HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-34
Additiones > §. 34
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Daß tüchtige leute zu vacanten stellen in zeiten zuzuziehen
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    ⇦ S. 156: §. 33
S. 156 (Forts.) Beym §. 2. dieses 6. Cap.
  §. 34.
  JEmehr man befinden wird, wie wenig personen, denen allhier beschriebenen qualitäten nach, geschickt seyn, je mehr haben Potentaten in Teutschland zu gedencken, daß sie dem mangel vorkommen, und dergleichen nützliche und redliche leute vielmehr in bereitschafft haben, als, auf den
S. 157 Wie tüchtige Diener zu erlangen. §.34.
  fall der noth, mit grosser mühe und wagniß suchen mögen. Zu wünschen wäre es, man versparete es an andern ausgaben, und wendete bey zeiten an jedem Hofe etwas auf dergleichen personen, die in ihren jungen jahren die fähigkeit des verstandes, und bequemlichkeit der sitten, spüren und blicken lassen. Wormit ich aber nicht verstehe die stipendia, welche man jungen leuten, und zumal armer und schlechter unterthanen söhnen, oder doch ohne absehen auf die natürliche gaben, allein aus gnaden und auf recommendation, in geringen summen, der alten weise nach, zu reichen pfleget. Denn dieselbe werden gemeiniglich schlecht angeleget, oder reichen nirgend hin, dieweil zu qualification eines menschen nicht genug, daß er etwa auf einer universität ein jahr oder drey kümmerlich seine kost habe, und die langweiligen lectiones publicas hören, oder etwa ein paar privat-collegia, (wie man sie nennet) um etliche gülden des jahrs halten kan, sondern es gehöret mehr darzu, und zuvoraus gute bücher, welche viel kosten. So hilfft auch sehr viel ein access bey vornehmen leuten, der aber einem armseligen studenten nicht leicht wiederfähret; Dahero würden grosse Herren wohl thun, wenn sie junge (1.) von ehrlicher ankunfft, (2.) fürtrefflichem ingenio, (3.) in solchen jahren, da man sicherlich von ihrer fähigkeit schon judiciren kan, als ohngefehr im zwantzigsten jahr, und nechstfolgenden, (4.) mit reichlichem unterhalt, (5.) an gute wolbestellte örter, (6.) mit diensamer recommendation, (7.) unter aufsicht redlicher der orten be-
S. 158 Additiones zum II. T. C. 6. §. 2.
  findlicher männer, (8.) auch nicht ohne direction und anweisung, worinnen sie sich fürnemlich üben und qualificiren solten, (9.) eine ziemliche zeit von etlichen jahren unterhielten, (10.) hernach, da sie wieder zu lande kämen, zum angriff der geschäffte zögen, und sie in cantzeleyen und rathstuben, wenn es gleich anfangs absque voto, und mit nicht völliger, doch auskömmlicher, besoldung wäre, braucheten, damit es also ihnen auf den fall nicht ermangeln möchte, die erledigte stellen tüglich und glücklich zu ersetzen Die kosten solte man billich nicht scheuen, und kan einem Herrn nichts nützlichers, annehmlichers und reputirlichers seyn, als geschickte diener; Nichts nützlichers, alldieweil ungeschickte bediente mit einer faute auf einmahl so viel schaden thun können, als etlicher solcher personen unterhalt kostet; Nichts annehmlichers, dieweil doch, wo anders der Regent verstand und sinn hat, so wohl die conversation, als bedienung, von vernünfftigen oder bescheidenen leuten, unter die grössesten ergötzungen in der welt zu rechnen, hingegen nichts verdrießlichers, als ungeschickte und thörichte leute, zumahl in ehren-ämtern, und da es ernstlich zugehen soll, zu hören und zu dulden; Und denn auch endlich nichts reputirlichers, dieweil nach beschaffenheit der diener, auch pfleger von einem Herrn judiciret zu werden, oder kan doch, wo es etwa an guten gaben dem Herrn fehlet, durch der diener geschicklichkeit dessen reputation salviret werden. In summa, gleichwie einem cavallier und kriegsmann weit mehr an einem
S. 159 Wie tüchtige Diener zu erlangen. §.34.
  [1]guten pferde und gewehr, als an einem gebrämten bock, oder feder auf dem hut, einem gelehrten mehr an büchern, als an einem sammeten mantel, gelegen ist: Also ist einem löblichen und verständigen Regenten gewiß auch mehr an tauglichen und redlichen räthen und dienern in cantzeleyen und rath-stuben, als an einer kostbaren hof-kleidung, guten wein, niedlichen speisen, unnöthigen train, und dergleichen, gelegen.* ⇩ [1]
  * Es möchte zwar mancher davor halten, wird auch wohl von denen in studiis nicht erfahrnen hoffleuten manchen Regenten heimlich eingeblasen, daß solche kosten auf gelehrte leute zu wenden nicht nöthig, weil deren in grossen überfluß in Teutschland vorhanden; Allein ein anders ist wahrhafftig gelehrt und mit geschicklichkeit begabet, ein anders hinwieder, dem nahmen nach ein gelehrter oder vielmehr halb-gelehrt seyn; Und wird man finden, daß die erstere gattung gar sehr dünne gesäet sey. Welches denn eben daher rühret, daß in Teutschland alles ohne unterschied der fähigkeit und offt sonder hinlängliche mittel studiren will. Daraus entstehet denn die letztere gattung der halb-gelehrten, welche hier und dar etwas erschnappet haben, und weit untauglicher als die, so gar nicht studiret, aber mit einem guten verstand von natur begabet, zu halten sind. Wolte man, statt anderer offt unnöthiger ausgaben nur jährlich etliche 100. auf tüchtige subjecta wenden, würde sich der nutzen vor die republic in wenig jahren zeigen.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] Seite in BSB nicht vollständig gescannt. Fehlstellen wurden aus der Ausgabe 1754 der ULB Sachsen-Anhalt ergänzt.
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Stand: 28. August 2017 © Hans-Walter Pries