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Bürgerschule. Die Bürgerschule soll der
Jugend des Bürgerstandes diejenige Ausbildung geben, welche
durch die Foderungen der Zeit an den Bürgerstand bedingt
wird. |
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Diese Begriffbestimmung scheint im
voraus hier die weibliche Jugend auszuschließen, weil das
Mädchen keinem Stande sicher angehört, ihren Stand vielmehr
vom Gatten empfängt; da jedoch dessen Wahl im Allgemeinen
durch die Erziehung geleitet wird und eben deshalb meistens
sich Gleich und Gleich gesellt, so wird auch eine besondere,
auf den Stand der Bürgerin berechnete Unterweisung in
Städten zu der Benennung: Töchterbürgerschule berechtigen.
Nur ziehen wir vor, Anstalten dieser Art dem Kapitel
„Töchterschule" aufzusparen, weil der wesentlichste
Unterschied der Schulen durch das Geschlecht gegeben ist,
von dessen Beachtung die ersten Maximen ausgehen, welchen
alle Einrichtungen für besondre Zwecke unterzuordnen
sind. |
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Die der Bürgerschule angehörende
männliche Jugend wird jenem Hauptbegriffe nach, alle die
Söhne, ohne Rücksicht auf den Stand der Ältern, einschließen,
welche, zur Betreibung freier Gewerbe (im Gegensatze der
Dienstbarkeit) bestimt sind, nicht diejenigen, welche zum
Studiren, zu gelehrten Geschäften und Statsämtem übergehen.
Zwar hatte die Bürgerschule bisher auch solche junge Leute
vorzubereiten, welche in der Folge zu Subalterndiensten
gebraucht wurden; indessen dürfte das von selbst wegfallen,
da die Hälfte der Studirenden den Rechten obliegt, so daß die
Regirungen, zum großen Vortheil der Statsverwaltung, die
Wahl haben werden alle Unterstellen mit Zöglingen der
Universität zu besetzen. |
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Nach außen ist hiedurch der Sprengel der
Bürgerschule begränzt. Im Innern bilden sich Abtheilungen
nach den Abstufungen bürgerlicher Wirksamkeit. So wie
nämlich im Bürgerstande ein höherer und ein niederer deutlich
hervortritt, von welchen dieser die handarbeitende, jener die
mehr mit dem Kopf arbeitende Klasse der Gewerbsleute in
sich begreift, so scheidet sich auch die Bürgerschule in zwei
Anstalten von verschiedener Tendenz und Einrichtung, die
niedere und die höhere Bürgerschule. |
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A. Die niedere Bürgerschule soll theils
die eigentlichen Handwerker so weit ausbilden, daß sie aus der
Schule in die technische Lehre treten können, ohne vor ihres
Gleichen erröthen zu müssen, theils die feineren Köpfe zur
höheren Bürgerschule vorbereiten. Schwerlich möchte sie
irgendwo ganz für sich allein bestehen, überall findet man sie
vielmehr mit der Elementarschule, die allen Ständen angehört,
innig verschmolzen und dadurch in fünf bis sechs Klassen
ausgedehnt; das hindert uns aber nicht vom
Elementarunterricht hier abzusehen, ihn seinem Orte zu
überlassen, dagegen den Begriff der Bürgerschule festzuhalten
und diese in ihrem eigenthümlichen Wesen darzustellen. |
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Die gemeinsame Aufgabe aller Schulen,
Ausbildung des Verstandes, des Geschmackes und der
Gemüthsanlagen, liegt der niederen Bürgerschule in der
Ausdehnung |
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BÜRGER |
⇧ Inhalt |
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ob, in welcher man jene am guten Bürger
überhaupt erwarten darf, ohne auf der einen Seite örtlichem
Zurückbleiben in der Kultur nachzugeben, oder auf der
anderen eine zwecklose, wo nicht nachtheilige Überbildung zu
verlangen. Letzteres verbietet ohnehin die kurze, mit der
Konfirmation beschlossene Schulzeit; ersteres aber würde um
so bedenklicher seyn, da diese Jugend keine weitere
Bildungsanstalt benutzen kann, sondern für ihr ganzes Leben
gerüstet aus der Schule treten muß. |
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Die Mittel zur Verstandesbildung für den
Kreis bürgerlicher Geschäfte sind theils historische
Kentnisse, theils Sprachkentnisse, theils passende
Denkübungen. |
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I. Historische Kentnisse sollen die Masse
der Erfahrungsbegriffe vermehren, womit dem Verstande Stoff
zur Bearbeitung geboten wird. Dahin gehören♦ |
