s. diesen Artikel) zunächst
für die Rescripte seit Constantin dem Großen, und der vom
Kaiser Theodosius dem Zweiten 9) benante Theodosianus
Codex (s. diesen Artikel) zunächst für die Edicte. |
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Als jedoch das westliche Reich aufhörte, war
auch dieser fixirte Zustand der Quellen noch nicht genügend,
um sie benutzen zu können; vielmehr nahm jeder der Herrscher,
welcher Theile desselben erobert hatte, eine anderweite Reform
vor. In Italien verschmelzte der ostgothische König Theoderich
diese Quellen in ein Edict um das Jahr 500, Edictum
Theoderici genant; von den burgundischen Herrschern geschah
eine ähnliche Verschmelzung in dem sogenanten Papian um
dieselbe Zeit; in Spanien und dem südlichen Frankreich befolgte
der westgothische König Alarich II. im Jahre 506 eine andere
Methode. Er ließ nämlich theils aus den in dem Gregorianischen,
Hermogenianischen und Theodosischen Codex befindlichen
kaiserlichen Constitutionen, theils aus Paullus receptis sententiis,
den Institutionen des Gajus und Papinian's Responsis einen
Auszug machen, und mit erklärenden Glossen als Rechtsbuch
promulgiren, welches unter dem gewöhnlichen Namen
breviarium Alaricianum (s. diesen Artikel) bekant ist. |
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Im östlichen Reiche entstand dagegen zu
ähnlichem Zwecke die Justinianische Rechtssamlung.
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- 8) c. un. C. Theod. 1, 4. de respons.
prudent.
- 9) Ein anderes Werk, das zugleich auch Excerpte
aus den Schriften der Rechtsgelehrten enthalten sollte, kam nicht
zu Stande. Wir haben erst durch die neu entdeckten
Bruchstücke aus dem Theodosianus codex Kunde davon erhalten. S.
c. 5. C. Theod. I, 1, ed. Wenck.
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CORPUS JURIS
CIVILIS |
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II. |
II. Entstehungsgeschichte der
Justinianischen Rechtssamlung. |
⇧ Inhalt |
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Als im Jahre 627 Kaiser Justinian zur
Regirung des östlichen Reichs kam, faßte er gleichfalls den Plan
zu einer Reform. Dieser war auf zwei Hauptwerke gerichtet,
deren ersteres die Constitutionen, das zweite die Juristen
enthalten, an beide sich aber ein drittes Werk als Einleitung und
Lehrbuch anschließen sollte. Zuerst ging seine Absicht auf eine
neue Constitutionensamlung, in welcher in zwölf Büchern alles
so viel als möglich abgekürzt, zusammengetragen und
materienweise unter gewisse Titel gebracht werden sollte, was
sowol in den frühern Samlungen, als in den seit Theodos
ergangenen neuen Verordnungen, einzig noch als brauchbar
enthalten seyn könte.♦ |
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Neun Rechtsgelehrte, der Exquaestor sacri
palatii Johannes, der magister militum Phocas, der expraefectus
praetorio Orientis Basilides, der quaestor sacri palatii Thomas, der
magister officii, nachmalige Quästor und Consul Tribunianus, der
comes sacrarum largitionum inter agentes Constantinus, der comes sacri
consistorii Theophilus, Dioscurus und Präsentinus wurden
ernant, um diese Redaction vorzunehmen, und erhielten die
Instruction, von den aufzunehmenden frühern Constitutionen
die Vorreden wegzulassen, die Constitutionen selbst abzukürzen,
nach Belieben den Styl zu verändern, mehre in eine
zusammenzuziehn, jedoch, so viel als möglich, bei der
Classificirung derselben die chronologische Ordnung zu
beobachten. Nachdem dieselben ihre Arbeit vollendet hatten,
wurde diese Samlung im April 529 als einzig gesetzliche
promulgirt, und die frühern außer Kraft gesetzt 10).♦ |
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Diesen Codex besitzen wir nicht mehr, da
Justinian denselben, wie weiter unten bemerkt werden wird,
später umarbeiten ließ, und als Codex repetitae praelectionis
promulgirte. Wenn aber gleich der Hauptinhalt desselben in
jenen neuen Codex überging, so kennen wir, außer dem letztern,
noch Bruchstücke desselben, indem sich die gleich zu
erwähnenden Institutionen Justinians hin und wieder auf diesen
Codex beziehn 11), da der zweite erst nach ihrer
Verfertigung verfaßt wurde. |
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Bald darauf wandte sich Justinian zur
Entwerfung des zweiten Hauptwerks, welches die Juristen
umfassen sollte. |
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Da nämlich Valentinians oftgedachte
Verordnung die Rechtsgelehrten in dem Gebrauche der Juristen
zu sehr be-
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- 10) const. Haec quae necessario, de novo Codice faciendo, data Idib. Febr. 528. und const. Summa reipublicae, de
Justinianeo Codice confirmando, data VII. Idib. April. 529.
const. Cordi nobis, de emendatione Codicis et secunda ejus
editione. — alle drei vor dem zweiten Codex stehend.
