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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-19-363-1
Erste Section > Neunzehnter Theil
Werk Bearb. ⇧ 19. Th.
Artikel: CORPUS JURIS CIVILIS IX - XVI
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum 364 : 356
Siehe auch: HIS-Data Cor
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
Inhalt:
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CORPUS pro balsamo ⇨

⇧ S. 363 Sp. 1    
Forts. S. 363 Sp. 1 IX. Gesetzliche Kraft der Justinianischen Rechtssamlung in Teutschland 95).  
  Über die Einführung und Verbreitung der Justinianischen Rechtssamlung über Teutschland haben unter den Rechtsgelehrten der frühern Zeit sehr viele ungegründete Meinungen geherrscht, indem einige dieselbe aus der Übertragung der römischen Monarchie auf die Teutschen — was nie geschehen ist, — andere aus der angeblichen und fabelhaften Wiedereinführung dieses Rechts durch Kaiser Lothar II. in Italien und Teutschland, noch andere aus der Geschichte des Roncalischen Reichstages (1158), bei welchem zwar vier Rechtsgelehrte aus Bologna zugezogen waren, aber nicht um die Rechte des Kaisers, sondern des Königs von Italien zu bestimmen, auch die Entscheidung weniger auf das römische Recht, als auf die besondere Verfassung von Italien von der Zeit Heinrichs bis Friedrichs I. gebauet war, herleiten wollten.♦  
  Vielmehr schlich sich auch in Teutschland das Justinianische Recht von dem Lehrstuhle ab in die Gerichte, und fand immer mehr Beifall, je weniger die bisherigen Rechte und Gewohnheiten für die neuen Verhältnisse hinreichten, die durch steigende Cultur, Handel und vorzüglich durch das kräftige Aufblühen der Städte herbeigeführt wurden. So finden wir denn schon im 13ten und 14ten Jahrhunderte Spuren seiner Anwendung, auch wird auf dasselbe namentlich im Sachsenspiegel und der goldenen Bulle Bezug genommen.♦  
  Nichtsdestoweniger erhob sich auf der andern Seite viel Widerspruch gegen dasselbe, und die nach demselben unterwiesenen Doctoren; vorzüglich von Seiten des Adels, welcher sich weigerte, seine Streitsachen in die Hände eines Doctors zu legen, und die Entscheidung derselben von den Meistern der neuen Rechte zu erwarten, wie aus mehren Compromissen aus den Jahren 1429, 1457 und selbst noch 1498 erhellt. Unter Kaiser Maximilian I. fing man immer allgemeiner an, das Justinianische Recht als gemeines Recht in Teutschland zu be-
 
 
  • 95) Vergl. Pütter Beiträge zum teutschen Stats- und Fürstenrechte. Th. II. Nr. 23. Runde im teutschen Museum. 1780. Nr. 1. meine Einleitung. S. 111 fgg.
  • 96) Tit. 24. der goldenen Bulle ist aus c. 5. sqq. C. ad L. Majest. genommen.
 
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  trachten, wenn gleich noch immer die einander entgegenstehende Vorliebe für das fremde und für das einheimische Recht im steten Kampfe lag. Maximilian ließ nämlich bei Errichtung des Kammergerichts (1495) in den Eid der Mitglieder desselben einrücken: „Sie aber sollen unserer Königlichen oder Kaiserlichen Majestät geloben und zu den Heiligen schwören — nach des Reichs gemeinen Rechten, auch nach redlichen, ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten — zu richten." Wenn man nun gleich diesen Ausdruck nicht auf das römische Recht, sondern auf Reichsrechte hat beziehen wollen, so erhellt dennoch aus andern Gesetzen Maximilians, namentlich aus der Notariatsordnung von 1512, daß er nur das Justinianische Recht im Auge gehabt hat.♦  
  Kaiser Karl V. bezieht sich ebenfalls in den von ihm erlassenen Gesetzen, und vorzüglich in der Halsgerichtsordnung von 1532 auf das römische Recht, und betrachtet es sogar als von seinen Vorfahren im Reich erlassen, mithin als eigenthümliches, von seinem Vorfahr Justinian promulgirtes Gesetz, und in der Reichshofrathsordnung heißt es am Schlusse ausdrücklich, daß das Corpus juris civilis neben dem Corpore juris canonici allezeit auf der Reichshofrathstafel liegen solle, damit man sich derselben bedienen könne.  
  Dasselbe erhellt ebenfalls aus den im 16ten und 17ten Jahrhunderte erlassenen Reichsabschieden 97), so daß auf diese Art, wenn zwar nicht eine ausdrückliche Reception des Justinianischen Rechts von Seiten der gesetzgebenden Gewalt erfolgt ist, diese doch dieselbe als geschehen betrachtet, und die Gerichte auf dasselbe verwiesen hat, so daß dessen subsidiärer Gebrauch wol auf etwas Mehrem, als auf einer veralteten, unwidersprochenen und allgemeinen Gewohnheit der teutschen Gerichte beruht.♦  
  Eben so wenig fehlt es an geschichtlichen Thatsachen, daß einzelne Provinzen des teutschen Reichs, unter Aufhebung ihrer alten Rechtsgewohnheiten, sich dem Justinianischen Rechte ausdrücklich unterworfen haben; namentlich geschah dieses in der Mark durch Recesse vom Jahre 1527, 1534, 1538 und 1572; und auf gleiche Weise in den Braunschweig-Lüneburgischen Ländern unter Herzog Heinrich dem jüngern durch den Landtagsabschied zu Salzdahlum von 1567. Art. 32, wodurch, unter Aufhebung des Sachsenrechts, das römische Recht allein als dasjenige anerkant wurde, welches giltige Kraft haben sollte.♦  
  Als Subsidiarrecht hat nunmehr das Justinianische Recht auch in allen teutschen Ländern giltige Kraft behalten, mit Ausnahme der östreichischen und preußischen Staten, in denen dieselbe ihm durch die Publication eigener Gesetzbücher genommen, und deren, wo noch der Code Napoleon gilt, als welcher dem römischen Rechte nur den Charakter einer geschriebenen Vernunft (raison écrite) ließ, so daß man sich von dessen Vorschriften entfernen darf, wenn man sie aus dem individuellen Gesichtspunkte für weniger vernünftig hält, als Natur der Sache, Localumstände und dergleichen erfodern.
 
