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Baiern II. Mittlere und neuere Geographie und Statskunde. |
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I: Baiern, als Herzogthum; Gränzen, und Umfang im Mittelalter. |
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Die wechselnden Marken und der unbestimmte Umfang des Landes in und zu
welchem sich die den Namen der Bajoarier erwählenden Stämme zusammenschlossen , während
dieses Ereignisses und in der ganzen Übergangszeit der Allesbewegenden Völkerwanderung, gehört
nicht zu dieser Untersuchung. (S. Art.. Alemannen B. III. S. 9). Erst von da an, als das Land der Baiern
zwischen Italien, Alemannien, Thüringen (beides bald darauf minder oder mehr in fränkischer |
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Abhängigkeit), slavischen Völkerschaften, oder den Weideplätzen avarischer
Horden, eine bestimmte Lage bekommen hatte, beginnt seine Geographie des Mittelalters, und kann
die Rede davon seyn, seine Gränzen zu stecken. Wir dürfen also so wenig die uns gleichgütigen
Mahlsteine der römischen Provinzen Noricum und Vindelicien abschreiten 1), welche nun
zur Verwirrung der Ansichten in die Untersuchung gezogen sind, als noch weniger in die modernden
Gräber fabelhafter bojischer Schattengestalten herabsteigen. Selbst das Nebelgewoge der
thüringischen Herrschaft irret uns wenig. |
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Von dieser Zeit hergestellter Ruhe (der erste Fürst der Baiern wird um 554
genannt) bis zur gänzlichen Einverleibung in das Frankenreich (788), und dann wieder bis zum
Untergang der Gauverfassung finden wir im Ganzen das Land und spätere Reichsherzogthum Baiern
in den folgenden Gränzen begriffen. |
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Im Abend trennten diesen Stamm von den Alemannen 2) der
Lech 3) von seinen Quellen bis zur Einmündung in die Donau. Dort auf das nördliche Ufer
derselben überschreitend, der noch nicht ausgemittelte Punkt, wo das bei Donauwörth an den
alemannischen Rießgau gränzende Sualafeld 4) und der Nordgau mit den baierischen
Landstrichen zusammenstießen 5).♦ |
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Vor ihm liegt in Mitternacht die Gränze an der dunkeln Scheidung zwischen
jenen, später ostfränkischen Zubehörungen und dem baierischen Chelsgau, Westermann, Donaugau,
die Altmühl, Naab und zehn kleine Bäche durchschneidend, hin, wo der Regen sich im starken Bogen
der südlichen Donau zuwendet, alles im Mittag und Morgen dieser Linie liegende Land Baiern
zuweisend, das nördlich liegende dem Nordgau: der nordöstliche Theil allmählige und darum
unbemerkte Eroberungen aus dem herabgerückten Slavenlande, welche dem Nordgau (wie den
nachbarlichen Radenzgau), die ungewöhnlich weite Ausdeh-
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- l) Also auch mit dem Sinn der dem heil. Hieronymus (?) (starb 420)
zugeschriebenen, unverständlichen Nachricht von der Begränzung Germaniens und der östlichen
Provinzen in einem Codex des 8ten Jahrh. zu Wessobrun (Mon. Boic. VII. 374.), dem nämlichen, der
uns auch den Spuk des Kazungali gebracht hat, uns nicht zu quälen.
- 2) Regio Suavorum ab oriente
Bajobaros habet. Jornandes c. 55. (um 552); Noricorum provincia , quam Bajoariorum populus
inhabitabat, habet ab oriente Pannoniam, ab occidente Suaviam, a meridie Italiam, ab aquilonis vera
parte Danubii fluenta. Paulus Diaconus r. Long. l. 3. c. 31. Mitte des 8ten Jahrh. jedoch von der Zeit
um 558 redend. Offenbar wollte er den neuesten Zustand beschreiben, nicht das römische Noricum,
das nur seine Gelehrsamkeit herführte.
