HIS-Data
Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-12-432-1-B-1
Erste Section > Zwölfter Theil
Werk Bearb. ⇧ 12. Th.
Artikel: BREMEN, das Herzogthum... B. I - II
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum S. 441 : 435
Siehe auch: HIS-Data Bre
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
Inhalt:
⇦ BREMEN, das Herzogthum A
BREMEN, das Herzogthum B III ⇨

⇧ S. 435 Sp. 1  
Forts. S. 435 Sp. 1 B. Geschichte 1). Zu leichterer Übersicht derselben setze ich folgende Abschnitte fest:
 
 
  • 1) Urkunden enthalten Erp. Lindenbrog’s Scrptt. rerum septentr. Frcf. 1609. fol. verm. von J. Albr. Fabricius. Hamb. 1706. fol. Luneberg Murhard’s monum. nobilit. antiq. famil. illustr., inpr. ord. equestris in ducat. Brem. et Verd. Bremen 1708. fol., später unter dem Titel: Bremisch-Verd. Rittersaal etc. eb. 1720. fol. Petr. Lambecii orig. Hamburg. Hamb. 1652–61. 4. von neuem herausg. v. J. A. Fabricius 1706. Fol. Staphorst’s Hamburg. Kirchengesch. Hamb. 1723–31. 5. B. 4. – Von H. Muhlii Diss. hist. theol. (Kiel 1715. 4.) enthält die 7te viele Freiheitsbriefe Brem. Erzbischöfe. Auch machte G. Roth einzelne bis dahin noch nicht gedruckte Stücke bekant (1714–22.). Später lieferten J. Vogt, monum. inedita rer. germ. praec. Bremens. Bremen 1740–63. 2 B. 8. J. H. Pratje und H. Schlichthorst in den obgedachten, J. Ph. Cassel in mehren bekannten Sammlungen. Zerstreute Urkunden finden sich in den größern allgemeinen Saml. von Mencke, Lünig, v. Ludwig, v. Westphalen, u. Scheidt. – Von alten Geschichtschreibern sind zu nennen Adam v. Bremen und Albert von Stade (s. deren Art. B. I. II.) ein Ungenannter, der diese ausschrieb, herausg. von Lindenbrog, Leyden 1595. 4. und in dessen Scriptt. rer. sept.; der oft fabelhafte Can. Wolters, {1} dessen Chron. Archiepisc. Brem. in H. Meibomii scriptt. rer. germ. T. II. sich findet; Dr. Alb. Kranz in seiner Saxonia u. Metropolis u. dessen Forts. D. Chyträus; J. Otho’s Catal. omn. episc. et archiepisc. Brem. (1584) in J. B. Mencke Sciptt. rer. germ. T. III., fortgesetzt von J. J. Kelp bis 1648., abgedr. in Pratje’s Saml. II. Auch gibt es ungedr. Chroniken von H. Scheene und J. Renner in plattteutscher Sprache auszugsweise gedruckt, Bremen 1583 8 und in hochteutsche Reime übersetzt 1642, verbessert von Roth, Stade 1718. – Auch ist zur Geschichte des Landes, Roller’s Geschichte der Stadt Bremen (1799 – 1803, 4 B. 8.) zu vergleichen. (H.)
{1} Fußnote ergänzt von Sp. 2
S. 435 Sp. 2 BREMEN  
  I. Die älteste Geschichte des Landes bis zur Stiftung des bremischen Bischofthums.  
  II. Die mittlere Geschichte; 1) von den 3 Bischöfen und 6 ersten Erzbischöfen, welche noch keine weltliche Landeshoheit suchten. J. 788 bis. 936. 2) Vom Erzbischof Adaldag bis Erzbischof Adelbert; in welcher Zeit der Grund zur weltlichen Landeshoheit der Erzbischöfe gelegt wurde. J. 936 – 1072. 3) Höchste Macht der Erzbischöfe, besonders seitdem Erzbischof Gerhard II. die Grafschaft Stade mit dem Erzbisthume vereinigte. Jahr 1072 – 1220. 4) Einschränkung der erzbischöflichen Gewalt durch die wachsende Macht der Städte und das zunehmende Ansehn des Kapitels und Adels. J. 1220 – 1496.  
  III. Die neue Geschichte. 1) Die 7 letzten Erzbischöfe. J. 1496 – 1648. 2) Die schwedische Regierungsperiode. J. 1648 – 1715. 3) Die interimistische dänische (1712 – 1715) und großbritannisch-hanöversche Regierungszeit seit 1715.  
   
I. I. Älteste Geschichte. Das jetzige Herzogthum Bremen war in den ältesten Zeiten, aus denen man von diesen Gegenden etwas mit Gewißheit weiß, nach der gewöhnlichen, auf Ptolemäus gegründeten Meinung, die Wohnung der größern Chauken; andere setzen die kleinern Chauken dahin 2). Beide Theile mögen Recht haben, wenn man nur in den beiden ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung gewisse Zeitperioden annimt. Denn durch die Kriege unsrer tapferen Vorfahren mit den Römern veranlaßte öftere Veränderung ihrer Wohnungen durch das Vorrücken gegen den gemeinschaftlichen Feind, und durch das Nachrücken anderer, konnte bald und leicht ein Ländertausch herbei führen. Allmälig vereinigten sich kleinere teutsche Völkerstämme, wozu im Verhältniß gegen andre auch die Chauken gehörten, unter allgemeinen Namen, wodurch zwar nicht die Völker, aber doch die besonderen Namen zu Grunde gingen. Daher komt es ohne Zweifel, daß die Geschichte seit dem 4ten Jahrh. keine Chauken weiter nennt. Von dieser Zeit an waren sie mit den Sachsen zusammengeschmolzen, so wie auch die Abtheilung der Friesen, die die damals bewohnbaren Marschländer des heutigen Bremischen inne hatte, sich früh mit den hiesigen Sachsen als ein Volk verbunden hat. Von dieser Zeit an nehmen also auch die Bewohner dieser Länder an dem Ruhme der Sachsen Antheil, wie an der Eroberung Großbritanniens. –♦ ⇧ Inhalt 
  Wahrscheinlich kamen auch die Franken schon vor Karl dem Großen in ihren Kriegen wider die Sachsen in diese Gegenden. Die Rudera der im bremischen Amte Bederkesa noch vorhandenen Pipinsburg weisen unter anderen
 
 
  • 2) S. Mannerts Geographie III. 307.
 
S. 436 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  auf diese Zeiten zurück, wiewol diese Burg auch erst von Karl den Großen erbauet, und von ihm nach seinem Vater genant seyn kann.  
  Von der älteren Eintheilung dieses Theils des alten Sachsenlandes in Gaue (wovon sich der Name in der Gowgrafenschaft Achim, unfern Bremen, bis auf unsere Zeiten erhalten hat), läßt sich nichts gewisses sagen, noch weniger können die Gränzen der alten Gaue bestimmt werden. Inzwischen war der Gau der Wolzaten das jetzige alte Land, die Gegend von Harsefeld hieß Rosengau; der größte Gau war Wigmodi, und enthielt ungefähr die Gegend an der Wümme, insbesondere Stotel und Lesmona. Von ihm wird oft das ganze Herzogthum Bremen Wigmodien genant, und dieser Name ist bis ins 12. Jahr. gebräuchlich gewesen. Auch sind die Namen der bremischen Marschländer Kehdingen und Wursten sehr alt.  
II. II. Mittlere Geschichte. ⇧ Inhalt 
1 Erster Abschnitt. Von den 3 Bischöfen und 6 ersten Erzbischöfen, welche noch keine weltliche Landeshoheit suchten. Jahr 788 – 936.♦  
  Die Sachsen waren bekanntlich zu der Zeit, in welcher Karl der Große als Beherrscher der Franken auftrat (J. Ch. 768), das einzige noch freie teutsche Volk. Herrschbegierde und Eroberungssucht trieben ihn an, auch diese sich zu unterwerfen, unter dem Vorwande sie zum Christenthum zu bekehren. Kaum war also Karl der Große in seinem seit 772 gegen die Sachsen begonnenen, 32 Jahre lang dauernden Kriege endlich im J. 779 so weit in diese Gegenden vorgedrungen, daß sich ein Theil derselben ihm unterworfen hatte, so schickte er im J. 780 den in Friesland stationierten christlichen Lehrer Willehad zur Verkündigung des Christenthums in diese Gegenden, wo dasselbe wegen der Landesnachbarschaft dem Namen nach nicht mehr ganz unbekant war. Der durch den sächsichen Heerführer Wittekind gegen Karl den Großen und seine Franken im J. 782 erneuerte Krieg zur Behauptung der sächsischen Freiheit und des heidnischen Kultus, so wie Karls Rache wegen verschiedener in diesem Kriege erlittenen Unfälle, welcher er nach der fast einstimmigen Angabe der Geschichtsschreiber bei Verden 4500 Sachsen opferte, schienen zwar dem in diesen Gegenden einzuführenden Christenthum nicht günstig zu seyn; aber Karls glückliche Waffenfortschritte setzten ihn doch in den Stand, den Willehad schon im J. 788 zu einem Bischof in Bremen über Friesland und über den von ihm bereits bezwungenen südlichen Theil von Wigmodien zu bestellen, der, zu Worms zum Bischof geweiht, den Metropoliten zu Köln unterworfen wurde.♦  
  Spätere Empörungen der Sachsen und dadurch zwischen ihnen und den Franken erregten Kriege, besonders zwischen den J. 793 – 799 hatten am Ende für Karln und für die von ihm zugleich bezielte Ausbreitung des Christenthums in diesen Gegenden die glücklichsten Folgen, und Karls bremisches Bischofthum, welches eigentlich erst durch den im J. 803 zu Salza geschlossenen Frieden dauerhaft gegründet wurde, umfaßte bald nebst anderen angränzenden Provinzen, auch das jetzige ganze Herzogthum Bremen 3).
