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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-13-364-3
Erste Section > Dreizehnter Theil
Werk Bearb. ⇧ 13. Th.
Artikel: BÜRGER - Bürgerrecht (christliches)
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum S. 370 : 364
Siehe auch: HIS-Data Bue
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
Inhalt:
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Bürgerschule ⇨

   
Forts. S. 364 Sp. 1 BÜRGER *), hat im teutschen Rechte verschiedene Bedeutungen. Die ursprüngliche ist die eines Mitglieds
 
 
  • *) Vgl. den Art. Statsbürger.
 
S. 364 Sp. 2 BÜRGER  
  einer Stadtgemeinde, obwol schon viel früher als Bürger in Urkunden vorkommen, burgenses angeführt werden 1), wo noch keine Städteverfassung bestand. Als sich Städte ausbildeten wird das Wort: Bürger, insbesondere vor der Zeit, ehe es den Zünften gelang, die Aufnahmsfähigkeit in den Rath durchzusetzen, von dem vollberechtigten Mitgliede der Stadtgemeinde gebraucht 2), daher häufig die aus rathsfähigen Geschlechtern stammenden Bürger hießen, während die übrigen Handwerker genant wurden 3).♦  
  Auch nach der Zeit, als schon Handwerker zunftfähig waren, kommen noch engere Bedeutungen von Bürger vor; daher unterschied man an einigen Orten Bürger, als die Hauseigenthümer, von den Handwerkern, und gestattete den ersten den freien Handel, während die zweiten nur mit ihren Fabrikaten und dem zu ihrem Handwerk Gehörigen handeln durften 4).♦  
  Noch enger wurde der Begriff Bürger, durch die Gegensätze: Schutzverwandte, Beisitzer, Beisasse, auch Einwohner 5).♦  
  In den älteren Zeiten, in welchen die Städte als die bevorrechteten Aufenthaltsorte galten, zur Aufnahme aber gewisse Bedingungen foderten, welche nicht jeder leicht erfüllen konnte, z. B. bestimmte Abstammung, Freiheit, Vermögen u. A., wurde es für einige Personen, welche allen Erfodernissen des vollen Bürgerrechts nicht genügen konnte, wichtig, wenigstens einige Rechte des Aufenthalts und den städtischen Schutz zu genießen; und selbst noch später als z. B. Religionseigenschaft bei demjenigen, welcher Bürger werden wollte, in Betrachtung kam, erhielt ein beschränkter städtischer Schutz eine Bedeutung; alle solche Schutzverwandte galten nur als unvollkommene Bürger 6), daher der Begriff Bürger im engeren Sinne für das vollberechtigte Mitglied der Stadtgemeinde übrigte.♦  
  Auch dadurch, daß gewisse Vorrechte z. B. Besitz liegender Güter, Ausübung gewisser Gewerbe, nur von Bürgern in Städten ausgeübt werden konnten, entstand eine neue Veranlassung, daß Personen, die nach ihrem Stande die Aufnahme in die Stadt nicht bedurft hätten, die Erwerbung des Bürgerrechts nachsuchten 7), z. B. Adelige und Klöster. So kamen im Mittelalter verschiedene Arten von Bürgern vor; insbesondere♦  
  a) Pfahlbürger 8), wohin alle gehörten, welche, weil ihnen die Requisite des vollen Bürgerrechts fehlten, außer den Pfählen der Stadt wohnten, um nur einige städtische Vortheile zu genießen, obwol der Ausdruck später oft diejenigen bezeichnete, welche ihr Bürgerrecht zum Nachtheile der Landesherrschaft misbrauchten.♦  
  b) Ausbürger 9), wohin diejenigen gerechnet wurden, welche, ohne ihre angebornen Standesver-
 
 
  • 1) Miraei opera, t. p. 291. Dreyer Einl. in die lübischen Verordn. S. 84.
  • 2) Eichhorn in der Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft II.Thl. S. 169. und Mittermaiers Grunds. des gemeinen teutschen Privatr. S. 90. §. 67.
  • 3) Mehre Urk. v. K. Ludwig v. 1340. in Senkenberg Corp. jur. german. T. I. P. 2. p. 5.
  • 4) Rauch. rerum austriac. III. p. 53. Kurz Östreichs Handel in älterer Zeit, S. 111.
  • 5) Eisenhart Anl. zum Stadt- und Bürgerrecht S. 228.
  • 6) Badische Grundverfassung §. 10.
  • 7) Bodmann in Siebenkees Magazin für teutsches R. 1. Thl. Nr. I.
  • 8) Goldne Bulle Tit. 16. Olenschlager Erläuterung S. 316. Reichsabschied v. 1529. §. 10. v. 1555. §. 83. Wenker Comm. de Pfalburgeria. Arg. 1692, Orth Anm. zur frankfurt. Ref. IV. Thl. S.173.
  • 9) Wenker collect. jur. public. p. 229.
 
