HIS-Data
Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-12-432-1-B-2
Erste Section > Zwölfter Theil
Werk Bearb. ⇧ 12. Th.
Artikel: BREMEN, das Herzogthum... B III
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum S. 438 : 432
Siehe auch: HIS-Data Bre
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
Inhalt:
⇦ BREMEN, das Herzogthum B I-II
Bremen (Hamburg.) Erzbisthum ⇨

⇧ S. 444 Sp. 2  
III-1 III. Neue Geschichte. Erster Abschnitt. Die 7 letzten Erzbischöfe bis zum westphälischen Frieden und der Secularisation des Erzbisthums. J. 1496 – 1648.  
  Die traurigen Umstände, in welchen Heinrich II. das Erzbisthum zurückgelassen hatte, verursachten, daß die mehrsten Mitglieder des Domkapitels, damit das Stift sich erholen möchte, sich nach einem reichen und die Ruhe liebenden Nachfolger umsahen. Deswegen fielen die meisten Wahlstimmen auf den gelehrten, frommen und willfährigen Dompropst Johann Rode den Jüngern,  
S. 445 Sp. 1 BREMEN  
  eines Rathsherrn Sohn, der damals etwa 52 Jahre alt war, und in der Reihe der bremischen Erzbischöfe 43) Johann III. genant wird. Konnte er auch während seiner Regirung aus mehren Ursachen nicht immer den Frieden erhalten, so kamen doch dem Erzstifte die großen Güter sehr zu Statten, die er von seinem Oheim, dem Dompropst Johann Rode dem Ältern geerbt hatte; da sich aber viele vornehmere Personen im Domkapitel befanden, die, so wie der ganze Landadel und die Städte des Erzstifts, lieber einen Erzbischof von noch angesehenerm Geblüte gehorcht hätten, z. B. dem Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg, oder Graf Otto von Oldenburg, die sich auch beide um diese Würde bemühten, so erweckte dies dem Erzbischof Johann Rode gleich Anfangs vielen Verdruß.♦  
  Doch er blieb Erzbischof und nahm schon im J. 1500 mit Genehmigung des Domkapitels den Herzog Christoph, einen Sohn des Herzogs Heinrich von Braunschweig, damals erst 13 bis 14 Jahre alt, zum Coadjutor an, um durch diese mächtige Verbindung sich Beistand gegen seine widerspänstigen Landesstände und unruhigen Nachbarn zu verschaffen. Denn damals war er in einem bereits im J. 1499 begonnenen Kriege mit dem Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg begriffen, der, unter andern Ursachen, aus Rache, daß sein Bruder, Herzog Johann, bei der Wahl zum Erzbischof übergangen war, von dem ihm zugehörigen Lande Hadeln aus das zum jetzigen Herzogthum Bremen gehörende Land Wursten erobern wollte. Verlor gleich der Herzog Magnus jetzt einstweilen sein Land Hadeln durch das Waffenglück der Truppen des Erzbischofs und der mit ihm verbündeten Städte Hamburg und Bremen, so konnte sich doch bald der Erzbischof mit seinen Bundesgenossen gegen den Herzog nicht mehr halten, nachdem dieser nach jenem ersten Verluste seines Landes die damals so berühmte große oder schwarze Garde in Sold genommen hatte, welche das Bremische, besonders die geistlichen und Klostergüter äußerst verheerten, aber die adligen Güter der Dienstmänner der Kirche verschonten, weil diese es gegen den Erzbischof mit seinen Feinden hielten.♦  
  Von dem Ausgange dieses Krieges schweigen die Geschichtschreiber, und bleiben bei dem Untergange der Garde stehen, welche vom Könige Johann von Dänemark und seinem Bruder, Herzog Friedrich zu Holstein, in Sold genommen, um die aufrührerischen Ditmarsen völlig zu unterjochen, in den Dithmarsischen Sümpfen ihr Grab fand. Wahrscheinlich wurde jener Krieg bald nach dem Abzuge der Garde in Güte beigelegt.♦  