 
 
  • 3) Adam der Bremer liefert die Urkunde, in welcher Karl das bremische Bisthum stiftete. Nach der Unterschrift ist sie zu {1} Speier am 12. Juli des J. 788 ausgefertigt. So viel von mehren Gelehrten über ihre Echtheit oder Unechtheit gestritten worden, glaube ich, man folge denen am sichersten, die sie der Form nach für unecht und stark interpolirt halten, ihrem wesentlichen Inhalte nach aber, besonders, was die noch nie angefochtene Gränzbeschreibung betrifft, für echt erklären. Ihre jetzige Form hat die Urkunde, wenn sie nicht älter ist, spätestens im 11. Jahrh. erhalten. (Ein Mehres über diese berühmte Stiftungsurkunde, s. bei Lappenberg in Herzogthümer Bremen und Verden II. 196 fgg. und Delius über die Gränzen und Eintheilung des Erzbisthums Bremen. 1808. 8.)
{1} Fußnote ergänzt von Sp. 2
S. 436 Sp. 2 BREMEN  
  Das Bisthum und nachmalige Erzbisthum Bremen, war bei seiner Stiftung eine bloße Religionsanstalt zur Erhaltung und immer weitern Ausbreitung des Christenthums in diesen Gegenden. Karl hatte den Bischöfen keine Landeshoheit, aber doch schon etwas zu viel durch den Auftrag eingeräumt, die Grafen, welche in seinem Namen regirten, zu beobachten, und einige Aufsicht auf die Handhabung der Gerechtigkeit zu führen. Die Bischöfe waren blos zur Besorgung des Gottesdienstes bestellt, und von den der Kirche angewiesenen ordentlichen Einkünften, so wie von den außerordentlichen Geschenken mußten sie leben, die Kirche unterhalten, und die Armen verpflegen.  
  1) Willehad, schon ein vieljähriger Prediger des Christenthums in Friesland und späterhin in Wigmodien, im J. 788 als erster Bischof zu Bremen verordnet, erbaute die bremische Domkirche nur von Holz, und widmete sie dem heiligen Petrus. Auch als Bischof suchte er das Christenthum durch Lehre und Beispiel auszubreiten, starb aber schon im J. 790 zu Blexum, als er seine neue Würde nur 2 Jahre bekleidet hatte.♦  
  Sein Nachfolger 2) Willerich († 839) führte das Kirchengebäude von Steinen auf, und verwaltete sein Bischofthum mit allem Eifer, ungeachtet insonderheit bis zu dem im J. 803 geschlossenen sächsischen Frieden, nach welchem er erst zum ruhigen Besitz seines Bisthums kam, das Land durch Einfälle der Sachsen, Slawen und Normannen litt.♦  
  Nach ihm schloß 3) Leuderich († 847) die kurze Reihe der bremischen Bischöfe. Denn nun wurde es durch die Vereinigung mit der hamburgischen Kirche zu einem Erzbisthum erhoben, jedoch jener unterworfen. Dies geschah unter dem hamburgischen Erzbischof 4) Ansgarius († 865) wiewol nicht ohne mehrjährigen Widerspruch des Erzbischofs von Köln, dem Bremen bis dahin unterworfen war, der sich aber diese Vereinigung im J. 858 gefallen ließ (vgl. Encykl. IV. 6.).♦  
  Ihm folgte 5) Rembert († 865), der sogleich den Adalgar zum Gehilfen in seinem erzbischöflichen Geschäfte annahm, um als Benediktiner sich den geistlichen Umgebungen desto ruhiger zu überlassen, worin ihn selbst die zu seiner Zeit einfallende Verwüstung von ganz Sachsen durch die Normannen nicht störte.♦  
  6) Adalgar († 905) behauptete sich in Bremen bei den erneuerten Bemühungen des Erzbischofs von Köln, seine Rechte auf die bremische Kirche geltend zu machen.♦  
  Der wegen seiner strengen Kirchenzucht berühmte Erzbischof 7) Hoger († 915) erlebte den Einfall der Hunnen in Sachsen, von welchen unter anderen auch Bremen verwüstet wurde.♦  
  Von dem Erzbischof 8) Reginward ist uns wegen der kurzen Zeit,  
S. 437 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  da er diese Würde bekleidete († 916), fast nur der Name übrig geblieben, und sein Nachfolger 9) Unno († 936) ist außer dem, daß er das Christenthum im Norden auszubreiten suchte, wobei er zu Birka in Schweden seinen Tod fand, besonders dadurch merkwürdig, daß er vom Kaiser Konrad I. unmittelbar zum Bischof bestellt wurde, obgleich die Geistlichkeit und das Volk schon einen gewissen Leidrud gewählt hatten 4).  
  Übrigens beschäftigten sich diese 3 Bischöfe und 6 ersten Erzbsichöfe blos mit der fernern Gründung der Kirche, zu deren Bereicherung sie wegen der unglücklichen, durch die Einfälle der Normannen und Hunnen herbeigeführten Zeiten, noch nicht nach Wunsch wirksam seyn konnten, so wie mit Stiftung von Klöstern und ähnlichen Anstalten; ihre Predigten und ihr Wandel waren mönchsmäßig.  
II-2 Zweiter Abschnitt der mittleren Geschichte. Vom Erzbischof Adaldag bis Erzbischof Adalbert; in welcher Zeit der Grund zur weltlichen Landeshoheit der Erzbischöfe gelegt wurde. J. 936 – 1072. ⇧ Inhalt 
  Mit dem, nun folgenden hamburgischen Erzbischofe 10) Adaldag († 988) tritt die merkwürdige Periode der erzbischöflichen Landeshoheit über das bremische Stift und über die Stadt Bremen ein. Adam der Bremer (II. 1.) schreibt: „Adaldag habe sofort, als er zum Bischofe gelangt sey, bewirkt, daß Bremen, welches lange Zeit von den Potestaten und Richtern unterdrückt gewesen, durch einen Freiheitsbrief des Königs davon losgemacht sey;“ d. h. der Gerichtsbarkeit der weltlichen Obrigkeit entzogen, und unter die Aufsicht der Bischöfe gestellt. Die bremischen Erzbischöfe traten nun also in Ansehung des weltlichen Regiments an die Stelle der Grafen, aber auch anderer außerordentlicher Richter, jedoch regirten sie, wie diese, an des Kaisers Statt.♦  
  Aber Adaldags und seiner nächsten Nachfolger weltliche Macht erstreckte sich nur erst über die Klöster und geistlichen Stiftungen im Lande, über die vormaligen kaiserlichen Krongüter und über das, was in der Stadt Bremen damals zum Domstifte, zu den Kollegiatkirchen und Klöstern gehörte, nicht aber über anderes Eigenthum, und diese Rechte durften sie noch nicht selbst verwalten, sondern mußten sie durch ihre dazu gesetzten Kastenvögte verwalten lassen. Sie waren also dem Weltlichen nach, noch lange nicht so große Herren, als die späteren Erzbischöfe; doch waren die erworbenen Vorzüge schon bedeutend genug.♦  
  Daß Adaldag sich solche erwerben konnte, kam theils von seiner Verwandtschaft mit dem sächsischen Hause, welche viel zu seiner Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl beitrug, theils von den Diensten, die er von jeher Otto I., so wie nachmals den beiden anderen Ottonen (II. und III.) leistete. Otto I. schenkte dem Stifte alle königliche Kammergüter und Gerechtigkeiten an den der
 
 
  • 4) Eigentlich stand auch den Kaisern das Wahlrecht zu, aber bei vielen innern Kriegen und Unruhen zu den Zeiten der Karolinger und nach dem Abgange dieses Stammes achteten sie nicht viel auf ihre Rechte über die teutschen Bischofsthümer, und ließen es gemeiniglich bei Bestätigung des von der Geistlichkeit und dem Volke erwählten Subjekts bewenden.
 
S. 437 Sp. 2 BREMEN  
  weltlichen Gerichtsbarkeit entzogenen Orten, und den Erzbischöfen außer der gedachten Gerichtsbarkeit Marktgerechtigkeit (vermuthlich Handelsfreiheit in Teutschland unter kaiserlichem Schutz), Zoll, Münzfreiheit, ingleichen alle königlichen Einkünfte in Bremen, wodurch die Kirche sehr bereichert wurde, und verlieh der Kirche die Freiheit, künftig die Erzbischöfe selbst zu wählen. Auch benutzte Adaldag die Gunst und das Kriegsglück Otto’s I. gegen die Dänen durch Erwerbung neuer Bisthümer, namentlich Schleswig, Ripen und Aarhaus.  
