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Adel II. (rechtlich). In bürgerlicher Beziehung
ist der Adel die Eigenschaft, vermöge welcher blos wegen seines
Standes ein Staatsbürger gesetzlich gegründete Vorrechte vor andern
Staatsbürgern genießt; er wird Erb- oder Geburtsadel dann genannt,
wenn der adeligen Person das Recht, die Standeseigenschaft mit allen
Vorrechten auf die Nachkommen zu vererben, zusteht, was jedoch nicht
nothwendig zum Adel gehört, da sonst der in einigen neueren Staaten
gebildete Adel gar nicht diesen Namen verdiente. ♦ |
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Adel als Stand betrachtet, hat A) auf das
öffentliche Recht in so fern eine Beziehung, als er 1) in der
Monarchie als der höchste bevorzugte Stand erscheint, den Glanz der
Fürstenwürde erhöht, und im unmittelbaren Verhältnisse zum Regenten
steht; als er 2) häufig in eine eigene Kaste sich bildet, welche
zwischen Regenten und Volk sich stellt, und mit allen Nachtheilen,
welche entarteter Kastengeist nach sich zieht, den gefährlichsten
Aristokratismus herbei führt; 3) in so fern seine Vorrechte dem Adel
Macht geben, und Einfluß sichern, welcher, wenn er auch nicht
gesetzlich ausgesprochen ist, durch die That, durch besondern
Vorbehalt von Hof- oder Militärstellen für Adelige, und so durch
Zurücksetzung aller Nichtadeligen sich bewährt. 4) Wichtig sind hier
auch gewisse einträgliche Vorrechte des Adels, z. B. Steuerfreiheit,
oder doch leichtere Behandlung des Adels, wodurch die Lasten auf die
übrigen Nichtadeligen zum großen Nachtheile derselben gewälzt
werden. 5) Vorzügliche Beziehung haben jene Vorrechte, welche dem
Adel einen gesetzlichen Einfluß auf die Staatsverwaltung sichern.
Dahin ist vorzüglich die Landtagsfähigkeit des Adels zu rechnen, ein
Recht, welches in manchen Ländern persönliches, in andern Real-
Vorrecht ist 1). Eine besondere staatsrechtliche Beziehung
hatte,
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- 1) S. Art. Landstände, Rehberg über den
teutschen Adel Kap. III. Weber über Rittergüter §. 24. 41.
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ADEL |
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so lange der teutsche Reichsverband nicht
aufgelöst war, ein Theil des Adels, der unmittelbare Reichsadel,
welcher als mitconstituirender Stand des teutschen Reichs erschien,
und selbst Herrscherrechte genoß 2). Durch Auflösung des teutschen
Reichs bildete sich aus den zuerst regirenden, durch die Bundesacte
aber einem Souverain unterworfenen Fürsten und Grafen die Classe der
Standesherren (s. Standesherr, Reichsritterschaft). - Eine neue,
frühere Rechte wieder herstellende Verfassung erwartet der
unmittelbare Reichsadel von dem teutschen Bunde 3). -♦ |
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B) In privatrechtlicher Hinsicht erscheint der
Adelsstand 1) als ein Grund von Vorrechten, welche den Adeligen als
solchen in Bezug auf Privatrechte zustehen; 2) er erzeugt neue, nur
dem Adel angehörige, Rechtsverhältnisse, und bringt 3) durch den
Wunsch, die Familie glänzend und blühend zu erhalten, Veränderungen
in den übrigen Rechtsverhältnissen hervor. Wichtigen Einfluß auf die
Bildung der Adelsverhältnisse haben in den letzten Jahrzehnten
besonders zwei Ereignisse geäußert: I) die Auflösung des teutschen
Reichs, II) die französische Revolution. |
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I) So lange das teutsche Reich bestand, war der
Adel auch in einer besondern Beziehung zum Kaiser und Reich, während
nach Auflösung des Reiches der Adel eine provinzielle Beschränktheit
erhalten hat, immer nur in einem einzelnen Staat und in Bezug auf
diesen betrachtet werden muß. Die Verleihung des Adels ist Recht
eines jeden Souverains, wird auf einer Seite dadurch ein Act der
Willkür, und so oft von nicht achtungswürdigen Verdiensten um den
Fürsten allein abhängig, während auf der andern Seite nach
besonderen Verfassungen 4) die Verleihung an Bedingungen z. B.