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1) Naturbeschreibung. Mit Beseitigung
künstlicher Systeme werden die Naturgegenstände nach ihren
Merkmalen, Eigenschaften und Veränderungen beschrieben
und diejenigen hervorgehoben, welche auf Handel u. Gewerbe
Einfluß haben; denn die Benutzung und die Kentniß des
Schädlichen sind Hauptaugenmerk. Den Beschluß macht die
Naturbeschreibung des Menschen.♦ |
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2) Erdbeschreibung. Nach vorläufiger
Übersicht des Erdballes folgt die Erläuterung der Weltkarte,
dann die Beschreibung der Länder von Europa, ausführlicher
gefaßt, je näher man dem Vaterlande komt; endlich die der
übrigen Erdtheile, vorzugsweise der Kolonien. Nichts von
Prachtgebäuden, Festungen, Schlachtfeldern, Universitäten,
Koncilien u. dgl., desto mehr von Statur und Landesart,
Natur- und Kunstprodukten, Fabriken, Messen und
Handelswegen. Den Beschluß macht die mathematische
Geographie und populäre Himmelskunde.♦ |
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3) Geschichte. Weder Kriegsgeschichte,
noch literarische, aber Kulturgeschichte und Nachweisung der
Ursachen, welche zur Entstehung der jetzigen Verfassung
beigetragen. Mit besondrer Liebe ist die Geschichte des
heimischen Fürstenhauses zu behandeln, durch welche echter
Bürgersinn gezeitiget wird. |
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II. Der Sprachunterricht in Bürgerschulen
ist von dem der Gelehrtenschulen in Zweck und Form
wesentlich verschieden, da man nicht Gelehrsamkeit, sondern
Gewandtheit in Geschäften befördern will. Vor allem wichtig
ist daher♦ |
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1) Die Muttersprache. Ihre gründliche
Kentniß soll dem Bürger als Schlüssel zur Selbstbelehrung
dienen und als Eintrittskarte zum Umgange mit der gebildeten
Welt. Er soll gerade kein Stylist werden, aber sprachrichtig
und orthographisch schreiben, auch die üblichen Aufsätze
regelrecht entwerfen können.♦ |
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2) Die französische Sprache verdient als
Sprache des Handels eine fleißige Bearbeitung, besonders im
Westen von Teutschland.♦ |
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3) Die lateinische Sprache ist in den
unteren Klassen nicht ganz zu verabsäumen. In den oberen
gibt die Erklärung der Barbarismen oder fremden Kunstwörter
eine treffliche Gelegenheit die Begriffe zu erweitern und
aufzuhellen. |
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III. Die Denkübungen der niederen
Bürgerschule sind dreierlei und haben Zahlverhältnisse,
Maßverhältnisse oder Kunstaufgaben zum
Gegenstande.♦ |
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1) Die Arithmetik ist hier nicht das blos
mechanische Rechnen der Elementarschule. Man gibt vom
Grunde jedes Ver- |
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BÜRGERSCHULE |
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fahrens Rechenschaft, damit der Schüler
den jedesmaligen Fall beurtheilen und danach den Ansatz
finden lerne. In den unteren Klassen ist das Kopfrechnen mit
seinen Vortheilen besonders wichtig, in den oberen dagegen
die Anwendung der Rechnungsarten auf Gewerbe.♦ |
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2) Geometrie, nicht die reine der
Gelehrtenschulen, sondern historische Kentniß der räumlichen
Größen, Ausmessung, Ausrechnung und Theilung derselben,
möglichst auf Gewerbfälle anzuwenden.♦ |
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3) technische Denkübungen. Eigentliche
Technologie ist hier nicht durchzusetzen, weil sie nicht
vorbereitet werden kann; aber abgebrochene Vorträge über
sinnreiche Erfindungen, wobei man zeigt, wie der vorgesetzte
Zweck nach und nach erreicht ward, sind vom größten Nutzen
zur Vorbereitung auf die höhere Bürgerschule. |
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Die Ausbildung des Geschmackes, des
Kunstgeschmackes nämlich, hat auf die glückliche Betreibung
der Gewerbe den wesentlichsten Einfluß. Weder Fleiß, noch
Verstand ergänzen das Fehlende da, wo das Gefühl des
Schönen nicht lebendig hervorgerufen ward. Dazu führen
hauptsächlich:♦ |
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1) das Zeichnen. Thiere, Blumen und
Ornamente wählt man zu Vorlegeblättern, nicht Landschaften.
