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Forts. S. 115 Sp. 2 |
ABHÄNGIGKEIT (Dependenz), Untrennbarkeit der Wirkungen von
den Ursachen und des Grundes von der Folge.♦ |
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Dieses ist einer von denen Begriffen, welche aus der, für
unsere Art der Erkenntnis (durch Anschauungen und Begriffe) unentbehrlichen,
Eigenthümlichkeit des menschlichen Verstandes entspringen, sich jedes Etwas im
Verhältniß zu etwas anderm denken zu müssen. Der Verstand muß sich nämlich,
nach seiner natürlichen Anlage dazu, alles in dreierlei verschiedenen
Verhältnissen denken:♦ |
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1) daß der Gegenstand an oder in Etwas Statt findet (ein
Accidens ist); oder ohne dieses, für sich bestehet, das ist, was Accidenzen hat
(eine Substanz ist);♦ |
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2) daß dieses Etwas die Bedingung (Grund-Ursache) ist, unter
welcher der Gegenstand (als Folge, Wirkung) Statt findet;♦ |
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3) daß beide nur durch einander (als Wechselursachen,
Wechselwirkungen) Statt finden können.♦ |
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Das zweite ist das Verhältniß der Causalität (ursachliche
Verbindung, Causalnexus) in welchem, wie in jedem Verhältnisse, zwei
Gegenstände als Glieder desselben gedacht werden müssen, welche die Bedingung,
und das Bedingte genannt werden. Die Abhängigkeit ist nun diejenige
Beschaffenheit eines Gegenstandes, daß er nur unter einer Bedingung Statt
findet, also ein Bedingtes ist; oder das Verhältniß des Bedingten zu seiner
Bedingung.♦ |
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Wird der Gegenstand blos gedacht, so ist das Bedingte ein
Begriff, und die Bedingung auch ein Begriff, und die Abhängigkeit logisch, oder
das Verhältniß der Dependenz der Begriffe voneinander, nämlich des Gegründeten
von seinem Grunde.♦ |
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Wird aber der Gegenstand als etwas wirklich außerdem
Begriffe vorhandenes vorgestellt, oder auch durch die Sinne angeschauet, so ist
das Bedingte das Ding, welches sich der Verstand durch den Begriff denkt, auf
welches sich der Begriff bezieht, und ohne welches der Begriff ein Hirngespinst
ist; seine Bedingung ist dann auch ein anderes Ding, und die Abhängigkeit des
erstern vom letztern ist die metaphysische. Das Bedingte heißt dann die Wirkung
und die Bedingung die Ursache.♦ |
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Ist die Wirkung in der Zeit, und also ein sinnliches Ding,
dessen Ursache folglich auch Wirkung einer anderen Ursache, oder auch in der
Zeit ist, so ist die Abhängigkeit physisch. So ist die eigenthüm- |
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ABHÄNGIGKEIT |
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liche Anlage des Verstandes dazu, sich alles abhängig denken
zu müssen, der Grund, aus welchem sich allein die Nothwendigkeit und
Allgemeinheit des Begriffs der Abhängigkeit aller sinnlichen Gegenstände und
aller Begriffe von einander erklären läßt. Dieser Grund ist nicht eine
Hypothese, sondern die wirkliche, obwol transscendentale (metaphysische,
Verknüpfungen möglich machende) Ursache aller Nothwendigkeit und Allgemeinheit
in der Abhängigkeit der Dinge als Wirkungen, so daß mit diesem Grunde der
Begriff der Abhängigkeit selbst wegfällt, und ohne ihn unmöglich wird.