Verdienste, und hinlängliches schuldenfreies Vermögen geknüpft wird.
Bei der Eintheilung des Adels ist die ältere Ansicht, nach welcher
alle Fürsten, Grafen und Dynasten, welche Land und Leute regiren,
und Sitz und Stimme auf Reichstagen haben, zum hohen Adel gehören,
nicht mehr brauchbar, da die jetzt noch als Souveraine regirenden
Fürsten nicht einem gewissen Stande der Staatsbürger, und daher auch
nicht dem Adel angehören können. |
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II) Eine bedeutende Umgestaltung litt der Adel
durch die französische Revolution. Indem man sich gewöhnte,
Geistlichkeit und Adel als die Stände anzuklagen, welche die Gräuel
der Revolution veranlaßten, versuchte man auch den Adel als ein die
rechtliche Gleichheit der Staatsbürger störendes Verhältniß
darzustellen, und drang auf Abschaffung oder Beschränkung der
Adelsvorrechte; darauf beziehen sich die von 1790 bis jetzt für oder
gegen den Adel erschienenen Schriften 5). Man vergaß bei diesem
Hasse gegen den Adel, daß die Geschichte aller Völker Beispiele der
Ungleichheit der Stände aufzeigt, daß erst durch Ungleichheiten eine
wohlthätige Wechselwirkung und
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- 2) Pütter histor. Entw. der Staatsverf. des
teutsch. Reichs. I. Theil S. 268. Gönner Staatsrecht. §. 58.
- 3) s.
seine Foderungen in der Schrift: Ansicht über die künftigen
staatsrechtl. Verhältnisse des unmittelbaren Reichsadels in
Teutschland. 1814.
- 4) s. baierisches Edict über die Verhältnisse
des Adels von 1808.
- 5) s. Ersch Literatur der Jurisprudenz und
Politik No. 1047-1056 und (v. Gagern) Resultate der
Sittengeschichte. II. Theil. Die Fürnehmen, oder Aristokratie. Wien.
1812.
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ADEL |
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Reibung entstehe, daß jeder Adel auf Verdienste
seiner Idee nach zurückweise (insignem nobilitatem aut patrum merita
principis dignationem etiam adolescentulis assignant — Tacitus, fast
wörtlich nach Aristoteles: der Adel soll nichts anders seyn, als die
in einer Familie durch mehrere Geschlechter fortgeerbte Tugend, mit
eben so erblichem Reichthum verbunden); daß Erbreichthum, den nur
ein müßiger Pöbel zerstören könnte, doch wol nicht schlimmer sey,
als Erbrang, und daß das, was man als Gleichheit aller Stände
verlangt, wol nichts anderes werde, als Gleichheit der Sklaverei. —-
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Die einmal gereizte Stimmung gegen den Adel
bewirkte wenigstens, daß in den teutschen Staaten manche
Veränderungen vorgingen; die alten Adelsvorrechte, deren Genuß
Ungerechtigkeit gegen die übrigen Stände war, z. B. Steuerfreiheit,
wurden dem Adel entzogen, oder doch sehr beschränkt; vorzüglich
suchten neuere Gesetze die ältere Gebundenheit der Güter durch
Familienfideicommisse aus staatswirthschaftlichen Gründen
aufzuheben, sogleich man wieder, angeblich um den Glanz des Adels
durch Reichthum zu erheben, nach dem Muster des französischen
Adelsinstituts 6) sogenannte Majorate einführte (s. Art. Majorat).