Nur Graphit wird zum Anfange gebraucht, späterhin
Silberstift. Kreide und Pastellfarben verwöhnen die noch nicht
sichre Hand.♦ |
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2) Die Malerei, ungemein nützlich für die
meisten Gewerbe, indem sie unter guter Leitung den
Farbensinn ausbildet. Nur fertige Zeichner nehmen an dieser
Übung Theil, aber in besonderen Stunden. Den Übergang
macht das Schwarztuschen.♦ |
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3) Die Schönschreibkunst. Das blos
nachmalende Schreiben der Elementarschule hört nach und
nach auf, so wie die Regeln der Schreibkunst gefaßt und
angeeignet worden. Abschreiben von Druckschrift übt ihre
Anwendung. Doch gebraucht man auch Vorschriften,
vorzugsweise gestochne von gelungener Arbeit. Der liegende,
leicht fördernde Ductus wird zur Regel gemacht. – |
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Singen und
Deklamiren, die der Elementarschule gehören, werden in
vermischten Schulen ebenfalls fortgesetzt. |
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Die Ausbildung des Gemüthes ist zwar
eigentlich Sache der Erziehung, nicht des Schulunterrichtes;
allein die Bürgerschule kann weniger als andre eine geordnete
häusliche Erziehung voraussetzen, mithin der Pflicht sich nicht
entziehen in die Erziehung einzugreifen. Ihre Mittel zur
Richtung des Willens sind:♦ |
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1) Religionsunterricht. In der untersten
Klasse wird er durch biblische Geschichte vorbereitet. Dann
folgt der Katechismus und die Erklärung der heiligen Schrift,
vornehmlich der Beweisstellen. Viel Physikotheologie!♦ |
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2) Sittenlehre. An die religiöse Moral der
unteren Klassen schließt sich späterhin Moral in Beispielen,
aus der Geschichte gewählt. Eigentliche Vernunftmoral komt
hier zu früh.♦ |
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3) Gesetzkunde. Erklärung des Sinnes der
den Bürger angehenden Landesgesetze, um Rechtlichkeit
neben dem Gutseyn zu begründen und früh den
unverbrüchlichsten Gehorsam gegen Fürst und Obrigkeit
einzuschärfen. Ein Bürgergesetzbuch wäre dazu
vorzubereiten. |
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Vermöge der angezeigten funfzehn Mittel
darf man zuversichtlich hoffen dem State verständige,
geschickte und |
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BÜRGER |
⇧ Inhalt |
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wohldenkende Bürger zu verschaffen,
wenn außerdem geschieht, was man von einer guten Schule
erwarten muß; denn die Lektionen thun es nicht allein. Eine in
allen Verzweigungen geregelte Aufsicht, frühe Gewöhnung
der Jugend zur Pünktlichkeit, zur beständigen Thätigkeit, zum
Gehorsam gegen jeden Vorgesetzten, zur Wahrhaftigkeit in
jedem Falle, eine nicht sklavische, aber ernste Zucht und
passende Aufmunterungen müssen den Boden urbar halten,
daß die Lehre darin Wurzel fasse und Frucht bringe. |
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Viele zum Gewerb bestimmte Knaben,
welche der Bürgerschule entgehen, werden späterhin veranlaßt
das Nöthigste beiläufig in der Handwerksschule nachzuholen,
von welcher wir an ihrem Orte reden. |
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Die Idee der Bürgerschule entwickelte sich
seit der Reformation, aber langsam. Die Sachkentnisse, welche
J. A. Comenius neben dem Sprachunterricht empfahl,
bereiteten mehr vor. Seit 1770 bewirkte Fr. G. Resewitz durch
seine „Erziehung des Bürgers zum Gebrauch des gesunden
Verstandes und zur gemeinnützigen Geschäftigkeit"
allgemeinere Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand, den
Becker, Horstig, Gedike, v. Türk, Natorp, Gruner
u. A. weiter ausführten 1). |
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B. Die höhere Bürgerschule, sonst auch
Realschule oder Kunstschule genant, hat zum Gegenstande
die Vorbereitung der eigentlichen Künstler, Fabrikanten,
Kaufleute, Apotheker, Baumeister, Ökonomen, Jäger, Förster,
Berg- und Hüttenleute. Diese stehen als Führer und Rathgeber
an der Spitze des Gewerbstandes, bedürfen folglich einer
sorgfältigen kunstwissenschaftlichen Ausbildung. Der
Unterricht bezweckt vor allem: den Kunstsinn zu wecken, zu
nähren, zu richten, und technische Virtuosität an die Stelle des
leidigen, zur Volksverarmung an Gut und Blut führenden
Gewerbschlendrians zu setzen. —♦ |
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Letzterer hat unserm Vaterlande tiefe
Wunden geschlagen. Während die Industrie der Nachbarstaten
rasch fortschritt, stand die teutsche im Ganzen still; denn es
entstand eine weite Kluft zwischen Gelehrten und Künstlern,
daß sie nicht mehr die Hand einander bieten konnten. Über die
Kunst ward viel mehr geschrieben, als die Erfahrung
rechtfertigte, und was die Bücher Gutes haben, komt der Kunst
nicht zu gut; denn die davon Gebrauch zu machen hätten,
kennen die Bücher nicht und wissen sie nicht zu gebrauchen.