S. 365 Sp. 1 BÜRGER ⇧ Inhalt 
  hältnisse oder ihren bürgerlichen Wohnort aufzugeben, das Bürgerrecht sich ertheilen ließen, um einige Vorrechte ausüben zu können, zu welchen Eintragung ins Bürgerbuch gehörte, z. B. Gewerbe auszuüben. Die in manchen Städten vorkommenden Frohn-, Frei- oder Kellerhöfe, welche Klöstern oder Adeligen gehörten, sind Überbleibsel dieses Ausbürgerrechts.—♦  
  Der Name: Gras10) oder Feldbürger bezog sich auf die Personen, welche in den Dörfern wohnten, die zu dem städtischen Territorium gehörten. Glevenbürger 11) (abgeleitet von gleve, d. h.Lanze, Spieß) hießen Personen, welche das Bürgerrecht unter der Verbindlichkeit erhielten, im Nothfalle Ritterdienste der Stadt zu leisten.—♦  
  Als allmälig die Landesgemeinde sich erweiterte, und alle Glieder derselben nach gewissen gleichförmigen Gesetzen beurtheilt wurden, erhielt der Ausdruck: Bürger, oft den Sinn, welchen das Wort Unterthan hat, so daß vom Gattungsworte Bürger als Arten Statsbürger und Ortsbürger getrent werden können, und im engeren Sinne bezeichnet Bürger nur den letzten, insofern jemand als berechtigtes und verpflichtetes Mitglied einer Stadt- oder Marktfleckengemeinde betrachtet werden kann.♦  
  Die Realität des Begriffs: Bürger 12) hängt hier von den Schicksalen der Städteverfassung in einem Lande ab. Da, wo jedermann im State überall Gewerbe frei treiben darf, wenn er nur eine gewisse Steuer bezahlt, da wo die Stadt keiner Vorrechte mehr im Gegensatze anderer Landesgemeinden sich erfreut, verschwindet die Bedeutung von Bürger, weil kein Gegensatz vorkomt, daher auch in manchen Ländern, zum Beispiel in den ehemals französischen Rheinprovinzen, der Bauer ebensowol sich Bürger nent.
   
Bürgerbrief Bürgerbrief (seerechtlich), ist die Urkunde, welche darthut, daß Jemand in einer Stadt oder Gegend das Bürgerrecht erworben hat. Auf dem Lande wird diese Urkunde nur um sich zur Zeugenschaft, oder bei andern solchen außerordentlichen Gelegenheiten zu legitimiren, gebraucht, zur See aber dient sie zu dem Behuf, wie der persönliche Paß bei Landreisen, um Schiffsführer zu legitimiren. Insofern die Nationalität des Schiffers aus den von der Behörde attestirten Schiffspapieren constirt, ist dieses Papier, welches nordische Gesetze auf der See erheischen, auf der See überflüssig. Es wird aber dennoch auf dänischen Schiffen erfodert, deren Gesetze ohnehin jetzt fodern, daß jeder Schiffsführer (um besser Controle über sie gegen die Scheinbürgerei führen zu können, und städtische Gewerbe den Städten zuzuwenden), in einer Stadt Bürger seyn muß. Die jetzige Einrichtung der Bürgerbriefe sichert aber nicht die Identität. In Kriegszeiten fahren vorzüglich holländische Schiffe oft auf fremde Namen und fremde Papiere, weshalb die Errichtung wie bei Pässen getroffen werden sollte, daß der Inhaber seine Namensunterschrift unter den Bürgerbrief setzen müßte. In Nordamerika dient die sogenannte Pro-
⇧ Inhalt 
 
  • 10) Trotz jus agrar. belg. I. p. 278.
  • 11) Wenker de Glevenburg. Arg. 1698. Grupen obs. rer. et antiq. p. 355. Hüllmann v. Ursprung der Stände, III. Thl. S. 107. Stenzel Kriegsgeschichte S. 158.
  • 12) Badische Grundverfassung §. 10.
 