- 11) §.
11. J. II, 10. de testam. ord. §. 27. J. II, 20. de legatis, §. 7. J. III,
2. de legitim. agn. success. princ. J. III, 7. de servili
cognatione, §. 3. J. III, 8. de success. libert. princ. J. III, 10. de
bonor. possess. §. 10. J. IV, 13. de except. §. 24. 33. J. IV, 6.
de actionib. — Besonders sind dieselben erläutert von J. G.
Schaumburg de constitutionibus imperatorum antiquis, iis speciatim,
quae in Institutionibus citantur et in Codice repetitae praelectionis omissae
sunt. Lemgov. 1755. 4. Vielleicht auch gehört die von Cujas Obs.
XX, 34. herausgegebene Constitutio de bonis libertorum hieher. S. v.
Savigny in Hugo civil. Magaz. Bd. III. S. 290.
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CORPUS JURIS
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schränkte, so beabsichtigte Justinian einen
ganz andern Plan 12). Statt einzelnen, aber vollständigen
Werken der Juristen alleinige Gesetzeskraft zu geben, wie
Valentinian gethan hatte, ließ Justinian die Schriften der Juristen
in großer Anzahl (beinahe zweitausend an der Zahl, wie er selbst
sagt) unmittelbar excerpiren und die Excerpte nach Materien
ordnen.♦ |
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Beauftragt wurde mit diesem Geschäfte
Tribunianus, mit der Erlaubniß, sich die Redactoren selbst zu
wählen. Dieser wählte den comes sacrarum largitionum
Constantinus, den Antecessor Theophilus in Constantinopel,
den Antecessor Dorotheus zu Beryt, den Antecessor Anatolius
ebendaselbst, den comes largitionum und Antecessor Cratinus zu
Constantinopel, und die patronos caussarum „apud maximam sedem
praefecturae Orientis“ den Stephanus, Mennas, Prosdocius,
Eutolmius, Timotheus, Leonides, Leontius Plato, Jacobus,
Constantinus und Johannes, welche diese Arbeit unter seinem
Vorsitze binnen drei Jahren vollendeten 13). Dieses Werk
wurde nunmehr Digesta sive Pandectae juris enucleati, ex
omni vetere jure collecti genant, und am 16. December 533
promulgirt, so daß es vom 30. December an gerechnet,
gesetzliche Kraft haben sollte. |
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Außerdem beauftragte Justinian mit der
Entwerfung einer Einleitung beider Hauptwerke und eines
Lehrbuchs, die genanten Tribunianus, Theophilus und
Dorotheus, welches am 21. November vollendet (wenigstens
führt das Prooemium ad cupidam legum juventatem dieses Datum), und
unter dem Titel: Institutiones, promulgirt wurde, zugleich mit
den Pandekten aber, vom 30. December an, gleichfalls
Gesetzeskraft erhielt. |
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Die Folge der Aufhebung der
Valentinianischen Verordnung — sie geschah natürlich mittelbar
durch den bei Ausarbeitung der Pandekten befolgten
Plan 14) — war, daß Justinian die Controversen der alten
Juristen, nicht blos etwa der Sabinianer und Proculianer 15),
durch eigene Entscheidungen beilegen mußte. Dieses geschah,
während der Verfertigung der Pandekten, unter dem Consulat
des Lampadius und Orestes (530 — 532) durch die sogenanten
Quinquaginta decisiones, welche officiell in eine Samlung
gebracht waren 16), nachmals aber in den zweiten Codex
aufgenommen worden sind. Ob sie aber alle darin stehen, wo sie
anzutreffen, woran sie zu erkennen, und wie sie zu zählen sind,
ist sehr zweifelhaft. Als Regel gibt man an, daß wenn eine
Verordnung in
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- 12) Vielleicht nahm er den Faden
da wieder auf, wo ihn Theodosius hatte fallen lassen müssen.
- 13) const. Tanta, de confirmat. Dig. §. 9. Vergl. auch die Constit.
Deo auctore, Omnem reipublicae et Δέδωκεν; die erstern
besonders herausgegeben unter dem Titel: Historia Pandectarum
authentica, ex emendatione Laur. Theod. Gronovii, cura F. C.