- 3) Drauum Norico, Oenum Breonis, Liccam Boioaria,
Danubium Alemannia, Rhenum Germania transiens in Galliam. Venant. Fortunatus (um 564.)
dedicat. ad Gregor. ep. Turon. und in der Reiseroute, die er seinem Büchlein vom Lech an
vorschreibt:
Pergis ad Augustam, quam Vindo, Lycusque fluentant.
Si vacat ire viam, neque te Baioarius obstat,
Qua vicina sedent Breonum loca, perge per alpem,
Ingrediens rapido qua gurgite voluitur Oenus,
Norica rura petens, ubi Byrrus nectitur undis.
Lechus — is fluvius Bajoarios ab Alemannis dividit. Eginhard Vit. Caroli c. XI. Für die spätern Zeiten ist kein Beweis weiter nöthig.
- 4) S. oben B. III. S. 9.
- 5) Wenn der nordgauische Hof Ingoldestadt (Theil. Karls 806) das
heutige Ingolstadt an der Donau wäre, so hätte sich der Nordgau allerdings bis zur Donau
herabgestreckt, und Sualafeld und Chelsgau getrennt. Es ist aber zweifelhaft.
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nung verschafft haben. An dem Regen ferner herauf, wo er den Nordgau und
Donaugau und Chambrich trennt, bis Cham, das schon Thassilo gehorchte. Von hier auf der auch noch
nicht erforschten, doch kurzen Linie zum großen Nord- (Böhmer-) Walde 6).♦ |
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Im Morgen an diesem, von den Quellen des Mains und der Saale bis zu den
Marken Mährens, den gleichen Namen führenden Walde, im weitern oder engern Raum, je nachdem
das Glück oder die Kriegskunst der Baiern oder Slaven größer war, doch früh auf der natürlichen
Scheidung der Höhen und der Wassertheilung laufend 7), bis etwa gegenüber der
Einmündung der Enns{1} in die Donau 8). Dann zu dieser in südlicher Richtung herab in
jene 9). An ihr, (doch vielleicht noch das Thal der bei dem steiermärkischen Altenmarkt in
sie einfließenden Salza, einschließend) her-
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{1} korrigiert aus: Ems |
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- 6) Die Höhen des Fichtelberges heißen Nordwald 1017. Ussermann Germ.
sac. ep. Bamberg. Cod. S. 25. Am Regen in sylva communi Nordwald proprietatem Steniningam
(Stephaning über Zwiesel? Am Regen lag der Ort nach der vorhergehenden Urkunde, und das
oberpfälzische Steffling, wie Ried will, kann es nicht seyn, weil der Nordwald doch wol nicht an
dieser Stelle bis zum Regen herunter ging). 991. Pez thes. I. 3. 103. Ried Cod. Ratisbon. I. 112.
Ecclesiam in eremo Nortwald a Gunthero constructam Rininchnaha 1040. Mon. Boic. XI. 147.
(Rinchnach bei Regen). Portionem sylvae quae vocatur Nordwald in longitudine a fonte fluminis,
quod dicitur Iltsa (die bei Passau in die Donau geht), sursum ad terminum praedictae sylvae, qui
separat duas terras Bavariam scilicet et Bohemiam et ita usque ad fontem fluvii qui dicitur Rotala
(Rottal in Osterreich, eine große Ausdehnung), in latitudine vero decursus eorundem fluminum
scilicet Ilzsae et Rotilae usque ad fluvium Danubii. Heinr. 2. an Niederburg zu Passau 1010. Predium
Zwetl in Nortica sylva 1139. Ludwig Rel. MS. IV. 25. vergl. was Kurz Beitr. IV. 512 ff. im Einzelnen
auf der österreichischen Gränze nachgewiesen.
- 7) Meginfrid (nicht Aribo), Anfang des 11. Jahrh.