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  tection, eine obrigkeitliche Bescheinigung, daß Jemand das nordamerikanische Bürgerrecht hat, statt des Bürgerbriefes, ist aber der Erschleichung von Scheinbürgern häufiger ausgesetzt als in Europa.♦  
  Der Bürgerbrief gibt die Befugniß der Ausübung aller bürgerlichen Rechte, nur können solche Kapitäne, welche aus kriegführenden Ländern sind, während eines Krieges in neutralen Staten keine Schiffsführung erlangen, und ihre Tractaten mit den Barbaresken legen die Pflicht auf, keinem Bürger Algiersche Pässe zu geben, der nicht schon 3 Jahr in dem Besitz des Bürgerrechts gewesen ist. Gegen die Erschleichung der Bürgerbriefe durch Scheinbürger würde am besten die Erfoderniß schützen, mit Weib und Kindern und Vermögen einwandern zu müssen , und in Gefahr zu seyn, das Bürgerrecht sogleich zu verlieren, wofern sich nach jährlich zu wiederholender Verificirung ergäbe, daß diese Einwanderung nur zum Schein geschehen sey.
   
Bürgerkrone Bürgerkrone, s. Krone. ⇧ Inhalt 
   
Bürgermeister Bürgermeister, ist der ordentliche aus der Gemeinde gewählte Vorstand des magistratischen Collegiums der Stadtgemeinde.♦ ⇧ Inhalt 
  Mit Unrecht glaubt man da, wo in Urkunden Consules vorkommen, auch Bürgermeister zu finden, da diese alten Consules nur die zur Ausübung der Polizei und zur Verwaltung des Gemeindeguts beigezogenen Beisitzer aus der Bürgerklasse waren 1), und schon die große Zahl von Consules, die in der nämlichen Stadt waren (z. B. in Straßburg 12, in Freiburg 24, in Mainz 24), beweist, daß darunter keine Beamte, wie die späteren Bürgermeister waren, verstanden seyn können. Consules und Rathmannen muß für gleichbedeutend angesehen werden.♦  
  Die erste Spur von eigentlichen Bürgermeistern muß in den magistris civium 2), auch magistris consulum 3), auch burgimagistris 3) gesucht werden; allein diese waren noch nicht die mächtigen Vorstände der ganzen Stadt, sondern nur die Vorstände des Consulencollegiums, daher auf Polizei und Güterverwaltung beschränkt.♦  
  Die Städte, in deren Urkunden schon im 13. Jahrh. ein Bürgermeister an der Spitze steht 5) und als Vorstand der ganzen Stadt erscheint, gehören zu den mächtigsten, deren Verfassung früh vollendet war; es zeigt sich aber aus der Geschichte der Städte, daß die Bürgerschaft vorzüglich strebte, einen Bürgermeister zu erhalten, und noch 1443 war die Frage: ob die Stadt einen Bürgermeister haben dürfe, Gegenstand des Streits zwischen der Stadt Trier und dem Erzbischofe 6).♦  
  In den meisten Städten komt Bürgermeister als erster Vorsteher der Stadt erst später vor, z. B.
 
 
  • 1) Schöpflin histor. zaring. bad. V. p. 50. Hontheim hist. Trevir. I. p. 483 Straßburger R. in Grandidier histoire d'eglise I. p. 36. Fichard Entstehung v. Frankfurt S. 84. Eichhorn in Zeitschrift für gesch. Rechtswissensch. II. Thl. S. 175.
  • 2) Z. B. in kölnischer Urk. v. 1169 in Securis ad radicem posita nr. 28. v. Worms, s. Moriz Abh. v. Ursprung d. Reichsstädte S. 535.
  • 3) Z. B. in Grashof. origines Muhlhusam. p. 99. In Zerbst (Urk. v. 1298. in Bekmann Anhalt. Hist. P. III. Lib. III. p. 227.) kommen magistri civitatis vor.
  • 4) Stellen in du Cange glossar. voce burgimagister. s. auch andere Benennungen in Heineccius antiq. II. Tom. p. 320.
  • 5) Z B. in Regensburg zuerst 1243 s. Gemeiner Chronik v. Regensb. 1. Thl. S. 348.
  • 6) Hontheim histor. Trevirens. II. p. 395.
 