Conradi. Hal. 1750. 8.; über die letztere griechische haben wir:
Koehler praetermissa ad Constitut. Δέδωκεν. Regiomont. 1781. 8.
- 14) Haubold Exercit. de emendat. jurisprud, ab Imp Valentiniano
III. instituta. Cap. 3. p. 2.3 sqq.
- 15) Hugo im civilist. Magaz. Bd.
V. S. 118 fgg.
- 16) Solches wissen wir jetzt aus der berühmten
Turiner Glosse, v. Savigny Geschichte des röm. Rechts im
Mittelalter, Bd. III. S. 666.
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CORPUS JURIS
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diesem Codex die Überschrift: Justinianus
Juliano P. P. oder Johanni P. P. führe, die Unterschrift habe:
Lampadio et Oreste Coss. oder anno primo, oder secundo post
Consulatum Lampadii et Orestis, und eine Streitfrage der alten
Juristen entscheide, sie zuverlässig unter die 50 Decisionen
gehöre, wie z. B. c. 10. C. VI. 26. de impub. et al. subst. c. 31.
C. VI. 42. de fideicomm. c. 19. C. VI. 50. ad leg.
Falcid. 17). |
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Endlich schritt Justinian zu einer
Überarbeitung des von ihm schon früher promulgirten
Constitutionencodex, um ihn den Pandekten anzupassen,
weshalb derselbe den Namen des Codex repetitae
praelectionis erhielt. Justinian ernante zu dieser Umarbeitung
die gedachten Tribunianus, Mennas, Constantinus und
Johannes, und promulgirte dieselbe unter dem gedachten
Namen am 16. November 534. |
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Nach Justinians Absicht sollten nun
Pandekten, Institutionen und Codex als ein
zusammenhängendes Rechtsbuch betrachtet werden, in welchem
nichts Wiederholtes, und nichts Widersprechendes, und lauter
Brauchbares sich finden, und Alles gleiche, allgemeine, und
alleinige gerichtliche Autorität, mit Ausschluß aller ältern
Rechtsbücher haben sollte; eine Absicht, welche freilich nicht
ganz erreicht worden ist. Um zu verhüten, daß der auf diese Art
fixirte Inbegriff der vorhandenen Rechtssätze, nicht von neuem
anders, als durch seine eigenen, etwa später erfoderlichen
Verfügungen ausgedehnt oder abgeändert werden möchte, setzte
Justinian nicht allein die vollständigen Bücher der Juristen, aus
welchen die Excerpte genommen waren, so wie die
übergangenen, außer Kraft, sondern verbot auch, Commentare
über seine neue Rechtssamlung zu schreiben. Nur kurze
Summarien (Paratitla) und eine griechische wörtliche
Übersetzung der Samlung sollten in Zukunft gestattet
seyn. |
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Auch schrieb er vor, wie über seine
Rechtssamlung in den Rechtsschulen der Unterricht ertheilt
werden sollte 18). |
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Nach der Erscheinung dieser Rechtssamlung
lebte Justinian noch dreißig Jahre, und erließ während dieser Zeit
noch eine Menge Verordnungen, die er Novellen 19)
(novellae constitutiones post Codicem) nante, welche aber niemals von
ihm in einer Samlung publicirt sind 20), so daß sich ihre
Anzahl nur sehr unsicher angeben läßt 21). |
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Zu diesen Novellen gehören auch die
sogenanten dreizehn Edicte Justinians, Verordnungen, welche
nur local sind, und gewisse Provinzen oder Städte
betreffen 22). Dagegen sind die unter Justinians Namen
bekanten Leges Georgicae oder de re rustica, keine
eigentlichen Verordnungen, sondern nur Excerpte aus seiner
Rechtssamlung 23).
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- 17) Brunquell hist. jur. P. II. c. 7.
Wieling jurisprud. vertit. T. I. p. 144 fgg. — Sie sind commentirt
von: E. Merillius, Paris. 1618. 4. Jo. Strauch, Jenae 1659.
Giessae 1679. 4. P. J. Linglois, Antverp 1661. fol. Dom. Bassi,
Viennae 1708. 4. J. H. ab Hagen, Vienn. 1735. 4.
- 18)
Constit. Omnem.
- 19) S. F. A. Biener Geschichte der
Novellen Justinians. Berlin 1824. 8.
- 20) Biener S. 38 fgg.
- 21) Biener S. 8.
- 22) S. H. G. Kind Diss. I. II de XIII.
Justiniani edictis. Lips. 1793. 1801. 4.
- 23). Am besten
herausgegeben im Supplement. Thesauri Meermann. p. 386 —
398.
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