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Basel, die Stadt, liegt 47° 33' 36" nördl. Br., 25° 11, 33" d. L., 780' (nach Andern
809') über dem Meere, am Rhein, der sie in zwei ungleiche Hälften theilt. Diese heißen die mehre und
die mindere Stadt, auch Groß- und Klein-Basel und stehen seit 1226 durch eine mehre hundert Fuß
lange Brücke in Verbindung. Die Stadt hat Mauern, Wälle und Graben, sieben Thore, beträchtliche
öffentliche Plätze, einige sehr schöne Gebäude und zahlreiche Springbrunnen. Die Straßen sind in
Kleinbasel, so wie in den Vorstädten breit und regelmäßig, in Großbasel, wo die Birsig durchfließt,
krumm, enge, uneben. Man zählt überhaupt (im |
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BASEL |
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J. 1815) 2200 Gebäude, wovon 1930 bewohnt, 226 unbewohnt, 44 öffentliche.
Unter den letzten♦ |
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1) sieben Kirchen mit einer zahlreichen Geistlichkeit; in einer derselben wird der
Gottesdienst in französischer Sprache gehalten;♦ |
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2) das Münster (die Kathedralkirche) vom Kaiser Heinrich II. erbauet, ein sehr
schöner gothischer Tempel, worin die Grabmäler der Kaiserin Anna, Gemahlin Rudolphs von
Habsburg, des Erasmus, des Ökolampadius (Hausschein) und vieler anderer merkwürdiger
Personen 1);♦ |
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3) das Rathhaus mit Glasmalereien und altem Schnitzwerke;♦ |
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4) das Zeughaus;♦ |
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5) das Posthaus, wo in den Jahren 1806 und 1812 die helvetischen Tagsatzungen
sich versammelten.♦ |
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An öffentlichen Anstalten zeichnen sich aus♦ |
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a. Die Universität, gestiftet im J. 1459 vom Papst Pius II. (Aeneas Sylvius
Piccolomini), eingeweihet am 4. April 1460 mit den dazu gehörigen Instituten, als einem botanischen
Garten u. s. w. 2). Sie hat unter ihren Lehrern viele berühmte Männer
aufzuweisen 3). Eine neue Organisation steht ihr bevor.♦ |
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b. Die Universitäts-Bibliothek durch Ankäufe und Schenkungen bereichert, enthält
einen Schatz von Handschriften, unter andern eine Abschrift aller die große Kirchenversamlung
betreffenden Verhandlungen und eine ansehnliche Menge Originalbriefe von Erasmus, Ammerbach
und anderen Gelehrten aus den XV. und XVI. Jahrhunderten. Unter den zahlreichen alten Drucken ein
vollständiges Exemplar der ersten Ausgabe der Biblia pauperum mit 40 Holzschnitten und die vierte
Ausgabe von Erasmus Moria i. e. stultitia mit breitem Rande, auf welchem Hans Holbein alle die
Figuren mit der Feder gezeichnet hat 4).
Verbunden mit der eigentlichen Bibliothek sind Original-Gemälde und Zeichnungen von Holbein,
eine Münzsamlung, Alterthümer, größtentheils bei
Basel-Augst gefunden, und ein Naturalienkabinet, das eine vollständige Übersicht aller im Kanton Basel
entdeckten Versteinerungen gewährt.♦ |
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c. Ein 1817 errichtetes Pädagogium mit drei,♦ |
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d. ein Gymnasium mit sechs Klassen,♦ |
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e. eine Primarschule, nebst mehren Unterrichtsanstalten nach pestalozzischer
Methode,♦ |
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f. eine Missionsschule,♦ |
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g. ein Waisenhaus,♦ |
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h. ein Stadtspital,♦ |
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i. eine Münzstätte u. s. w.♦ |
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Außerdem mehre gelehrte und wohlthätige Vereine, als die landwirthschaftliche,
die physikalisch-medizinische Gesellschaft, die Gesellschaft zur Beförderung des Guten und
Gemeinnützigen, die Bibelgesellschaft, die Missionsgesellschaft, ein Künstlerverein.♦ |
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Alle besitzen ihren Zwecken angemessene Bibliotheken und Samlungen. In dieser
letzten Beziehung ist das Frey-Grynaische Institut, so wie das Museum der Familie Fäsch
bemerkenswerth. Hieran schließen sich mehre bedeutende Privat-, Bücher-, Naturalien- und
Kunstsamlungen, Leihbibliotheken, Kaffeehäuser, Bäder u. d. m. |
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Basel ist die größte Stadt in der Schweiz. Ihrem Umfang nach könte sie eine ihre
jetzige Bevölkerung um
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- 1) Joh. Toniolae Basilea sepulta retecta continuata. Basileae 1661 in 4.