So ist der Teutsche dem Briten und Franken für Kunst und
Mode tributar geworden und das Gefühl der Schwäche ist so
allgemein, daß man dem Landsmann kaum etwas Tüchtiges
zutraut. Wenn auch teutsche Künstler treffliche Arbeit liefern,
mag man sie doch nur vom Auslande kaufen. Die Nachbarn
lächeln und benutzen den Wahn zu leichtem Gewinn. |
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Wollen wir einer so schmählichen
Dienstbarkeit entgehen, so muß die fähigere Jugend des
Gewerbstandes ermuthiget, für das Bessere erwärmt und zum
Bessern ausgerüstet werden. Größere Staten erreichen das
durch polytechnische Institute, die freilich zur allgemeinen
Einführung zu kostbar sind; indessen wird der
wesentliche
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- 1) Vgl. Niemeyer's Grundsätze der
Erziehung und des Unterrichts. III. S. 150 f.
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BÜRGERSCHULE |
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Nutzen derselben hinreichend und
wohlfeiler durch höhere Bürgerschulen erreicht, welche am
sichersten in Verbindung mit den niederen bestehen, so daß sie
die fähigsten Zöglinge der letzteren übernehmen und auf dem
schon gelegten Grunde weiter fortbauen. Die Mittel zur letzten
Ausbildung dieser Auserwählten sind insbesondre die
sogenannten Realien, und zwar namentlich:♦ |
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1) Physik. Alles Hypothetische ist
möglichst zu beseitigen, überhaupt komt hier weniger auf eine
scharfe Theorie an, als auf umständliche Kentniß der
nutzbaren Naturkräfte und Naturgesetze. Praktische Übung im
Gebrauch der physikalischen Werkzeuge ist dabei sehr
wichtig.♦ |
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2) Mechanik. Die zur Bewegung
dienlichen Kräfte, die Vorrichtungen zur Anwendung
derselben, die Kunstgriffe zur Vermehrung der Kraft oder
Geschwindigkeit, so wie zur Fortpflanzung und Richtung der
Bewegung fodern hier eine ausführliche, mit Beispielen aus
den Gewerben begleitete Abhandlung, wobei die theoretischen
Beweise füglich zu entbehren sind. Zum Beschlusse werden
die gebräuchlichsten zusammengesetzten Maschinen
beschrieben und aus jenen Elementen erläutert.♦ |
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3) Chemie, technische, nicht
philosophische. Ob man: Chlorine, oder oxydirte Salzsäure,
oder dephlogistisirte Salzsäure sagt, daran liegt wenig; aber
ihre Eigenschaften und deren nützliche Anwendung muß man
vollständig kennen lehren. In Atomen über den Erdball
zerstreute Substanzen, die nie zur Anwendung kommen,
werden ganz übergangen, um für das Gemeinnützige desto
mehr Zeit zu gewinnen. Die chemischen Operationen werden
vor dem Herde praktisch eingeübt.♦ |
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4) Technologie. In dieser Hauptlektion der
höheren Bürgerschule vereinigen sich die drei vorbenannten
Wissenschaften zur Anwendung. Eine blos historische
Beschreibung der Handwerke, Werkzeuge und Arbeiten bringt
wenig Nutzen, der durch Besuch der Werkstätten leichter und
besser zu erreichen ist. Man suche nicht extensive, sondern
intensive Vollständigkeit und behandle bei karg zugemessener
Zeit nur die wichtigsten Künste, aber gründlich, daß jede
Arbeit nach Zweck und Mittel verstanden werde.♦ |
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5) Warenkunde. Eine vergleichende
Revision der Konsumtibilien, technischen Materialien und
Kunstprodukte ist für alle Gewerbetreibenden gleich wichtig,
nicht etwa blos für den Kaufmann; nur muß alles zur Ansicht
vorräthig seyn, nicht Wortkram für Ware verkauft werden.