  Die Friesen, die bald nach dem Regirungsantritt des Erzbischofs Johann Rode ihre Freiheit gegen ihn behaupteten, wurden im J. 1502, durch hinzugekommene Vermittlung der Städte Bremen und Lüneburg und der kriegerischen Wurster dahingebracht, ihn wenigstens zum Schein für ihren Herrn anzuerkennen. – Vertheidigten die Wurster für das Mal die weltlichen Rechte des Erzbischofs gegen die Friesen, so wollten sie doch bald darauf selbst im J. 1504 sich ihm in bürgerlichen Angelegenheiten nicht unterwerfen, obgleich sie sich seiner Aufsicht in geistlichen Angelegenheiten nicht entzogen. Dies führte kriegerische Unruhen für den Erzbischof herbei, so wie es auch der Fall mit seinem Nachfolger im J. 1518 war, wobei aber am Ende nichts her-  
S. 445 Sp. 2 BREMEN  
  auskam, als daß viele ihr Leben verloren, viel Geld verschwendet, und bedeutende Strecken des Stifts zum größten Nachtheil der Landleute verwüstet wurden. —♦  
  Andre, zum Theil kleinere, Streitigkeiten, auch mit der Stadt Bremen, woran dieser Erzbischof Theil nahm, übergehe ich, und bemerke nur noch, daß er bis an seinen im J. 1511 am 4 Decbr. zu Bremervörde erfolgten Tod in der letztern Hälfte seiner Regirung, besonders in den letzten 5 Jahren, in denen er auf dem bremischen Schlosse Hagen als seinen Leibgedinge, ohne jedoch seinen Einfluß als Erzbischof aufzugeben, lebte, mehr Ruhe, als in der erstern genoß, wozu ohne Zweifel seine mächtigen politischen Verbindungen das Meiste beitrugen. Sein ungedrucktes Registrum bonorum et jurium ecclesiae Bremensis, aus welchen hin und wieder Verschiedenes auch abgedruckt worden ist, ungeachtet sein Inhalt von Stadtbremischen Schriftstellern verschiedentlich in Anspruch genommen wird, ist für die Geschichte des Erzstifts, und sein im J. 1511 zu Straßburg gedrucktes Missale ecclesiae Bremensis wegen seines ehemaligen Gebrauchs und seiner jetzigen Seltenheit wichtig 6).  
  Der Nachfolger dieses Erzbischofs war sein bisheriger Coadjutor 44) Christoph, (s. nachher). Als Johann Rode ihn noch sehr jung zum Coadjutor angenommen, hatte er sich ausbedungen, das Stift, so lange er wollte, selbst zu regiren, und sein Coadjutor, dem der Antritt der erzbischöflichen Regirung vom Papste Alexander erst mit dem Eintritt in sein 27stes Lebensjahr zugesichert war, ob er gleich wegen Johann Rode's Tode etwas früher erfolgte, sollte sich nicht anders, als dazu eingeladen, in kirchliche Angelegenheiten mischen. Johann regirte es auch wirklich bis an seinen Tod, ungeachtet Christoph unterdessen schon im J. 1502 auch zum Bischof von Verden erkoren war, behielt sich jedoch in den letzten Jahren seines Lebens, wie oben bemerkt ist, nur die Burg Hagen im Bremischen zum Leibgedinge vor. –♦  
  Die Regirung Christophs, dem die Stadt Bremen wegen der von Erzbischof Johann Rode nicht abgegebenen Regirung deswegen auch erst im J. 1512 gegen die Confirmation der bis dahin von der Stadt erworbenen Privilegien, gleichwie Stade und Buxtehude, auf die gewöhnliche Art huldigte, war von langer Dauer, aber auch sehr unruhig. Seine fast beständige Abwesenheit von Bremen entfernte ihn von der Sorge um das Erzstift, wenn er anders überhaupt dazu geneigt gewesen wäre. Die im Jahre 1517 durch ihn geschehene Einrichtung des noch zu Stade fortdauernden Hofgerichts und einige andre gute Verfügungen, sind gegen das Elend nicht in Anschlag zu bringen, in welches er das Land stürzte.♦  
  Die J. 1517, 1518, 1527, 1545, 1547 und 1557 waren besonders unglückliche Kriegsjahre für das Erzstift, und insonderheit auch für das heutige Bremische. Die großen, zu verschiedenen Zeiten angerichteten Verheerungen der Wrisbergischen Völker, der Soldaten des Schmalkaldischen Bundes, der Einwohner des Landes Wursten und der Creditoren des Erzbischofs (unter denen die von Pentz aus Mecklenburg seiner Schulden halber das Kloster Harsefeld unfern Stade und die um-
 
 
  • 6) Ausführliche Nachrichten von Johann Rode liefert Cassel Bremensis I. p. 1—92. und p. 259—341.
