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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-06-319-4
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Artikel: AUFRUHR
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Forts. S. 319 Sp. 2 AUFRUHR ist die Vereinigung mehrer Menschen, um die Obrigkeit durch Gewalt
S. 320 Sp. 1 AUFRUHR
  zu zwingen, etwas zu thun oder zu unterlassen. Er gehört zu den unmittelbar wider den Stat verübten Verbrechen und ist eine Gattung des Verbrechens der öffentlichen Gewaltthätigkeit, der vis publica.
  Nach gemeinem Recht ist zum Begriffe des Aufruhrs eine bestimmte Anzahl vereinigter Menschen nicht erfoderlich; die Gesetze einzelner Staten erfodern sie hingegen. So gehört nach dem Artikel 314. des baierschen Strafgesetzbuchs vorn J. 1813 zum Thatbestande des Aufruhrs die Vereinigung von wenigstens zehn Menschen; nach allgemeinen Grundsätzen dürfte es hiebei lediglich auf die Verhältnisse eines jeden individuellen Falls ankommen, indem zehn Menschen nicht in einer mit mehren hunderttausend Menschen bevölkerten Stadt, wol aber in einem kleinen Dorfe einen Aufruhr erregen können. ♦
  Der Aufruhr ist nach seiner Absicht und Dauer, nach der Anzahl der Theilnehmer an demselben, und nach dem durch ihn angerichteten Schaden ein gefährlicher oder ein minder gefährlicher Aufruhr; zur ersten Gattung gehört derjenige, der in hoch- und landesverrätherischer Absicht, als Vorläufer oder Begleiter einer bezweckten oder ausgeführten Revolution, erfolgt, und welchen man Aufstand nennen könnte, obgleich Klein in s. peinlichen Recht §. 516. diesen Namen dem Aufruhr gegen eine, die Gränzen ihrer Macht offenbar überschreitenden, Obrigkeit beilegt. ♦
  Vom Aufruhr ist der Auflauf darin verschieden, daß letzter nicht sowol beabsichtigt, von der Obrigkeit etwas zu erzwingen und zu ertrotzen, als vielmehr eine unerlaubte und ungeregelte Theilnahme der Menge an irgend einem Ereigniß ist, und daher mehr zu den polizeilichen Vergehen als in die Kategorie eines Verbrechens gehört. ♦
  Der Aufruhr wird nicht allein gegen den Regenten und die höchste Statsgewalt, sondern auch gegen untergeordnete Obrigkeiten und deren Abgeordnete begangen, und zwar in eben dem Maße von temporären als von beständigen Unterthanen. Es leuchtet von selbst ein, daß es hiebei überhaupt nicht auf die Vernunft- und Gesetzmäßigkeit der Handlung, welche mit aufrührerischer Hand ertrotzt werden soll, ankommen kann, indem die Obrigkeit, nicht die Menge, regirt, und letzte kein Recht hat, die Handlungen der ersten, am wenigsten durch Gewalt und Aufruhr, zu leiten. ♦
  Obgleich der Aufruhr zu den schwersten und gefährlichsten Verbrechen gehört: so ist er doch in seinen Graden zu verschieden, als daß nicht auch die Strafe verschieden seyn müßte; die Strafbarkeit desselben ist nach Absicht, Zweck, Dauer, und dem Grade der gebrauchten Gewalt verschieden. Nach Römischem Recht (L. 28. §. 3. L. 38. §. 2. C. de poenis und l. 2. C. de sed.) und nach dem Art. 127. der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. wird er, nach diesen Rücksichten, theils mit dem Schwerte bestraft, theils mit körperlicher und Gefängnißstrafe belegt; die preußischen Criminalgesetze (Allgem. Landrecht. Th. II. Tit. 20 §. 167) gehen von eben diesen Grundsätzen aus, und ein Gleiches ist der Fall beim baierschen Strafgesetzbuche 1813 Art. 320 ff., in welchem die Strafe nach Verschiedenheit der Fälle von sechsmonatlicher Arbeitshausstrafe bis zur Todesstrafe vorgeschrieben ist.