 
  • 97) Reichspolizeiordnung. 1548. Tit. 1. Reichsabschied 1567. §. Und nachdem. Reichspolizeiordn. 1577. §. 16. Reichsabschied 1654. §. 5. u. s. w.
 
S. 364 Sp. 1 CORPUS JURIS CIVILIS ⇧ Inhalt 
  Läßt sich daher die Reception des Justinianischen Rechts in Teutschland an und für sich nicht bezweifeln, so kann es sich nur fragen, in wie fern und in wie weit dasselbe gesetzliche Kraft habe?  
  Was den ersten Theil dieser Frage anbetrifft, so wurde die Justinianische Rechtssamlung nur insofern recipirt, als sie durch die Schule zu Bologna ihre dermalige Gestalt erhalten hatte; und so hat man denn aus dieser Thatsache den durch den Gerichtsgebrauch aller teutschen Länder bestätigten und sanctionirten Grundsatz gefolgert: daß nur diejenigen Theile des Justinianischen Rechtsbuchs in Teutschland recipirt seyen, und gesetzliche Kraft hätten, die seit Irnerius und seine Nachfolger darüber Vorlesungen in Bologna hielten, damals bekant waren, und mit der durch Accursius compilirten Glossa ordinaria versehen sind; ausgedrückt durch das Brocardicum: Quicquid non agnoscit glossa, nec agnoscit curia oder forum.  
  Vermöge dieses Grundsatzes gelten also nur die Institutionen, Pandekten, der Codex und die Novellen als Gesetz, so wie unter dem Anhange des Corpus juris nur die libri feudorum, und auch dieses Alles nur, insofern sie glossirt worden sind. Einzelne nicht glossirte Stellen der Pandekten 99) und des Codex, die sogenanten leges restitutae 1), die nicht glossirten Novellen 2), alle.übrigen denselben späterhin beigefügten
 
 
  • 98) In der Theorie sind hier die Ansichten sehr verschieden; (vergl. z. B Seidensticker in den jurist. Fragmenten. Bd. II. Cap. 26. Nr. 234. Dabelow Handbuch des Pandektenrechts. Bd. I. Nro. 6. Wenck in der Jenaer Literaturzeitung 1818. Nr. 6. fgg.) indessen hält es die Praxis stets mit dem oben ausgedrückten Grundsatze. Weber Versuche über das Civilr. Nr. 1. Glück Emleit. in das Stud. des röm. Privatr. S. 268 fgg.
  • 99) Es sind fr. 7. §. 5. fr. 8 — 11. D. XLVIII. 20. de bonis damnatorum; fr. 10 — 19. D. XLVIII. 22. de interdictis et relegatis.
  • 1) Eine Liste der selben enthält G. W. Hugo über die nicht glossirten Stellen im Codex. Jena u. Leipz. 1807. 8. Es sind: Buch I. Tit. I. c. 3. 5. 6; 7. Tit. II. c. 15. 16. 17. 18. 20. 24 — 26. Tit. III. c. 29. 30. 36. 39. 40. 42 — 48. 53. 55. 57. Tit. IV. c. 14. 17. 18. 20. 22. 23. 25. 26. 29. 30. 32 — 34. Tit. V. c. 9. 11 — 18. 20. Tit. IX. c. 2. 18. Tit. X. c. 2. Tit. XI. c. 9. 11. Tit. XII. c. 3. 7. 8. Tit. XIV. c. 10. Tit. XV. c. 2. Tit. XVII. c. 3. Tit. XXVI. c. 6. Tit. XXVII. c. 1. §. 8. Tit. XXXIII. die Worte hinter c. 1. Neque comes — latam. Tit. XLI—XLIV. Tit. LI. c. 13. Buch II. Tit. II. c. 4. Tit. VII. c. 18. 19. Tit. XIII. c. 27. 28. Tit. LIX. c. 3. Buch III. Tit. I. c. 11. 12. Tit. II. c. 2. 4. Tit. X. c. 1.2. Tit. XII. c. 9. Tit. XLIII. c. 1. 2. Tit. XLIV. c. 15. Buch IV. Tit. XX. c. 1. 13. 15. 16. Tit. XXI. c. 16. 22. Tit. XXIV. c. 1. Tit. XXXII. c. 30. Tit. XXXV. c. 24. Tit. LXII. c. 5. Tit. LXV. c. 33. Buch V. Tit. I. c. 6. Tit. IV. die Worte hinter c. 8. Manifestum est — mederi, und c. 29. Buch VI. Tit. IV. c. 4. Tit. XLVIII. Buch VII. Tit. XLV. c. 15. Tit. LI. c. 5. Tit. LXII. c. 35. 36. Buch VIII. Tit. X. c. 12. Tit. XII. c. 3. Tit. XLI. c. 29. Tit. LII. c. 4. Buch IX. Tit. IV. c. 6. Tit. V. c. 2. Tit. VI. c. 1. Tit. VIII. c. 6. Tit. IX. c. 37. Tit. XVI. die Worte Licet — perquirere hinter c. 4. Tit. XXIX. c. 1. Tit. XLVII. c. 26. Tit. XLIX. c. 11. Buch X. Tit. I. c. 11. Tit. III. c. 7. Tit. XI. c. 7. 8. Tit. XVI. c. 1. 13. Tit. XIX. c. 9. Tit. XXVII. c. 2. 3. Tit. XXX. c. 4. Tit. LV. c. 1. Buch XI. Tit. I. c. 1. 2. Tit. VII. c. 16. Tit. XL c. 7. Tit. XLVlI. c. 18. Tit. LIII. c. 2. Buch XII. Tit. XXXIV. c. 8. Tit. XXXVIII. c. 18. 19. Tit. XLI. c. 12. Tit. XLVIII. c. 3. Tit. LXI. c. 7. Tit. LXlV. c. 2.
  • 2) Folgende Novellen sind glossirt: 1 —10. 12. 14 — 20. 22. 28. 33. 34. 39. 44. 46. 47 — 49. 51 — 58. 60. 61. 66. 67. 69. 70 — 74. 76 — 86. 88 — 100. 105 — 109. 111 — 120. 123 — 128. 131 —134. 143. 159. Ferner gehörte früher {1} hieher Nov. 38, und in einzelnen Handschriften ist Nov. 63. 110. vielleicht auch 106. glossirt. S. Cramer in Hugo civil. Mag. Bd. III. Nr. 2.
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  Novellen späterer Kaiser, wie z. B. des Justinus, Tiberius, Leo 3) u. s. w., endlich die sogenanten capitula extraordinaria der libri Feudorum (nämlich Buch II. Cap. 59 bis zu Ende), haben in den teutschen Gerichten durchaus keine gesetzliche Kraft.  
  Aber auch die Glosse selbst hat keine gesetzliche Kraft, und noch weniger die Erklärungen und Meinungen der Glossatoren, welche in jeder Hinsicht nur als Opiniones doctorum anzusehen sind. Da nun die aus den Novellen gezogenen und dem Codex eingeschalteten Authentiken nur eine Privatarbeit des Irnerius sind, so gilt in ihrer Hinsicht der Grundsatz, daß sie nur insofern auf ein gerichtliches oder gesetzliches Ansehen Anspruch machen können, als ihr Inhalt mit dem der Novelle, woraus sie gezogen sind, übereinstimt; widerspricht derselbe aber der Novelle, so ist die Novelle selbst der Authentike vorzuziehen. Beispiele von dergleichen Widersprüchen gibt die Authentike Bona damnatorum C. IX. 49. de bonis proscriptor. vergl. mit Novell. 134. c. ult., und die Authentike Sed judex C. I. 3. de episcop. et cler. vergl. mit Novell. 123. c. 7.  
  Derselbe Grundsatz findet bei der Versio vulgata der Novellen seine Anwendung. Insofern dieselbe nur eine Übersetzung einer griechischen Novelle, und nicht etwa ein lateinisches Original enthält, ist sie als eine Privatarbeit anzusehen, und kann daher, ob sie gleich allein (und nicht die griechischen Originale) in den Gerichten angenommen worden ist, und citirt werden darf, dennoch dem griechischen Texte in den Stellen, wo sie offenbar falsch übertragen ist, nicht derogiren; vielmehr hat dann der griechische Text den Vorzug 4). Eben so wenig haben die Rubriken der Novellen gesetzliche Kraft 5), weil sie gleichfalls erst von den Glossatoren herrühren.  
  Der zweite Theil der oben aufgestellten Frage, in wie weit das Justinianische Recht in Teutschland gesetzliche Kraft habe, läßt sich dahin beantworten, daß diese gesetzliche Kraft theils durch die Art und Weise der geschehenen Reception, theils durch seinen Inhalt beschränkt werde. Durch die Reception ist es nämlich blos als subsidiarisches Recht angenommen, und leidet daher nur in sofern Anwendung, als es an andern einheimischen localen und allgemeinen, provinziellen und Reichsgesetzen über die Materie oder den Gegenstand, auf
 