 
S. 446 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  liegende Gegend durch Plünderung und Brand verwüsteten) mußten das Land zu Grunde richten. Der Mangel an Gerechtigkeit und Sicherheit, die Armuth des ganz ausgesogenen Landes, die schweren Prozesse zu Rom und Speier, und die Beeinträchtigungen von dessen Nachbarn, vermehrten das allgemeine Unglück des Landes.♦  
  Durch des Erzbischofs unordentliche Haushaltung, seine außerordentliche Verschwendung, weitläufige Prozesse und vielen kostbaren Reisen wurden Schulden auf Schulden gehäuft, so daß er in die tiefste Armuth sank. Dies veranlaßte zunächst die Verpfändung der Stiftsschlösser und Güter. Bei den daraus zusammengebrachten, aber längst nicht zureichenden Summen mußte es dem Erstern nebst sämtlichen bremischen Landständen noch unangenehmer seyn, daß sie mit ihrem Landesherrn zum Besten des Erzstifts und zur Bezahlung seiner ungeheuren Schulden so viele Verträge schlossen, von denen er keinen hielt. Dieser traurige Zustand verursachte zuletzt, daß sein eigner Bruder, Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig, dem Kapitel den Rath gab, ihn abzusetzen, in ein Kloster einzusperren, und die Regirung selbst zu übernehmen, welches das Kapitel inzwischen zu thun Bedenken trug. –♦  
  Als hierauf Erzbischof Christoph sich vergebens auf einer Reise zum Kurfürsten Joachim II. zu Brandenburg nach Berlin um einen Stellvertreter bemüht hatte, der ihn gegen eine jährliche Apanage aus allen seinen Verlegenheiten herausreißen sollte, und wobei er durch die Vermittlung des Kurfürsten sogar zunächst auf seinen Vetter, Herzog Franz Otto, Harburgischen Theils, mit dem er in Feindschaft gelebt hatte, um so mehr, da er der ihm so verhaßten Reformation ergeben war, rechnete, entging er, wiewol er schon unter andern in den J. 1541 und 1552 wegen seiner Rechtshändel beim kaiserl. Kammergerichte auf eine Zeitlang suspendirt war, dem Schimpf der Absetzung durch den auf der Rückreise zu Tangermünde am 22. Jan. 1558 im 71 J. seines Alters durch eine starke Erkältung herbeigeführten Tod.  
  Nach diesen Grundzügen des politischen Lebens dieses Erzbischofs komme ich auf die unter seiner Regirung begonnene, und auch im Bremischen eingeführte Reformation, wodurch sie von einer andern Seite höchst merkwürdig wird. Da er ein wollüstiger Mann war, der drei öffentliche Concubinen zu Verden, Rotenburg und Bremervörde hatte, auch fast an allen Orten, wohin er kam, seine Beischläferinnen hielt, so hätte man glauben sollen, daß er sich um die Religion nicht viel bekümmert habe. Doch sang er oft im größten erzbischöflichen Ornate und in höchster geistlicher Gravität, mit einer schönen Stimme Messe, stellte viele Betfahrten und Kreuzumgänge an, stiftete strenge Orden, zwang die Verdenschen Domherren zu Abschaffung ihrer Concubinen, ein so schlechtes Beispiel er ihnen in diesem Stücke gab, und nöthigte sie oft, des Nachts mit ihm in die Metten zu gehen. –♦  
  Der Reformation setzte er sich durch die grausamsten Mittel entgegen. In Verden ließ er viele Leute, die derselben zugeneigt waren oder schienen, ums Leben bringen. Auf sein Anstiften wurde Heinrich von Zütphen, der seit dem J. 1522 eine Zeitlang in Bremen Luthers Lehre zuerst gepredigt hatte, am 11. Dec. 1524 zu Heyde in Dithmaschen, und der bremische Pre-  
S. 446 Sp. 2 BREMEN  
  diger Johann Bornemacher verbrant; ähnlicher Handlungen zu geschweigen. Insonderheit hatte er im J. 1547 um der Religion willen gefährliche Absichten gegen die Stadt Bremen und das ganze Erzstift, die er durch kaiserliche Kriegsheere auszuführen gedachte. Allein er sah bald ein, daß es ihm im Erzstifte Bremen nicht gelingen würde, sich der Reformation, wie es von ihm im Stifte Verden geschah, zu widersetzen, weil er sich im letztern gewöhnlich aufhielt, und die Stände leichter unterdrücken konnte.♦  
  Die Ursachen, warum im Bremischen die Reformation einen schnellen Fortgang gewann, scheinen folgende zu seyn: 1) das seit dem 15. Jahrh. sehr gestiegene Ansehn der bremischen Stände, und die durch dagegen immer mehr eingeschränkten Kapitulationen der neu erwählten Erzbischöfe gesunkene Gewalt der letztern; 2) des Erzbischofs große Armuth, welche ihn außer Stand setzte, seinem Willen durch Gewalt Nachdruck zu geben; 3) seine fast beständige Abwesenheit aus dem Erzstift, worin deswegen das Domkapitel und die Stände fast ganz nach ihrem Belieben regirten; 4) Mangel an freiwilliger auswärtiger Hilfe, da er sich sogar die ihm zunächst verwandten benachbarten Herzoge zu Feinden gemacht hatte; 5) der allgemeine Widerwille, den er sich durch seine landverderbliche Regirung zugezogen. Unter solchen Umständen breitete sich die Reformation also auch im Herzogthum Bremen unter Christophs Regirung schnell aus 7).  
