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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-8-5
Anderer Theil > Cap. 8 > §. 5
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Ferner, daß sie in gerechtigkeit und billigkeit sich gegen einander finden lassen.
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S. 209 (Forts.)   ⇦ S. 209 §. 4
  §. 5. Nach dem andern und dritten haupt-punct der gerechtigkeit, nemlich, daß ein jeder dem andern die gebühr erstatte, und keiner den andern beleidige, gehen nun die gesetze und ordnungen des landes auf alle der unterthanen eigenschafften, handthierung, thun und lassen, als fern solches einen andern und dritten angehet, und bestehet hierinnen fürnemlich die gerechtigkeit und billigkeit, welche durch die gesetze gesuchet wird, und zwar was die gebühr, gleiches recht und billigkeit erfordere, in allem handel und wandel, die zwischen etlichen personen, es sey um was es wolle, fürgehen, was einem jeden allein von seiner person, und mit seinem vermögen zu thun, oder vorzunehmen, zukomme, wie ferne er damit, nach unterscheid standes und alters, für sich, oder unter der hand seiner eltern und vormünder zu gebahren haben, bey seinem leben, Scan 229
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  oder mit verordnung nach seinem tode, wie es mit erbschafften eine bewandniß und rechtmäßige beschaffenheit habe, was für mißhandlungen verboten seyn, wie und an wem sie gestraffet werden, auch wie alle diese dinge recht fürgenommen, wenn sie streitig werden, gebührlich geklaget, gehöriger orten entschieden, und also das recht ertheilet werde; Davon geben die löblichen gewohnheiten, absonderliche stadt-Rechte und willkühre, landübliche, so wohl auch die gemeine rechte des gantzen Röm. Reichs ausführliche nachweisung, und wird sich darauf in den meisten landes-ordnungen insgemein bezogen, und nach unterscheid der fälle, die norm und richtschnur, wornach die gerechtigkeit und billigkeit in jeder sache ermessen werden solle, deutlich gezeiget. Weil aber die wissenschafft solches rechtens schwer, wichtig und weitläufftig ist, so werden auch deßwegen die gerichte, da die unterthanen in solchen fällen des rechtens gewarten, und sich weisen lassen müssen, mit fleiß bestellet, auch zu dem ende Advocaten oder fürsprecher, sonderlich denen einfältigen zum besten, gehalten, und von denen fürnehmsten stücken, wie es in gerichten herzugehen pfleget, in der landes-ordnung, auch andern ausschreiben absonderliche versehung gethan, welche puncten wir aber in das nachfolgende cap. zu weiterer ausführung versparen. Von andern dingen aber, die sonst in den rechten, und denen davon geschriebenen büchern mit mehrern zu finden, werden gleichwohl auch etliche in den landes-satzungen absonderlich berühret, entweder daß es um dieselbe
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  im lande eine sonderbare beschaffenheit hat, oder daß grosse mißbräuche darwider eingerissen, die man nachdrücklich abschaffet, oder daß sie den gemeinen nutzen sonderbar angehen, und sie also männiglich wissen, und sich daran stets erinnern muß; aus solchen ursachen werden nun alle die gröbsten laster und verbrechen wider Göttliche, natürliche und land-rechte, in den landes-ordnungen nahmentlich verboten, und die straffen, die rechtswegen darauf verordnet sind, darbey vermeldet, damit sich niemand der unwissenheit zu entschuldigen habe, es werden auch solche verbote mehr geschärffet, und exequiret, wenn die mißhandlungen im lande gemein werden, und die straffen der gemeinen rechte, die leute nicht gnugsam abschrecken * Und bestehet in Abschaffung solcher laster und missethaten, durch heilsame ordnung, ein grosses stück der obrigkeitlichen pflicht. Denn eben um deßwillen, daß man für den bösen und schädlichen leuten seinen leib, ehre und gut sicher hätte, haben sich anfänglich, durch göttliche schickung, so viel tausend leute unter den schutz einer oder wenig personen begeben und denenselben so viel macht, vorzug und gewalt eingeräumet.