In einigen Ländern brachte man auch mit den neugestifteten
militärischen und Civilorden die Einrichtung in Verbindung 7), daß
die mit solchen Orden decorirten Personen zur Führung eines adeligen
Prädicats und Wappens für ihre Person und zur Fortvererbung des
adeligen Titels berechtigt seyen, und zwar so, daß der adelige Titel
nur auf einen ehelichen oder adoptirten Sohn vererbt werden darf,
wenn ein zur anständigen Führung des Adels genügendes eigenes
Vermögen nachgewiesen werden kann. Dieser neue Adel (Verdienstadel
genannt) ist treflich in den Göttinger Anzeigen 1814. St. 6.
gewürdigt. — ♦ |
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Noch verlor der alte Adel, welcher durch das
Verbot der Mißheirathen sich bisher rein erhalten und von allen
übrigen Ständen abgesondert hatte, durch die von ungünstigen
Umständen herbeigeführte Sitte der ehelichen Verbindung mit
Nichtadeligen, so wie durch die Armuth, in welche der Adel verfiel,
indem der Aufwand nicht mehr im Verhältnisse stand mit den
Einkünften, wo Kriege, neue Besteuerung, Aufhebung der
Fideicommisse, und der alten adeligen Stifter die Lasten vermehrten,
Einkünfte raubten, und die oft große Schuldenlast zur öffentlichen
Kentniß brachten, dem Adel häufig seinen Glanz und seine Achtung
raubte. Unter solchen Umständen wurde das ältere Adelsverhältniß
bedeutend verändert, der rechtliche Zustand desselben in den
verschiedenen Ländern, ist nicht gleichförmig; er hängt ab von dem
Einflusse, welchen die französische Herrschaft unmittelbar oder
mittelbar auf teutsche Staaten geäußert hat, von Parteien, welche
auf die Gesetzgebung einwirken können, und. selbst von den
finanziellen Verhältnissen des Adels 8).
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- 6) s. Statuten vom 1. März 1808; europ.
Annalen 1808. Stück 5. No. 4. A. Keil Statuten und Verordnungen über
den Adel in Frankreich, und die Majoratsgüter. Cöln 1810. —
- 7) s.
baier. Edict vom 22. Dec. 1812. Regirungsblatt 1813. K. Hanöv.
Verord. vom 29. Dec. 1845. 12. August 1816. —
- 8) Über den Zustand
des Adels vor der Auflösung des teutschen Reichs s. die bekannten
Schriften von Struben, Riccius, Scheidt, auch bei Runde Grunds. des
gem. teutsch. Privatrechts.{1} §. 337—422. v. Schlieffens
Nachrichten von einigen Häusern des Geschlechts der von Schlieffen.
Cassel 1784. H W. Lawätz Bibliographie interessanter und gemeinnütz.
Kenntnisse. Halle 1793 I Theil. 1 Bd. S. 131. unter dem Worte: Adel.
Allgemeines Adelsarchiv der östreich. Monarchie. Wien 1789.
Schraders Lehrbuch der Holstein. Rechte. II. Bd. S. 131. v. Kampz
Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung. II. Bd. S. 320. Curtius
Handbuch des in Chursachsen geltenden Civilrechts. I. Bd. S. 221.
Preuß. Landrecht. II. Thl. Titel IX. Über neuere Verhältnisse des
Adels s. C. Fr. Suntinger Untersuchungen über die Verhältnisse des
privilegirten Erbadels zu den Staatsinteressen in dem Staatengebilde
Europa’s. Wien 1812. Baier. Edicte über die Verhältnisse des Adels
von 1808 u. f. Badische Grundverfassung der verschiedenen Stände vom
4. Juni 1808, besonders No. 21 und 22. Würtemberg. Adelsstatut als
Entwurf - Beilage II. zum Entwurfe der Verfassung für das Königr.
Würtemberg vom Könige der Ständeversammlung mitgetheilt.