  Doch genug von diesem Erzbischof. Ihm folgte sein jüngster Bruder, 45) Herzog Georg zu Braunschweig und Lüneburg, geb. 1494, – welcher Anfangs seit dem J. 1532 designirter Nachfolger des bremischen Dompropstes Franz Grambke auf dessen Sterbefall, seit dem J. 1535 Dompropst des Stifts zu Köln und seit dem J. 1553 Bischof zu Minden gewesen war, – im Jahr 1560 im verdenschen Bisthum nach († 1566). Er war dem lutherischen Lehrbegriff zugethan. Da er indessen als ein schon ziemlich bejahrter Mann zur erzbischöflichen Würde erhoben wurde, so war natürlich seine Regirung nicht von langer Dauer, aber doch friedlich. Hier stehe nur die in seine weltliche Regirung gehörige Bemerkung, daß die Stadt Bremen ihm das Schloß Ottersberg, 3 Meilen von gedachter Stadt, in dessen Besitz sie sich nach der bekannten Schlacht bei Drakenburg im J. 1547 gesetzt hatte, im J. 1562 wieder abtrat, und dies Schloß nebst dem davon genannten Amte seit jener Zeit mit dem jetzigen Herzogthum Bremen vereinigt gewesen ist.  
  Länger, wie er, regirte nach ihm 46) Heinrich III. ein Sohn des Herzogs Franz I. von Sachsen-Lauenburg, welcher nachmals im J. 1574 nach vielen vorhergegangenen Wahlstreitigkeiten zugleich Bischof von Paderborn und Osnabrück wurde, und im J. 1585 an den Folgen eines unglücklichen Sturzes vom Pferde zu Bremervörde sein Leben beschloß. Er war im 19. J. seines Alters unter der ausdrücklichen Bedingung zum Bischof erwählt worden, daß sein Vater seine Ansprüche auf das bisher streitige Land Wursten, auf die Herrschaft Bederkese und
 
 
  • 7) S. Lappenberg über den Anfang der Reformation im Stifte Bremen in Pratje’s Herzogthüm. Bremen und Verden I. 359 fgg.
 
S. 447 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  auf die Elmischen Güter im heutigen Herzogthum Bremen aufgeben sollte. Dies geschah sogleich im Jahr 1567 durch einen Rezeß, welcher auch ein gegenseitiges Schutzbündniß enthält, und unter andern festsetzt, daß dem Herzog Heinrich während seiner Minorennität von dem Domkapitel, dem bis dahin die Verwaltung des Erzstifts natürlich überlassen blieb, halbjährig 500 Joachimsthaler aus den Gütern des Erzstifts gegeben werden sollten. –♦  
  Noch war er nicht lange zum Erzbischof erwählt, als zu einem von den Türken gegen das römische Reich unternommenen schweren Kriege das Erzstift zu den Kosten 24,000 Thlr. beitragen mußte. – Unter den ruhmwürdigen Anordnungen, welche die Regirung dieses Erzbischofs auszeichnen, gehört die Abfassung des bremischen Ritterrechts, welches auf einem zu Volkmarst, nicht weit von Basdahl, dem jetzigen vieljährigen Versammlungsorte der bremischen Ritterschaft, gehaltenen Rittertage im J. 1577 glücklich zu Stande gebracht und im J. 1673 zuerst gedruckt wurde 8).  
  Der folgende Erzbischof 47) Johann Adolph, dritter Sohn des Herzogs Adolph, des Stammesvaters der Herzoge zu Schleswig und Holstein Gottorp, war im J. 1575 geboren, im J. 1585 zum Erzbischof zu Bremen und im J. 1586 zum Bischof von Lübeck erwählt. Auch folgte er in der väterlichen Landesregirung nach des Vaters Tode und dem unverhofften frühen Ableben seiner beiden dem Vater succedirenden ältern Brüder im 16. J. seines Alters. Zum Erzbischof zu Bremen war er unter der Bedingung erwählt worden, daß er sich so lange mit einem gewissen Jahrgelde begnügen sollte, bis die von seinen Vorfahren versetzten erzstiftischen Güter wieder eingelöst wären.♦  
  Er verheiratete sich im J. 1596 mit Auguste, der Schwester des Königs Christian IV. von Dänemark, womit das Domkapitel zu Bremen unzufrieden war, weil nach der neuern Konstitution die evangelischen Erzbischöfe unverheiratet bleiben sollten. Dies veranlaßte ihn, noch in demselben Jahre als bremischer Erzbischof zu resigniren; doch blieb er Bischof zu Lübeck bis zum J. 1608, da ihn auch hier sein jüngster Bruder Johann Friedrich wie früherhin im Erzbisthum Bremen folgte 9).  