  Sein Nachfolger 11) Liebizo oder Libentius I. († 1013) wandte als geistlicher Herr sein Hauptaugenmerk auf die Bekehrung der nordischen Völker, und bekümmerte sich eben nicht sehr um weltliche Angelegenheiten. Den Plünderungen und den Gräueln der normännischen Seeräuber entging er durch die Flucht nach dem nicht sehr entfernten, zu seiner Kirche gehörenden Kloster Buckum, von woher er Bannbriefe gegen die Seeräuber erließ.  
  Der Erzbischof 12) Unwann († 1029) bestieg seinen Stuhl unter ungünstigen Aussichten, weil die Geistlichkeit und das Volk unzufrieden waren, daß der Kaiser Heinrich II. ihn unmittelbar ernant hatte. Er besänftigte aber die Gemüther durch gütige und freigebige Gesinnungen. Nicht ohne Erfolg suchte er, nach 200jährigen zum Theil vergeblichen Anstrengungen seiner Vorgänger, die noch vorhandenen bedeutenden Überreste des heidnischen Kultus zu vertilgen, und ließ die der Abgötterei fortwährend gewidmeten Gehölze zur Erbauung und Ausbesserung christlicher Kirchen aushauen; auch hob er bei dem Domstifte das strenge Mönchsleben auf.♦  
  Übrigens erhoben sich von seiner Zeit an manche Streitigkeiten zwischen den sächsischen Herzögen und den Erzbischöfen, welche auch eine größere Befestigung der Stadt Bremen gegen die erstern nach sich zogen, wiewol Unwann durch kluge Politik so ziemlich in Ruhe lebte, und besonders zwischen dem Herzog Bernhard und dem Kaiser Heinrich II. Ruhe zu erhalten, nicht ohne Erfolg bemüht war.  
  Als eben nicht merkwürdig sind die beiden folgenden Erzbischöfe zu nennen: 13) Liebizo II. († 1032) und 14) Hermann († 1035), welcher jedoch durch den berühmten italiänischen Tonkünstler Guido den Kirchengesang verbessern ließ; 15) Bezelin, auch Alebrand genant († 1043), war zwar sehr gegen die Priesterehe, aber sonst wegen seiner Mildthätigkeit bei der Geistlichkeit sehr beliebt. Unter seiner Regirung brannte die Domkirche in Bremen nebst Klostergebäuden ab, in welchen ein Vetter von ihm, Namens Edo, aus Rache Feuer gelegt hatte, weil er bei Besetzung der Dompropstei ihm einen gleichnamigen Vetter vorgezogen hatte.♦  
  Da Bezelin schon im folgenden Jahre starb, sah er an dem wieder herzustellenden kirchlichen Gebäude seine Baulust nur wenig befriedigt. Glücklich genug behauptete er sich gegen die erneuerten Ansprüche des kölnischen Erzbischofs auf das bremische Stift, erlebte aber dagegen einen zweimaligen Einfall der dänischen Seeräuber. Die Kirchengüter nahmen unter ihm sehr zu, und die kaiserlichen Freiheitsbriefe, da, wo Klöster waren, Jahrmärkte anzulegen und das kaiserliche Gericht zu halten, waren kein unbedeutender Zuwachs der erzbischöflichen weltlichen Macht.♦  
  Die Geschichte seines Nachfolgers 16) Adal-  
S. 438 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  bert († 1072), eines zwar sehr verständigen, edlen, schönen und geschäftigen, aber dabei auch höchst eiteln und ehrgeizigen Mannes, gehört meist in die allgemeine teutsche Reichsgeschichte, so wie in die nordische Geschichte sein übermüthiges Betragen gegen den dänischen König Sueno, wodurch er die erste Veranlassung zu der bald darauf erfolgten Trennung der nordischen Kirchen von dem hamburgischen Erzbisthum gab. Sein Augenmerk war auf die unbeschränkteste Landeshoheit gerichtet; daher kaufte er die Grafschaft Lesmon, scheiterte aber in dem Plane die Grafsch. Stade an sich zu bringen; und machte sich durch Erpressungen verhaßt, ohne sich vor Armuth und unangenehmen Händeln schützen zu können (s. B. 1. S. 398 — 99). Die erzbischöfliche Gewalt sank zwar, was die kirchliche Macht betrifft, seit Adalberts Zeiten durch die Trennung der nordischen Kirche und durch das steigende Ansehn der Domherren, welche ihre Erzbischöfe jetzt selbst wählten, in gewisser Maße; die eigentliche Landeshoheit derselben aber wuchs bis auf die Zeit der Erzbischöfe, die den Namen der Gerharde trugen, bis ins 13. Jahrh.  
II-3 Dritter Abschnitt der mittleren Geschichte. Höchste Macht der Erzbischöfe, besonders seitdem Erzbischof Gerhard II. die Grafschaft Stade mit dem Erzbisthume vereinigte. J. 1072 – 1220. ⇧ Inhalt 
  Adalberts Nachfolger 17) Liemar († 1101) war unmittelbar vom Kaiser Heinrich IV. zu der erzbischöflichen Würde berufen. Wegen seiner treuen Anhänglichkeit an den Kaiser in den von diesem besonders gegen die Sachsen geführten Kriegen wurde er bald nach seinem 1072 erfolgten Regierungsantritt vom Papst in den Bann gethan, und erst 1077 aus demselben befreiet. So sehr er dem Kaiser beständig, auch seines eigenen Vortheils wegen, zum Frieden rieth, so verließ er ihn doch in seinen späteren Feldzügen nicht. Im J. 1088 in der Schlacht bei Gleichen in die Gefangenschaft des sächsischen Herzogs Lüder oder Lothars gerathen, mußte er sich durch Zahlung von 300 Mark, und durch die Abtretung der Schirmvogtei über die Stadt Bremen befreien. Da er sich wenig in seinem Stifte aufhalten konnte, und der erzbischöflichen Einkünfte entbehren mußte, so schenkte ihm der Kaiser theils aus Dankbarkeit, theils zur Schadloshaltung die beiden rheinischen Abteien Elten und Werden, in welcher letztern er auch starb. Zu seiner Zeit erfolgte die Trennung der nordischen Kirche von dem hamburgischen Stuhle, wodurch dies Erzbisthum auf einmal das kleinste in Teutschland wurde, und hierdurch wurde Liemar veranlaßt, sich zuweilen Erzbischof von Bremen zu nennen, welche Benennung bald üblicher wurde, obgleich der erzbischöfliche Sitz erst über 100 Jahre später von Hamburg nach Bremen verlegt wurde.  
  Auf den unberühmten 18) Humbert († 1104) folgte 19) Friedrich I. († 1123), der, wie auch seine beiden nächsten Nachfolger thaten, die unbebaueten Gegenden des Landes, besonders um Stade und Bremen, fleißig cultiviren ließ, und sich dadurch sehr um sein Stift verdient machte. Adalbert I. hatte damit einigen Anfang gemacht.  
  Der Erzbischof Adalbert II. oder Adalbero († 1148) wurde vom Kapitel erwählt, weil der Kaiser die  
S. 438 Sp. 2 BREMEN  
  Investitur der Bischöfe abgetreten hatte. Ob es ihm gleich, des päpstlichen Beistandes ungeachtet, nicht gelingen wollte, die nordischen Kirchen mit seinem Stuhle wieder zu vereinigen, so wurden dagegen an ihrer Statt durch die von dem berühmten Vicelin glücklich zu Stande gebrachte Bekehrung der Wenden und Slaven, die von den Heiden zerstörten Bischofthümer in Holstein u. Mecklenburg dem hamburgischen Stuhle mit der Zeit wieder hergestellt. In enge Schranken war Adalberts II. weltliche Gewalt eingeschlossen, besonders weil Lüder noch immer die Schirmvogtei über die Stadt Bremen und viele nahe gelegene Ländereien behauptete; die Kultur des Landes durch die Niederländer aber machte auch unter seiner Regirung gute Fortschritte. Sein Hauptzweck während seiner ganzen Regirung ging dahin, die Grafschaft Stade ganz an den erzbischöflichen Stuhl zu bringen, und obgleich er denselben ebenfalls noch nicht erreichte, so behauptete er doch die Lehnsherrlichkeit der Kirche über dieselbe, wozu unter Erzbischof Adalbert I. der erste Schritt geschehen war.  
  An seine Stelle trat als Erzbischof 21) Hartwig I., Dompropst in Bremen, und geborner Graf von Stade († 1168). Sein Vorgänger hatte ihm unter 3 Prätendenten auf die erledigte Grafschaft Stade den Vorzug gegeben, weil die Grafschaft auf diesem Wege nach Hartwigs Tode am leichtesten an die Kirche kommen konnte; bei den Händeln aber, die hieraus entsprangen, weil die Vormünder des jungen Herzogs Heinrich des Löwen für ihren Mündel besonders starke Ansprüche auf die Grafschaft machten, wovon auch der Herzog die meisten Güter theils eigenthümlich, theils lehnspflichtig in Besitz erhielt, blieben Hartwig I. doch durch seine Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl günstige Aussichten übrig, den von den nächst vorhergehenden Erzbischöfen lange gehegten Wunsch, die Grafschaft zum völligen Eigenthum zu erhalten, befriedigt zu sehen. Mit dem Herzog Heinrich waren unter diesen Umständen schwere Händel unvermeidlich.♦  
  Endlich kam es eine Zeitlang so weit zur Ruhe, daß er sich mit kirchlichen Angelegenheiten beschäftigen konnte, worunter seine im Jahre 1163 auf dem Reichstage zu Augsburg erneuerten Ansprüche auf die nordischen Kirchen am wenigsten einen günstigen Erfolg haben konnten. Nachmals gerieth er in neue Zwistigkeiten mit Herzog Heinrich dem Löwen. Obleich die Macht dieses Herzogs jetzt auf dem höchsten Gipfel gestiegen war, so ließ sich Hartwig dennoch durch den Erzbischof von Köln, und zuletzt durch den Bischof von Lübeck aufwiegeln, den Frieden aufs neue zu brechen. Dadurch litt das Stift Bremen sehr, die Stadt Bremen wurde erobert und geplündert, und er selbst mußte sich ein Jahr lang außerhalb des Erzbisthums aufhalten. Seine Rückkehr in sein Stift kostete ihn unter anderen 1000 Mark Silbers, um die Bürger Bremens mit dem Herzoge wieder auszusöhnen. In seinem Testamente vermachte er darauf zwar die ganze Grafsch. Stade der Kirche, aber sie blieb für diesmal natürlich in der Gewalt des mächtigen Herzogs Heinrich. – Gerühmt muß von ihm werden, daß auch er die Landeskultur, namentlich in den Wesergegenden in der Nähe von Bremen beförderte.  