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Man kann dieses die transscendentale Abhängigkeit nennen,
die blos aus den Gesetzen des Erkennens a priori folgt, und diese allein
möglich macht. Eine physische Abhängigkeit, wie z. B. die des Lichts am Tage
vom Sonnenkörper, kann der Begriff der Abhängigkeit nicht haben: denn obwol das
Gehirn ein physischer Grund, d. i. eine der Ursachen alles Denkens in der
(psychischen) Natur ist, so daß, wenn das Gehirn eine gewisse Beschaffenheit
hat, das Denken aufhört, und Stumpfheit oder gar Schlaf entsteht; so gibt es
doch keine Erfahrung davon, daß Menschen den Begriff der Abhängigkeit gänzlich
verloren oder nie gehabt hätten. Gäbe es etwas im menschlichen Körper, oder in
der Sele, was den Begriff der Abhängigkeit aus dem Gemüth vertilgen könnte, so
wäre das ein physischer Grund oder eine Naturursache, und diese Abhängigkeit
des Begriffs der Abhängigkeit wäre eine physische in der Natur. Auch der
Gedanke ist ein Naturding im innern Sinne, denn er ist die Wirkung einer
(psychischen) Ursache in der Zeit, nämlich des Denkvermögens. |
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Dieser Begriff der Abhängigkeit oder Dependenz ist aber
selbst abhängig von andern Begriffen, des reinen (unabhängig von und
unvermischt mit Erfahrungen denkenden) Verstandes (eine Prädicabilie); denn
ohne sie könnte er nicht Statt finden. Von diesen muß er abgeleitet werden und
das ist seine logische Dependenz. Es wird nämlich hier ein Object (die
Abhängigkeit) zum Subject eines Urtheils gemacht, und von demselben die
Qualität ausgesagt, daß es die Wirkung eines andern Objects (einer Naturanlage
des Verstandes) sey. Dieses ist die Abhängigkeit des Denkens zweier Begriffe
von einander, welche metaphysisch wird, wenn die Abhängigkeit und der Verstand
als wirkliche Gegenstände zu den Begriffen vorgestellt werden, und
transscendental, in sofern daraus die Möglichkeit der metaphysischen Verbindung
zwischen Wirkung und Ursache hervorgeht. |
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Stellt man sich unter dem Gedachten ein wirkliches Ding vor,
welches aber nicht in der Zeit ist, so nennt man die Abhängigkeit desselben von
seiner Ursache die Vernunftabhängigkeit. Die Abhängigkeit der Welt von einem
Schöpfer ist eine solche Vernunftabhängigkeit, weil man wol sagen kann, daß
alles in der Welt in der Zeit, und die Zeit selbst in der Welt ist; aber nicht,
daß die Welt und Gott in der Zeit sind; denn sonst müßte die Zeit, die doch zur
Welt gehört, eher gewesen seyn als Welt und Zeit, und Gott ein Theil der Welt
seyn. Diese Vernunftabhängigkeit kann auch die Ideal-Abhängigkeit heißen, weil
sie außer dem Felde |
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ABHÄNGIGKEIT |
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der Erfahrung liegt; die Abhängigkeit der Dinge von ihren
Naturursachen heißt die reale, weil sie, obwol nicht die mit ihr verknüpfte
Nothwendigkeit und Allgemeinheit, ein Gegenstand der Erfahrung ist. Die erstere
heißt auch die intelligibele. |
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Die physische Abhängigkeit ist der Zusammenhang der Wirkung
mit ihrer Ursache, und ist der Causalität oder dem Zusammenhange der Ursache
mit ihrer Wirkung entgegen gesetzt; daher kann man die physische Abhängigkeit
eine negative Causalität, und die Causalität eine negative physische
Abhängigkeit nennen. |
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Ohne diesen Begriff der Abhängigkeit könnten wir nicht von
den Wirkungen zu ihren Ursachen, von den Folgen zu ihren Gründen hinaufsteigen;
ohne ihn würde in unsrer Erfahrung kein nothwendiger Zusammenhang mit dem
Vorhergehenden seyn. Nur durch die Abhängigkeit der sinnlichen Dinge von
einander, d. i. davon, daß von jedem, was wirklich ist und geschieht, jederzeit
etwas nothwendig vorhergehen muß (nämlich seine Ursache), sind wir sicher, daß