  Eben gedachter Herzog Johann Friedrich von Schleswig-Holstein (geb. 1579 am 31. Aug.) bestieg also als 48) Erzbischof zu Bremen den Stuhl. Zu dieser Wahl hatte das Kapitel die concurrirenden Stände, als die Ritterschaft nebst den Städten Bremen, Stade und Buxtehude durch gewöhnlichen, unterm 7. Sept. des Jahrs 1596 datirten Anschlag an der Domkirche zu Bremen auf den bevorstehenden 22. Okt. eingeladen. Hierüber entstanden
 
 
  • 8) Es wurden darin die alten Rechte, Gewohnheiten und Privilegien, welche die erzstiftische Ritterschaft in Ansehung der Succession in ihren Erb- und Stammgütern und in andern Fällen von jeher gehabt hatte, in ein gewisses System gebracht, und auf diesem Wege für die Zukunft manchem Prozesse vorgebeugt, die Besorgniß zu Familienzwistigkeiten auch späterhin durch eine neue Bearbeitung des Werks, das darauf im J. 1739 zum Druck befördert wurde, noch ungemein verringert, wenn nicht gänzlich gehoben; s. Pratje Altes und Neues III. 8 fgg.
  • 9) Seine fernere Lebensgeschichte gehört in die holsteinische Geschichte.
 
S. 447 Sp. 2 BREMEN  
  aus einer bis jetzt unbekannten Ursache Mishelligkeiten zwischen dem Domkapitel und den Ständen, welche die Folge hatten, daß das Kapitel sich nach dem unweit Stade gelegenen Kloster Harsefeld begab, und daselbst für sich die Wahl Johann Friedrichs vollzog. Das geschah nicht ohne Widerspruch der Ritterschaft und übrigen Stände; doch wurde aller Streit durch die eintretende Vermittlung des Königs von Dänemark, des Herzogs Ulrich von Mecklenburg und des Herzogs Johann Adolph zu Holstein durch einen zu Basdahl angefangenen, und zu Stade im J. 1597 am 6. Januar geschlossenen Vergleich beigelegt. –♦  
  Das Wichtigste aus der Regirung dieses Erzbischofs, der sich zwar im J. 1600 mit der ältesten Tochter des Grafen Johann von Oldenburg verlobte, sie aber nicht ehelichte, ist der Umstand, daß die erstere Hälfte des für ihn und das Herzogthum Bremen so nachtheiligen 30jährigen Kriegs in dieselbe fällt. Die Kaiserliche Armee unter dem Grafen Tilly und das Heer des Königs Christian IV. von Dänemark brachen in das Bremische ein. Letzterer entließ alle Unterthanen des Erzstifts ihrer Pflichten gegen dasselbe und gegen ihren bisherigen Herrn, entsetzte diesen seiner Würde, und bestellte seinen Sohn, den Prinzen Friedrich, zum Coadjutor.♦  
  Im Kriege hatte der Erzbischof Johann Friedrich vormals dem Kaiser viele wesentliche Dienste geleistet, konnte ihn aber nicht dazu bewegen, ihm wieder zum Besitz seiner Länder zu verhelfen. Jene Dienste erkannte der Kaiser zwar an, entschuldigte sich aber mit dem berüchtigten Edikte de restituendis bonis ecclesiasticis, welches den Erzbischof für unfähig erklärte, geistlichen Gütern vorzustehen. Er drückte dabei seine Hoffnung aus, der Erzbischof würde Bremen gegen die Zusicherung einer anständigen Apanage dem Erzherzoge Leopold Wilhelm überlassen. Die Kaiserliche Armee drang hierauf ins Erzstift Bremen, besetzte dasselbe, und hoffte den sich widersetzenden Erzbischof selbst in die Gewalt zu bekommen. Dieser eroberte jedoch im J. 1631 nach der Leipziger Schlacht das Bremische (nebst dem Verdenschen) mit Hilfe der Schweden, in deren Händen er diese Länder ließ, als er im J. 1634 am 3. Sept. im Altenkloster bei Buxtehude sein unruhiges Leben beschloß.♦  
  Der unruhigen Zeiten ungeachtet erschienen während seiner 38jährigen Regirung manche nützliche und heilsame Verordnungen. Ausgezeichnet zu werden verdient sein Edikt 1603 vom Prozeß in Zaubereisachen, worin er mehr Vorsicht und glimpflichere Behandlung gegen die der Zauberei verdächtigen Personen ernstlich anbefahl. Auch ist seine vermuthlich bald nach dem J. 1607 erschienene Kanzleiordnung 10), als ein Produkt jener Zeiten für Beförderung der Rechtspflege und für Kentniß des Geschäftsgangs ungemein wichtig.  