  Je unberechenbarer die Nachtheile des Aufstandes
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  sind, desto sorgsamer muß die Polizei sich bemühen, dem Ausbruche desselben zuvorzukommen oder ihn baldmöglichst in seinem ersten Keime zu ersticken; eine Obrigieit, die durch Liberalität und Gerechtigkeit das Vertrauen der Unterthanen erworben hat, die jede Beschwerde und jeden Beschwerdeführer ruhig und völlig hört, die auf alle Verhältnisse ihres Amts ununterbrochen aufmerksam ist, wird durch weise Vereinigung der Milde und der Strenge diesen Zweck in der Regel leicht erreichen. ♦
  Fortgesetzte Beobachtung auf diejenigen, die aus selbstsüchtigen Absichten Neuerer und Tadler aller Handlungen der Regirungen sind, die den gemeinen Mann hiezu auffodern und gern die Wortführer der Unzufriedenen sind, auf diejenigen, die sich zwar durch die Benennung der Liberalen ehren möchten, im Grunde aber die ärgsten Terroristen sind, auf deren geheime Verbindungen und geheimes Treiben, Verhütung aller eigenmächtigen öffentlichen zahlreichen Versamlungen bei bereits gezeigter Widersetzlichkeit Einzelner, Ruhe, Festigkeit und Sanftmuth in Ansehung derjenigen, die zur Theilnahme am Auflauf verleitet sind, schleunige Strenge und Verhaftung derjenigen, die jene dazu verleitet haben, unfehlbare Strenge gegen alle, welche den anfangs angewandten gelinden Mitteln trotzen und der Auffoderung auseinander zu gehen nicht pünktlich Folge leisten, Vorbeugung der Verstärkung des aufrührerischen Haufens und eine hinreichende Macht, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, werden diesen Zweck selten verfehlen lassen. ♦
  Die Wahl der Vorbeugungs- und Unterdrückungsmittel muß durch den Zweck und die übrigen Verhältnisse des Aufruhrs bestimmt werden; bei einem, auf Umsturz oder Veränderung der Regirung oder gar der Statsverfassung gerichteten, Aufruhr und bei den fruchtlos versuchten gütlichen Mitteln, einen Auflauf von minder gefährlichem Charakter zu unterdrücken, ist schleunige Anwendung strenger Maßregeln unerläßlich nothwendig; und der dieser Anwendung gegebene Aufschub gewöhnlich Gegenstand zu später Reue.
  Die Gesetze mehrer Länder enthalten bestimmte Vorschriften über die polizeilichen Maßregeln zur Verhütung und Unterdrückung des Aufruhrs; dahin gehören z. B. die Reichs- Executions-Ordnung §. 50 ff. das Kursächsische Mandat vom 18. Januar 1791 wider Tumult und Aufruhr und die königl. Preußische Circular- Verordnung vom 30. Dec. 1798 *).
  *) Vgl. Achil. Aug. Leisner diss. de seditionibus. Bas. 1683. 4. Sam. Schelguigii diss. de seditionum causis. Vit. 1663. 4. Andr. Dalners Tr. vom Aufruhr und Empörungen aus geistlichen und weltlichen Historien nach gemeinem Rechte. Ingolst. 1601. 4. Mev. Schock de seditionibus Groeningen 1664. Amst. 1686. 8. Joan. Henr. Boecer diss. de tumultibus rusticorum saeculo XVI. motis. Argent. 1712. 4. Chrst. Wildvogel diss. de tumultibus. Jenae 1714. 4. 4. Chrst. Fried. Willisch diss. se tumultu ac seditione praesertim ex novissimo mandato Elect. Saxon. Vit. 1791. 4.
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Stand: 12. Oktober 2017 © Hans-Walter Pries