Leben des heil. Emmeram, Canisius, Basnage III. 95. — Emmeramus in Bajoarios fines, qui
meridiem versus Alpibus, ad orientem Ungris, ad aquilonem vero Hircano nemori limitem Germaniae protendunt, devenit. Daß er Ausdrücke hineinlegt, die Aribo, den er abschrieb, nicht
kennen konnte, thut an sich so wenig, als daß er die Himmelsgegenden verschiebt, und vom Westen
ganz schweigt. Was er will, ist klar. Heinr. 4 Urk. über die eigentlichen Gränzen des Bisthums Prag
1086. bei Cosmas Prag., Pelzl et Dobrowsky ff. I. 168. Deinde in ea parte, quae meridiem respicit —
usque ad fluvium Wag, et ad mediam sylvam, cui nomen est Madre, et ejusdem montis, eadem
parochia tendit, qua Bavaria limitatur; Cosmas Prag. ib. S. 120. Caesar (Henricus 3) pertransiens
castrum Kamb cum admoveret aquilas sylvae, quae dirimit Bawariam atque Bohemiam, und die
Anmerk. 6. ausgezogene Urk. v. 1010.
- 8) Ungefähr müssen die Ufer wol gleich abgetheilt gewesen
seyn, aber über das Genauere ist auf der Nordseite keine Nachricht geblieben, das Machlund
(östlicher Theil des Unter-Mühl-Viertels) gehörte nach der Urk. 1076 Mon. Boic. IV. 298. zum
Marchionatus Leupoldi marchionis terre australis, so die Riedmark, (Kurz Beitr. 4. 502 ff.) der
westliche Theil dieses Bezirks, nach der durch v. Hormayr im Auszuge mitgetheilten Urk. von 1115.
(Taschenbuch 1813. S. 106.) zu der Herrschaft des heil. Leopold. (Aber zur Mark?)
- 9) Prima castra
super Anesum posita sunt. Nam is fluvius inter Bajoariorum atque Hunnorum terminos medius
currens, certus duorum regnorum limes habebatur. Eginhard Ann. ad 791. Bouq. V. 210. — — Sic ad
fluvium rex venit Anesum, qui medius Bajoarios sejungit et Hunnos. Poeta Saxo ib. 155. Die
avarischen Eroberungen Karls wurden eine eigene Provinz, und deshalb blieb die Enns auch im 9ten
Jahrh. Gränzstrom {1} Baierns, und als jene dann verloren ging, brach an der Enns alten und neuen
Wällen die Wuth der Ungern, und an sie lehnte sich, nach dem Sieg von 955, die neue, größere
Ostmark, Osterreichs Wiege.
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{1} Fußnote ergänzt von S. 165 Sp. 1 |
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auf 10), zu den Gebirgen des Herzogthums Karantanien 11),
(nun in Steiermark).♦ |
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Im Morgen dieser Linie auf beiden Ufern der Donau, dehnten seit der Mitte des
10ten bis zum Ende des 11ten Jahrh. die kräftigen Babenberger allmählig mit der Mark Österreich
mittelbar und statsrechtlich zur March und Leitha 12) die Gränzen des Herzogthums Baiern
aus, bis in den Streit, um den Besitz des letztern, der große Hohenstaufe diese Mark und einen
unmittelbaren Landstrich im Abend der Enns, davon trennte, und beide zu einem eigenen Herzogthum
erhöhte. —♦ |
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Auf der Scheidungslinie der steierschen, salzburgschen, kärnthenschen Alpen
fort 13), wie die Wasser zur Enns, Traun, Salza, oder zur Murr, Drau und Sau abfließen, wo
an den Quellen der Drau mit den Grafschaften Lurno, Catubria (Cadore) und Pustrissa (Pusterthal),
Kärnthen, Italien 14) und Baiern sich scheiden 15).♦ |
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Auf diesen Höhen nach Abend weiter, südlich unter Brixen weg, und unter Botzen
zur Etsch 16) und zu
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- 10) Westlich der Enns lag der alte baierische Traungau von den Agilolfingern
bis die Gaueintheilung aufhört.
