S. 286 (Forts.) |
|
⇦ S. 286: §. 4 |
|
§. 5. Was das Erste, nemlich, gesetz und ordnung
in religions- und glaubens-bekäntissen zu machen, anlanget: ob es
wohl sonsten an dem ist, daß eine höchste und weltliche obrigkeit
die äusserliche macht und zwang nimmet, gottesdienste im lande
anzuordnen, ausser dem sonst keiner gelitten werden dörffe, massen
solches die exempel geist- und weltlicher geschichte gnugsam am tag
geben, auch die unterthanen sich solchen falls der äusserlichen
anstalt nicht wegern, noch darwider setzen können, |
Scan 306 |
S. 287 |
Anderer Theil. Cap. 11. |
Scan 307 |
|
sondern bey vermeydung ungehorsams, und
weltlicher straffe, hierinnen ihre ober-herren müssen walten lassen,
ungeachtet sich dieselben zu einem falschen gottesdienst wenden,
jedoch daß darum die hertzen und gewissen der unterthanen nicht auch
schuldig sind, der verkehrten glaubens-bekäntniß anzuhangen, sondern
vielmehr die rechte religion zu behalten, und darüber, was ihnen
widerwärtiges begegnet, zu leiden. Denn man muß auf solche weise
GOtt mehr gehorchen, als den menschen. So hat es doch im römischen
reich diese besondere beschaffenheit, daß denen hohen
landes-obrigkeiten dißfalls gewisse schrancken oder ordnungen, durch die
reichs-satzungen, gesetzet sind, darinnen sie sich halten müssen.
Denn einmahl sind sie gehalten, keine andere, als die christliche
religion, ausser was etlicher orten, wegen der jüdischen synagogen,
gedultet wird, in ihren landen und gebieten zu verordnen, und üben
zu lassen, und zwar, weil leider! solche in vielen meynungen und
secten zerspalten, deren viel gar von dem fundament des christlichen
glaubens untereinander uneinig sind, so ordnet der oben angezogene
religions-friede, daß allein die zweyerley glaubens-bekänntnisse
einem landes-fürsten, in seinem gebiet anzuordnen, zukommen soll,
nemlich, die römische catholische, oder wie sie daselbst genennet
wird, alte religion, und die augspurgische confeßion. In dem letzten
frieden-schluß ist auch die dritte, welche von der ersten
augspurgischen confeßion, die man sonst lutherisch nennet, in
etlichen stücken unterschieden, und sonst die |
|
S. 288 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 308 |
|
Reformirte genennet wird, im römischen reich, und
dessen provincien, ausdrücklich zugelassen, und der deshalben
vorgewesene zweiffel, aufgehoben worden. (2.) Ist auch durch die
reichs-satzung, in vorerwehntem friedens-schluß , dieses ziel der
hohen obrigkeit gestecket, daß sie gleichwohl nicht, wie sie sonst,
auf ihre verantwortung, durch obrigkeitliche gewalt, thun könte, die
unterthanen, welche ein ander glaubens-bekäntniß haben, als
dasjenige, welchem der landes-herr zugethan ist, und er in seinem
lande verordnet hat, darum bloß hin verjagen, und an leib, ehre und
gut straffen dörffen, sondern dieselben auf gewisse maasse oder ziel
dulden, oder auch, wenn sie, nach ausweisung des frieden schlusses
im jahr 1624. eine andere religion in öffentlicher oder andern
gewissen übung gehabt, sie darbey allerdings bleiben lassen sollen,
wie solches mit mehrerm aus der verordnung des frieden-schlusses zu
lesen. * Da nun der landes-herr in dieser maasse und vorbehaltung,
welche die reichs-constitutionen geben, bleibet, so ist er befugt,
ordnungen und gesetze aufzurichten, welche religion in seinem lande
und fürstenthum allein geübet und gehalten werden soll, wie denn in
vielen fürstlichen kirchen- und landes ordnungen dergleichen gebote
und anordnungen zu finden, und betreffen solche satzungen die gantze
religion und glaubens bekäntniß, wie solches öffentlich im lande
gelehret werden soll: Darbey aber in acht zu nehmen, daß durch
solche ordnung keine neue religion gemacht, sondern allein
öffentlich zu verkündigen verfüget werde. Sintemaht es an deme ist,
daß |
|
S. 289 |
Anderer Theil. Cap. 11. |
Scan 309 |
|
eine weltliche obrigkeit, rechts und gewissens
wegen (denn was mit gewalt und aus irrigem wahn geschiehet, ist