es wirklich ist und geschieht, und uns nicht etwa blos von unserer
Einbildungskraft so vorgespiegelt wird. |
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Die moralische Abhängigkeit ist die Verbindlichkeit des
menschlichen Willens, oder diejenige Beschaffenheit desselben, daß das
Moralgesetz die Bedingung des freien Wollens ist. Moralische Abhängigkeit und
Verbindlichkeit ist also einerlei, und besteht in der Beschaffenheit des freien
Willens, daß das Moralgesetz der Grund seines Wollens (sein Bewegungsgrund)
ist. Diese moralische Abhängigkeit ist Unabhängigkeit von dem Naturgesetz der
Erscheinungen (sinnlichen Gegenständen), nämlich dem Gesetze der Causalität,
nach welchem alles in der Natur eine Ursache in derselben hat, und folglich
nothwendig ist. Eine solche Unabhängigkeit aber heißt Freiheit im strengsten
Verstande, und wird unter diesem Worte die Realität dieses Begriffs (der mit
der Naturnothwendigkeit oder der Abhängigkeit von physischen Ursachen im
Widerspruch zustehen scheint) nachgewiesen werden. ♦ |
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Die moralische Abhängigkeit kann nur bei einem Wollen Statt
finden, dessen Bestimmungsgrund die Form des Gesetzes ist (daß etwas wirklich
Gesetz sey, ohne daraus zu sehen, was); allein wäre diese die einzige
Bestimmung eines solchen Willens, so würde er von selbst nicht anders wollen,
als was das Gesetz will, und dieses wäre keine Abhängigkeit, sondern ein
solcher Wille wäre heilig, wie der der Gottheit. Wenn aber ein Wille, wie z. B.
der menschliche, der eines Wesens ist, auf welches sinnliche Bewegursachen
einwirken, weil es Bedürfnisse hat, mit einer Willkür verbunden ist, die
Wünsche bei sich führt; so ist das Verhältniß eines solchen Willens zum moral.
Gesetze Abhängigkeit von demselben, das Gesetz ist für einen solchen Willen ein
Gebot, oder schränkt die Willkür ein.♦ |
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Hingegen ist die Willkür vom Naturgesetz abhängig, wenn die
Materie des Wollens (welche nichts anders, als das Object einer Begierde seyn
kann) in das Gesetz hinein kommt, und sein Bewegungsgrund wird, irgend einem
Antriebe oder einer Neigung zu folgen. Es ist freilich unleugbar, daß alles
Wollen auch einen Gegenstand |
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S. 117 Sp. 1 |
ABHÄNGIGKEIT |
⇧ Inhalt |
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(eine Materie) haben muß; allein wird die Willkür von diesem
Gegenstand abhängig, ist dieser der Bestimmungsgrund derselben, und nicht die
Form, so ist die Abhängigkeit nicht moralisch, sondern physisch. |
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Die teleologische Abhängigkeit ist die, wenn ein Ding das
Mittel zu einem andern, als seinem Zweck ist. Sehen wir z. B. auf die
Endursachen oder Zwecke der Dinge in der Natur, und die in derselben
herrschende Weisheit, so ist diese Abhängigkeit der Dinge in der Natur eine
teleologische. |
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Die religiöse Abhängigkeit der vernünftigen Wesen vom
Weltschöpfer ist die moralische Nothwendigkeit, das Daseyn Gottes anzunehmen,
oder die Verbindlichkeit, so zu handeln, als hänge alle durch die Natur
mögliche Glückseligkeit von einem weisen und heiligen Weltschöpfer ab. Durch
diese religiöse Abhängigkeit erhält jene ideale Abhängigkeit der Dinge von Gott
erst für uns Wichtigkeit und objective Realität: d. h. für den tugendhaften
Menschen ist die Vorstellung der Abhängigkeit der Dinge von Gott, als einem
weisen und heiligen Urheber derselben und moralischen Gesetzgeber der
vernünftigen Wesen unzertrennlich von seiner Verbindlichkeit, alle
Glückseligkeit, die er als ein zur Natur gehöriges Wesen erwartet, seiner
Pflicht unterzuordnen, und dadurch die Wahrheit dieser Abhängigkeit ihm so
sicher, als heilig und verbindend ihm seine Pflicht ist. |
(Mellin.) |