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§. 4. Was die unterthanen, oder, wie gedacht, ihre personen
und sachen anbelanget, darunter ist das Erste, ein erbar und züchtiges leben
und wandel. Es ist zwar sonsten zu einem weltlichen regiment das absehen der
gesetze mehr auf die andern beyden puncten der gerechtigkeit, und abschaffung
der groben verbrechen, dadurch andere leute an ihren personen oder gütern
beleidiget werden, als etwa auf die innerliche pflantzung der tugenden des
gemüths, die einen jeden absonderlich angehen, gerichtet, und wird die
unterweisung und anführung zu guten sitten und tugenden, nicht so leicht durch
äusserlichen zwang und bothmäßigkeit erhalten, sondern will eine stete
anmahnung und übung erfordern, welche bey den heydnischen alten völckern der
Griechen und Lateiner, durch mancherley unterrichtung der gelehrten Philosophen
und Poeten, gesucht worden. Aber in einer Christlichen poli- |
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Anderer Theil. Cap. 8. |
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cey kan und muß die obrigkeit hierinnen auch weiter gehen,
und nicht allein die ordnung auf die groben äusserlichen mißhandlungen, welche
wider die menschliche gesellschafft, einigkeit und Friede der unterthanen,
gantz offenbarlich streiten, sondern auch etwas weiters, auf pflantzung ehre
und tugend in den gemüthern, und gemeinen leben und wandel richten. Weil aber
nicht alle ungebührliche thaten und beginnen der menschen, der grossen
schwachheit nach, die uns anklebet, alsobalden mit weltlicher gewisser straffe
zu belegen, sondern gar viel auf eines jeden verantwortung in seinem gewissen,
und für Gott den höchsten, gestellet werden muß, so werden auch die
allermeisten tugenden und laster, welche sonderlich einen jeden vor sich
angehen, und nicht zu nutz oder schaden des nechsten alsobald gereichen, mehr
durch fleißige ermahnung, und bewegliche unterweisung, als durch art eines
weltlichen gesetzes, und darauf gesetzter straffe, den unterthanen eingebunden,
also, daß dieses erste haupt-gesetz der gerechtigkeit, eines erbaren, und kurtz
zu sagen, christlichen wandels, fürnemlich und mehr in die kirchen-disciplin,
auch die auferziehung der jugend zu hause, und in den schulen, davon wir
hernach reden wollen, als in das weltliche recht läuffet. Gleichwohl aber sind
auch etliche stücke, die fürnehmlich eines jeden gemüth und person betreffen,
nachfolgig aber auch seinen mitunterthanen zu ärgerniß und schaden gereichen
können,in den landes-ordnungen bedacht, als da ist, eine gebührliche
äusserliche feyer der sonn- und fest-tage, |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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ein nüchtern und mäßiges leben des schändlichen
vollsauffens, dadurch die leute ihre eigene leiber ungesund machen, und ihre
gemüther zu vielen lastern und übelem fürnehmen gegen andere, reitzen, und was
zu dem ende von gewisser zeit des tages, da man mit zechen und schencken
aufhören muß, geordnet. Ferner ein rechtmäßiger beruff und handthierung, und
vermeidung des müßiggangs, durch welchen die verderbung leibes und gemüths,
eine verschwendung der güter, und endlich eine belästigung anderer leute
erfolget, zu welchem zweck auch die anordnung eines zuchthauses für dergleichen
unartige personen, zu besserung ihres lebens, und zu beruhigung anderer leute,
ein fürtrefflich mittel ist. Die erhaltung einer gebührlichen ordnung und
vorzugs, zwischen den ständen und unterthanen des landes, nach ihrem
ehrenstande und amt, bey allen begebenheiten und zusammenkünfften, so wohl auch
in kleidung, und andern äusserlichen dingen, darauf zum theil in der policey
und gastungs-ordnung gesehen wird, damit es also auch dißfalls im lande ehrlich
und ordentlich hergehe, und zerrüttung, mißverstand und ärgerniß verhütet
werde: Und was etwan dergleichen mehr seyn kan, welches die tugend, und auch
die ehre und stand, einer jeden person der unterthanen betrifft. * |
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* Von allen diesen puncten ist nun zwar in den meisten
Fürstenthümern und landen hinlängliche verordnung geschehen, aber zu bedauren,
daß fast keine derselben mit rechten eyfer gehalten werden. Ich beruffe mich
deßfalls auf das, was in verschiedenen landes-ordnungen von voll- zu- und
gleich-sauffen, von |
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Anderer Theil. Cap. 8. |
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heiligung des Sabbaths, von steurung des müßiggangs, von
übermäßigen aufwand bey ehren- und andern gelagen, von kleider-pracht und
dergleichen mehr, echt nützlich geordnet, aber entweder nie in übung gebracht,
oder doch nicht länger darüber gehalten ist, als zeit auf den druck solcher
ordnungen zugebracht worden. Der Grund davon liegt an dem verderbten
Christenthum, und dieses an übeler erziehung der jugend. Zwar meynete der
fromme hertzog zu Gotha durch anordnung der rüge-gerichte der sachen zu
helffen, ich habe aber auch wenig effect davon gesehen, und mag es wohl mit den
bestellten rügern die bewandniß gehabt haben, wie dort mit denen
Schrifftgelehrten und Pharisäern Joh. am 8. wo also das rechte thätige
Christenthum and die eyferige Aufsicht der obrigkeiten fehlet, kan man in der
sachen sich wenig besserung versprechen. |
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