Vornehmlich wichtig ist dabei die Prüfungskunst der Waren
durch einfache chemische und physikalische Versuche, die
nicht bis zur Analyse ausgedehnt zu werden brauchen. |
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Außer diesen Realwissenschaften gehören
noch wesentlich zum Lehrplan der höheren Bürgerschule
einige erhöhte Kunst- und Sprachfertigkeiten, als:♦ |
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1) Das Zeichnen nach dem Runden,
d. h. nach wirklich vorgestellten Objekten, nicht nach
Vorlegeblättern. Die Regeln der Perspektive und Verkürzung
werden dabei gelegentlich eingeschaltet und eingeübt.♦ |
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2) Die Reißkunst oder Rißzeichenkunst,
welche die mechanischen Vorrichtungen nach Durchschnitten
mit Lineal und Zirkel treu darstellen lehrt. Die
Realwissenschaften geben fortwährend Gelegenheit zu solchen
Übungen. Risse von Maschinen, Schreiner-, Sattler- und
Wagnerarbeiten, Webstühlen, Schöpfwerken
u. s. w. werden theils kopirt, theils von |
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BÜRGER |
⇧ Inhalt |
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den Geübteren neu aufgenommen, wobei
vom ersten Anfang an den Gebrauch des verjüngten
Maßstabes zu gewöhnen ist, der allein praktische
Zuverlässigkeit gibt.♦ |
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3) Die Modellirkunst ist hinsichtlich der
nicht deutlich im Riß darzustellenden Maschinen, wie auch
wegen der großen Schwierigkeit der perspektivischen
Zeichnung von großem Vortheil. Das Modelliren in Holz
fodert einige Übung in der Drehkunst, die allenfalls außer
dem Lokal der Schule zu erlangen ist.♦ |
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4) Technische Stylübungen. Hiebei komt
es weniger auf die Eleganz der Schreibart, als auf
zweckmäßige Anordnung der Gedanken an, um
Kunstbeschreibungen kurz, deutlich und vollständig zu
entwerfen. Durch tägliche Übung im Ausarbeiten
technologischer Vorträge lerne der junge Bürger alles zu
Papier bringen, was er im Kopf hat. Kunstbeschreibungen
nach eigener Untersuchung eignen sich zu
Ferienarbeiten.♦ |
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5) Technische Lektüre. Wer die vorigen
neun Theile des Realunterrichtes benutzt, wird in der Folge
wol im Stande seyn sich selbst aus technischen Schriften zu
belehren; indessen scheint doch eine vorläufige Anweisung
dazu nicht überflüssig. Man gibt den Schülern zur Ferienarbeit
auf, technische Abhandlungen zu excerpiren, oder einzele
Bereitungen nach der Beschreibung auszuführen.— Beide
letztere Übungen sind um so wichtiger, als die Erfahrung lehrt,
daß viele unserer talentvollsten Techniker, durch den Mangel
jener Fertigkeiten niedergedrückt, das nicht leisten, was sie
außerdem gewiß leisten würden. |
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Auch der höheren Bürgerschule steht die
Handwerksschule, mit ihrer höheren Abtheilung, der
Bauhandwerksschule, als Gehilfin, zur Nach- und
Wiederholung bei. |
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Die erste Idee der Realschule wurde 1705
zu Halle in Sachsen durch ein Programm von M. Christoph
Semler, damaligem Inspektor der dortigen teutschen Schulen,
angeregt. Sein Antrag wurde von der preuß. Regirung der kön.
Societät der Wiss. zu Berlin zur Prüfung übergeben. Sie stellte
unter dem 15. December 1706 ihr Gutachten dahin aus, daß
allerdings rathsam sey, die Bürgerjugend über
Kunstgegenstände zu belehren, damit ihr der Verstand und
Sinn mehr geöffnet werde. Darauf wurde die Lehranstalt mit
einem besonderen Lehrer (Chr. Benit) eröffnet, auch ein
Kunstkabinet angelegt 2).