S. 366 Sp. 1 BÜRGER  
  in Frankfurt erst 1304 7) und in östreichischen Städten erscheint im 15. Jahrh. das Recht Bürgermeister zu wählen, als eine besondere Vergünstigung der Landesherren 8); von der Zeit an als Bürgermeister vorkommen, kann auch die Verfassung der Stadt als vollendet angesehen werden, und sobald nur größere Städte Bürgermeister hatten, wußten die kleineren nach dem Muster der größeren gebildeten bald ähnliche Vorrechte zu erhalten.♦  
  Das specielle Verhältniß war überall verschieden, daher auch an manchen Orten statt eines Bürgermeisters ein Ammann 9) oder Ratismeister 10) vorkam. In manchen Städten war nur ein, in andern waren mehre Bürgermeister vorhanden, daher wenn sie unter sich abwechseln, derjenige, welcher das Directorium führt, der regirende Bürgermeister hieß 11). Auch darin ist noch Verschiedenheit, wo die alte Verfassung besteht, ob der Bürgermeister auf Lebenszeit oder nur auf gewisse Jahre ernant wird. Er ist das Haupt der Bürgerschaft, und führt das Directorium bei der Verwaltung der an den Magistrat gehörigen Gegenstände. Auch an Orten, an welchen neue Stadt- oder Gemeindeordnungen eingeführt worden sind, ist der Name und die Stelle des Bürgermeisters beibehalten worden 12), so daß er als Direktor des magistratischen Collegiums erscheint, und in der Regel nur an den Beschluß des Magistrats gebunden für die Vollziehung der Beschlüsse sorgt, die Landes- u. Ortspolizei handhabt, und die Rechte und Pflichten eines Collegialdirectors hat. Auf seine Wahl hat gewöhnlich die Regirung sich eine Einwirkung vorbehalten oder übt ein Bestätigungsrecht aus.
   
Bürgermeister (Natur) Bürgermeister, in der Naturgesch., s. Anolis principalis und Larus glaucus. ⇧ Inhalt 
   
Bürgerrecht Bürgerrecht bezeichnet in ältern Gesetzen immer nur den Inbegriff der Befugnisse, welche einem Mitgliede einer Stadtgemeinde vermöge seines Gemeinderechts zustehen. In alten Urkunden komt es unter dem Namen: urbanitas vor 1) (auch gebuirschaft genant), wobei das große und das kleine Bürgerrecht unterschieden wurde. Das zweite, welches das Recht des Aufenthalts und der Betreibung offener Gewerbe im Kirchspiele enthielt, wurde z. B. in Köln von den Kirchspielsamtmännern, das erste aber, welches alle politischen und Ehrenvorrechte eines Bürgers verlieh, wurde von dem großen Rathe verliehen.♦ ⇧ Inhalt 
  In der Beziehung auf Stadtverfassung umfaßt das Ortsbürgerrecht 2) vorzüglich:♦  
  1) das
 
 
  • 7) Fichard die Entstehung der Reichsstadt Frankfurt S. 182.
  • 8) Z. B. 1490 in Linz, 1499 in Steyer, 1416 in Krems, s. Kurz Östreichs Handel in älterer Zeit, S. 240.
  • 9) H. v. Arx Geschichte von St. Gallen 1. Thl. S. 455.
  • 10) Schultes Coburg. Landesgeschichte II. Thl. S. 167.
  • 11) S. auch Eisenhart Anleitung zum Stadtr. S. 60.
  • 12) Preußische Städteord. §. 142. Baier. Gem. E., §. 47. 48. Hessisches Gemeindeedikt, §. 12.
 