 
  • 3) Olearius und Beck behaupteten die gesetzliche Kraft der Novellen des Leo; sie sind aber von Zepernick in s. Ausgabe von Beck de novell. Leonis widerlegt. Derselbe widerlegte auch Mencken, welcher die gesetzliche Kraft der nicht glossirten Novellen vertheidigt hatte, ebendaselbst.
  • 4) Hunnius de interpret. auct. jur. L. II. c. 5. Hombergk in Zepernick Delectus. p. 228. Püttmann Miscell. cap. 22. Stockmann ad Bach. hist. jur. L. IV. Cap. I. Sect. II. c. 5. — Dagegen behaupten die unbedingte Gesetzkraft der Vulgata, Bach a. a. O. J. P. a Ludewig Vita Justin. §. 43. Strube rechtl. Bedenken. Th. II. No. 58. Hofacker Princip. jur. civ T. I. §. 49. Höpfner Institutionencommentar. §. 12.
  • 5) Alb. Gentilis de libr. jur. civ. cap. 8. Frantzke Resolut. cap. 12. Nro. 7. Den Nutzen dieser Bemerkung belegt Novell. 18. c. 1., wo die Vermehrung des Pflichtteils durch die Rubrik nicht auf den Pflichttheil der Kinder beschränkt werden kann.
 
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  welchen ein Gesetz angewendet werden soll, ermangelt. Als subsidiarisches Recht hat es jedoch den Charakter eines gemeinen Rechts, so daß der, welcher sich auf dasselbe beruft, nicht zuvor die Rechtsgiltigkeit desselben für den gegebenen Fall zu beweisen braucht. Es gilt daher theils als ein Hilfsrecht, auf welches in Ermangelung einheimischer Gesetze recurrirt werden muß, theils als ein Hauptrecht, an welches sich die einheimische Gesetzgebung nur anschließt.♦  
  Seinen Inhalte nach finden: 1) Verordnungen desselben, die sich auf Gegenstände beziehen, die entweder gar nicht mehr, oder doch nicht mehr in der Art vorhanden sind, welche das römische Recht voraussetzt, weder unmittelbar noch analogisch keine Anwendung. Z. B. wenn der Gegenstand des Gesetzes gar nicht mehr vorhanden ist, so daß also die Verordnungen, welche sich auf die specielle römische Stats- und Regirungsverfassung beziehen, durchaus unanwendbar sind; oder, wenn der Gegenstand nicht mehr in dem Maße vorhanden ist, als das römische Reckt nothwendig voraussetzt, so daß also die römischen Gesetze über den Concubinat, den sie als erlaubte Verbindung betrachten, da er doch jetzt verboten ist, nicht mehr gelten, oder endlich, wenn der wesentliche Grund des römischen Gesetzes, ohne welchen es sich nicht denken läßt, wegfällt. So haben z. B. die Handelsfrauen keinen Anspruch auf die Rechtswohlthat des Vellejanischen Senatsbeschlusses, weil sie, ohne sich verbürgen zu dürfen, keinen Handel treiben dürfen, so hat der Minderjährige keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erwarten, wenn er als Meister einer Kunst oder Profession gehandelt hat, und dabei verletzt worden ist 6).♦  
  2) Auf solche Gegenstände und Rechtsgeschäfte, welche den Römern ganz unbekant waren, und die sich blos aus teutscher Sitte und Verfassung gebildet haben, läßt sich das Justinianische Rechtsbuch weder unmittelbar noch analogisch anwenden, so z. B. nicht auf die Gütergemeinschaft, Einkindschaft u. s. w.♦  
  3) Gelten diejenigen Verordnungen nicht, welche solche Gegenstände betreffen, die zwar den Römern eben so gut, wie den Teutschen bekant waren, bei denen jedoch letztere ihren Sitten und Gebräuchen treu geblieben sind. So waren z. B. die Erbverträge bei den Römern verboten, sie galten aber ungeachtet der Reception des Justinianischen Rechtsbuchs und gelten noch immer 7).  
X. X. Rang der einzelnen Theile der Justinianischen Samlung im Collisionsfalle. ⇧ Inhalt 
  Nach Justinian's in den Publicationspatenten ausgesprochenen Vorschriften sollen 1) Codex, Pandekten und Institutionen als die sich einander vervollständigenden Quellen zusammen gelten, und zusammen alle Rechtsverfügungen enthalten und begründen 8); 2) man soll nichts Doppeltgesagtes und nichts Gleichförmiges in den genanten drei Werken annehmen 9); 3) aber auch nichts Widersprechendes, denn man werde keine Widersprüche finden, wenn man nur mit scharf eindringender Prüfung
 