- 11) Montana Carinthiam respicientia Konrad 2. 1033. Meichelb.
hist. Frising. I. 227. — decimationes novalium — ex utraque parte fluminis Ybisae (Ibisa in orientali
parte) et ad occidentem usque ad Karinthischneide contulimus ecclesiae Seitenstetten, Bischof Ulrich
von Passau 1116. Pez ss. rer. Austr. 2. 302. Die Mark später von Steier benannt, war kärnthnerisch,
(marchio karentinorum Leopoldus Chron. Leob. an. Pez. ss. 1. 780. Chron. Austral. ap. Freher ss. I.
444.) aber die" Privatgüter der Aribone und Ottokare schlossen an diese ein Gebiet nördlich dieser
Berge, und in einer fremden Provinz (Steier lag im Wungau, wovon schon 1072 Oezo marchio de
Styre benannt wird), aus welcher die Mark die Benennung holte, welches aber mit der Mark selbst
keine Verbindung hatte. Von Kärnthen selbst siehe unten.
- 12) Heinricus rex — Pannonias petens
— regnique usque Leitha flumen partem accipiens — Herrmann. Contr. ad 1043. ed. S. Blas. S. 211.
Die Leithe ist noch nicht an diesem Theil die Gränze — während die kärnthnerischen Marken bis zur
Raab gingen. Vallem, Baumgartenthal sursum usque ad notas definitas Ungaricorum terminorum
(Baumgarten bei Marcheck an der March), Heinrich 4. an Passau 1056. Hansiz Germ. sacra I. 251.
Villa Tyensfurt, et transitum ipsius fluminis, quod dicitur Maracha et infra haec loca : Baumgarten,
Staperich, (Stapfenreit nach Hormayr, Modzulla (Motsiedel desgl.), quod est praedium Arnesti,
marchionis — in pago Austriae in marchia Arnesti marchionis – Heinr. 4. an Passau 1067. ( desgl. S.
257.) Also die March schon damals die Gränze.
- 13) Thassilo schenkte 769 an Freisingen locum
India (Innichen), quod vulgus Campo-Gelau vocatur — a rivo quae vocatur Tesido, usque ad
terminos sclavorum, id est ad rivolum montis Anarasi. (Arras im Pusterthal, welcher Bach gemeint
sey, läßt sich schwerlich noch ausmitteln). Meichelbek hist. Fris. I. 2. 38.
- 14) A meridie Italiam
Paulus Diac. (Anmerk. 2.)
- 15) Quaedam loca, in medio horum comitatuum constituta, qui vulgo
vocantur Pustrissa, Larno, Catubria 974. Otto 2. Resch. Annal. lib. I. 179. Unirzohah (Vierschach,
der nächste Ort östlich von Innichen an der Drau) in partibus Karantaniae 965. Hormayr Beitr. 1. 97.
- 16) Hic (Alahis) dum dux esset in Tridentina civitate cum comite Bajoariorum, qui Bauzanum, et
reliqua castella regebat, conflixit. Paulus Diac. l. 5. c. 36. Daß Trident stets longobardisch war, davon
viele Stellen Paulus, Aribo Leben S. Corbinian's c. 12. 16. 17. 18. Meichelbek hist. Fris. I. 2. 9. 12.
Von Trident kam dieser Heilige ad fines Bojoariorum. Qui dum Majensem castrum {1} intrasset,
captus est de custodibus Grimoaldi ducis (Bajoar.). Kurz darauf aber Magies (Mays südl. v. Meran)
— quia in eodem castro dominabantur tunc in tempore Longobardi (c. 29. S. 16). Der öftere Wechsel
im Einzelnen kann hier nicht nachgewiesen werden. Siehe deshalb Hormayr Beitr. I. 43 ff.