 
  • 1) Alte kölnische Urkunden in Clasen Gründe der Schreinspraxis S. 31.
  • 2) Colmar de jur. civitat. Norimberg. Altorf. 1781. Hessel de jurib. civit. munic. in germ. Alt. 1788. Bodmann in Siebenkees Beitr. zum teutschen R. III. Thl. S. 96. Eisenhart Anleitung zum teutschen Stadt- und Bürgerrecht, S. 172. Preuß. Landrecht, II. Thl. Tit. VIII. Preußische Städteordn. §. 15. Haubold Lehrb. des sächs. R. S. 464. Weimarische Stadtordn. v. 21. Dec. 1810. Jenaische Stadtordn. v. 27. Jun. {1} 1810. Badische Grundverfassung der versch. Stände von 1808. §. 10.
S. 366 Sp. 2 BÜRGER  
  Recht der activen und passiven Wahlfähigkeit zu allen städtischen Ämtern und zur landständischen Vertretung; 2) Recht der Betreibung aller städtischen Gewerbe; 3) Recht Grundstücke im Stadtbezirke zu erwerben; 4) das Recht, die Marklosung auszuüben; 5) Befugniß, die Gemeindegüter nach dem gesetzlichen oder herkömmlichen Verhältnisse zu benutzen; 6) das Vorrecht nach den städtischen Statuten und Privilegien beurtheilt zu werden; 7) Anspruch auf den städtischen Gerichtsstand; 8) Anspruch auf die städtischen Stiftungen, zu deren Theilnahme Bürgerrecht gefodert wird.♦  
  An manchen Orten 3) gehört zur Ausübung der vollen Befugniß, z. B. Wahlfähigkeit zu städtischen Ämtern und zur Theilnahme an Brauloosen, auch der Besitz eines Hauses in der Stadt 4).♦  
  Das unvollkommene Bürgerrecht des bloßen Schutzverwandten, oder Beisassen umfasst nie das Recht der Wählbarkeit; an Gemeindenutzungen nimt der Schutzverwandte nur in so ferne Theil, als das Localherkommen den Schutzverwandten Rechte hierauf gibt, oder das Gemeinderecht auch einem Fremden zustände. Das Recht Immobilien im Stadtbezirke zu besitzen, hat der Schutzverwandte. Neuere Gemeindeedikte haben den Unterschied der Vollbürger und Beisassen aufgehoben 5), oder wenigstens auch den Beisassen Anspruch auf Wählbarkeit zu bürgerlichen Ämtern gegeben 6).♦  
  In Ansehung der Erwerbung des Bürgerrechts gilt die Regel, daß die Verleihung an eine Person, die schon das Statsbürgerrecht hat, dem Ortsmagistrate zusteht, während der Ausländer erst das Statsbürgerrecht erwerben muß 7). Bei Erwerbung durch Geburt nehmen die älteren Statute an 8), daß das Bürgerskind nur einen Titel zur Erwerbung des Bürgerrechts hat, und erst speciell in die Bürgerliste sich aufnehmen lassen muß, jedoch den Vortheil genießt, geringere Rezeptionsgelder zu bezahlen. Neue Gesetze 9) lassen durch Geburt, wenn nur beide Ältern Vollbürger waren, das Bürgerrecht fortpflanzen.♦  
  Ehemals kam bei den Bedingungen der Aufnahme gewöhnlich eine gewisse Standes- oder Religionseigenschaft, bestimmtes Vermögen, und untadelhaftes bisheriges Betragen in Betrachtung 10); während jetzt die ersten dieser Bedingungen nicht mehr in Anschlag gebracht werden, ist doch in neueren Gesetzen 11) die Vorschrift beibehalten worden, daß die zur Criminaluntersuchung gezogenen und nicht definitiv losgesprochenen eben so wenig als die in Concurs befangenen aufnahmsfähig sind.♦  
  Verloren wird das Bürgerrecht durch Verlust des Statsbürgerrechts, durch freiwillige Aufkündigung, durch Arten des stillschweigenden Verzichts, wohin ältere Gesetze 12) die Verweigerung bürgerliche Ämter zu übernehmen rech-
 
 
  • 3) Z. B. nach Weimar. Stadtordn. §. 4.
  • 4) Deinze de capitib. quibusdam incolatus Norimb. Altorf. 1778. Diez de discrim. civium et incolar. Goett. 1757, Eisenhart Anl. S. 228. Preuß. Städteordn. §. 5. 40. Badische Grundverf. §. 10. Weimar. Stadtordn. Tit. III. §. 23—29.
  • 5) Z. B. hessis. Gemeindeedikt §. 54.
  • 6) Würtemberg. Gemeindeedikt §. 6.
  • 7) Preuß. Landr. II. Thl. Tit. 8. §. 14. Städteordn. §. 24. Hessis. Gem. E. §. 49.
  • 8) Hillebrand de jure civium originar. c. II. §. 12. Riccius spicileg. p. 267.
  • 9) Hessis. Gem. E. §. 41. Badische Grundverf. §. 11.
  • 10) Eisenhart Anl. S. 185. Sutner von der ältesten Gewerbsverfassung in München, S. 501.
  • 11) Preuß. Städteordn. § 20–22.
  • 12) Z. B. Hamburg. Stadtbuch 1. Thl. Tit. 1. Art. 6.
 