- 2)
Küttner Briefe. I. S. 222.
- 3) Joh. Werner Herzog, Athenae Rauricae s. Catalogus proff. Academiae
Basileensis ab a. MCCCCLX. ad a. MDCCLXXVIII. cum brevi singulorum biographia. Basileae 1778.
8.
- 4) Ebert, bibl. Lexicon. Leipzig 1821. I. No. 6878 — 6879.
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BASEL |
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das Doppelte übersteigende Einwohnerzahl fassen, die im J. 1815 bis auf 16,200
gesunken war. Die Ursachen dieser Entvölkerung 5) sind in frühern Zeiten die Kriegszüge, die Pest,
die 1348 14,000 und 1564 7000 Menschen wegraffte, die häufigen Erdbeben, namentlich das im J.
1356 6), die Reformationsspaltungen, endlich der 1718 gefaßte Beschluß der Bürgerschaft, den
Fremden das Bürgerrecht zu verschließen, wodurch es sich erklärt, wie seit 1750 nicht weniger als 242
Geschlechter völlig ausgestorben und überhaupt seit 200 Jahren die Bürgerschaft weit unter die Hälfte
zusammengeschmolzen ist. Am 2. April 1816 ward durch ein Gesetz bestimt, daß das Bürgerrecht der
Stadt Basel für 1200 Franken von Schweizern und 1500 Franken von Ausländern gewonnen werden
könne, bis die Bürgerschaft wieder auf 10,000 Selen angewachsen seyn wird 7). |
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Die Lage von Basel ist so treflich, daß es trotz allen diesen Drangsalen schnell
wieder aufblühete. Es wird belebt als Sitz der Kanton- und Bezirksbehörden, so wie durch seinen
äußerst bedeutenden Wechsel-, Transito- und Warenhandel und die gewerbliche Industrie seiner
Einwohner. Man verfertigt seidene Bänder, seidene, baumwollene und wollene Stoffe; Bandstühle,
Kattundruckereien, große Bleichanstalten, Gerbereien, Färbereien, Lichtziehereien, Papiermühlen,
Eisenhammer u. s. w. sind die vorzüglichsten Fabriken. Die mehrsten dieser Werke
werden von dem zu diesem Behufe angelegten Birskanal getrieben.♦ |
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Die Banquiers, die Eisenwaren-, Wein-, Spezerei- und Tuchhandlungen, die
Güterversender u. s. w. machen ebenfalls ausgedehnte Geschäfte, zu deren Erleichterung
sechzehn Sensale (Mäckler) angestellt sind. Dazu kommen noch mehre Schriftgießereien, eine
Landkartendruckerei mit beweglichen Typen und ein lebhafter Buch- und Kunsthandel. Die oben
erwähnten Papierfabriken entstanden 1470 8), die Buchdruckereien haben von 1474 ab trefliche
Drucke geliefert und erinnern an die Verdienste der Hans Ammerbach, Hans Froben, Nikolaus
Bischof, Jakob Henriopetri, Johann Herwag, Oporin, Wilhelm Haas u. m. A.♦ |
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Dieser rege literarische Verkehr darf wol mit den zahllosen Gelehrten zugerechnet
werden, die Basel hervorgebracht hat und in deren Familien Gelehrsamkeit und Künstlertalente
gleichsam erblich sind, wie die Namen Ammerbach, Bernoulli, Burckhardt, Buxtorff, Euler,
Fäsch, Frey, Grynäus, Iselin, Merian, Stähelin, Wettstein, Zwinger u. s. w. es
beweisen.♦ |
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Unter den Künstlern glänzen Hans Holbein 9), Brandmüller, Handmann,
Huber, Keller, Lautherburg, v. Mechel, die Meriane, Thurneysen,
Samson 10), Werenfels
u. m. A.