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- 2) Den Lehrplan gab M. Semler 1709
im Druck heraus unter dem Titel: Neueröffnete mathematische
und mechanische Realschule, in welcher praesenter gezeigt
und nach allen Theilen erklärt wird: das Uhrwerk, Modell
eines Hauses, Kriegsschiff, Festung, Salzkoth, Mühle,
Bergwerk, chemisch Laboratorium, Glashütte,
Tuchmacherstuhl, Drechselbank, Pferd und Pferdeschmuck,
Brauhaus, Baumgarten, Blumengarten, Honigbau, Wagen,
Pflug, Egge und Ackerbau; ferner alle Arten der Gewichte,
Münzen und Maße, gemeine und Edelsteine, alle Arten Wolle
und Seide, Gewürze, Samen, Wurzeln, Kräuter, Mineralien,
Thiere, Vögel, Fische, Sceleton; ingleichen geometrische und
optische Instrumenta, Rüstzeuge der Bewegungskunst,
Wettergläser, Wasserkünste, der Magnet, Kompaß, das
Wapen, Grundriß eines Gebäudes, Topographie der Stadt
Halle, Fürstellung der Sphäre des Himmels
u. a. m. — Wir geben den ganzen Titel, weil sein
Inhalt beweiset, man habe damals schon keine üble Idee von
der Realschule gehabt, wiewol noch alles ziemlich konfus
durch einander geworfen ist. Die Methode des
„praesenter Vorzeigens” war das Beste und
neu, wie es scheint. Übrigens mag manches Alberne mit.
untergelaufen seyn, wie denn M. Semler besonders rühmt, daß
bei der Demonstration im- {1} mer einige gute Moralien
inferirt würden, als: bei der Glashütte von der Zerbrechlichkeit
und Vergänglichkeit alles Irdischen, beim Sceleton von der
Demuth, bei den Metallen von Gottes Allmacht, Weisheit und
Gütigkeit. Man mußte ja wol dem damals in Halle
aufkommenden Pietismus seinen Zoll abtragen.
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{1} Fußnote ergänzt von Sp. 2 |
S. 370 Sp. 2 |
BÜRGERSCHULE |
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Als in den folgenden Jahren Joh. Jul.
Hecker in Halle studirte, faßte er die Idee der Realschule
glücklich auf, und so entstand durch ihn 1747 die Realschule
zu Berlin, welche solchen Beifall fand, daß sie 1748 schon 600
Schüler zählte, unter welcher Zahl jedoch die mit der
Realschule verbundene teutsche und lateinische Schule mit
begriffen waren. Sie erhielt eine Bibliothek, eine
Naturaliensamlung, eine Modellkammer und einen
botanischen Garten. Heckers Nachfolger, der geschätzte
Physiker Silberschlag, sonderte die bis dahin nicht
vollkommen geschiedenen Anstalten mehr ab, in das
Pädagogium für Studirende, die Kunstschule für Künstler,
Baumeister, Kaufleute und Ökonomen, und die teutsche
Schule für Handwerker.♦ |
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Lehrplan und Lehrmethode der
Kunstschule oder eigentlichen Realschule wurden durch das
bekannte, treffliche Reccardsche Lehrbuch befestiget. Eben
dieser Reccard (Gotth. Christ.), die drei Brüder, J. Ch. Gottl.
Sprengel, Joach. Fr. Sprengel, Vater des berühmten
Botanikers und Geschichtschreibers der Arzneikunde, und P.