S. 439 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  Als nach Hartwigs Tode die beiden wählenden Domkapitel, Hamburg und Bremen, sich über seinen Nachfolger nicht vereinigen konnten, so setzte ihnen der Kaiser Friedrich II. mit Übergehung der beiden von dem streitigen Domkapitel erwählten Kandidaten 22) Balduin († 1178). Ehemals Kapellan des Herzogs Heinrich des Löwen, und durch dessen Fürsprache zu dieser Würde erhoben, beunruhigte er den Herzog nicht wegen der Herrschaft Stade. Er soll an dem Tage gestorben seyn, am welchen Papst Alexander, der ihn, der vormaligen Bestätigung durch seinen Vorgänger Paschal ungeachtet, nicht für rechtmäßig anerkannte, seine Absetzungsbulle unterschrieb.  
  Ihm folgte 23) Siegfried, Bischof zu Brandenburg und Sohn des Markgrafen Albert, auf den bei der letzten streitigen Wahl schon Rücksicht genommen war († 1184). Seine Erhebung verdankte er der Unterstützung des Herzogs Heinrich des Löwen, den er aber undankbar genug in einen Krieg mit dem Kaiser verwickelte, der für den Herzog einen so unglücklichen Ausgang hatte, daß er Teutschland verlassen mußte. Die bei dieser Gelegenheit eroberte Herrschaft Stade ließ er sich vom Kaiser schenken, und behielt sie auch nach einem zu Erfurt abgefaßten Reichstagsschlusse, mußte aber dem Erzbischofe Philip von Köln eine bedeutende Summe für die Zurüstungen zahlen, die dieser zur Eroberung der Grafschaft für ihn gemacht hatte. Um die vielen Kosten für diese Angelegenheit und die Wahl zu bestreiten, verkaufte er im J. 1181 mit Bewilligung des Kapitels das Hollerland an die Stadt Bremen.  
  Ihm folgte durch einstimmige Wahl 24) Hartwig II. ein bremischer Stiftsedelmann, damals Domherr zu Bremen († 1208). Im Anfange seiner Regierung beschäftigt er sich mit geistlichen Stiftungen, z. B. mit der Zustandebringung des 2 Meilen von Bremen von seinem Vorgänger angefangenen Benediktiner-Jungfernklosters zu Osterholz, mit der Erhebung des bremischen St. Ansgarii-Hospitals zu einem Kollegiatstifte, mit Ankauf eines Orts unfern Lesum bei Bremen, Wolda genant, wo er späterhin nach Lilienthal nicht weit von mehrgedachter Stadt verlegtes Jungfernkloster Cistercienordens stiftete u. s. w. und sorgte auch mit Eifer für die fernere Kultur des Landes.♦  
  Aber seine weltliche Regierung war sehr unglücklich. Seinen vergeblichen Bemühungen, die ihm vom Schaumburgischen Grafen Adolph vergleichsweise abgetretenen Ditmarsen, welche sich aber unter dänische Herrschaft begaben, zu bezwingen, verursachten, daß er zu Gunsten der Stiftsedelleute, die sich für die Bezahlung seiner Hilfstruppen verbürgt hatten, allen bestimmten erzbischöflichen Einkünften auf 3 Jahre eidlich entsagen und sich blos von zufälligen Einkünften erhalten mußte. Er trat im J. 1189 dem Herzog Heinrich dem Löwen die Grafschaft Stade ab, um durch dessen Freundschaft aus seiner Noth gerissen zu werden, wurde aber dafür, weil Herzog Heinrich nun in Stade festen Fuß, und von dort aus weiter zur Eroberung seiner Länder um sich griff, vom Kaiser Heinrich VI. als des Herzogs Feinde, in die Acht erklärt. Bald nach seiner Zurückkunft aus England, wohin er unter diesen Umständen auf ein Jahr geflüchtet war, mußte er bei dem Herzoge  
S. 439 Sp. 2 BREMEN  
  Hilfe suchen, weil die Bremer als Freunde des Kaisers und Feinde des Herzogs ihn nicht dulden wollten. Bald darauf gerieth er mit dem aus dem gelobten Lande zurückgekehrten Grafen Adolph in einen Krieg, worin er Stade verlor. Nach mancherlei anderen Unruhen, die theils Folgen eines vergeblichen erneuerten Angriffs des Erzbischofs auf die Grafschaft Stade waren, theils daher rührten, daß die gegen Hartwig erbitterten Bremer ihm bis zur völligen kaiserlichen Begnadigung seine erzbischöflichen Einkünfte vorenthielten (welches auch durch Grafen Adolph bestätigt wurde, der aber dagegen von Hartwig II. nebst dem Vogt der Stadt und allen seinen Feinden in den Bann gethan wurde, der insonderheit wegen der in der Stadt unbegraben liegenbleibenden Todten außerordentlich unangenehme Folgen hatte), trat endlich diese Begnadigung im J. 1195 ein, nachdem der Erzbischof 600 Mark Lübisch erlegt, und dem Grafen Adolph das Schloß Stade nebst dem dritten Theile der Einkünfte der Grafschaft zu Lehn überlassen hatte. Das Land litt in diesen unruhigen Zeiten sehr, besonders wurde die Gegend um Stade stark verwüstet. –♦  
  Bei dem eingetretenen Ruhestande machte der Erzbischof einen Kreuzzug ins gelobte Land; allein nach seiner Rückkehr wurde diese Ruhe nach einigen Jahren durch die Erneuung der alten Streitigkeiten wegen der Grafschaft Stade unterbrochen. Sie wurde im J. 1199 dem Erzbischof Hartwig vom Kaiser Philipp geschenkt, der dadurch seinen Gegenkaiser Otto wehe thun wollte. Ihr Besitz wechselte hierauf noch zwischen dem Graf Adolph von Schaumburg und dem Pfalzgrafen Heinrich, Herzogs Heinrich des Löwen Sohn, bis Hartwig Stade im J. 1205 abermals eroberte und, nachdem diese Stadt mit ihrem Schlosse und der ganzen Grafschaft ihre Beherrscher 5 Mal gewechselt hatte, dies alles bis zu seinem im obengenannten Jahre zu Bremen erfolgten Tode behielt.♦  
  An seine Stelle erwählte das bremische Domkapitel 25) den ehemaligen Bischof Woldemar von Schleswig, das bei dieser Gelegenheit nicht befragte hamburgische Kapitel aber den Dompropst Burchard zu Bremen. Diese streitige Wahl würde bald zu Burchards Vortheil entschieden worden seyn, besonders da der König von Dänemark Woldemars und des ihn unterstützenden Kaisers Philipp Feind, auf seiner Seite waren, wenn er nicht während der dadurch herbeigeführten Unruhen gestorben wäre. Unter diesen Umständen blieb Woldemar 3 Jahre lang bis 1211 im Besitze des Erzbisthums, und obgleich vom Papste 26) Gerhard I., Graf von der Lippe und Bischof zu Osnabrück († 1219), ihm zum Gegenerzbischof gesetzt wurde, so erhielt sich Woldemar dennoch bis 1216, besonders durch den Kaiser Otto IV., seinen Bruder, den Pfalzgrafen Heinrich, den Markgrafen Bernhard von Brandenburg, durch die Stedinger und Bremer begünstigt und unterstützt, bis er von den beiden letztern verlassen ins Kloster Lockum bei Hanover zog, und daselbst als Mönch starb, während der Kaiser und der Pfalzgraf als Gerhards I. bleibende Feinde, das ohnehin schon genug gedrückte bremische Land noch weiter verwüsteten.♦
  Alle diese Unruhen endigt Pfalzgraf Heinrich († 1227) durch einen kurz vor des Erzbischofs Tode im J. 1219 mit der bremischen Kirche getroffenen Vergleich, worin er dersel-  
S. 440 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  ben sein ganzes Recht an die Grafschaft Stade, ingleichen die Propstei Wildeshausen, die Zölle, die Münze und die Vogtei von Bremen und dem neuen Lande abtrat, die Grafschaft aber auf seine Lebenszeit zu Lehn behielt. –♦  
  Hiedurch wuchsen nun die sonst noch nicht sehr bedeutenden Einkünfte der Erzbischöfe, es wuchs aber auch das Ansehn des Domkapitels und der Äbte. Die Stadt Bremen erweiterte, nachdem sie von der Herrschaft der sächsischen Herzöge frei geworden war, durch Ausbreitung ihres Handels und ihrer Schiffahrt, so wie durch die weitere Bebauung des um die Stadt gelegenen Landes ihre Macht, und hatte bis auf diese Zeit mit den Erzbischöfen wegen der Landeshoheit über die Stadt noch keinen Streit gehabt.  