 
  • 6) Glück Einleit. in das Studium des röm. Privatr. S. 379.
  • 7) Über das weitere Detail dieser Regeln s. meine Einleitung. S. 179 —185.
  • 8) Const. Deo auctore §. 11. Const. Tanta §. 12. 23.
  • 9) Const. Deo auctore. §. 9. Tanta §.  14. Dedoken §. 13.
 
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  dem Grunde der Verschiedenheit nachspüren wolle 10). 4) In seinem Rechtsbuche solle nur Brauchbares enthalten seyn; 5) Alles in demselben solle gleiche Kraft 11) haben, und namentlich 6) alles in demselben als wirkliche Vorschrift, sey es auch an und für sich speciell erlassen, allgemein gesetzliche Kraft haben; 7) die Novellen, als in den ursprünglichen Cyclus nicht mit einbegriffen, sollten dagegen die spätern Abänderungen des also fixirten Rechtszustandes enthalten.  
  Seitdem das Justinianische Recht mit erneuerter Liebe getrieben wurde, hat man dagegen bemerken wollen, daß die Compilatoren des Rechtsbuchs eben so wenig genau befolgt, als wenig es möglich gemacht hätten, bei der jetzigen Anwendung desselben, die auf jene kategorischen Versicherungen des Gesetzgebers gebaueten Leitsätze als richtig anzuerkennen, indem sich sowol Widersprüche zwischen den einzelnen Theilen des Rechtsbuchs, und sogar den einzelnen Stellen der einzelnen Theile, als auch Wiederholungen u. s. w. in demselben vorfänden. Um dieselben zu heben, hat man daher das Verhältniß der einzelnen Theile gegen einander und zu sich selbst, so wie das Verhältniß der einzelnen Stellen zu den einzelnen Theilen und zu einzelnen Stellen auszumitteln, und Regeln aufzustellen versucht, nach welchen der Rang jener Theile und dieser Stellen im Collisionsfalle gegen einander entschieden wird. Man ist jedoch in Bestimmung dieser Regeln keinesweges einig 12) geworden; indessen läuft die von den meisten Rechtslehrern der neuern Zeit als richtig angenommene, und durch die Praxis bestätigte Darstellung auf Folgendes hinaus:  
  Wenn gleich das Justinianische Rechtsbuch, ohne Rücksicht auf seine successive Entstehung, auf einmal und in seinem ganzen Umfange in Teutschland recipirt worden ist, so findet dennoch immer in Hinsicht der einzelnen Theile desselben die Rechtsregel Statt, daß der seiner Promulgation nach spätere Theil dem ältern vorgehe, wenn sich zwischen den Verfügungen beider Widersprüche befinden. Wenn man nämlich auch der Natur der Sache und der Vernunft nach nicht berechtigt wäre, anzunehmen, daß die Teutschen mit der Reception des Rechtsbuchs nicht auch die zwischen den einzelnen Theilen herrschenden Widersprüche zu recipiren beabsichtigt, sondern im Falle des Widerspruchs nur das der Zeit nach, jüngere Recht haben aufnehmen wollen, so ist es dennoch klar, daß bei der Reception eines zu verschiedenen Zeiten verfaßten Complexus juris, auf den Fall eines solchen Widerspruchs auch zugleich die damals giltigen Auslegungsregeln mit recipirt seyn müssen.♦  
  Vermöge dieser Regel haben daher: 1) die Novellen und bei dem Widerspruche einzelner, die neueste den Vorrang vor allen übrigen Theilen des Rechtsbuchs. 2) Der Codex, in seiner Eigenschaft als repetita praelectio, ist später redigirt, als die Pandekten; er hat also im allgemeinen einen Vorzug vor den-
 
 
  • 10) Const. Tanta. §. 15.
  • 11) Const. Deo auctore. §. 5. 6. Tanta. §. 20. Dedoken. §. 20.
  • 12) Vergl. z. B. die sehr abweichenden Ansichten von Hufeland Handbuch des Pandektenrechts. Bd. I. Dabelow Handbuch Bd. 1. — Über die hier vorgetragene, und die Begründung derselben, s. meine Einleitung. S. 185 —192.
 
