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Alterthumskunde bezeichnet ein großes,
doch ohne methodische Ordnung gedachtes, Aggregat vieler,
oder aller zur Alterthumswissenschaft gehörigen
Real-Kentnisse; daher auch der Name häufig für
Alterthumswissenschaft selbst uneigentlich gebraucht wird.
Da letztere die Alterthümer entweder aller ältesten Völker der
Erde umfaßt, oder sich nur auf die der Griechen und Römer
vorzugsweise einschränkt, so wird auch die Alterthumskunde
bald in jenem weitesten Sinne, bald im engern Sinne
genommen.♦ |
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In letzter Beziehung versteht man darunter
eine durch lange Beschäftigung und Betrachtung der
griechischen und römischen Schriften und Kunstwerke
erworbene genaue Bekanntschaft mit den Sitten,
Einrichtungen und Formen dieses Alterthumes, d.i. der
griechischen und römischen Alterthümer selbst, so daß man
mit Hilfe allgemeiner Kentniß einzelne Theile, z. B. Vasen,
Gemmen, Bildnereien, Inschriften, Kunstwerke, Ruinen,
Luxus, Feste, Gebräuche, Sitten u.dergl. lehrreich beschreiben,
oder erläutern kann.♦ |
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Die Alterthumskunde, ihrem größeren und
geringern Umfange nach, ist in der Alterthumswissenschaft
enthalten, nicht aber umgekehrt. Denn diese setzt ihr Wesen in
die systematische Anordnung und genaue Kentniß aller Theile
dergestalt, daß sie die instrumentalen Doctrinen, Grammatik
und Rhetorik, nicht allein einschließt, sondern zu den zwei
Hauptthoren ihres Gebäudes macht. Die Alterthumskunde
dagegen drückt blos ein unbestimmtes Maß alterthümlicher
Kentnisse aus, denen auch das Merkmal einer scharfen
Eintheilung und Anordnung nicht nothwendig zukommt.
Zwar gebraucht sie auch die Sprachen als Mittel zu ihren
Untersuchungen, macht sie aber selbst nicht, außer etwa in
paläographischer Hinsicht, zum Gegenstand ihrer
Betrachtung.♦ |
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Man kann ein einzelnes Feld der
Alterthumskunde mit Beihilfe zerstreut aufgefundener
Kentnisse und nach allgemeinen Grundsätzen gründlich
bearbeiten, wenn man nur eine genaue Einsicht in die
angrenzenden Gebiete, die das Verhältniß des abzuhandelnden
Gegenstandes bestimmen, erlangt, und diesen selbst in seiner
ganzen innern und äußern Natur erforscht hat. Die Ergebnisse
solcher Forschungen erhalten in der Alterthumswissenschaft
erst ihre angemessene Stelle.♦ |
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Bevor die Alterthumswissenschaft
entstand, gab es nur Alterthumskunde. Jene angeführten
Thesauren von Ugholini, Gronovius, Grävius (s. Alterthümer)
enthalten Alterthumskunde, die von der
Alterthumswissensthaft, als Beiträge zu ihrem System
angesehen und in eine, diesem gemäße, Ordnung vertheilt
werden. Diese ist daher ein organisch geordnetes, in sich
zusammenhangendes und in bestimmte Grenzen geschlossenes
Ganzes; die Alterthumskunde, eine Masse gleichartiger
Kentnisse, deren zufällige Abtheilungen sich verändern und in
keiner festen Verbindung unter sich stehen. Beide haben die
genauere Kent- |
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ALTERTHUMSKUNDE |
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niß des Alterthums zum Zweck; jene
vermittelt eine Total-Anschauung, diese blos einzelne
Ansichten, jene stellt alle Schätze des Alterthums nach
schöner Rangordnung in ihrem Tempel auf, jene gräbt sie aus
und reinigt sie einzeln von ihrem Roste. (Nachweisungen: s.
den folg. Artikel). |
(P. F. Kanngiesser.) |
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