II-4 Vierter Abschnitt der mittleren Geschichte. Einschränkung der erzbischöflichen Gewalt durch die wachsende Macht der Städte und das zunehmende Ansehn des Kapitels und Adels. J. 1220 – 1496. ⇧ Inhalt 
  Zu seinem Nachfolger wurde 27) Gerhard II. des vorigen Bruders-Sohn, damals Dompropst zu Paderborn, erwählt, und dies vermuthlich größtentheils aus Dankbarkeit gegen die Familie, weil sein Vorgänger die Grafschaft Stade an das Stift gebracht hatte († 1257). Der über seine Wahl von dem abermals nicht befragten hamburgischen Domkapitel erhobene Streit wurde im J. 1223 dahin verglichen, daß letzteres die erzbischöfliche Würde unter Vorbehalt der Concurrenz dreier seiner Domherren bei künftigen Wahlen der bremischen Kirche abtrat.♦  
  Die ersten Unruhen verursachte Gerhard II. die von dem Pfalzgrafen Heinrich an seine Vorgänger abgetretene Grafschaft Stade, indem der darüber im J. 1219 getroffene Vergleich den Rechten des jungen Grafen Otto, seines Bruders Sohn, und rechtmäßigen Erben der Güter des Guelphischen Hauses ganz entgegen war. In den dadurch veranlaßten Kriegen war Herzog Otto mit seinen Bundesgenossen, dem Grafen von Wölpe und den Stedingern nicht glücklich, gerieth sogar im J. 1226 als Bundesgenosse des Königs Woldemar in Dänemark in einem holsteinischen Kriege, an welchem Erzbischof Gerhard II. Theil nahm, in die Gefangenschaft des Grafen Heinrich von Schwerin. Mit mehrem Glücke erneuerte er im J. 1235 den Krieg wegen der Grafschaft Stade, und doch wurde sie am Ende des folgenden Jahrs aus unbekannten Ursachen der bremischen Kirche auch für die Zukunft zugesichert. –♦  
  In die Regierungszeit des Erzbischofs Gerhard II. fällt auch der durch Ermordung eines Priesters herbeigeführte Kreuzzug wider die Stedinger, deren damals mehr als jetzt ausgedehntes Land unter der bremischen Kirche stand, so wie sie selbst seit dem 12. Jahrh. Unterthanen und zehentpflichtige Meier derselben waren. Die Stedinger wurden besiegt, und nun vom päpstlichen Banne losgesprochen. Unter der Regirung dieses Erzbischofs wuchs die Macht vieler Städte und auch die Macht der Stadt Bremen durch den immer mehr aufblühenden Handel, der hier vorzüglich durch das Bierbrauen, und durch den Handel mit fettem Vieh, Leder, Käse und Butter aus Friesland sich hob. Hierdurch wurde der Erzbischof veranlaßt, nicht weit unterhalb Bremen die Weser durch Ketten und Pfähle zu sperren, und diese Sperrung durch ein angelegtes Schloß, Wittenburg genant,  
S. 440 Sp. 2 BREMEN  
  zu behaupten, um eine von ihm beabsichtigte Zollerhebung durchzusetzen. Doch zerstörten die Bremer die Sperrung. Es erfolgte hierauf ein Friede zwischen dem Erzbischof und den Bremern unter der Vermittlung des auf dem Schlosse Wittenburg befindlichen lippeschen Ritters Diedrich Sachte, dem zufolge die Bremer das Schloß Wittenburg abbrechen, und dem Erzbischof dafür das Schloß Langwedel 3 Meilen oberhalb von Bremen (im J. 1222) erbauen mußten, ohne jedoch daselbst zollpflichtig zu werden.♦  
  Nach einem hierauf zwischen beiden Theilen, dem Erzbischof und der Stadt Bremen, eingetretenen Ruhestand erhob sich im J. 1246 ein neuer Streit wegen der von dem Guelphischen Hause an den Erzbischof übergegangenen Advocatie in Bremen, welche bei der sinkenden Macht der Erzbischöfe durch die Eingriffe der Bremer immer mehr in Abnahme gerieth. Viel trug dazu bei das damals ohne Einwilligung des Erzbischofs entworfene bremische Stadtgesetz, die Willköhre genant, wodurch die Rechte des Erzbischofs sehr beeinträchtigt wurden; doch wurde der Streit noch im demselben Jahre durch die Bestimmung der Rechte des erzbischöflichen Vogts in gerichtlichen Angelegenheiten beigelegt.♦  
  Verlor der Erzbischof hier gleich gegen die Stadt Bremen manches von der weltlichen Gewalt; so erweiterte sich diese doch sonst in anderen Gegenden des Erzstifts dadurch, daß die Grafen von Stotel und die Herren von Bramstede diese Advokatien an die bremische Kirche überließen. Überhaupt schwächten beide letzte ansehnliche Häuser durch übertriebene Freigiebigkeit gegen die Klöster des Landes und durch übel Haushaltung ihre eigenen bisherigen wohlbewahrten Rechte zur Vermehrung der innerlichen Gewalt des Erzbischofs. –♦  
  In Hinsicht seiner geistlichen Regirung hat die Geschichte eine große Reihe von Documenten aufbewahrt, die viele Fürsprachen, Begünstigungen, Unterstützungen und dergleichen erzählen, welche ihm die Päpste seiner Zeit gewährten. Das Ansehn des Domkapitels wuchs, besonders, da von dieser Zeit an, mit Ausnahme weniger Gelehrten, nur Personen von Adel in dasselbe aufgenommen wurden, und der Reichthum verschiedener Klöster stieg außerordentlich durch große Schenkungen an dieselben.♦  
  Endlich veranlaßte ihn sein kümmerliches Alter mit Genehmigung des Kapitels, seines Bruders Sohn, Graf Simon, Bischof zu Paderborn, zum Gehilfen anzunehmen, dieser konnte sich aber nach dessen Tode nicht auf dem erzbischöflichen Stuhle erhalten. Vielmehr wurde durch Stimmenmehrheit 28) Hildebold, ein Graf von Bruchhausen und Archidiaconus zu Rustringen zum Erzbischof erwählt († 1275), während die Minderzahl Graf Gerhard von der Lippe, ebenfalls des vorigen Erzbischofs Bruders Sohn, dazu bestimt hatte. Ersterer behielt gleichwol den Vorzug, da er nicht blos vom Papste bestätigt ward, sondern seine Macht dadurch weit größer geworden war, daß der kurz zuvor gedachte paderbornische Bischof Simon ihm für Geld das im Erzstifte Bremen gelegene Schloß Langwedel eingeräumt, und er sich ebenfalls auch um Geld in den Besitz des erzstiftischen Schlosses Vörde (Bremervörde) gesetzt hatte. Während Hildebold und Graf Gerhard noch mit einander um die erzbischöfliche Würde stritten, kam Bischof Simon durch die hamburgischen Domherren aufgereizt, auf den Gedanken, bei-  
S. 441 Sp. 1 BREMEN  
  den den Rang abzugewinnen, und fand bei den streitbaren Stedingern die gewünschte Hilfe. Schon hatte er Wildeshausen eingenommen, wurde aber auf dem Rückwege von dieser Stadt von dem oldenburgischen Grafen Heinrich dem Bogener, dem Wildeshausen gehörte, und der die Partei seines Vettern, des Erzbischofs Hildebold hielt, geschlagen, und entkam nur mit genauer Noth, als Mönch verkleidet, worauf die Stedinger der bremischen Kirche ewige Treue schwuren (J. 1260).
  Der Anfang der 15jährigen Regirung Hildebold’s war unruhig. Bald nach Besteigung des erzbischöflichen Stuhls erbaute er die Burg oder das Schloß Wartfleth an der Weser im heutigen Oldenburgischen, worüber zwischen ihm, der zum größten Nachtheil der Stadt Bremen in einem darüber entstandenen Kriege die nachmals von ihm schlecht belohnten Friesen auf seiner Seite hatte, und der Stadt Bremen, die den Weserstrom offen zu erhalten wünschte, bedeutende Zwistigkeiten entstanden, welche jedoch unter Zuziehung des Grafen Johann X. von Oldenburg im J. 1260 dahin beigelegt wurden, daß an beiden Seiten der Weser zwischen Blexum und Bremen ohne Bewilligung der Stadt und der Rustringer kein Schloß gebauet werden sollte. —♦
  Hildebold war überhaupt der Stadt sehr gewogen, ob er gleich möglichst auf die Erhaltung der Gerechtsame seines Stuhls hielt. Beweise davon liefern seine in den J. 1259 und 1262 ertheilten Bestätigungen der ihr von seinem Vorgänger gegebenen Begünstigungen, und das, was er ihr im J. 1259 in seinem Vertrage wegen der Erzbischöflichen in der Stadt und deren Umgebungen auszuübenden Rechte nachließ. —♦  
  Überhaupt that er vieles, um möglichst im Frieden zu leben. Als daher die braunschweigischen Herzöge Albert und Johann aus einer unbekannten Ursache ihn mit einem Kriege bedrohten, so rüstete er sich zwar auf den Nothfall, erkaufte aber unterdessen den Frieden. – Er bereicherte die Kirche, an die er auch im J. 1270 Wildeshausen brachte, das schon unter seinem Vorgänger von derselben zu Lehn ging, und ist unter andern auch dadurch merkwürdig, daß er der erste bremische Erzbischof war, der Truppen um Geld in fremde Dienste gab.  