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  selben. Da sich jedoch die Revision der einzelnen in demselben enthaltenen Constitutionen, nur auf den Codex selbst, um die neuern mit den ältern in Harmonie zu bringen, schwerlich aber zugleich auf die Pandekten bezog, wie wenigstens die offenbaren Widersprüche mit denselben zu beweisen scheinen, so muß man einen Unterschied zwischen den darin enthaltenen Verordnungen, welche vor den Pandekten erlassen worden sind, und den, welche nach deren Compilation gegeben wurden, machen.♦  
  Was die letzteren anbetrifft, so derogiren sie den Pandekten im Falle eines Widerspruchs offenbar; die erstern sind dagegen durch eine zweckmäßige Interpretation mit den Pandektenstellen zu vereinigen, wobei stets der Grundsatz festzuhalten ist, daß den widersprechenden Stellen besondere Fälle unterliegen, so daß die Entscheidung des einen auf die des andern, gar keinen, oder nur einen beschränkenden Einfluß hat. Widersprechen sich einzelne Stellen des Codex, so ist dieser Widerspruch nach dem Alter der einzelnen Stelle zu beseitigen, und muß die ältere der jüngern weichen 13).♦  
  3) Pandekten und Institutionen sind gleichzeitig redigirt, mithin kann von dem Vorrange der einen oder der andern im allgemeinen nicht die Rede seyn. Widersprechen Stellen 14) der Institutionen den in den Pandekten, so kann der Grund des Widerspruchs entweder nur darin liegen, daß die Institutionenstelle einen untreuern Auszug aus der Pandektenstelle, woraus sie genommen ist, enthält, und dann geht die letztere vor, oder daß in den Institutionen das Pandektenrecht absichtlich abgeändert worden ist, wo dann die Institutionenstelle vorgeht.  
  Widersprechen sich einzelne Stellen in den Pandekten, so wird nach der Praxis die Meinung des spätern excerpirten Rechtsgelehrten vorgezogen, und diese Ansicht ist in sofern richtig, als man fast immer, wenn ein späteres Pandektenfragment einem frühern widerspricht, finden wird, daß das frühere auf einem Grunde beruht, der später keine weitere Giltigkeit hatte, oder daß die spätern Juristen den Fehler des frühern richtig bemerkt haben, und daß das frühere Fragment nur aus Nachlässigkeit der Compilatoren stehen geblieben ist. Ein merkwürdiges Beispiel liefern in dieser Hinsicht fr. 19. D. XIII. 6. Commodati und fr. 41. D. XIX. 2. locati. In jenem wird von den Compilatoren ein Satz Julians als wahr vorgetragen, der in diesem von Marcellus und Ulpian ausdrücklich widerlegt wird. —♦  
  Wenn derselbe Jurist in den Pandekten sich widerspricht, was sich die römischen Rechtsgelehrten, so gut wie die neuern, und, wie jeder Gelehrte, der immer weiter in seiner Wissenschaft strebt, zu Schulden kommen ließen, so wird auch hier meistens die spätere Meinung die bessere seyn, und gelten müssen. In c. ult. §. 3. C. VI. 2. de furtis bemerkt Justinian selbst eine solche Abweichung Papinians von dessen früherer Ansicht, und erklärt sich für die spätere.♦  
  4) Bei einer
 
 
  • 13) Nach der Meinung Einiger findet, hier gar kein Princip Statt, sondern es sollen solche widersprechende Stellen als nicht vorhanden angesehen werden; Andere wollen die Stelle vorziehn, die am besten in den Geist des neuesten Rechts paßt.
  • 14) Beispiele bei Glück Einleit. S. 14.
 
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  Collision der Stellen des liber feudorum gilt die der Zeit nach jüngste oder gebilligte.  
  Wenn aber, vermöge der angegebenen, sowol im allgemeinen, als im besondern durchgreifenden Regel, daß die spätere Verfügung der frühern vorzuziehen sey, der Widerspruch dennoch nicht gelöset werden kann, so nimt man für den besondern Fall an, daß diejenige Meinung zu befolgen sey, welche mit der Analogie am meisten übereinstimt, oder, mit andern Worten, welche in den Geist des neuesten Justinianischen Rechts am besten paßt, und nur im äußersten Nothfall zur höchsten Entscheidung des Landesherrn seine Zuflucht.  
XI. XI. Auslegungsart der Justinianischen Rechtssamlung. ⇧ Inhalt 
  Die Eigenthümlichkeiten der Justinianischen Compilation begründen besondere Auslegungsregeln für dieselbe im Ganzen, und für ihre einzelnen Theile, welche aber in ein so genaues Detail eingehen, daß hier nicht der Ort seyn kann, dieselben aufzuführen 15).  
XII. XII. Handschriften der Justinianischen Rechtssamlung. ⇧ Inhalt 
  Handschriften des Ganzen, als solches, sind äußerst selten; es gibt ihrer zwar, allein sie scheinen mehr durch den Zufall, als absichtlich zu einem Ganzen verbunden zu seyn. Eine Kopenhagener Handschrift macht eine merkwürdige Ausnahme; sie enthält mit sehr kleiner Schrift die ganze Rechtssamlung fast in der nämlichen Ordnung, wie die Theile derselben zusammengestellt werden. Dagegen sind die Handschriften der einzelnen Theile sehr häufig. Die meisten sind aus dem 13. und 14. Jahrhunderte, selten aus dem 12., mit der Glosse versehen, und ganz nach der Ordnung der Glossatoren eingetheilt und eingerichtet, also mit Weglassung der griechischen Stellen, der inscriptionum und subscriptionum legum u. s. w.♦  
  Unter denen, die eine Ausnahme hievon machen, ist die berühmteste, die florentinische Pandektenhandschrift 17). Die frühern Schicksale derselben liegen im Dunkeln, und werden fabelhaft erzählt; von den spätern weiß man, daß die Handschrift vorher in Pisa war, und um 1406 nach Florenz geschafft ist. Sie ist aus dem 7., vielleicht aus dem 6. Jahrhundert, und zeichnet sich durch eine merkwürdige Versetzung der Blätter in dem Titel de regulis juris 18) aus, die fast in allen übrigen Handschriften befolgt wurde, und ein Hauptgrund für die Meinung abgab, daß sie die Urschrift aller bis jetzt vorhandenen
 
 
  • 15) S. über dieselben C. H. Eckhardi hermeneutica juris, cum not. C. F. Walch, ex ed. C. W. Walch. Lips. 1802. 8. und meine Einleitung. S. 198 fgg.
  • 16) Ein Verzeichniß sämtlicher bekanten Handschriften zu geben, versuchte ich zuerst in meiner Einleitung. S. 492 — 570. Dann erschien: Beck Indicis codicum et editionum juris Justin. prodromus. Lips. 1823. S. noch über die engländischen Handschriften Hach in der Zeitschrift f. gesch. Rechtsw. Bd. V. Nro. 4., über die französischen denselben in der Themis Tom. VIII. livraison. 7. und Zusätze zu beiden in der Leipz. Lit. Zeit. 1828. Nro. 42. 48.
  • 17) S. über dieselbe Brencmanni historia Pandectarum s. fatum exemplaria Florentini. Traj. 1722. 4. Guadagnius de Florentino Codice, ed. Walch. Jen. 1755. 8. meine Einleitung S. 500 fgg. Förster in der Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft. Bd. II. S. 271.
  • 18) Hugo civilist. Magazin. Bd. V. Nro. 10.
 