N. Sprengel, der die von Hartwig fortgesetzte Technographie
anfing, und andre treffliche Lehrer halfen den Ruf der Anstalt
heben 3). —♦ |
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Ein so glänzender Erfolg munterte zur
Nachahmung auf, und so bildeten sich nach und nach im
Norden und Süden von Teutschland theils für sich bestehende
Realinstitute, deren einige doch bald wieder eingingen, theils
mit anderen Schulen verbundene Realklassen. Diese
gewähren in der Ausführung bedeutende Vortheile, indem die
Verwandlung einer schon bestehenden Klasse in eine
Realklasse wenig Kosten verursacht, auch der Zugang an
Schülern durch die Schwesterschule gesichert
wird 4). |
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Am zweckmäßigsten und der Natur der
Sache angemessen bildet die Realklasse die obere Abtheilung
einer niederen Bürgerschule, in welchem Falle sie zwar die
Lektionen der Bürgerschule nebenbei mit fortsetzen muß,
wodurch dem Realunterricht viel Zeit entgeht, doch aber unter
sonst günstigen Verhältnissen für Mittelstädte leisten kann,
was örtliches Bedürfniß heischt. Im Allgemeinen ist nicht zu
verhehlen, daß das Realschulwesen noch manches zu
wünschen übrig läßt, bevor man hoffen darf, seine
Bestimmung gnüglich erreicht zu sehen. Darüber schlüßlich
folgende Bemerkungen. |
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Eine große Schwierigkeit liegt in dem
Mangel an geeigneten Lehrern, welcher die Vermehrung der
Realschulen hindert, auch schon bestehende nicht selten
zurücksetzt, daß sie der Benennung ungeachtet doch in der
That keine mehr sind. Die Ursach jenes Mangels ist, daß
Jünglinge, die Fleis und Talent genug besitzen die
Realwissenschaften zu studiren, sich in der Regel mit dem
mühevollen, wenig lohnenden Beruf des Schulmannes nicht
begnügen, sondern höher hinaus wollen. Fast überall ist
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- 3) Vgl. Die Geschichte der Realschule
von ihrem verdienten Direktor And. Jak. Hecker (Berl. 1797)
und die Nachträge von 1798, 1802.
- 4) Über die
verschiedenen Fälle solcher Verbindungen darf ich mich auf
den Anhang meiner Schrift: „Über die Einrichtung höherer
Bürgerschulen" (Halle, 1809) beziehen.
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S. 371 Sp. 1 |
BÜRGER |
⇧ Inhalt |
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die Schule nur der Warteposten für die
Kandidaten des Predigtamtes, und diese fühlen selten Beruf in
so schwierige Doktrinen einzudringen. |
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Sehr viel hängt von der Wahl und
Zusammensetzung der leitenden Behörde ab. Am besten
gedeiht das Werk, wo man die einsichtsvollsten Kaufleute,
Fabrikanten, Baumeister und Ökonomen des Ortes zu Ephoren
wählt, welche den Realunterricht zu würdigen verstehen. Wo
dagegen die Leitung Männern zusteht, die anderweit zu
beschäftiget sind oder das Wesen und Wirken der Anstalt nicht
verstehen, nur für Latein und Religionsstunden Sinn haben,
die Realien aber zu den Allotrien rechnen und mit Gähnen
davon hören, da läßt sich, wenn sie auch gutmeinend helfen
und bessern wollen, wenig Ersprießliches hoffen. Wo
Gewerbvereine sind, bilden sie einzig die kompetente
Behörde. |
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Meistentheils ist in den Realklassen der
Mangel an Hilfsmitteln zu groß, als daß viel ausgerichtet
werden könnte. Das „praesenter Vorzeigen" ist
unumgänglich, wie M. Semler wol einsah. Wenn aber der
Lehrer ohne Samlungen und Apparat ist, von unsichtbaren
Dingen erzählen und die Versuche mit Kreide an die Wand
malen muß, so ist das wenig mehr als gar nichts;
Bürgerkommissionen finden Wege die Mittel
herbeizuschaffen; aber Scholarchen der andern Gattung wissen
da keinen Rath, und gemeinschaftliche Direktionen verwenden
die etwa disponiblen Mittel oft mit Vorliebe zur Ausstattung
der lateinischen Schulen. |
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Nicht selten liegt in den Ältern der Schüler
ein Hinderniß, daß der Realunterricht nicht recht gedeihen
kann. Von gebildeten Ältern ist das freilich nicht zu besorgen;
aber da die Realschule eben die Bildung des Bürgerstandes zu
steigern bezweckt; so geht sie freilich, besonders da, wo sie
noch etwas Neues ist, über den Horizont der meisten Väter
ihrer Zöglinge hinaus, die in ihrer Jugend von dem allen nichts
hörten. Manchen fällt es unbequem, daß ihre Söhne mehr
lernen. Sie sind dann wol unbedachtsam genug, sich zu Hause
über die Schul-Neuerungen gleichgiltig oder gar mißfällig zu
äußern, wodurch sie die Söhne abwendig machen, statt sie
zum Fleiße anzuhalten. Dafür gibt es kein anderes Mittel als
geduldiges Erwarten zunehmender Bildsamkeit. |
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Das Schlimmste ist endlich die Eilfertigkeit
der Jugend, die meistens nicht erwarten kann der Schulzucht
entnommen zu werden. Viele warten kaum die Konfirmation
ab, und doch werden sie dann erst fähig für den Realunterricht,
der Kindern nicht begreiflich gemacht werden kann. Diesem
Übel wäre abzuhelfen, wenn die Regirung den Künstlern,
Baumeistern, Kaufleuten, Apothekern und Ökonomen zur
Pflicht machte, nur solche Lehrlinge anzunehmen, welche das
Zeugniß der Reife von der Realschule mitbringen. |
(K. C. Schmieder.) |
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Bürgerstand |
Bürgerstand, hat verschiedene
Bedeutungen. In dem Verhältnisse, wo der Adel als der höchst
bevorrechtete, und der Bauernstand als der geringste Stand
betrachtet wurde, bildete sich der Bürgerstand als ein
Mittelstand aus, daher in Urkunden drei Stände: Edelleute,
Bürger und Bauern geschieden wurden 1), was
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⇧ Inhalt |
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- 1) Z. B. Urk. in Schultes coburg.