  Die Reihe der bremischen Erzbischöfe beschließt 49) Friedrich, zweiter Prinz des Christian IV. in Dänemark, geboren zu Hadersleben im J. 1609 am 18. März, ein gelehrter Fürst und großer Beförderer der Gelehrten. Er erhielt schon im J. 1616 eine Domherrn-
 
 
  • 10) S. von Ende und Jacobi Samlungen für Geschichte und Statskunde aus den braunschweig-lüneburgischen Churlanden, 1. Th. S. 27 fgg.
 
S. 448 Sp. 1 BREMEN ⇧ Inhalt 
  stelle in Bremen, wurde 1618 im 9. Jahre seines Alters Coadjutor zu Verden, und 1621 Coadjutor des Erzbisthums Bremen. Er succedirte zwar im J. 1634 gleich nach seines Vorgängers Tode, konnte aber die kaiserliche Confirmation nicht eher erreichen, bis sein königl. Vater, als Herzog von Holstein, und auch er selbst in dieser Eigenschaft nebst dem Domkapitel gleich den anderen Ständen des Reichs sich zur Vollziehung des prager Friedensschlusses verbindlich machten. Dieser Umstand, und die im Bremischen fortdauernden Kriegsunruhen verzögerten die ihm zu leistende Huldigung bis zum 22. März 1637 11). –♦  
  Während der 30jährige Krieg noch wüthete, entstand im J. 1644 auch ein heftiger Krieg zwischen der Königin Christine von Schweden und dem Könige Christian IV. in Dänemark, welcher für das Erzstift Bremen die Folge hatte, daß der schwedische General, Graf Hans Christoph von Königsmark mit aller Macht in dasselbe eindrang, noch in demselben Jahre das Schloß Langenwedel, im folgenden aber die Stadt Stade nebst den Schlössern Ottersberg und Bremervörde, welches die erzbischöfliche Residenz war, eroberte, dadurch das Land dem Scepter seiner Königin unterwarf, den Erzbischof vertrieb, und den bremischen Distrikt bis zum westphälischen Frieden (1648) im Besitz behielt, in welchem es nebst dem Bisthum Verden dem Königreiche Schweden zur Schadloshaltung für die aufgewandten Kriegskosten als zu secularisirende Länder unter dem Titel von Herzogthümern überlassen und zum Reichslehn erklärt wurde.♦  
  Inzwischen erhielt dieser Erzbischof nach dem Tode seines königlichen Vaters im Jahr 1648, und da sein älterer Bruder das Jahr zuvor ohne Erben gestorben war, unter dem Namen Friedrich III. die väterliche Krone, die er bis an seinen im J. 1670 erfolgten Tod trug.  
III-2 Neue Geschichte. Zweiter Abschnitt. Die schwedische Regierungsperiode. J. 1648 – 1715. ⇧ Inhalt 
  Die nun dem schwedischen Scepter unterworfenen Herzogthümer Bremen und Verden wurden sofort in Regierungs-, Justiz- und Konsistorienangelegenheiten unter eine Verwaltung gesetzt, wobei es auch bei den nachmaligen Veränderungen der weltlichen Besitzer dieser Länder, ungeachtet mancher im Laufe der Zeit herbeigeführten Veränderungen in zufälligen Dingen, im Allgemeinen unverändert blieb 12). Sämtliche höhere Landescollegia erhielten ihren Sitz, wie es noch heutigen Tages der Fall ist. Auch wurden den Bremer- und Verdenschen Landesständen und der Ritterschaft bald nach dem Anfange der schwedischen Regirung (den bremischen Landesständen und der dasigen
 
 
  • 11) Sie fand in der Domkirche Statt. Diese alte, berühmte Kirche war seit dem J. 1561, da Dr. Albert Hardenberg nach den von ihm genannten Unruhen, aus der gedachten Stadt und dem niedersächsischen Kreise entfernt worden war, verschlossen gewesen; Erzbischof Friedrich aber, welcher der lutherischen Confession eifrigst zugethan war, stellte, aller Protestationen des bremischen Stadtmagistrats und der von demselben ergriffenen gewaltsamen Maßregeln ungeachtet im J. 1638 am 23. Sept. den noch daselbst fortdauernden Gottesdienst in derselben wieder her.