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{1} Anm. 8 ergänzt von S. 390 |
S. 390 Sp. 1 |
ADEL |
⇧ Inhalt |
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Über die besondern Rechtsverhältnisse des Adels
bemerken wir{1} folgendes: |
{1} korrigiert aus: mir |
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I. Bei den Eintheilungen des Adels mag 1) an der
Stelle der ältern nicht anwendbaren Eintheilung in hohen und
niederen Adel besser jetzt von Rangclassen des Adels gesprochen
werden; in die erste Classe gehören dann die mediatisirten Fürsten
und Grafen; andere Classen werden von den entweder mit dem Titel:
Grafen, Freiherren, Ritter, Edle von, ausgezeichneten Adeligen
gebildet. 2) Dagegen kann die Eintheilung in alten und neuen Adel
nicht entbehrt werden, wobei alter Adel derjenige ist, welcher auf
eine gewisse Reihe adeliger Vorfahren sich stützt, deren Zahl zu
bestimmten Vorrechten qualifizirt. 3) Auch dje Eintheilung in Ur-
oder Geburts- und Briefadel kann beibehalten werden, letzterer ist
der von einem Landesherrn einem Nichtadeligen durch einen
Gnadenbrief verliehene Adel (s. Art. Briefadel.) |
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II. Die Vererbung bei dem teutschen
Geschlechtsadel war und ist meistens unbeschränkt, im Gegensatze des
engländischen Adels 9), erlaubt auf alle Nachkommen, welche durch
Männer, durch Ehe zur rechten Hand, von Adeligen abstammen; wobei
aber in mehreren teutschen Staaten durch Legitimation und Adoption
nicht nachgeholfen werden kann 10), obgleich einige Staaten die
Transmission durch Adoption, doch mit landesherrlicher Genehmigung
11), andere unbedingt 12) zulassen, während bei dem neuen
Verdienstadel die Transmission beschränkt ist, gar nicht auf
Töchter, und auch nur auf einen vom adeligen besonders zu
benennenden Sohn geht. |
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III. Persönliche, dem Adel überhaupt ohne
Rücksicht auf alten oder neuen Adel zustehende Vorrechte sind 1) das
Recht auf besondere Auszeichnungen durch Titel, z. B.
Hochwohlgeboren, und andere gewöhnlich durch Hofordnungen bestimmte
Auszeichnungen 13). 2) das Recht, besondere adelige Wappen zu
führen (s. Art. Wappen). 3) Anspruch auf die mit dem
Kirchenpatronate verbundenen Ehrenrechte, Kirchengebet etc. 14).
4) Vorzugsweiser Anspruch auf Pfründen, zu deren Erwerbung nicht
besonders alter Adel gehört. 5) Freiheit
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- 9) s. Schmalz Staatsverfassung von
Großbrittanien. S. 30-42.
- 10) Runde teutsches Privatrecht S. 369.
370.
- 11) Preuß. Landrecht, II. Thl. Tit. II. §. 684.
- 12) Baier.
Adelsedict Kap. II. §. 6.
- 13) Römer Staatsrecht i. Sachsen. Thl.
III. S. 138.
- 14) Preuß. Landrecht. II. Thl. Tit. IX. §. 43.
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Sp. 2 |
ADEL |
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von kleinern Abgaben, z. B. Accise. 6)
Befreiungen von mehreren die übrigen Bürger bindenden Anordnungen,
z. B. das Recht, bei Verheirathungen das Aufgebot zu unterlassen,
Recht der Haustrauung, der Haustaufe etc. 15). |
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IV. Zu den Vorrechten des alten Adels gehört 1)
Stiftsfähigkeit als das Recht, in gewisse Domcapitel und andere
Stifter aufgenommen zu werden, wenn nach den Statuten des Stifts der
Candidat eine gewisse Anzahl von Ahnen haben muß (s. Ahnenprobe und
Domstifter). 2) Vorrecht der Aufnahme in gewisse Orden, deren
Statute altadelige Glieder fodern 16) (s. Orden}. 3) Vorrecht,
besondere, meistens Hofämter, zu erlangen, deren Besitzer gewisse
Ahnenzahl haben müssen, z. B. Kammerherrenstellen. |
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V. Noch besitzt der Adel andere wichtige
dingliche Rechte, welche mit dem Besitz eines adeligen oder
Ritterguts verbunden sind. Bei dieser Bestimmung des Begriffs eines
adeligen Guts entscheidet nicht die Qualität des Besitzers, auch
nicht die Ausübung einzelner gewöhnlich mit dem Besitze von
Rittergütern verbundener Rechte; als adeliges Gut gilt vielmehr in
den meisten teutschen Staaten nur dasjenige, welches ursprünglich
einer Person von Adel verliehen worden ist, und in den
Adelskatastern oder Matrikeln als adeliges Gut eingetragen ist
17), daher auch sehr oft ein gewisses Normaljahr am besten
entscheidet (s. Art. Rittergut). ♦ |
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Vorrechte dieser adeligen Güter waren: 1) einst
die Steuerfreiheit des Besitzers, daraus erklärbar, weil die
Steuerpflicht auf dem Grundunterthanennexus ruhte, die Adeligen
ohnehin im Feld als Ritter dienten, und später als die
einflußreichsten Landstände bei der Steuerverwilligung für sich
sorgten. Dies Vorrecht ist zwar, weil es die Last auf die übrigen
Unterthanen wälzt, in den meisten teutschen Staaten durch neuere
Constitutionen beschrankt 18), und zwar so, daß die
Rittergutsbesitzer gewöhnlich eigene, auch besonders benannte
Steuern, z. B. Ritterpferdgeld, Dominikalsteuern etc. bezahlen (s.