  Ein Verwandter Hildebolds 29) Giselbert, Freiherr von Bronkhorst, wurde durch einhellige Wahl zu seinem Nachfolger bestimt († nach Kranz 1296). Den ersten Streit in seinem Lande hatte er mit den an der Elbe wohnenden Kehdingern, die, gleich anderen Marschbewohnern, sich oft widerspenstig bewiesen. Er bezwang sie mit List auf einem zu diesem Zweck zum Schein zu Stade angestellten Turnier, wozu sich auch viele Kehdinger mit ihren Empörungshäuptern einfanden, die hier theils getödtet, theils gefangen genommen wurden. Gegen die Bremer bewies sich Giselbert durch Nachgebung weltlicher Gerechtsame, und auf viele andre Weise so gütig, daß er deswegen der Erzbischof der Bürger genant wurde. Diese waren dagegen so wenig dankbar, daß er einst bei einem Aufruhr derselben aus der Stadt flüchten mußte.  
  Der folgende Erzbischof 30) Heinrich I. mit dem Beinamen Goltorn, Decanus am Domkapitel zu Bremen, wurde ungeachtet seines hohen Alters, dennoch einstim-  
S. 441 Sp. 2 BREMEN  
  mig gewählt, aber er starb auch noch in demselben Jahre (1296) nach 4 Monaten auf einer Reise von Bremen nach Stade zu Bremervörde, ohne die päpstliche Konfirmation seiner Erhebung gesehen zu haben. –♦  
  Nach seinem Tode folgte wieder eine streitige Wahl. Einige wählten nach Giselberts vormals geäußertem Wunsche seinen Vetter 31) Florentinus, Edlen von Bronkhorst, und bremischen Domscholaster, der sich gegen den von dem anderen Theile gewählten Grafen Bernhard von der Wölpe, bremischen Dompropst, nach langem Streite behauptete, da letzterer, wie einige berichten, des Streites müde, seine Ansprüche aufgab, oder, wie andre erzählen, während des Streites starb. Er brachte darin 6 Jahre zu, und stand darauf nur 4 Jahre der Kirche in Ruhe vor, ohne daß seine Regierung durch irgend etwas anderes ausgezeichnet wäre, als durch das in dieselbe fallende erste in der Christenheit gefeierte Jubelfest, das Papst Bonifacius VIII. im J. 1300 anordnete. –♦  
  Papst Klemens V. gab hierauf der bremischen Kirche einen neuen Erzbischof: 32) Johann, väterlicher Seits aus einer Ritterfamilie, mütterlicher Seits aus königl. dänischem Geblüte abstammend. Anfangs war er Propst zu Rothschild und hierauf Erzbischof zu Lund, wo er viele Verdrüßlichkeiten mit dem Könige wegen Eingriffe in die Rechte der Kirche hatte; – übrigens ein Mann, der neben seinen theologischen Kentnissen, auch wegen seiner großen Einsichten in die Rechtsgelehrsamkeit und wegen seiner außerordentlichen Rechtschaffenheit gelobt wird.♦  
  So gut er in Bremen aufgenommen war, so viele Feinde fand er bald in seinem Erzstifte. Gleich nach dem Antritt seiner Regirung versagte ihm die hamburgische Geistlichkeit, bei welcher die alte Eifersucht wegen der ihrer Kirche entzogenen Rechte von neuem rege geworden, eine von ihm erbetene Unterstützung. Der darüber entstandene Streit dauerte mehrere Jahre, ohne daß die Hamburger dabei etwas gewannen. Sein Schloß Vörde (Bremervörde), welches Heinrich von Borg, ein nichtswürdiger Dienstmann der Kirche, besetzt hatte, mußte er erst nach einer eingeleiteten Belagerung in seine Gewalt zurückbringen. Als die Bremer im J. 1308 um die sogenannte Stephansstadt eine Mauer zogen, und sie dadurch in den Ringmauern der Stadt einschlossen, der Erzbischof aber dies ihm bedenklich scheinende Unternehmen nicht mit Gewalt hindern konnte, so reiste er zum Papst nach Vienne, um seine Beschwerden dagegen im Wege Rechtens auszumachen, ohne weiter etwas dadurch zu gewinnen. Nach seiner Zurückkunft hatte er hier zwar Anfangs Ruhe, im Erzstifte selbst aber waren viele Dienstmänner gegen ihn. Er versuchte vergebens sich Ruhe zu verschaffen; auch an Sicherheit fehlte es ihm bald in Bremen selbst, nachdem er einen Geistlichen in der Stadt zum großen Verdruß des Kapitels und der Bürger hatte gefangen nehmen, und auf das Schloß Langwedel bringen lassen.♦  
  Geldmangel vergrößerte seine Verlegenheit. Aus dieser Ursache fand er auch bei den Ditmarsen, wo er einen Zufluchtsort suchte, statt Ruhe und Schutz nur Verachtung. Nicht besser ging es ihm zu Norden in Friesland, wo selbst eine Weibsperson ihn verhöhnte, und in Wildeshausen wurde er sogar gefänglich eingezogen, und sonst gemishandelt.  
S. 442 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  Unter solchen Verwirrungen wählte des Domkapitel den Domscholaster, Herzog Johann von Lüneburg, zum Administrator des Stifts.  
  Der Erzbischof Johann, der sich in dieser letzten Zeit in Friesland aufgehalten hatte, reiste nun nach Rom, und ließ alle seine Gegner und unter diesen natürlich auch den Administrator, Herzog Johann, citiren, welcher in Person erschien, nach einem durch Schiedsmänner getroffenen Vergleich aber, wovon wenig gehalten wurde, bald starb und die Kirche in großer Verwirrung zurück ließ. Der Erzbischof, der nach seiner Rückkehr noch keine bessern Aussichten für sich fand, entfernte sich abermals, nachdem er den Verdenschen Bischof Nicolaus zum Verweser bestellt hatte, unter welchem es aber im Erzstifte nicht besser wurde. Dach allen Verdüßlichkeiten, die er sich insonderheit durch große Strenge zuzog, entriß ihn, nach 20jähriger Regirung im J. 1327 der Tod (zu Paris oder Avignon).  
  Bei der allgemeinen Meinung, der Papst würde der bremischen Kirche abermals einen neuen Erzbischof geben, der nichts Anlockendes, aber desto mehr Abschreckendes hatte, meldete sich niemand zu der erledigten Würde. Auf anhaltendes Bitten des ganzen Kapitels und vieler anderer angesehener Männer entschloß sich der vormalige Mitverweser des Stifts 33) Burchard Grelle, Sohn eines bremischen Bürgers und Dompropst, ein gelehrter, bescheidener und allgemein beliebter Mann, wenn sich kein anderer finde, dieselbe anzunehmen. Er reiste nach Avignon zum Papste, der durch seine persönlichen Eigenschaften und durch die vielen Empfehlungsbriefe für ihn gewonnen, ihn bestätigte. Gleich im ersten Jahre seiner Regirung (1328) hielt er eine Synode zu Stade, auf welcher die Bischöfe von Schwerin, Lübeck und andere Suffraganen erschienen, deren Hauptzweck auf die Verbesserung der anstößigen Lebensart der Geistlichkeit gerichtet war.♦  
  Er stellte die Ordnung im Erzstifte wieder her, löstet die verpfändeten Schlösser wieder ein, und übergab sie treuen Männern. Diejenigen, welche sich dadurch für zurückgesetzt hielten, traten als Feinde gegen ihn auf, in Verbindung mit den unruhigen Kehdingern. Burchard aber zog ganz ruhig aus dem Lüneburgischen, aus Westphalen, Ditmarsen und Holstein Truppen zusammen, brachte die Rebellen zum Gehorsam und erbaute im Lande Kehdingen, um die Einwohner besser im Zaume zu halten, ein Schloß (Kiekindeelbe), welches die aber, sobald sie seinen Tod erfuhren, zerstörten. Auch die aufrührischen Rüstringer Friesen demüthigte er nach einem hartnäckigen Widerstande, wie er denn auch den Bremern, denen er als seinen ursprünglichen Mitbürgern sehr gewogen war, einst gegen dieselben Beistand leistete, da sie der Stadt durch Verbrennung ihrer Schiffe und auf viele andre Art großen Schaden zufügten, und mit gleichem Glücke focht er gegen seine Feinde aus dem Verdischen, die verheerend in die Vogtei Langwedel einfielen. Allgemein bedauert starb er im J. 1344.  