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{1} Fußnote ergänzt von Sp. 2
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Val di Non, wo von der Longobarden Zeit bis zu Friedrich dem Rothbart, die
Endsäulen Baierns und Teutschlands standen 17), noch in den Namen der Orte
bewahrt 18).♦ |
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Von da nach Abendwärts auf den Felsenkuppen, welche zwischen Ultenthal, Val
di Non, Val di Sol und dem Etschthal 19) des baierischen Vintschgaus 20), der mit
seinen Namen zwischen alter und neuer Geographie inne steht, sich erheben, dann mit ihm gen
Mitternacht an Rhätiens furchtbaren Firsten (mit dem himmelhohen Ortles diese westlich, die Ferner
östlich lassend) über den Inn zum Arlberg, und den Quellen des gränzenscheidenden Lechs. |
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1) Daß Baiern je über den Lech herübergegangen, und im Abend desselben ein
Westbaiern gelegen habe, träumte nur von Pallhausen 2l), und ist eine so von aller
Begründung entblößte Meinung, daß sie keiner Widerlegung bedarf. Braun (Gesch. d. Bisch, v.
Augsburg. Vorr. B. 4.), hat einiges auf dieses Hochstift Bezügliche bestritten. |
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2) Es wäre nothwendig, den berühmten Streit über die nördliche Ausdehnung
Baierns, und die des Nordgaus insbesondere, wie den über des letztern Angehörung zu Baiern oder
Franken hier zu erörtern, und diesen Abschnitt hier zum Theil vorwegzunehmen, weil die oben im
Norden und Osten der Donau gezogene Scheidung sonst nicht begründet und deutlich werden kann, da
sie von allen bisherigen Annahmen abweichend ausfallen mußte. Allein es fehlt an Platz, und wir
können nur das Folgende erzählen, und müssen die Ausführung einer andern Gelegenheit
vorbehalten.♦ |
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Über die geographischen und volksstammlichen Verhältnisse des Landes im
Norden und Osten der Donau, von der Brenz zum Inn, in der ersten Hälfte des Mittelalters,
herrschen nämlich zwei einander entgegenlaufende Meinungen. Die eine will, daß Baiern ursprünglich
in zwei große Hälften, den Süd- (Sund-) Gau und den Nordgau, abgetheilt gewesen sey, deren
Scheidungslinie die Donau gebil-
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- 17) Per Tridentum — ad Bauzanum usque pervenit (Fridericus I.). Haec villa
in termino Italiae Bajoariaeque posita — Otto Frising. De gest. Frid. 1. l. 2. c. 26. Urstis. I. 468. ed.
1670.
- 18) Mezo tedesco, Mezo Lombardo, Teutsch und Welsch Metz. Daß damit wirkliche
Landesgränzen angedeutet werden, läßt sich hier nicht läugnen. Das Genauere ist nicht nachzuweisen,
wie Hormayr Beitr. I. 21. gezeigt hat.
- 19) Wir verweisen deshalb bloß auf Hormayr
a. a. O. 162 ff.
- 20) Dieser Schriftsteller und Lang sehen den Vintschgau für rhätisch
an. Allein, daß er zum Gurer Sprengel gehörte, ein rhätischer Graf auch über ihn gebot, daß selbst ein
Theil des comitatus rhaetiae (967) in das Vintschthal hineinging, kann nicht als entscheidend
angesehen werden. Das letztere allein deutet auf eine frühere Verbindung, über welche bei dem
Wechsel der Dinge in diesen Gegenden, und dem Mangel an Nachrichten sich nichts bestimmen läßt.
Das übrige erfodert noch nähere Untersuchung, und ist von Pallhausen richtig bemerkt (Nachtrag
266), es sey mehr als zweifelhaft, ob das 824 genannte Amatia das Vintschgauische Matsch? Vielmehr
weisen die andern Orte der Urkunden auf das Veltlin'sche Mazzo an der Adda hin.
- 21) Nachtrag. S.
78. und Urgesch. S. 17.