Art. Steuern und Steuerfreiheit). ♦ |
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2) Häufig erhielten die Rittergutsbesitzer auch
besondere Befreiung von Einquartierung, weil die Adeligen ohnehin in
älteren Zeiten als Ritter Kriegsdienste thaten, und in dieser
Hinsicht ihre Wohnung Kriegslasten genug trug. Die Bildung stehender
Heere veränderte schon Manches in diesem Vorrecht, obwol meistens
noch die Adeligen die Bestätigung des Privilegiums zu erhalten
wußten 19). Erst in neuerer Zeit wurde aus Gründen, welche die
Beschränkung der Steuerfreiheit herbeiführten, dies Vorrecht theils
ganz aufgehoben, theils sehr eingeschränkt, um so mehr als die
Kriege auf eine drückende Weise sich vermehrten, und eine neue
Ansicht von der Einquartierung, als einer allgemeinen Kriegslast,
keine Befreiungen Einzelner rechtfertigte (s. Art. Einquartierung).
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3) Andere, gewöhnlich in neuern Zeiten aus oben
angeführten Gründen sehr beschränkte,
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- 15) Curtius sächsisch. Civilrecht. I. Thl.
224-27. -
- 16) Fr. Gottschalk Almanach der Ritterorden mit
Abbildungen. Leipz. 1817.
- 17) Stengel und Eisenberg Beitr. Zur
Kenntniß und Justizverfass. in den preuß. Staaten. VIII. Bd. S. 35.
- 18) Baier. Constitution. Tit. I. §. 5.
- 19) s. Hagemanns Landwirthschaftsrecht. S. 326. Curtius sächsisch. Civilrecht. I. Bd. S. 237.
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S. 391 Sp. 1 |
ADEL |
⇧ Inhalt |
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Vorrechte enthalten Befreiungen von kleineren,
die übrigen Unterthanen treffenden Lasten, z. B. Landfolgen,
Lieferungen in Magazine, Kriegsfuhren u. s. w. ♦ |
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4) Dagegen gewährt der Besitz des Ritterguts noch
in einigen Ländern vorzugsweisen Anspruch auf gewisse adelige
Stellen, z. B. der Kreishauptleute 20). ♦ |
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5) Das dem Besitzer solcher Güter zugesicherte
Recht der Landtagsfähigkeit oder das vorzugsweise Stimmrecht gehört
in das öffentliche Recht (s. Art. Landstände). ♦ |
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6) Meistens haben die Adeligen in den teutschen
Staaten gewisse Realgerechtigkeiten mit dem Besitze von Rittergütern
zu erwerben gewußt, als die Forst- Jagd- Braugerechtigkeit etc.;
diese sind aber nicht sowol als wesentliche mit dem Besitz eines
jeden Ritterguts verbundene Vorrechte, sondern vielmehr als zufällig
von Adeligen erworbene, und auf ihre Güter übertragene
Gerechtigkeiten zu betrachten. Zugleich ist bei allen Vorrechten der
Rittergüter immer auf ihre besondere Rechte verändernde Eigenschaft
der Amts- und Schriftsässigkeit Rücksicht zu. nehmen (s. Art. Amts-
u. Schriftsässigkeit). |
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VI. Mehrere dem Adel eigenthümliche
Rechtsverhältnisse erklären sich aus dem durch Gesetze selbst
begünstigten Streben, 1) den Adel als Stand abgeschlossen und rein
zu erhalten; 2) jeder adeligen Familie durch Verhinderung, daß das
Vermögen nicht der Familie entzogen werde, ihren Glanz und ihre