  Der folgende Erzbischof war 34) Otto I., ein geborener Graf von Oldenburg, schon bei seiner Erhebung alt und  
S. 442 Sp. 2 BREMEN  
  kümmerlich, lebte auch nur bis ins 5te Jahr († 1349). Unter seiner Regirung fiel nichts merkwürdiges vor. Desto wichtiger aber sind die Folgen, die nach seinem Tode der Umstand hervorbrachte, daß er bald nach dem Antritte seiner Regirung mit Einwilligung vieler Domherren, seinen Vetter, den Grafen Moritz von Oldenburg, zum Gehilfen und Nachfolger im Erzbisthume angenommen hatte.♦  
  Dieser wurde aber nicht Erzbischof, sondern 35) Gottfried, geborener Graf von Arensberg, damals Bischof zu Osnabrück durch die Majorität der Wahlstimmen erkoren, und vom Papste bestätigt. Inzwischen hatte der Graf Moritz die erzbischöflichen Ämter und Schlösser, die versetzte Burg Thedinghausen ausgenommen, im Besitz, und verweigerte die von der Geistlichkeit zu Gunsten Gottfrieds als rechtmäßigen Erzbischofs geforderte Abtretung der Stiftslande um so mehr, je gewogener ihm in der Stille der Rath und die Angesehensten der Stadt Bremen waren, welche gleichwol wegen der päpstlichen Bestätigung Gottfrieds sich dies nicht öffentlich merken lassen durften, und deswegen die Neutralität empfahlen. Das Volk in Bremen aber setzte dem Rath durch tumultuarisches Betragen und mündliche Aufforderungen so stark zu, daß er gegen den Grafen Moritz Feindseligkeiten beschließen mußte.♦  
  In diesem Kriege litt die Stadt in ihren Umgebungen nebst dem Erzstiftischen Gebiet, durch Verheerungen außerordentlich, und Moritz hätte sich der Stadt selbst bemächtigen können, wenn ihn nicht die Furcht vor der darin herrschenden Pest abgehalten hätte. Ein durch Vermittelung des Raths zu Bremen getroffener Vergleich machte dem Streit ein Ende. Man vereinigte sich dahin, daß Graf Moritz im Besitz der erzstiftischen Güter bleiben, dem in seiner Würde anerkannten Erzbischofe Gottfried aber eine jährliche Apanage reichen sollte.♦  
  Dieser Zustand dauerte aber nicht lange. Der Erzbischof, durch den Grafen Gerhard von der Hoya, der die versetzte Burg Thedinghausen im Besitz hatte, unterstützt, erneuerte unter dem Vorwande, das Graf Moritz ihn nicht gehörig achtete, auch seine Apanage nicht ordentlich verabfolgen ließe, den Streit auf mehrere Jahre. Dieser führte nicht allein den größten Nachtheil für den Handel der Stadt Bremen herbei, sondern sie wurde auch, weil sie jenes Streits wegen den Hansetagen in Lübeck nicht beigewohnt, auch den Seeräubereien ihres Bürgers Johann Hollmann nicht gesteuert hatte, vermuthlich auch noch andrer Ursachen wegen, einige Jahre aus der Hanse gestoßen.♦  
  Unter diesen Unruhen starb der Erzbischof Gottfried im J. 1363. Vergebens bemühte sich nun abermals Graf Moritz um die erzbischöfliche Würde, worin vielmehr der Papst 36) Albert II., einen Sohn des Herzogs Magnus von Braunschweig, den schon Erzbischof Gottfried im J. 1359 zu seinem Nachfolger bestimmte, nach manchen Schwierigkeiten seit dem J. 1361 bestätigt hatte. Auch mußte Moritz, der vom Herzog Magnus in seinem Schlosse Vörde belagert war, bald aber sich zu einer Unterhandlung bequemte, alles in seiner Gewalt befindliche erzstiftische Land abtreten, behielt aber das Amt Hagen auf Lebenszeit. Hierauf wurde Albert II. mit großem militärischen Pomp in Bremen eingeführt, und ihm auf die gewöhnliche Art von der Stadt gehuldigt. –♦  
  Mehre geldfressende Kriege während seiner 35jährigen Regirung und übertrie-  
S. 443 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  bener Aufwand waren Schuld, daß bei seinem Tode 1395 fast alle seine Schlösser verpfändet oder verschuldet hinterließ.  
  In der Reihe der bremischen Erzbischöfe folgt 37) Otto II. des vorigen Erzbischofs Bruders-Sohn, welcher bis dahin gegen 8 Jahre Bischof von Verden gewesen war. Er reinigte das Erzstift möglichst von schlechtgesinnten Leuten, deren Anzahl durch die Sorglosigkeit seines Vorgängers und unter mancherlei kriegerischen Umständen sehr angewachsen war, verrichtete mit besonderen Eifer seine geistlichen Amtsgeschäfte, hielt die ihm untergeordnete Geistlichkeit zu ihrer Pflichterfüllung an, und beschloß, in weltlicher Rücksicht, die von seinem Vorgänger und Oheim versetzten Schlösser und Güter des Erzstiftes wieder einzulösen.♦  
  Durch Vermittlung des Raths zu Bremen kam er wieder in den Besitz des Schlosses Ottersberg (3 Meilen vor der Stadt), welches er wegen der festen Lage und des gerade in dem Burggraben durch die hineinfließende Wümme sehr anwachsenden Wassers vergebens belagert hatte. Das Schloß Langwedel aber (1 Meile von Verden), überlieferten die dort festsitzenden Lehnsmänner des Stifts aus unbekannten Ursachen seinem Bruder, dem Herzog Heinrich von Braunschweig, welcher es ihm nur gegen Erlegung einer ansehnlichen Summe Geldes, die jedoch mit Zustimmung der Prälaten und Dienstmänner der Kirche über die Bauergüter vertheilt wurde, wieder einräumte.♦  
  Er löste aber nicht allein diese Schlösser und andre Güter ein, sondern erbaute auch im J. 1404 das Schloß Neuhaus an der Oste, besonders um durch dasselbe die oft unruhigen Bewohner des Landes Hadeln im Zaum zu halten. Dieß wurde aber, wie es früher mit dem in der Nachbarschaft vorhanden gewesenen Schlosse Schlickenburg am Einflusse der Oste in die Elbe der Fall gewesen war, schon im Jahr 1420 von den Umherwohnenden wieder zerstört.♦  
  Das Schloß Bederkese mit Zuhörungen hatten die Bremer seit dem J. 1381 zur Hälfte inne, und Erzbischof Otto II. erhielt es im Jahr 1396 von dem Rath zu Bremen unter der Bedingung, daß er es, wenn er nach 8 Jahren 7000 Mark Lübisch erhielt, dem Rathe zurückgeben sollte. Nach Verlauf einiger Jahre trug der Rath auf Anstiften des damaligen Archidiaconus der Lande Hadeln und Wursten, Joh. Slamstorf, eben desjenigen, welcher Otto II. bald in der erzbischöflichen Würde nachfolgte, bei demselben darauf an, ihm auch die andre Hälfte des Schlosses gegen angemessene Bezahlung zu überlassen, weil die doppelte Oberherrschaft zu beständigen Streitigkeiten Anlaß gebe. Der Erzbischof erzürnte über diesen Antrag so sehr, daß eine schon in seinem Körper steckende Krankheit zum vollen Ausbruch kam, und er an derselben im J. 1406 oder 1407 starb.  
  Sein Nachfolger 38) Johann II. aus dem Geschlechte der Slamstorfe, hatte seit dreißig Jahren das Archidiaconat in den Ländern Hadeln und Wursten verwaltet, als er durch einstimmige Wahl und nach einem allgemeinen Wunsch den erzbischöflichen Stuhl bestieg. Große Gelehrsamkeit besaß er nicht, aber desto reicher war er an Erfahrung, an Beredsamkeit und Geistesgegenwart, wodurch er auch fast alle Streitsachen glücklich beilegte. Dabei war er sehr herablassend, und kam oft an die Tafel der Geringeren. Den ihm vorgeworfenen  
S. 443 Sp. 2 BREMEN  
  Geiz möchte man wohl richtiger eine lobenswürdige Sparsamkeit nennen, um sich in den Stand zu setzen, die von Albert II. verpfändeten, und von Otto II. noch nicht gänzlich eingelösten Schlösser und Güter des Stifts völlig einzulösen, was er denn auch that.♦  
  In Hinsicht auf Bederkese dachte der Erzbischof anders, als in seiner früheren Lage; er hielt die Stadt von einer Zeit zur anderen mit glatten Worten hin. Doch bequemte sich diese endlich, die Stadtbremische Hälfte dem Erzbischof auf Lebenszeit unter den Bedingungen zu überlassen, daß der von ihm bestellte Amtmann beiden Theilen den Eid der Treue schwören sollte, und im Fall das Schloß von Jemanden eingenommen würde, sie ihre Kräfte zu dessen Wiedereroberung vereinigen wollten.♦  
  In einen anderen Streit gerieth er im J. 1408 mit den Bremern, die, gestützt auf alte Briefe, nach welchen wider ihren Willen an der Weser keine Festungen und Schlösser angelegt werden sollten, es ihm nicht verstatten wollten, daß er dergleichen bei dem jetzigen Flecken Lehe an der Weser erbauete, welches er in der Absicht begann, um die Wurster desto besser im Zaum zu halten. Als der Erzbischof auf diese Protestation nicht achtete, so zerstörten die Einwohner von Lehe und ihre Nachbarn, besonders die Wurster, zur Nachtzeit, was er bei Tage hatte ausführen lassen, und warfen das Geschütz ins Wasser. Der Erzbischof nahm dies zwar sehr übel, doch wurde die Sache durch Vermittler beigelegt.♦  
  Eben so wenig konnte er ein anderes Schloß, die Stinteburg zu Stande bringen, welches er gleichfalls an der Weser, näher nach Bremen hin, zu erbauen Willens war. Auf solche Weise führte er zwar keine ganz ruhige, aber doch ziemlich friedliche Regirung bis an seinen Tod im J. 1421.  
