S. 112 (Forts.) |
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§. 5. Erstlich zwar gegen die unterthanen. (1.) Zuförderst in dem, daß niemand
gelitten, und häußlich sich nieder zu lassen gedultet werde, welcher nicht den herrn
des landes für seine höchste landes-obrigkeit erkenne, und zu dem ende den
unterthänigen gehorsam mit einem leiblichen eyde, der Erbhuldigung
schwere, * welches
denn nicht allein bey antretung und veränderung des regiments, sondern auch alsdenn
geschehen und angeordnet werden muß, wenn sich neue unterthanen in städten und ämtern
niederlassen, oder aus der unmündigkeit zu ihren voigtbaren jahren, und eigenen gewerbe
gelangen, oder die personen von ständen, als |
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Anderer Theil. Cap. 7. |
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grafen, herren und ritterschafft, ihre lehen zu erst empfangen, oder sonst ihr
wesen im lande anstellen: sintemal hiervon keiner, auch in denen landen der
protestirenden fürsten, die geistlichen personen nicht ausgenommen; und werden die
bürger von denen stadt-obrigkeiten, die bauers-leute von denen beamten, und die stände
des landes oder cantzeley-sassen, durch die cantzlar und räthe pflichtbar
gemacht. ** Die unterthanen oder hintersassen der land-stände aber, ob sie gleich ihrem erb-herrn
zuförderst gehorsam schweren, oder zusagen, werden dennoch krafft des eydes, den
gedachter ihr erb-oder gerichts-herr dem landes-fürsten thut, und daß in ihrer
huldigung ber landes-herr allezeit rechtswegen voraus verstanden und ausgenommen ist,
dem landes-fürsten gleichergestalt verbunden, alles nach dem herkommen, *** und in
unterschiedlichen fürstenthümern deswegen abgelassenen sonberbahren ordnungen, und
eydes-formulen. 2. Daß auch insgemein über dieser pflichtbarkeit gehalten, und niemand
verstattet werde, schrifftlich oder mündlich, oder mit der that selbsten, dieser
obersten bothmäßigkeit zu wiedersprechen, sich darwieder zu setzen, und sich vor frey
oder einer andern obrigkeit unterworffen zu halten, sondern daß dergleichen beginnen,
mit ernstlichen vorhaltungen und abwarnungen, dann auch mit straffen, und andern
würcklichen anordnungen, und forttreibung der landes-fürstlichen hoheit, entgegen
gegangen, oder da etwan der ungehorsame so viel zu wege brächte, daß darüber vor den
hohen reichs- |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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gerichten ein streit und klage erwecket würde, solche sache, wie sichs aufs beste
und vorsichtigste gebühret, in acht genommen, und die nothdurfft des landes-fürsten
hierinn behauptet werde. 3. Daß von jedem stande und unterthanen des landes, dem
landes-fürsten oder herrn, sein gebührlicher titul, in reden und schrifften, gegeben,
das anreden auf vorhergehende ansuchung mit entblöstem haupt und stehend, auch sonst
mit gebührlicher ehr-erzeigung in worten und wercken vorgehe, und hiewieder, es
geschehe denn aus einfalt und versehen, vorsetzlich nichts verstattet, sondern über
respect und bezeugung der hoheit gehalten, auch hingegen denen ständen und unterthanen
solche titul, und andere erweisungen wiederfahren, dadurch das alte herkommen
behauptet, und der unterscheid zwischen obrigkeit und unterthanen in acht genommen
werde, wie denn von dem stylo, sonderlich im schreiben und reden, bey denen rathstuben
und cantzeleyen der fürsten und herren, dißfalls nothdürfftige nachricht vorhanden,
oder wo sie nicht ist, aufzuzeichnen nöthig fället. |
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* Einige machen hier einen Unterscheid unter
der erb- und landes-huldigung; Jene werde denen so kein land und territorium haben, z.
e. der reichs-freyen ritterschafft, diese aber denen landes fürsten geleistet: Es wird
aber mit dieser distinction nicht viel zu bedeuten haben, und werden beyde wörter ohne
unterscheid gebrauchet. Wenn aber diese erb- und landes huldigung aufkommen? ist eine
andere frage: Und ich halte davor, daß solche mit der erblichen besitzung der teutschen
fürstenthümer zugleich entstanden sep. Hertius hat, in paroemiis, aus dem |
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Anderer Theil. Cap. 7. |
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Ottone Frisingensi angemercket, daß schon im 12. und 13. seculo die fürsten sich von den unterthanen huldigen lassen. Diese huldigung muß von
allen im lande wohnenden geschehen, und darff keiner, auch die geistlichen selber
nicht, sich davon eximiren: Wovon unten mehrers. Doch folget hieraus nicht, daß, wenn
iemand dieses homagium nicht abgeleget, er noch kein unterthan wäre, sondern dieses ist
er der subjection und wohnung nach, und wird niemand um deßwillen vor einen unterthanen
gehalten, weil er gehuldiget hat, sondern er huldiget um deßwillen, weil er ein
unterthan ist. |
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** Was allhier im text gesetzet, ist nur von einzelnen personen, die
sich aufs neue niederlassen, oder sonst ihren haußhalt anstellen, zu verstehen, und
pfleget dergleichen huldigung oder vielmehr verpflichtung solcher personen alle jahr zu
geschehen, zu welchem ende bey der obrigkeit die specificationes aus städten und
dörffern eingeschickt werden müssen. Wo aber eine solenne landes-huldigung vorgehen
soll, als die beym Antrit eines fürsten regierung geschiehet, da pfleget der fürst
solche selbst, oder durch einen abgeschickten vornehmen minister in den städten und
ämtern einzunehmen, wovon bey den archivis des landes und der ämter nachrichten
vorhanden sind. |
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*** Dasselbe bestehet nun darinnen, daß einiger orten die untersassen
der landstände, ob sie gleich von dem lehns-und gerichts-herrn verpflichtet worden,
dennoch bey öffentlichen huldigungen gleich andern, des fürsten eigenthümlichen
unterthanen mit huldigen müssen: Anderer orten hingegen dürffen solche untersassen und
so genannte Cent-befreyete unterthanen der stände nicht mit huldigen, sondern es wird
allein bey dem huldigungs-eyde, welchen die stände selbst ablegen, gelassen, daher sie
auch solchen eyd vor sich und ihre untersassen abschweren müssen. |
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