Blüthe zu sichern. |
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A) Aus diesen Rücksichten erklären sich die in
mehrern Staaten gesetzlich verliehenen Privilegien, nach welchen die
als adelige anerkannten Güter gar nicht an bürgerliche Personen
kommen konnten; diese Bestimmung ist in einigen Staaten ganz
aufgehoben, in anderen früher dahin verändert worden, daß nur
Bauern, wenn sie nicht eine andere Lebensart wählen, vom Besitz
ausgeschlossen sind, z. B. in Sachsen 21); nach anderen
Landesgesetzen aber, z. B. den preußischen 22), kann nur durch
besondere Erlaubniß des Landesherrn das adelige Gut an Bürgerliche
kommen. |
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B) Auf ähnliche Art hatte besonders der
landsässige Adel, z. B. in Altenburg, Baiern etc. das Einstandsrecht
erworben, so daß der Adel dies Recht in Ansehung der im Lande
liegenden adeligen Güter im Fall ihrer Veräußerung ausüben konnte
23) (s. Art. Einstandsrecht). Auch dies Recht ist in neuerer Zeit
dem Adel, z. B. in Baiern, durch die Aufhebung der Edelmannsfreiheit
vom 20. April 1808 entzogen worden. |
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C) So hatte auch der Adel überall das in Baden
24) mit dem Namen: Stammgutsrecht belegte Recht, seine
Verlassenschaft zum Vortheile der Nachkommenschaft und zum Glanze
der Familie mit Untheilbarkeit und Unveräußerlichkeit zu belegen,
woraus sogenannte Familienfideicommisse entstanden (s. Art.
Familienfideicommiß), an deren Stelle, wie bereits bemerkt ist, hin
und wieder Majorate getreten sind (s. Art. Majorat).
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- 20) Curtius sächsisches Civilrecht. I. Band.
S. 243. -
- 21) Ebendas. I. Bd. S. 229.
- 22) Preußisches Landrecht.
II. Thl. Tit. IX. §. 51 etc.
- 23) Walch das Näherrecht. S. 451-456.
- 24) Grundverfassung der verschiedenen Stände vom 4ten Juni
1808.
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Sp. 2 |
ADEL |
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D) Dies oben bezeichnete Streben wirkte auch auf
die Erbfolge, bei welcher besonders der Zerstückelung und Trennung
der Güter vorgebeugt werden mußte, daher auch der Adel eigene die
Theilbarkeit vermeidende Erbfolgeordnungen, als Seniorat, Majorat,
Primogenitur, Minorat (s. diese Artikel), einführte, und |
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E) durch besondere Anordnungen zu vermeiden
suchte, daß durch weibliche Erben das Vermögen nicht der Familie,
und den den Glanz und Namen derselben erhaltenden männlichen
Nachkommen entzogen würde, daher der Adel früh darauf bedacht war,
das weibliche Geschlecht zurück zu setzen, und durch die entweder
bei jeder Familie ausdrücklich auszustellende, oder gesetzlich
präsumirte Verzichte der adeligen Töchter die Erbfähigkeit derselben
zu beschränken (s. Art. Fräuleinverzichte), mit welcher Anordnung im
Falle des Aussterbens des Mannsstamms die viel bestrittene Lehre von
der Regredienterbschaft in Verbindung steht (s. Art.
Regredienterbschaft). |
(Mittermaier). |
S. 391 Sp. 2 ⇩ |
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⇧ Inhalt |