darum bey GOtt nicht zu entschuldigen, sondern vielmehr zeitlich-
und ewiger straffe unterworffen) keine andere religion und
glaubens-lehre ordnen und gebieten kan, als welche dem wort Gottes gemäß ist,
welches denn in den glaubens articuln, die dem menschen zu seiner
seelen seligkeit unentbehrlich, so klar und helle, daß unvonnöthen,
deßwegen einen sonderbaren ausleger und gebietenden ober-herrn, der
nicht fehlen, und den rechten verstand männiglch eröffnen könte, in
der welt, in geist oder weltlichem stande, zu suchen: Sintemahl wir
keine verheissung haben, daß darzu eine oder viel personen von Gott
dem Herrn geordnet wären. Darum kan nun eine christliche obrigkeit
nichts gebieten, was Gott verbeut, noch verbieten, was Gottes wort
klärlich ordnet, vielweniger kan sie die form und art des
predig-amts, oder, des gebrauchs der Heil. Sacramenten anders, als sie in
Gottes wort beschrieben, anstellen, noch auch neue glaubens-articul,
die man bey verlust der seligkeit glauben müsse, aufrichten, und ob
sie gleich dieser und dergleichen satzungen sich thätlich anmassete,
so wäre doch niemand in seinem gewissen schuldig, solchem glauben
anzuhängen, sondern er müste solchen falls Gott gehorchen, und
darüber von einer verführischen obrigkeit ehe leiden und ausstehen,
was sie wolte, ehe er wider Gottes klares wort und das gewissen
glaubete und handelte. |
|
|
Wenn denn nach vorher gesetzten grunde die |
|
S. 290 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 310 |
|
rechte christl. religion zu glauben und zu
lehren, allein verordnet wird, dieselbe aber hauptsächlich ohne das
in H. Schrifft offenbahret, und in den confeßions büchern und
symbolischen schrifften der kirchen widerholet, dennoch aber von der
landes-fürstlichen obrigkeit, kirchen-ordnungen, agenden, und andere
geistliche ausschreiben hin und wieder ausgefertiget sind, und
männiglich vor augen liegen. |
|
|
* Von diesem intricaten reformations-werck der
reichs-stände ist in und nach dem Westphälischen frieden viel
gehandelt worden, und scheinet etwas schwer zu begreiffen, daß einem
fürsten krafft seines hohen regenten-amts das Jus reformandi
beygeleget, und ihme dennoch in der that benommen ist. Daher schrieb
ein gewisser gesandter aus Oßnabrug, als von derer reformirten
religions-freyheit und einrichtung des art. 7. J. P. gehandelt
wurde, nach Gotha: Es machte des von Einsidel entworffene formul
denen unterthanen das jus territoriale gemein etc. und wüsten die
Schwedischen legati selbst nicht, wie das werck anzugreiffen.
Gleichwie aber ein gantz souverainer potentat ie zuweilen in einem
friedens-schluß sich zu etwas verbindet, ohne daß dadurch seiner
souverainete etwas abgehe, also haben die Teutschen fürsten ohne
abbruch ihrer landes-hoheit dergleichen im Westphälischen frieden
thun können. Ob nun gleich gewiß, daß Sie zwar vor ihre personen
sich zu ein oder anderer religion begeben können, so mögen sie doch
ihrer unterthanen gewissen nicht beschweren, noch eine andere
religion ihnen aufdringen. Dieses glaube ich aber, daß es mit derer
unterthanen guten willen gantz wohl geschehen könne, wie auch
einiger massen aus gedachten 7. artic. und aus art. 5. §. 31.
abzunehmen. Ausser diesem aber können sie auch nicht einmahl mit
beschwerde der unterthanen und deren bißherigen reli- |
|
S. 291 |
Anderer Theil. Cap. 11. |
Scan 311 |
|
gions-übung, das exercitium der etwa neu
angenommenen religion anordnen, bevorab, wo durch besondere pacta
und reversales deßhalb vorsehung geschehen Ob nun wohl denen
regenten selbst die persönliche religions-änderung zugelassen. so
will man doch insgemein die ausnahme machen, daferne durch gedachte
reversales sie sich eines andern verbindlich gemacht: Worüber wir
doch lieber unsere meynung suspendiren, und den G. L.[1] zu des herrn
Hertii tractat de Super. territ. p. m. 217. fin. und in notis p. 223
fin. verweisen wollen. |
[1] |
|
|
S. 291: §. 6 ⇨ |