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- 5) Isaak Iselin, freimüthige Gedanken über die Entvölkerung unserer
Vaterstadt. 2. Aufl. 1757. 8.
- 6) Joh. G. Grosse, Basler Erdbeben, so sich innerhalb
sechshundert Jahren in und um die Stadt und Landschaft Basel gezeigt haben. Basel. 1614. 4.
- 7) Usteri, Handbuch des schweizerischen Staatsrechts. 2. Ausg. Aarau 1821. S. 322.
- 8) Bridel,
Conservateur suisse. Tom. VIII. P. 304.
- 9) Hans Holbein geb. 1498 gest. 1554. Fragment aus einer
noch ungedruckten Biographie desselben im Helvetischen Almanach f. d. J. 1813, S. 89.
- 10) Kütt
{1} ners Briefe. I. S. 301, und Joh. Casp. Füßlis Geschichte der besten Künstler in der Schweiz.
Zürich 1769 — 1779. 5 Bde. 8.
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{1} Fußnote ergänzt von Sp. 2 |
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BASEL |
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Trotz den großen Reichthümern mancher Geschlechter, trotz der Nähe von
Frankreich und dem Umstande, daß Basel, wie es seine Lage mit sich bringt und Küttner es treffend
bezeichnet, eigentlich eine Ville de passage ist, noch viel Alterthümliches in den Sitten, deren von
Aeneas Sylvius, Piccolomini und Küttner a. a. O. gelieferte Schilderungen noch heutiges
Tages in den meisten Stücken passen. So noch jetzt eine beinahe holländische Reinlichkeit,
entschiedene Vorliebe für Familiencirkel, Musik, Tanz und die übrigen schönen Künste. Noch
fortwährend der Männer sogenante Kämmerli (geschlossene Gesellschaften), aber auf der andern Seite
ein sehr ausgebreiteter Hang zu religiöser Schwärmerei, eignen Secten, mystischen Vereinen. Daher
die zahlreichen Herrnhuther, die Theilnahme an den Bußübungen der Frau von Krüdener und an dem
Missionswesen. Diese Missionsanstalt hat erst 1820 das eingeweihete Missionshaus bezogen, worin
mit dem Missions-Seminar eine Präparanden-Klasse verbunden, auch die Spenerschen Collegia
biblica eingeführt sind. |
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Wo jetzt die Hauptkirche stehet, ein Platz, der die Burg oder Pfalz heißt, und in den
ältesten Briefen der Bischöfe in Castro genant wird, stand der Robur Valentiniani 11), eine
von den römischen Gränzfestungen. Um dieselbe bildete sich allmälig Basilia, die indessen erst nach
der Zerstörung von Augusta Rauracorum im fünften Jahrhundert, so wie nach der Verlegung des
raurachischen Bisthums dahin einige Bedeutsamkeit erlangte. Unter den Karolingern blühend, sank
Basel 917 unter den Überfällen der Hunnen tief herab.♦ |
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Im Mittelalter erhob es sich unter dem Schutze seiner Bischöfe und in langwierigen
Kämpfen mit dem nachbarlichen Adel zu einer festen Reichsstadt, so daß schon 1260 die Macht der
Bischöfe durch die Vorrechte der Bürger beschränkt ward. Im J. 1348 ertheilte ihr Kaiser Karl IV. die
Advokatur und 1373 verkaufte ihr der Bischof den 1149 von Kaiser und Reich erhaltenen
Münzschlag. Immer mehr machte sie sich von der geistlichen und weltlichen Oberherrschaft
unabhängig, und nachdem sie ihr Gebiet durch beträchtliche Ankäufe erweitert hatte, ward sie 1501
als Kanton in den Schweizerbund aufgenommen, dem sie im Grunde durch mancherlei Verbindungen
schon längst angehörte.♦ |
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Eilf Jahre später (1512) ertheilte ihr der Papst Julius II. das Recht, goldene und
silberne Münzen zu prägen 12). Die Abschaffung der Messe erzwang die Bürgerschaft mit
bewaffneter Hand, wodurch 1529 die Reformation eingeführt ward 13). Diese
Stadtbürgerschaft beherschte als Souverain den ganzen Kanton bis zum 19. Januar 1798, wo die alte
Statsverfas-
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- 11) Fr. Ludw. v. Haller, historische und topographische Darstellung von
Helvetien unter der römischen Herrschaft. 2. Aufl. Bern 1817. I. S. 312.