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  Pandektenhandschriften sey; wiewol diesem Lücken, welche in den letztern nicht vorhanden sind, widersprechen, und jene Thatsache sich auf eine weit natürlichere Weise erklären läßt 20). Schon von den Glossatoren ist sie benutzt, nachmals flossen einzelne Berichtigungen aus derselben, aus den Papieren Polizians und Bolognini's in die gedruckten Ausgaben seit 1511, bis ein genauer Abdruck durch Taurellius (1553) besorgt wurde. Erst Brencmann hat sie ausgenutzt; dessen Vergleichung ist in der Göttinger Ausgabe (1776) enthalten 19).♦  
  Von den Institutionen 21) wird eine sehr alte Handschrift gerühmt, die Seißensteinische, die aber verschwunden ist; von dem Codex besitzen wir, mit Ausnahme der wenigen referierten Blätter in der Dombibliothek zu Verona, keine; von der Versio vulgata sind die merkwürdigsten Handschriften zu München und Paris. Handschriften des griechischen Texts der Novellen sind sehr selten, wir kennen nur die zu Florenz und Venedig.  
XIII. XIII. Ausgaben der Justinianischen Rechtssamlung. ⇧ Inhalt 
  Auch dieser gibt es eine außerordentlich große Anzahl 22). Die ältesten enthalten niemals die Rechtssamlung in ihrem ganzen Umfange, sondern nur einzelne Theile derselben. So erschien die älteste Ausgabe der Institutionen 1468 zu Mainz bei Schöffer, das Digestum vetus 1476 zu Perugia bei Clayn, das Infortiatum 1476 zu Rom bei Puecher, das Digestum novum ebendaselbst bei demselben 1476, das Volumen ebendaselbst bei demselben 1476, der Codex 1475 zu Mainz bei Schöffer, wenn nicht von dem Infortiatum und Novum einige undatirte Ausgaben noch älter seyn sollten.♦  
  Die erste Ausgabe, worin die gesamte Rechtssamlung, jedoch gleichfalls nach ihren einzelnen Bestandtheilen geliefert worden ist, kam zu Mailand bei Honate 1482, 1483 heraus. Alle vor 1518 erschienenen Ausgaben sind glossirt; auch nach 1518 ist wenigstens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei weitem die Mehrzahl der Ausgaben glossirt, vorzüglich diejenigen, welche in Folio und Quart erschienen sind. Die letzte glossirte Ausgabe ist 1627 herausgekommen.  
XIII. 1) 1) Glossirte Ausgaben. ⇧ Inhalt 
  Von den glossirten Ausgaben einzelner Theile sind die merkwürdigsten: die der drei Digesten. Lugduni 1510. 1511., in welchem sich bereits Verbesserungen des Bologninus aus der Florentiner Handschrift, eingetragen finden, die Nürnberger Ausgabe von 1475 der neun ersten Bücher des Codex, die aus einer bessern Handschrift geflossen ist, als die Mainzer, die der Institutionen be-
 
 
  • 19) v. Savigny Gesch. des R. R. im Mittelalter. Bd. III. S. 411 — 435.
  • 20) Blätter aus einer ebenfalls uralten Pandektenhandschrift zu Neapel hat Gaupp herausgegeben: Quatuor folia antiq. Cod. Dig. rescripta. Breslau 1823. 4.
  • 21) Eine Aufzählung und Charakteristik der Institutionenhandschrift, s. in Schrader Prodromus corporis juris civilis edendi. Berlin 1823. 8.
  • 22) Ein vollständiges Verzeichniß der Ausgaben des Corpus juris und seiner einzelnen Theile, habe ich in meiner Einteilung zu liefern versucht. Dann erschien der oben erwähnte Index von Beck. Ein Ausgabenverzeichniß der Institutionen s. in Schrader Prodromus, und der Novellen in Biener Gcschichte der Novellen Justinians.
 