S. 367 Sp. 1 BÜRGER ⇧ Inhalt 
  neten und neue Gesetze 13) noch den Fall zählen, wenn der Bürger eine gewisse Zeit (z. B. 2 oder 3 Jahre) von dem Orte entfernt ist, ohne einen Stellvertreter bestellt, und die obliegenden bürgerlichen Verpflichtungen erfüllt zu haben. Die Verurtheilung wegen Verbrechen entzieht das Bürgerrecht nur 14), wenn Ehrlosigkeit oder eine höhere Verbrechensstrafe erfolgt; aber auch hier hat sich die Ansicht der neueren Gesetze 15) dahin entschieden, daß solche wegen Verbrechen Verurtheilte nur die Ehrenvorzüge des Bürgerrechts, insbesondere die Wählbarkeit verlieren.  
  Bürgerrecht, insofern es mit dem Begriff Statsbürger zusammenhängt, bezeichnet auch noch den Inbegriff der Rechte, welche dem Einheimischen vor dem Fremden aus der vollen Unterwerfung unter die Statsgewalt zustehen 16). Noch spezieller hat sich durch neuere Gesetze 17) der Unterschied von Indigenat und Statsbürgerrecht gebildet. Das Erste ist der Inbegriff des Genusses aller bürgerlichen Rechte und des Anspruchs auf Erwerbung des Statsbürgerrechts. Das Zweite enthält den Inbegriff der Rechte zum Genusse aller Indigenats und aller politischen Bürgerrechte des Landes. Das Zweite geht daher viel weiter als das Erste und enthält insbesondere die verfassungsmäßige Theilnahme an der Ständeversamlung. Das Indigenat ist aber Vorbedingung der Erwerbung des Statsbürgerrechts, zu dessen Ausübung auch noch die gesetzliche Volljährigkeit, die Ansässigkeit im Lande, und bei dem Neueinwandernden der Ablauf einer gewissen Zeit, z. B. in Baiern von 6 Jahren gehört 18).♦  
  Wer mit Erlaubniß seines Landesherrn in die Dienste eines auswärtigen States tritt, behält das Indigenat bei, und hat noch immer gewisse Verpflichtungen in Bezug auf sein Vaterland, z. B. zurück zu kehren, sobald er durch einen an ihn gerichteten Befehl oder durch eine General- Verordnung zurückberufen wird.♦  
  Bürgerrecht kann endlich noch als ein teutsches Bürgerrecht insofern in Betrachtung kommen, als die teutschen Bundesstaten jedem ihrer Bürger gewisse Grundrechte zusichern.19), welche Jedem schon vermöge der Bundesakte zustehen, und ihm nicht durch Landesgesetze entzogen werden können. Zu diesen Rechten gehören: 1) das Recht Grundeigenthum außerhalb des Landes, welches jeder bewohnt, zu besitzen; 2) Befugniß des freien Wegziehens aus einem Bundesstate in den anderen; 3) Recht in Civil- oder Militärdienste eines Bundesstates zu treten; 4) Freiheit von Nachsteuer, wenn das Vermögen in einen Bundesstat übergeht 20).
   
Bürgerrecht (christliches) Bürgerrecht (christliches), war die Benennung einer engern Verbindung, welche 1528 die Städte Zürich, Bern, Constanz und St. Gallen unter sich schlossen, als die Spannung zwischen den beiden Religions-Bekentnissen
⇧ Inhalt 
 
  • 13) Badische Grundverf. §. 12. Weimarische Stadto. §. 20.
  • 14) Hillebrand de jure civium orig. cap. IV. §. 5. Preuss. Städteordn. §. 39.
  • 15) Baier. Gemeindedikt §. 78. Weimar. Stadto. §. 21. Hessisches G. E. §. 34.
  • 16) Mittermaier Grundsätze des gem. teutschen Privatr. §. 100. Bad. Grundverf. v. 1808. §. 7—9.
  • 17) Baier. Edikt v. 20. Mai 1818. Hess. Edikt v. 18. März 1820. Würtemb. Verfassungsurk. III. §. 19.
  • 18) Baier. Edikt. §. 8.
  • 19) Teutsche Bundesakte Art. 18.
  • 20) S. über Bedeutung des teutschen Bürgerrechts Falk in den kieler Blättern. II. Bd. 1 H. 160.
 
S. 367 Sp. 2 BÜRGER  
  sich vermehrte, und in welche sie im folgenden Jahre Biel, Müllhausen, Basel, Schaffhausen und Straßburg aufnahmen. Sie war nicht von bleibender Dauer.
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Stand: 9. Februar 2018 © Hans-Walter Pries