Landesgesch. S. 161.
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S. 371 Sp. 2 |
BÜRGER |
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im Mittelalter um so wichtiger wurde, als
für jede dieser Unterthanenklassen besondere
Beurtheilungsnormen und Gerichtsverhältnisse vorkamen, und
die Frage oft entstand, in wiefern jeder Stand selbständig
repräsentirt werden durfte. Auf diese Art gehörten alle
Personen, welche Mitglieder einer städtischen Corporation
oder eines Marktfleckens waren, zum Bürgerstande.♦ |
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Je mehr neue Ständeverhältnisse
entstanden, der Adel jedoch immer als ein geschlossener Stand
sich erhielt, und jeder Freie ein Interesse hatte, sich von dem
höchst gedrückten Bauernstande zu trennen, desto mehr
umfaßte der Bürgerstand als ein Mittelstand alle Personen,
welche nicht zum Adel oder Bauernstande nach ihrer Geburt
gehören, oder einem dieser Stände nachher einverleibt sind,
und in diesem Sinne haben auch neue Gesetze 2)
vom Bürgerstande gesprochen.♦ |
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In diesem Umfange gehören auch Beamte
und Geistliche zum Bürgerstande; um aber jedem
Mißverständnisse, das durch Ausdehnung entstehen könnte,
vorzubeugen, haben die Gesetze wieder den Begriff beengt,
und rechnen alle Personen, welche durch ihre Ämter, Würden
oder andere Privilegien von der Gerichtsbarkeit ihres
Wohnorts befreit sind, zu den Eximirten 3).♦ |
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Für die Unterscheidung in höhere (auch
vornehmere) Bürger und gemeine läßt sich anführen, daß
schon die Reichsgesetze 4) von gemeinen Bürgern im
Gegensatze der Kauf- und Gewerbsleute, und von Bürgern
fümehmen Herkommens sprachen, und mehre
Landesgesetze 5) selbst privat-rechtliche
Bestimmungen, z. B. Nothwendigkeit gerichtlicher
Protokollirung der Bürgschaften bei gemeinen schlechten
Bürgern, auf den Unterschied bauen, und auch neue Gesetze
von einem höheren Bürgerstande sprechen 6), obwol
gemeinrechtlich sich weder die Personen, die dazu gehören,
noch die auszeichnenden Vorrechte angeben lassen. So kann
man nach Gewohnheit 7) und Gesetzen zu den
höheren Bürgern die Graduirten, die landesherrlichen
Beamten, Gelehrte, Rathsglieder, Kaufleute, Künstler,
Unternehmer erheblicher Fabriken rechnen, obwol häufig
solche Rangbestimmungen nur in Bezug auf einzele
Verhältnisse 8) entstanden sind, und daher nicht
immer Ausdehnung leiden.
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(Mittermaier.) |
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- 2) Preuß. Landr. II. Th. Tit. 8. §. 1.
- 3) z. B. preuß. Landr. l. c. §. 3.
- 4)
Reichspolizeiordn. v. 1530. Tit. 11. und 13.
- 5) z. B.
baier. Landr. IV. Thl. cap. 10. §. 4.
- 6) Preuß. Landr. II. Th.
Tit. 1. §. 31.
- 7) z. B. Kreitmaier Anmerk. zum baier.
Landr. V. Thl. S. 1751.
- 8) z. B. in Preußen in Bezug
auf Eheverbote wegen Ungleichheit des Standes.
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