- 12) Joh. Rud. Iselin,
Observationes ad Julii II. Pontificis maximi Diploma de 1512, quo jus monetandi concessit
Basileensibus. 1743. in 4.
- 13) Ruchat Histoire de la reformation de la Suisse. I. p. 67. II. p. 348.
Kurze Geschichte der Reformation in Basel. Ein Beitrag zur dritten Säcularfeier von Jakob
Burckhardt, Obersthelfer. 2. Aufl. Basel 1818. 8.
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⇧ Inhalt |
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sung aufgehoben wurde. Den 24. Oktober desselben Jahres rückten die Franzosen
in die Stadt. |
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In Basel fand 1026 zwischen dem Kaiser Konrad aus dem salischen Geschlecht,
seinem Sohne Heinrich III., römischen Königs und Rudolph III., König von Kleinburgund, die
berühmte Zusammenkunft Statt, welche die Vereinigung Burgunds mit Teutschland zur Folge hatte.
Diesen hohen Fremden zu Ehren führt seit jener Zeit der in der Stadt am Rhein belegene bekante
Gasthof den Namen zu den drei Königen 14).♦ |
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1202 war Basel der Sammelplatz der französischen Kreuzfahrer, die auf ihrem
Zuge nach dem heiligen Lande Konstantinopel eroberten. Im J. 1376 hielt der Herzog Leopold von
Österreich zu Fastnachtszeiten hier ein Turnier, das aber gar schlecht ablief 15). Eben so
abenteuerlich war der Ritterkampf des Spaniers den Juan de Merlo auf dem Münsterplatze
1428 16). Von dem hier gehaltenen wichtigen Concilium handelt ein eigner Art.; wir führen
hier nur einen lit. Beitrag dazu an 17).♦ |
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Im J. 1795 schloß hier Frankreich mit Preußen am 5. April und am 22. Juli mit
Spanien den Frieden. In den J. 1813 und 1815 zogen die verbündeten Heere durch Basel nach
Frankreich 18). —
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(Graf Henkel von Donnersmarck.) |
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- 14) Bridel, Conservateur suisse. Tome VIII. p. 300.
- 15) Lettre sur les
anciens tournois de la Suisse in Etrennes helvetiennes. Lausanne 1791. — „Tolle Fastnacht" in Joh.
Groß kurze Baseler Chronik. Basel 1624. S. 52.
- 16) „Don Juan de Merlo à Bâle en 1428“ in
Bridel Conservateur suisse. Tome IV. p. 59.
- 17) „La manière comment le Pape Felix V. fust receu
en la ville de Basle, en l’an 1440,'' in Etrennes helvetiennes. 1805. p. 119.
- 18) Basel und seine
Umgebungen von M. Lutz. 2. Aufl. Basel 1814. 8. — Jo. Wern. Herzog, Adumbratio
Eruditorum Basiliensium meritis apud exteros olim hodieque celebrium. Basileae 1780. 8. —
M. Lutz, Chronik von Basel, oder die Hauptmomente der baslerischen Geschichte. Basel
1809. 8. — M. Lutz, Baslerisches Bürgerbuch. Basel 1819. 8. — Der Stadt Basel Statuta
und Gerichtsordnung. N. Aufl. Basel 1756. Fol. außer den in den Noten, so wie bei dem Artikel
Kanton Basel angeführten Werken. — Der Hauptmann Ryhiner hat 1799 einen sehr genauen
Grundriß der Stadt Basel herausgegeben.
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