  Auf die güter der unterthanen wird über das, was wir bald von ihrer nahrung und vermögen anführen werden, in etlichen sonderbaren puncten, die im lande gar gemein sind, absonderliche verordnung gethan, als zum exempel, nachdem die bürger, und sonderlich das bauers-volck wegen ihrer güter, mit unterschiedlichen beschwerden von alters her bela-
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  den, als mit erbzinßen, gülten, frohnen, dienste, haupt-rechten, leib-eigenschafften, zehenden, abzug-geld, etc. Deßwegen öffters zwischen den ämtern des Landes-Fürsten, oder denen Ständen und andern personen des landes, welchen solche rechte gebühren, viel irrung vorfället, so geschicht deßwegen auch, um verhütung unnöthigen streits, oder doch zu desselben richtiger entscheidung in denen landes-ordnungen ausführliche versehung. **  Darum auch in denen meisten örtern geordnet, daß allerhand contracte und handlungen, die solcher und anderer unbeweglichen güter wegen vorgehen, mit vorwissen der obrigkeit geschehen, und die brieffe darüber in den ämtern und gerichten aufgerichtet werden müssen: Und wird darüber mit nutz gehalten, daß keiner kein gut verhandeln, veräussern oder vertauschen darff, mit dem gedinge, daß er die darauf hafftende beschwerden und schuldigkeiten, davon bringen, auf seiner person behalten, oder anderswohin wältzen wolte, *** sondern er muß es dißfalls bey dem alten herkommen bleiben lassen.
  Wegen der felder, wiesen, höltzer, und anderer liegenden gründe, wird zum exempel verordnet, daß sie an allen orten richtig versteinet und vereinet, auch darüber eine nothdürfftige beschreibung und fluhrbuch gehalten, alle Jahr auch die gräntzen oder flur der felder umgangen werden, um einen jeden bey den seinigen desto besser zu erhalten, und das verwechseln, abpflügen, und andere vervortheilung bey solchen gütern, desto besser zu verhüten.
  Wegen der wohnung und gebäude der untertha-
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  nen, geschicht nicht allein insgemein die vorsorge, daß allerhand tüchtige materialien an holtz, stein, kalck, ziegel, und dergleichen, sonderlich bey denen städten um ein leidliches im vorrath sey, sondern es werden auch wohl sonderbare bau-ordnungen aufgerichtet, und darinnen die leute dahin gehalten, daß sie bey ihren gebäuden auf die währhafftigkeit, wohlstand und gesundheit sehen müssen. **** Ingleichem, weil durch verwarlosung und unglück grosser schaden mit feuersbrünsten in städten, schlössern, dörffern, auch feldern und wäldern, geschehen kan, wird deßwegen eine sonderbare Feuer-Ordnung ausgefertiget, wie man sich für veranlassung solches schadens auf vielerley wege hüten, gute bereitschafft, zu vorkommung desselben halten, auch wie man in entstehender brunst zu hülffe kommen soll.
  * Und gilt demnach hier die regul der medicorum: daß bey desperaten zufällen desperate remedia gebrauchet werden müssen. Es erhellet aber auch dieses daraus, daß ein Fürst nicht leicht und ohne sonderbahr erhebliche ursachen zur dispensation derer verdienten straffen, sich solle bewegen lassen, denn durch häuffige dispensationes, der gesetze autorität verringert und folglich die bösen menschen zu mehrerer übertretung der selben angereitzet werden. Wovon anderswo ein mehrers.
  ** Bey denen unterthanen selbst möchte diese entscheidung wohl einen nutzen haben, aber die strittigkeiten zwischen denen fürstlichen ämtern und denen land-ständen zu heben, sind solche, wie die erfahrung lehret, nicht hinlänglich. Besser dienet dazu ein gründliches Amts Erbbuch, und Beschreibung, wenn solches nach seinen requisitis gefertiget worden. Denn dieses giebet alsdenn einen rechten fuß die jura der
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  fürstlichen ämtern wieder die stände zu vertheydigen, zugleich auch vielen irrungen vorzubeugen.
  *** Dahin gehöret auch, wenn unterthanen aus ihren gütern einige stücke frey verkauffen, und die völlige beschwerden des gantzen guts über sich behalten. Worauf ebenfalls und um so mehr fleißige aufsicht zu führen, als die possessores dadurch ruiniret und zu entrichtung der herrschafftl. abgaben untüchtig gemacht werden. Dahero einiger orten die vereinzelung solcher güter gäntzlich verboten ist.
  **** Eine löbliche darzu dienende anordnung die bestellung eines land baumeisters oder directoris, ohne dessen vorwissen niemands einen sonderlichen bau vornehmen darff. Es kan auch ein bauherr solcher person leichter eine mäßige discretion abgeben, als sich aus unwissenheit in vielen schaden bringen.
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Stand: 16. September 2017 © Hans-Walter Pries