  • 12) S. königl. schwedische Instruction vom 20. Juli 1652 für die Bedienten bei Gouvernir- und Regirung der Herzogthümer Bremen und Verden in Pratje’s Altes und Neues B. 4. S. 1–98.
 
S. 448 Sp. 2 BREMEN  
  Ritterschaft namentlich durch einen allgemeinen Abschied oder Landtagsreceß d. d. Bremen den 30. Juli 1651) ihre althergebrachten Gerechtsame bestätigt; die vom Könige Karl XI. im J. 1692 beigefügte s. g. Erläuterung der bestätigten Privilegien der bremischen Stände, durch die sie bedeutend eingeschränkt wurden, hob König Georg II. von Großbritannien, als Herzog von Bremen, da er im J. 1732 am 30. Juli die Landesständigen Privilegien bestätigte, gänzlich auf 13).  
  So bald die Königin Christina zum Besitz der Bremischen und Verdenschen Länder gelangt war, fing sie auch hier an, die Domaninal- und geistlichen Güter zu verschenken, und sie trieb dieses weiter, als irgend einer ihrer Vorfahren. Die ansehnlichen Güter der Domkapitel, alle Klöster im Lande, verschiedene Ämter und Flecken u. s. w. wurden von ihr an 89 ihrer vornehmsten Civil- und Militärbedienten, Leibärzte und andre verschenkt. Dadurch gerieth das Finanzwesen auch in diesen Provinzen ganz in Verfall. Nach einem frühern Versuche, den Karl X. Gustav gleich nach Christinens Thronentsagung machte, demselben durch ein angesetztes Reductionskollegium aufzuhelfen, welcher aber größtentheils wegen der unruhigen Zeiten seinen Zweck verfehlte, riß endlich das unter Karl XI. auf einen festen Fuß gesetzte Reductionskollegium die Krone Schweden – das Hauptland mit den Nebenländern – aus dieser Verlegenheit. Damals wurden denn also auch die in den Herzogthümern Bremen und Verden verschenkten Güter wieder eingezogen 14). –♦  
  Gegen die Mitte der königl. schwedischen Regirungsperiode trat auf eine Zeitlang eine politische Veränderung ein. Schweden wurde im J. 1675 in die Reichsacht erklärt, weil es mit den gegen das teutsche Reich immer noch feindseligen Frankreich ein Bündniß geschlossen und sich hatte verleiten lassen, dem am Oberrhein kriegführenden Kurfürsten von Brandenburg durch einen feindlichen Einfall in seine Länder unter dem General Wrangel eine Diversion zu machen. Damit nun unter diesen Umständen keine andre benachbarte Macht die Herzogthümer besetzen möchte, vereinigten sich der Herzog Georg Wilhelm von Celle, der Herzog Rudolph August von Braunschweig-Wolfenbüttel, und der Bischof von Münster, Bernhard von Galen, diese Länder bis zum Ausgang der Sache in Besitz zu nehmen, um mögliches Unheil von sich selbst zu entfernen. Die beiden Herzoge nahmen Stade und den größten Theil des Herzogthums Bremen, der Bischof aber das Herzogthum Verden und den zunächst daran gränzenden Theil des Herzogthums Bremen ein, ohne daß eine wesentliche Veränderung in der Landesverfassung gemacht wurde. –♦
  Diese interimistische
 
 
  • 13) S. kurzer, aber gründlicher Bericht von den althergebrachten und confirmirten Gerechtsamkeiten der löblichen Landstände und Ritterschaft des Herzogth. Bremen in Pratje’s Herzogth. Bremen u. Verden III. 197 – 402, ingleichen: Joa. Nic. Goetze commentatio de origine, statu hodierno juribusque praecipuis ordinum provincialium ducatuum Bremens. et Verdensis. Goeting. 1795. 4. – Vom bremischen Adel insonderheit, s. Pratje Altes und Neues I. 241 fgg. II. 103 fgg. III. 1 fgg. IV. 151 fgg. V. 201 fgg. VII. 187 fgg. XI. 171 fgg.
  • 14) Weitere Nachricht von der Geschichte dieses Donationswesens s. in Pratje Herzogth. Bremen und Verd. V. 327 fgg.
S. 449 Sp. 1 BREMEN  
  Besetzung hörte mit dem J. 1679 auf. Karl XI. kam zur Ruhe, entsagte weislich allen Kriegen, und dachte nur daran, seinem durch die Kriege geschwächten Reiche eine festere und glücklichere Verfassung zu geben, woran denn jene Länder auch Theil nahmen.  