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det habe. Das eigentliche Baiern, im engern Sinn, habe also eine Hälfte
ausgemacht, die andere jener Nordgau, der aber eben deshalb, auch ohne im Namen dieß gleich
anzudeuten, ein ergänzender und nothwendiger, auch mit der andern Hälfte in Hinsicht des Umfangs
im Verhältniß stehender Theil Baierns, im weitern Sinn, gewesen sey.♦ |
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Falkenstein 22) seine Narisker Gränzen ungebührlich herbeiziehend und
identifizirend, gibt diesem Nordgau eine solche Ausdehnung, daß Koburg, Baireuth, Anspach, die
Ober-Pfalz, Eichstädt, Neuburg, Öttingen und alles baierische Land im Osten und Norden der Donau
bis zur Enns unter diesen Namen begriffen werden.♦ |
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Pfeffel 23), wenn er gleich die Gränze im Osten bis zum nördlichen Ende
des Passauer Sprengels und den Quellen des Regen zurückzieht, und den Quiezingau, Schweinachgau,
und die noch östlichern, als eigentlich baierische ausscheidet, schreitet im Nordwesten doch noch
weiter vor, und nimmt alles Land zwischen der Donau, dem Regen, dem Böhmer- und
Thüringer-Walde, dem Spessart, Main, der Tauber, Jagst, dem Kocher und der Brenz als Nordbaiern, als
nothwendige Zubehörung seines großen Nordgau's, in Anspruch 24). Damit ist ganz
Ostfranken verschlungen, und eine hochwichtige Reichsprovinz in der Geographie des Mittelalters
gelöscht.♦ |
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Falkensteins Annahme wurde zwar oft ungeprüft wiederholt und vorgeschoben,
doch im Grunde, nach dem Rufe dieses Schriftstellers, wenig beachtet. Erst als Pfeffel die seinige
unter dem Schilde der neuen, geehrten Akademie, mehr trotzig als kühn hinstellte, erregte sie
Aufmerksamkeit, und zwar selbst bei ruhigern und mehr kritischen baierischen Forschern bedeutende
Widersprüche, doch wer Anspruch darauf machte, patriotischer Baier zu heißen, trat zu ihm. In der
ersten öffentlichen Sitzung der Akademie, nach ihrer Erneuerung 25), 9 Jahre nach Schultes,
wurde gesagt: Pfeffel habe ein dokumentirtes Bild vom Umfange des Nordgaus aufgestellt, „eine von
den Arbeiten, die der historischen Classe einer Akademie der Wissenschaften zur unvergänglichen
Ehre gereichen", und in den Krämpfen Pallhausens sieht man den hohen Werth der Lehre von der
Spessart-Gränze für gleichgesinnte Gemüther. |
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Andere bestreiten diese Annahme überhaupt, sie geste-
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- 22) Antiq. et memor. Nordgav. vet. II. 138. sowol in der, diesem Werk
beigelegten Karte des Nordgaus im 9ten und 10ten Jahrh. 1735., als der beim Codex antiq. Nordgav.in ep. Aureat. im 11ten und 12ten Jahrh., 1733, welche letztere die Homann'sche Officin auch
illuminirt einzeln in den Buchhandel gebracht hat, gehen im Osten nicht so weit.
- 23) Abh. der baier.
Akademie der Wissensch. Bd. 1. S. 153 — 170. mit einem Kärtchen, Bd. 2. S. 183 — 216. Antwort
auf Mederers Bestreitung. Unkritisch und durchaus nicht in der Reihe anderer Pfeffelscher Arbeiten
(wie die über die angebliche Zersplitterung Baierns nach Heinrich des Löwen Fall in Westenrieders
Beitr. 1. 31.) Was bewiesen werden muß, setzt er voraus, vermischt die Markgrafschaft mit dem
Nordgau, die markgräflichen Besitzungen mit diesem, wo er denn freilich noch weiter, als bis zur
Reichsstadt Gelnhausen und dem Isenburgschen Sulbold gelangen kann.