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  sorgt von Chappuis, Paris 1507. 4., worin zuerst die griechischen Stellen ergänzt sind; endlich die des Volumen, Basel bei Wenßler 1478, welche 3 Novellen mehr hat, als die andern alten Ausgaben (Nov. 17. 13. 21.).  
  Die merkwürdigsten glossirten Ausgaben des Ganzen, sind die Blaublommianae Paris bei Chevallon, 1523, 1528, 1534; die Lyoner ap. Fradin, nachher Hugo a Porta, der die Fradinsche Officin fortsetzte, besonders die von 1551 — 1553, weil sie die erste mit vollständigen Inscriptionibus legum versehen ist, und in allen sich schon Spuren der Florentinischen Pandektenlesarten befinden; die Ausgaben des Miranus, deren erste zu Paris 1548 — 1550 in Quart erschien, und gewöhnlich Corpus juris Augustini genant wird, weil der Text darin nach den Emendationibus Antonii Augustini berichtigt ist; die Lyoner Ausgabe apud Sennetonios fratres 1549, worin zuerst der Brachylogus geliefert wurde; die glossirten Ausgaben, an denen Contius Antheil hat, nämlich zuerst Paris 1559 Fol., die erste worin die neu aufgefundenen Novellen als decima collatio angehängt sind, die zweite 1566, welche die griechischen Constitutionen des Codex als Praetermissa enthält, die dritte, sehr splendid gedruckte, Paris 1576, worin jene griechischen Constitutionen dem Codex wirklich eingeschaltet worden sind; die Ausgabe: Venetiis apud Bevilaquam 1569. 4., welche sich durch große Correctheit empfiehlt; die Ausgabe von Area de Baudoza, Lugd. 1593. 4., die bequemste aber nicht die richtigste unter den glossirten Ausgaben; endlich diejenigen, welche Dionysius Gothofredus besorgte, nämlich 1689, 1604 und 1612; oft nachgedruckt und vermehrt, zuletzt Studio Johannis Fehii. Lugd. 1627, in sechs Folianten.  
XIII. 2) 2) Nichtglossirte Ausgaben. ⇧ Inhalt 
  Die erste nicht glossirte Ausgabe der Institutionen erschien zu Paris ap. Marnef., die der übrigen Rechtstheile, die Institutionen wieder mit einbegriffen Paris ap. Regnault 1518 — 1523 in Octav.  
  Von den Ausgaben der einzelnen Theile, und zwar:  
  1) der Institutionen haben kritischen Werth: die von Haloander, Norimbergae ap. Petrejum. 1529. 8.; die von Contius, Paris 1667. 8.; die von Cujacius, Paris 1585. 8.; die von Hotomannus, Basel 1560. Fol.; die von Iselin, Basel 1760. 4.; die von Köhler, Göttingen 1772. 8.; die von Biener, Berlin 1812 und 1825. 8.; endlich die von Bucher, Erlangen 1826. 8.  
  2) der Pandekten: die von Blaublomme, Paris. ap. Chevallon. 1527. 8.; die von Robert Stephanus, Paris 1527. 1528. 8.; die von Haloander, Nürnberg 1529. 4.; die von Taurellius, Florenz ap. Torrentinum 1553. Fol.  
  3) des Codex: die von Blaublomme, Paris 1526. 8.; die von Haloander, Nürnberg 1530. Fol. (worin zum ersten Mal die drei letzten Bücher mit den neun erstern vereinigt sind, vollständigere inscriptiones legum und zum ersten Male die subscriptiones gegeben werden); die der tres libri posteriores, von Cujacius. Lugd. 1562. Fol.; die von Contius. Paris 1571.  
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  4) der Novellen: die von Haloander, Norimb. ap. Petrejum. 1531. Fol., worin zuerst 137 griechische Novellen edirt wurden; die von Scrimger, Paris oder Genf ap. Stephan. 1558, worin 143 Novellen, aber mehres nicht, was bei Haloander steht, die 13 Edicte, und die Novellen Leo's zuerst herauskamen; endlich die von Contius 1571.  
  Von den Ausgaben des Ganzen haben kritischen Werth: die Pariser, apud Carolum Guillard. 1540 — 1542., indessen ist in derselben eine ganze Pandektenstelle untergeschoben (fr. 35. de legat. in II.); die Baseler ap. Hervagium 1541. Fol., an welcher Alciat Antheil hatte; die von Vintimillius, Paris 1548. 8., bei der zu den Pandekten Handschriften von Ranconnet zu Rathe gezogen sind; die von Miräus, Paris 1552. 1553. 8., an der Ranconnet Antheil hat; die von Russard. Lugd. 1561. Fol. Antverp. 1567 und 1570. 8. unter dem Gesamttitel Jus civile; die von Contius, Paris 1560 — 1562, in Octav; Lyon 1571 in Duodez, und mit neuem Titelblatt 1581; die von Charondas, Antwerpen 1575. Fol.; die von Pacius, Genf 1580, in Fol. und Octav; die von Gebauer und G. A. Spangenberg. Göttingcn 1776 — 1797. 4.  
  Eine neue und sehr umfassende kritische Ausgabe haben wir von Hrn. Professor Schrader zu Tübingen zu erwarten.  
  Endlich möge noch der Handausgaben des Ganzen gedacht werden, da eine Aufzählung der Handausgaben der Institutionen, welche fast unzählbar sind, hier viel zu weit führen würde.  
  Die Handausgaben des Corpus juris sind von zweifacher Art. Die erste Klasse derselben bilden diejenigen, mit den Anmerkungen des Dionysius Gothofredus, welche sehr gäng und gebe geworden sind; die zweite Klasse enthält nur einen bloßen Textabdruck. In den erstern fehlt in der Regel der griechische Text; häufiger wird er bei den zweiten gegeben.  
  Die echten Ausgaben cum notis D. Gothofredi (denn es gibt sehr viele Nachdrücke derselben) erschienen Genev. ap. Stoer. oder Lugd. ap. Vincent. 1583. 4.; cum notis secundae praelectionis. Lugd. 1590. fol. Colon. Allobrog. 1594, 1595. 4.; cum notis tertiae praelectionis. Genev. ap. Vignon. 1602. fol. Aurel. (Gent) 1604. 4.; cum notis quartae praelectionis. Lugd. ap. Vignon. 1607. fol. Genev. ap. Vignon. 1614. 4.; cum not. quintae praelect. Genev. ap.Vignon. 1624, fol. und ebendas. 1628. 4. Dieses ist die letzte echte Ausgabe.  
  Ein vermehrter Nachdruck derselben cura Simon. van Leeuwen, erschien Amst. ap. Elzevir. 1663. fol. (wo auch die griechischen Stellen aufgenommen sind). Aus dieser flossen die Ausgaben: Leipzig 1720 und 1740, wo aber der griechische Text wieder weggelassen ist.  
  Ferner die sogenante Ausgabe, mit geschlungenen Händen, Frankfurt 1663. in gr. Quart, gleichfalls mit Weglassung des griechischen Novellentextes, berühmt durch ihre Correctheit.  
  Reine Textabdrücke sind: die Ausgaben gleichfalls
 
 
  • 23) S. meine Einleit. S. 839 — 845.
 
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  durch Dionysius Gothofredus besorgt: Lugd. 1589. 8.; Secunda editio, impensis heredum. Vignon. 1598. 8.; Tertia editio, S. Gervasii ap. Vignon. 1606. 8.; Quarta editio, Genev. ap. Stoer. 1614. 8.; Quinta editio, ebendaselbst 1625. 8.  
  Nachdrücke dieser Ausgaben, jedoch mit hin und wieder vorkommenden Verbesserungen und Verschlimmerungen sind: die Amsterdamer ap. Elzevir. 1664. 8. (unter dem Namen Pars secundus bekant, weil dieses der einzige Druckfehler in derselben seyn soll, obgleich sie viel mehre enthält), wieder aufgelegt 1681 und 1700, sumtibus societatis, wieder nachgedruckt zu Frankfurt und Leipzig 1705. 4. Frankf. 1713. 8., und sehr fehlerhaft mit Heineccius Vorrede. Halle 1735. Hieher gehören auch die Freyeslebenschen Ausgaben, wegen einer bequemen Vorrichtung zum Aufschlagen beliebt, aber fehlerhaft, deren erste zu Altenburg 1721 in gr. Octav herauskam, und die bis 1789 zahlreiche Auflagen und Nachdrücke (Basel bei Thurneisen) erlebt haben.  
  Eine berichtigtere Handausgabe mit kurzen Anmerkungen, ist neuerlich von L. W. Beck, Leipzig 1825, 1826 in Lexiconformat erschienen; eine andere, welche F. A. Schilling besorgt, als Stereotypenausgabe, so eben (1828) angekündigt.  
XIV. XIV. Neuere Ausleger der Justinianischen Rechtssamlung 24). ⇧ Inhalt 
  Die wichtigsten neuern Ausleger sind für die Institutionen: Balduinus Hotomannus, Giphanius, Vultejus, Janus a Costa, Vinnius und Otto; für die Pandekten: Budanus, Alciatus, Duarenus, Balduinus, Hotomannus, Cujacius, Donellus, Giphanius, Anton Faber, Janus a Costa, Alteserra, Noodt, Schulting, Majansius, Finestres und Glück; für den Codex: Cujacius, Wissenbach, Giphanius (über einzelne Stellen), und Jacob Gothofredus in Betreff der Constitutionen des Theodosianischen Codex, die in den Justinianischen übergegangen sind; für die Novellen endlich: Cujacius, Joachim Stephanus, und Hombergk zu Vach in seiner lateinischen Übersetzung derselben.  
XV. XV. Neuere Übersetzungen 25). ⇧ Inhalt 
  Eine Übersetzung des Ganzen besitzen nur die Franzosen und Italiener allein; die erstern durch Hulot, Berthelot, Tissot, Berenger u. A. verfaßt, unter dem Titel: Corps de droit civil Romain. 1803 — 1811. 4., die letztern: Corpo del diritto civile Romano. Milano 1815 fgg. 4.  
  Dagegen sind die Übersetzungen einzelner Theile sehr häufig; namentlich der Institutionen. Sie erschienen französisch: durch Nicole de L'Escut. Lyon 1547, Guy de la Roche, Paris 1680, Etienne de Lyan, Lyon 1625, Duteil, Paris 1655 und öfters, Helo, Paris 1669, Ferriére, Paris 1680, und sehr häufig, du Caurroy de la Croix, Paris 1813,
 