III-3 Neue Geschichte. Dritter Abschnitt. Die interimistische Dänische Periode (J. 1712 – 1715) und Großbritannisch-hannoversche Regierungszeit seit dem J. 1715. ⇧ Inhalt 
  Unter seinem Sohn und Nachfolger Karl XII. erfuhren diese Herzogthümer eine doppelte neue Veränderung der Landesherrschaft, zuerst die Dänische, und dann die Großbritannisch-hannoversche. Die Kriege, welche Karl XII. unaufhörlich in weit entlegenen Ländern führte, sein dadurch geschwächtes Reich, und Umstände, die in der Vorzeit ihren Grund hatten, veranlaßten den König Friedrich IV. in Dänemark, im J. 1712 am 31. Juli eine Armee von 11,000 Mann in 2 Kolonnen über die Elbe zu setzen, mit welcher er nach 5 Wochen Stade eroberte und dadurch Herr des Bremen- und Verdenschen wurde.♦  
  Doch überließ er sie im J. 1715 am 11. Juli dem mit ihm verbündeten Könige von Großbritannien als Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg gegen 6 Tonnen Goldes, worauf die wirkliche Cession am 15. Okt. desselben Jahres erfolgte. Nach Karls XII. Tode (1718) entsagte auch die Königin Ulrike Eleonore, welche die Nothwendigkeit erkannte, ihren Ländern Frieden und Ruhe wieder zu geben, ihren Ansprüchen auf diese Herzogthümer gegen Erlegung von 1 Million Thlr., und 90,000 Thlr. Schadloshaltungsgelder, über welchen letztern Punkt beide kontrahirende Theile sich im J. 1729 am 18. Aug. zu Hamburg verglichen. –♦  
  Zu diesen angeführten Summen, welche Hannover auf die Erwerbung der beiden Herzogthümer verwandt hat, kommen nach andre beträchtliche Summen, welche zur Einlösung verpfändeter Domänen erfordert wurden. Doch schlägt Scharf 15) das Ganze, was die Erwerbung jener Provinzen gekostet hat, mit 2½ Million Thlr. zu hoch an, indem er das Geld, welches von Zeit zu Zeit zum Ankauf von Privatgütern und Privatgerechtsamen im Lande, zu großen Deichsunkosten u. s. w. verausgabt ist, mit Unrecht zu demjenigen zählt, wofür diese Herzogthümer ursprünglich von Hanover erworben sind, wiewol diese Provinzen dem Könige sonst allerdings diese 2½ Millionen und wol noch ein mehres gekostet haben.  
  Unter königlich Großbritannisch-Hannoverscher Regirung genossen die Bremen- und Verdenschen Länder eine langjährige Ruhe, und der Wohlstand des Landes stieg insonderheit auch durch die im J. 1750 begonnene und immer fortdauernde Moorkultur, wovon schon die im J. 1790 in den Annalen der braunschweig-lüneburgischen Kurlande S. 704 fgg. gegebene Übersicht Erstaunen erregen muß. Nur der 7jährige Krieg führte vorübergehende Übel herbei. Der Lüneviller Friede (1802) arrondirte das kleine Gebiet der jetzigen freien Hansestadt Bremen, und entzog zur Erreichung dieses Zwecks dem Herzogthum Bremen die alte Metropolitankirche mit ihren Zubehörungen
 
 
  • 15) Annalen der braunschweig- lüneburgischen Kurlande 6ter Jahrgang S. 305 – 322.
 
S. 449 Sp. 2 BREMEN  
  und einigem angränzenden Gebiete. Gleich darauf äußerte der große französische Revolutionskrieg auch seine nachtheiligen Folgen auf die Bremen- und Verdenschen Provinzen, als Napoleon dort das Statsruder führte. Die Franzosen besetzten nebst den übrigen hannoverschen Ländern auch diese in den J. 1803 – 1806. Die damalige Überlassung derselben an Preußen dauerte nur bis zur Schlacht von Jena. Um dieselbe Zeit erfolgte die französische Wiederbesetzung.♦  
  Vieles vom Bremen- und Verdenschen wurde darauf den im J. 1810 errichteten ephemerischen Königreiche Westphalen zugetheilt, aber zum Theil bald wieder von demselben durch des damaligen französischen Machthabers Willen getrent und seinen Staten einverleibt, bis sie durch die neusten Ereignisse wiederum ihrem rechtmäßigen Landesherrn zufielen.
S. 449 Sp. 2 ⇩  
HIS-Data 5139-1-12-432-1: Allgemeine Encyclopädie: BREMEN, das Herzogthum B III HIS-Data Home
Stand: 9. März 2018 © Hans-Walter Pries