- 24) „Der Nordgau liegt
jenseit der Donau vom Inn zum Lech gegen Mitternacht bis zum Fichtelberg." Pallhausen Nachtrag S.
171. 25) So lautet der Titel. München 1807. 8. S. 25.
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hen nur einen Landstrich, Nordgau genannt, im Norden der Donau zu, im Umgang
des Bisthums Eichstädt, der aber nur kurze Zeit einmal mit Baiern verbunden gewesen, läugnen selbst,
daß der Name Bezug auf Baiern und seine Hälften habe.♦ |
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Kremer (1778) 26) wenn gleich nicht mit triftigen Gründen, welche
allein die alten Keßlerbezirks-Gränzen nie seyn können, schloß den größten Theil Ostfrankens und das
Land zwischen Altmühl und Donau aus, ließ aber die weiten Gränzen Pfeffels an der andern Seite, und
suchte sie noch zu bestätigen; dann trat von Schultes (1798) auf 27), stellte das zerrissene
Ostfranken völlig her, wobei er die Gränzen des Nordgaus im Mitternacht diplomatisch und kritisch
bestimmte. Aber im Westen wie im Osten sind seine Untersuchungen nicht eindringend genug, seine
Karte ungenau.♦ |
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Mannert 28), nicht immer mit gleich vollgiltigen Gründen, erklärte ihn
darauf (1807), wenn gleich ursprünglich für baierisches, doch seit der Mitte des 8ten Jahrh. für ganz
fränkisches Land, die Oberpfalz als menschenleeres während der Herrschaft der Agilolfinger in Baiern
abscheidend, und beschränkte ihn auf das Fürstenthum Eichstädt und die umliegenden
Bezirke.♦ |
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Ihm folgte von Lang 29) (1812) überall: nie sey der Nordgau ein
baierisches Land, oder baierische Zubehörung gewesen, stets ostfränkisches Gebiet, dessen
Markgrafschaft den nordöstlichen (größten) Theil desselben ausgefüllt habe, und durch deren
unmittelbares Land er ebenfalls bis zum Regen vorgeschritten, und durch die zu demselben gehörigen
Gaue Chambrich, Bogenau und Horevun das nordöstliche Donauufer, Regensburger Sprengels, bis
Deggendorf sich angeeignet habe. Damit reicht nun, im Wechsel, Ostfranken bis zum Passauer
Sprengel. Auch im Nordwesten dieses Landstrichs werden die als eigene Gauen vorkommenden
Chelsgau, Westermann, als Untergauen des Nordgau's betrachtet. |
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Die Wahrheit liegt, wie gewöhnlich, auch hier in der Mitte! Baiern hat sich nicht
zum Spessart ausgedehnt, hat Ostfranken nicht verschlungen, der Nordgau war seine Domaine nicht,
aber auch Ostfranken, im eigentlichen Sinn, gehörte er nicht zu, dessen Markgrafschaft hat nicht alles
überdonauische Land begriffen, wenn solches gleich später meistentheils in den Händen mehrer
markgräflichen Familien sich befand.♦ |
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Der Nordgau, mit dem angränzenden Sualafeld 30), war eine
besondere und eigen-
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- 26) Geschichte des rheinischen Franziens. Mannheim 1778. 4. S. 184 ff. —
durch den Tod des Verf. wurde die Vollendung gehindert.
- 27) Historische Schriften. 1. Bd 1798. S.
1 — 16. ohne die Beilagen, und seine Karte dazu im 2. Bde.
- 28) Die älteste Geschichte Bajoariens
1807. S. 266.
- 29) Die Vereinigung des baierischen Stats in den Denkschriften der Münchner
Akademie für 1811 und 1812. S. 99 — 116. Dazu wird die Mannertsche Karte von Baiern (1811) in
zwei Blättern besonders illuminirt gelegt. S. den Art. Gaukarten. In den Denkschriften für 1813
erschien die zweite Abtheilung über die einzelnen Gebiete, worin das Königreich Baiern 1180 zertheilt
war, ebenfalls mit einer solchen, nach diesen 91 Herrschaften illuminirten Karte.