 
  • 24) Vergl. über dieselben und auch über die hier genanten meine Einleitung. S. 254 — 345.
  • 25) Vergleiche über dieselben meine Einleitung. S. 346 — 371.
 
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  1821, 1823. — Teutsch: durch Thom. Murner, Basel 1519 und öfter, Ortolph Fuchsperger, Augsburg 1536 und öfter, Justin Gobler, Dillenburg 1551 und öfter, von einem Ungenanten, Köthen 1622, C. F. Weng, Augsburg 1716, J. G. Bolz, Nürnb. 1735, Hellwing und Heldmann, Lemgo 1765. — Holländisch: Antwerpen 1547, Haag 1648, Leiden 1705 von Ungenanten, von Ortwin, Leiden 1715. — Engländisch: von einem Ungenanten, London 1749, von Harris, London 1756, von Cooper, Philadelphia 1623. — Spanisch: von Daza, Tolosa 1551 und öfter.— Italienisch: von Sansovino, Venedig 1552 und öfter, von Mori-Ubaldini, Florenz 1780.  
  Die Pandekten: Spanisch von Fonseca. Madrid 1787 — 1790.  
  Der Codex: Teutsch: von Pergius, Ingolstadt 1567. — Französisch: in alten Handschriften des 14. Jahrhunderts.  
  Die Novellen: Teutsch jedoch nach Julian, von Gobler, Frankf. 1566. — Französisch in jenen alten Handschriften.  
  Noch zahlreicher sind die Übersetzungen einzelner Stücke aus den einzelnen Theilen der Rechtssamlung; indessen müssen sie hier übergangen werden.  
XVI. XVI. Erläuterungsschriften. ⇧ Inhalt 
  Deren gibt es eine sehr große Anzahl. Sie zerfallen in Isagogische Schriften, Register, Paraphrasen, Reconcinnationen, Chrestomathien, übersichtliche Werke u. s. w., indessen kann das Detail über dieselben gleichfalls hier nicht geliefert werden, da dieses dem Zwecke dieser Encyclopädie zuwider seyn würde 26). Man hat sogar metrische Bearbeitungen, namentlich der Institutionen, z. B. eine lateinische von Lucius Honoratus Draco 1535, zuletzt Basel 1784. 8., von Weinreich, Jena 1621, von Fr. Metanus, Neapel 1654, und von Pisacanis, ebend. 1688, und eine alte französische: Le liure des Institutions, s. l. et a., von welcher noch neuerlich Cramer 27) eine ergötzliche Kunde gegeben hat.  
  Zu den historisch-chronologischen Registern gehört Anton. Augustinus de nominibus propriis Pandectarum. Tarrocone 1579. fol.. und in Otto’s Thesaurus juris Romani, und Labitti Index, unter Cujacius Leitung zusammengetragen, endlich Freymonii Symphonia juris. Francof. 1574. fol., alle drei verarbeitet in Abrah. Wieling Jurisprudentia restituta. Amst, 1727. 8., ein sehr brauchbares Werk, zu dem man aber noch Wenck Indicum corporis juris supplementum. Lips. 1811 hinzufügen muß. Ein Sachregister von Daoys findet sich bei bei den glossirten Ausgaben von Gothofredus, als sechster Band beigefügt; auch mit vielen Vermehrungen besonders, unter dem Titel Summa juris civilis, 1742 zu Mailand, in zwei Folianten gedruckt. —♦  
  Unter den Paraphrasen ist vorzüglich die griechische Institutionenparaphrase des Theophilus, eines Mitredacteurs derselben zu beachten (s. dies. Art.).♦  
  An eine Reconcinnation dachte
 
 
  • 26) Aufgezaählt sind dieselben in meiner Einleitung. S. 371 — 400.
  • 27) in s. Hauschronik.
 
S. 369 Sp. 2 CORRADINI  
  schon Leibnitz (ratio reconcinnandi corporis juris. Mogunt. 1669. 12.), ohne sie jedoch zu besorgen. Dagegen hat Eusebius Beger das ganze Rechtsbuch, nach Ordnung der Institutionen, herausgegeben von Senkenberg unter dem Titel: Corpus juris reconcinnatum. Francof. et Lips. 1767. 1768, {1} in 3 Quartanten; und Pothier, nach Ordnung der Pandekten, unter dem Titel: Pandectae Justinianeae in novum ordinem digestae, Paris 1748 und noch öfters, zuletzt Paris 1818 — 1821; ja selbst auch in das Französische übersetzt; umzustellen versucht.♦ {1} korrigiert aus: reeoncinnatum.
  Endlich ist hier noch die Spielerei des Johann Buno zu erwähnen, welcher zur Einprägung des Inhalts des Corpus juris im Gedächtniß, gar wundersame bildliche Darstellungen der Bücher, Titel, und einzelnen Stellen erfand, und dieselben nebst Anleitung zu ihrem Gebrauche, unter dem Titel eines Memoriale Institutionum, dem bald darauf das Memoriale juris civilis Romani. Guelphenb. 1673. fol. folgte, herausgab.
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Stand: 20. Mai 2018 © Hans-Walter Pries