  Es erhielt 39) Nicolaus, ein geborner Graf von Delmenhorst, die Erzbischöfliche Würde, die ihm schon im J. 1414 von dem Domkapitel versprochen war, wogegen so wie gegen eine ansehnliche ihnen von dem Kapitel nach und nach vorgeschossene Summe Geldes er und sein Vater Otto von Delmenhorst die ihm dafür verpfändete Grafschaft, selbst so weit sie mehr, als die vorgeschossene Summe werth seyn sollte, mit dem Erzstift Bremen vereinigten, doch wurde diese Vereinigung nachmals durch den Grafen Diedrich von Oldenburg, der die Zeitumstände weise zu benutzen wußte, wieder aufgehoben 5). –♦  
  Der Erzbischof Nicolaus verdankte es den rastlosen Bemühungen seines Vorgämgers, der alle verpfändete Stiftsgüter eingelöst hatte, daß er das ganze Land schuldenfrei übernehmen konnte. Dadurch wurde ihm der Antritt seiner Regirung in den ersten Jahren sehr angenehm. – Nach einigen Jahren aber wurde er von dem Herzoge Wilhelm zu Braunschweig und Lüneburg mit Krieg überzogen, weil die Eingesessenen zu Horneburg im Bremischen, unfern Stade, auch in Friedenszeiten sich zu seinem Nachtheil des unbefugten Beutemachens nicht enthalten konnten. Es kam zu ernsthaften Auftritten, wodurch das beiderseitige Gebiet sehr verheert wurde, der Herzog aber, der sein Hauptquartier in Verden hatte, endlich, nachdem das Kloster Harsefeld im Bremischen nebst sei-
 
 
  • 5) S. Halem’s Geschichte des Herzogthums Oldenburg I. 310 fgg.
 
S. 444 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  nem Gebiete von ihm sehr verwüstet, auch die weit entfernte Stadt Buxtehude nebst Horneburg, wiewol vergeblich, belagert waren, sich mit seinen Verbündeten zurückziehen mußte. –♦  
  Als die friesischen Häuptlinge Fokke Ukena und Occotom Broocke sich bekriegten, unterstützte der Erzbischof nebst anderen Grafen und Herren den Letztern, wurde aber in der für sie unglücklichen Schlacht bei Detem (im J. 1426) gefangen, jedoch durch des glücklich geretteten Grafen Dietrich von Oldenburg und der Stadt Bremen, besonders des dasigen Bürgermeisters Johann Vasmer Vermittelung (nach Kranz, ohne Lösegeld) bald wieder in Freiheit gesetzt. Dieser Krieg, und andre Umstände brachten den Erzbischof in eine schwere Schuldenlast, welche ein Anleihen nach dem andern, und die Verpfändung mehrer ihm frei überlieferter Güter nothwendig machten. Von seinen Gläubigern hart gedrängt, nahm er erst den Grafen Otto von der Hoya zum Coadjutor an, und als dieser die übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllte, übertrug er im J. 1435 dem reichen Abt Balduin von Lüneburg des Erzstift, welcher, nachdem er schon 38,000 Gulden erzbischöflicher Schulden bezahlt hatte, und der Anmeldung der Gläubiger kein Ende war, sich rechtskräftig nur auf die Bezahlung der Schulden beschränkte, die der Bischof Nicolaus mit Einwilligung des Domkapitels kontrahirt hatte.♦  
  Aus seinen übrigen Geldverlegenheiten und daher entstandenen persönlichen Bedrängnissen rissen den Erzbischof seine Verwandten und dessen Söhne, und thaten es gern, weil Graf Dietrich, wie angedeutet worden, die Grafschaft Delmenhorst wieder von dem Erzstifte getrent, und mit dem Oldenburgischen auf immer vereinigt hatte. Erzbischof Nicolaus starb im J. 1437 auf dem Schlosse zu Delmenhorst, wo er sich seit Übertragung der erzbischöflichen Regirung an Balduin beständig aufgehalten hatte.  
  Dieser 40) Balduin, ein gelehrter, kluger und erfahrener Mann, übernahm nach seines Vorgängers Tode das Erzstift nur unter der Bedingung, daß er seine Abtei zu Lüneburg beibehalten und auch daselbst wohnen dürfte. Der Papst verstattete ihm dies auf 6 Jahre. Als diese sich ihrem Ende nahten, starb er im J. 1442, und wurde nicht, seinem Wunsche gemäß, in Lüneburg, sondern im Dom zu Bremen begraben.♦  
  Sein Nachfolger 41) Gerhard III., geborener Graf zu Hoya, ein äußerst friedlich gesinnter Mann, wußte den Anlässen zu Streitigkeiten so geschickt auszuweichen, daß er dem Erzbisthum bis an seinen Tod († 1463) 21 Jahre hindurch ganz in Frieden vorstehen konnte. Inzwischen glaubten doch die Städte Bremen, Stade und Buxtehude von ihm in ihren hergebrachten Gewohnheiten und Privilegien dermaßen beeinträchtigt zu seyn, daß sie im J. 1445 den Abschluß eines Bündnisses für nöthig erachteten, dem Erzbischof bei Eingriffen, die er machen möchte, gemeinschaftlich zu widerstehen, und ihre Zwistigkeiten in Güte, oder durch die Waffen auszumachen. Er wurde sehr geliebt, und nach seinem Absterben wegen der darauf eintretenden unruhigen und kriegerischen Zeiten sehr vermißt.  
  Ihm folgte 42) Heinrich II., Graf von Schwarzenburg, durch einmüthige Wahl des Domkapitels im J.  
S. 444 Sp. 2 BREMEN  
  1463, als er sich erst im 23sten Lebensjahre befand, auf Empfehlung des, der Sage nach damals zum Erzbischof bestimmten Dompropstes Johann Rode, eines Oheims des gleichnamigen auf unsern Heinrich folgenden Erzbischofs, eines auch wegen seiner Verbindungen mit dem päpstlichen Hofe, wo er Corrector bullarum apostolicarum war, einflußreichen Mannes, in Gefolge eines Ansuchens von Seiten des Grafen von Schwarzburg, des Vaters, mit dem gedachten Rode auf seinen öftern Reisen nach Rom in Bekantschft gerathen war, und der bei einer zahlreichen Familie ihn gebeten hatte, bei Gelegenheit einem seiner Söhne zu einer ansehnlichen geistlichen Würde zu verhelfen.♦  
  Im dritten Jahre seiner Regirung (1465) wurde Heinrich auch zum Bischof zu Münster erwählt, und änderte nach vorgängigem, dem münsterschen Domkapitel gegebenen Versprechen, mit Zustimmung des Papstes, seinen Titel dahin, daß er sich Bischof zu Münster und Administrator des Erzbisthums Bremen schrieb, womit man in diesem Erzbisthum eben so wenig, als mit der Verlegung seines Wohnsitzes nach Münster zufrieden war. Ein Mann jedoch von großem Verstande, Klugheit und Heldenmuth regirte er beide Stifte mit seltenem Glück.♦  
  Die vielen Kriege, welche er mit dem Grafen Gerhard von Oldenburg, mit den Friesen, auch als vom Kaiser Friedrich III. ernannter Generalisimus gegen den Herzog Karl den Kühnen von Burgund und sonst führte, gehören nicht in die Geschichte des Herzogthums Bremen; nur sey bemerkt, daß es in jenen unruhigen Zeiten auch in dieser Provinz nicht an Verheerungen fehlte, und sie zu außerordentlichen Geldbeiträgen genöthigt war. Einen nachtheiligen Einfluß auf das Erzstift hatte seine fast beständige Abwesenheit aus demselbigen. Seine bremischen Einkünfte zog er von dort weg. Die bremischen Schlösser, Burgen, Mühlen und sonstige erzbischöfliche Güter verfielen, und konnten wegen Mangels an Gelde nicht ausgebessert werden; verschiedene Landgüter waren verpfändet, die meisten Kleinodien nach Münster gebracht, und der bremischen Kirche in ökonomischen Angelegenheiten nur trübe Aussichten eröffnet, dagegen die Stadt Bremen seine Abwesenheit weislich zur Vergrößerung ihrer Macht, ihres Ansehens und ihrer Gerechtsame benutzte.♦  
  Doch bleibt ihm der Ruhm, daß er für die öffentliche Sicherheit auf den Heerstraßen sorgte, besonders seitdem er durch Erneuerung alter Ansprüche auf Delmenhorst sich in den Besitz des dasigen Schlosses und der Grafschaft gesetzt hatte, welche er jedoch, gegen seine dem bremischen Domkapitel gegebene Zusage, nicht wieder mit dem Erzstift Bremen, wozu sie schon ehemals gehört hatte, sondern mit dem Bisthum Münster vereinigte, wobei sie bis zum Jahre 1547 verblieb († 1496).  
S. 444 Sp. 2 ⇩  
HIS-Data 5139-1-12-432-1: Allgemeine Encyclopädie: BREMEN, das Herzogthum B I-II HIS-Data Home
Stand: 9. März 2018 © Hans-Walter Pries