- 30) Alles, was ihn
betrift, s. d. Art., woselbst auch die Stelle des fuldischen Annalisten (Freher 1, 49.
Bouq. VII. 183.) [der die Zusammenkunft der Söhne Ludwig des D. 876. in den pagus Retiense
verlegt, welche andere An- {1} nalisten (Regino, Pistor, Struv 1. 79.) in den locus Sualifeld setzen
welches beides Pallhausen gleich zusammenwirft (S. 114. 131.), wie er auch eine, dies sagen sollende
Urkunde Arnulfs von 898 förmlich einschwärzt], erklärt wird.
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{1} Fußnote ergänzt von S. 167 Sp. 1 |
S. 167 Sp. 1 |
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thümliche Reichsprovinz, wie Hessen von Franken, wie (später) Thüringen von
Sachsen, wenn gleich (wie auch ersteres) mit keiner besondern Würde, gleich den noch größern
Hauptlanden ausgestattet. Der ursprüngliche Nordgau ging nur bis zur Gränze des Eichstädter
Sprengels, also zu dem Höhenzug zwischen Laber und Pegniz einerseits und der Vils andererseits, auf
deren Quellen Bamberg's, Regensburg's und Eichstädt's Sprengel zusammentreffen. |
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3) Ein nicht minder berühmter und durch politische Ansichten und Trennungen
vielfach verwirrter Streit, dauert ebenfalls in unsern Tagen noch unentschieden fort – über Österreichs
Verhältnisse zu Baiern bis 1156. Auch darüber kann hier nicht so ausführlich gesprochen werden, als
nöthig ist, um unsere obige Ansicht zu begründen, und ihr den Beifall billiger österreichischer
Schriftsteller zu erwerben. Das Nöthigste wird im Art. Österreich vorkommen. |
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4) Kärnthen kann nicht anders mit Baiern verbunden geachtet werden, als in dem
kurzen Zeitraum von 772 bis 758, doch weiß man auch davon nicht, ob Thassilo solches dem ältern
Lande einverleibte, oder in welcher Form er diese slavische Eroberung beherrschte. Karl legte
Kärnthen unter Friaul, es wurde aber immer als eine selbständige Provinz betrachtet, wie die Theilung
von 817. (Bouq. VI. 406.), die Annal. Eginhard. ad 819. (das. S. 179.), und die Fuldens. bei 820. (das.
S. 207) beweisen. Später wurde Karlmann, Herzog von Kärnthen, (Annal. fuld. (das. S. 169. bei 863.)
es erhielt zwar darauf einen Gebieter mit Baiern, dieß war aber keine Realverbindung, bis seit 976,
auch eine solche persönliche Vereinigung nicht weiter Statt gehabt hat. In der baierischen Geographie
des Mittelalters kann also Kärnthen auch keine Stelle finden. |
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5) In welche Gaue das obenbeschriebene Herzogthum Baiern in der
agilolfingischen Zeit vertheilt gewesen, hat Appell zu erforschen gesucht 31); bei der
Untersuchung der von ihnen so wesentlich verschiedenen Grafschaften, hat Zirngibl für die
karolingische Zeit gelegentlich, wenn auch untereinander werfend, mit aufzuhellen
versucht 32). Von Lang's Abhandlung und Karten (Anm. 29.), umfaßten das ganze
Mittelalter für das 1811 bestehende Königreich, so auch ihr Begleiter von Pallhausen. (Anm. 20).
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(Delius.) |
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- 31) Abh. der Baiersch. Akad. d. Wiss. B. 7. S. 356 — 464.
- 32) Neue Abh.
ders. B. 2. S. 3 – 374., beide ohne alle Karten, deren Entwerfung manchen Irrthum verhindert haben
würde.
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