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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-16-263-1
Erste Section > Sechzehnter Theil
Werk Bearb. ⇧ 16. Th.
Artikel: CHEMNITZ
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum 269 : 263
Siehe auch: HIS-Data Ch
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
Inhalt:
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Forts. S. 263 Sp. 2 CHEMNITZ,  
Amt 1) ein Amt im erzgebirgschen Kreise des Königreichs Sachsen. Es gränzt gegen Osten an die Ämter Wolkenstein und Augustusburg, nördlich und westlich an die schönburgischen Herrschaften, Penig, Waldenburg, Glauchau, und südlich an die Ämter Grünhain, Stollberg und Wolkenstein. Der Flächenraum beträgt, mit Ausschluß der seit 1783, in Ansehung der Justizadministration und Verwaltung, damit vereinigten Ämter Frankenberg und Sachsenburg, 2 ½ Quadratmeilen.♦  
  Die Oberfläche ist uneben, gebirgig, mit Wiesen und Ackerland und beträchtlichen Waldungen bedeckt. Die hiesigen Gebirge gehören zu den Ur- und Flötzgebirgen. Das Urgebirge besteht bloß aus Thonschiefer, der zuweilen dem Glimmerschiefer sich nähert, in welchem Lager von Urkalkstein, so wie von Alaunschiefer und Grünsteinschiefer sitzen. Das Flötzgebirge zieht sich, in einer Breite von ¾ bis l Meile, in der Richtung von Nordost nach Südwest zwischen dem Thonschiefergebirge durch und wird von letzterm auf beiden Seiten der Länge nach begränzt. Die Ausdehnung dieses aus Steinkohlengebirge bestehenden Flötzgebirges erstreckt sich von der Stadt Chemnitz aus gegen  
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  Nordost, mit Umgebung des bei Lichtenwalde hervorstehenden Urgebirges bis an die Zschopau bei Frankenberg, so wie bis Wiese, Flöhe und Plauen, gegen Südwesten aber zieht sich solches südlich bei Hohenstein vorbei über Lichtenstein bis Zwickau, und verbreitet sich von da gegen Norden u. Westen bis Glauchau, Merane und Crimmitzschau.♦  
  Übrigens findet man Thonstein, Porphyr, Sandstein mit Schieferthon und Steinkohlenflötzen, auch einzeln Bergkrystall, Agath, Chalcedon, Karneol und Holzversteinerungen. In den J. 1740 — 1752 fand man in der Umgegend von Chemnitz 5 ganz versteinerte Bäume in der Erde, wovon Theile in dem königl. Naturalien-Kabinet zu Dresden aufbewahrt werden. Auch komt beim Dorfe Hillersdorf, 1 St. nördl. von Chemnitz der sogenante Staarstein als Holzstein vor, welchen der sächsische Mineralog Werner für eine zu Holzstein versteinte Korallenart hielt. —♦  
  Der Chemnitzfluß, der aus der Vereinigung der Wurschnitz u. Zwönitz entsteht, theilt das Amt in 2 fast gleiche Theile und bewässert das Land mit den ansehnlichen Bächen, welche er aufnimt, sehr gut. —♦  
  Der Ackerbau ist in diesem Amte, in Verhältniß zum Klima nicht unbedeutend. Es gibt hier keine Wüstungen, jeder Platz wird bebauet. Die hiesige Landwirthschaft liefert Korn, Weizen, Gerste, Erbsen, Wicken, Hafer und viel Kartoffeln. Auch ist die Viehzucht, besonders die Schafzucht auf den Rittergütern, so wie der Flachsbau und die Fischerei von Bedeutung.—♦  
  Der Sitz des Amtes ist in der Stadt Chemnitz. Der Amtsbezirk besteht aus einer königl. Stadt (Chemnitz), 3 Vorwerken und 56 Dörfern, in welchen gegen 40,000 Einw. gezählt werden, wovon aber gegen 20,000 allein auf die Stadt Chemnitz kommen. Das Amt ist demnach eins der volkreichsten im Königreich Sachsen. Diese große Bevölkerung ist jedoch nur eine Folge des in diesen Gegenden herrschenden Gewerbfleißes, der seinen Vereinigungspunkt in der Stadt Cbemnitz findet. Überdieß treiben mehre Amtseinwohner Brett-, Latten-und Getreidehandel.  
   
Stadt Chemnitz, (Kemnitz, in den ältesten Urkunden Kempnitz, Kembnitz), 2) schrifts. Stadt im vorgenanten Amte u. Kreise des Königreichs Sachsen (50° 50' 1" n. Br. 35° 35' ö. L.), am Fuße des Obergebirges in einer weiten, ziemlich fruchtbaren Ebene, am Chemnitzfluß, mit welchem sich hier die Kappel-, Pleiß- u. Gablenzbach vereinigt, 8 Meilen südwestlich von Dresden und eben so weit südöstlich von Leipzig. Die Erhebung des Bodens über die Meeresfläche beträgt, nach Gersdorf, 915 paris. Fuß, nach neuern Barometer-Beobachtungen aber 963 Paris. Fuß. Das Klima ist hier milder als in den obern Gegenden des Erzgebirges, milder selbst als bei Freiberg u. Schneeberg, aber immer sehr verschieden von dem Klima von Dresden und Leipzig. Im Frühjahre und Herbst wird diese klimatische Abstufung am sichtbarsten und Blühte- und Erntezeit ist , in der Regel, in der Gegend um Chemnitz immer 14 Tage bis 3 Wochen später als im Elbthale.♦ ⇧ Inhalt 
  In commerzieller Hinsicht ist die Lage der Stadt ungemein vortheilhaft, da 2 Hauptstraßen, die Reichsstraße, aus dem südl. Teutschland und Baiern nach Dresden und Schlesien, und die Wiener oder Reizenhainer, von Wien und Prag nach Leipzig und der Niederelbe, die Stadt durchkreuzen und den Verkehr mit dem  
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  Auslande, so wie die kleinern Verbindungs- und Commerzialstraßen die Verbindung mit den sie umgebenden Manufaktur- und Fabrikstädten: Mittweide, Frankenberg, Öderan, Zschopau, Stollberg, Hohenstein u. s. w. sehr erleichtern.  
  Chemnitz ist eine der schönsten und volkreichsten Städte, die erste Fabrik- und die zweite Handelsstadt im Lande. Die innere Stadt wird in 4 Viertel getheilt, hat 5 Thore, 6 öffentliche Plätze, 12 Haupt- und 12 Querstraßen, und, mit Einschluß der geistlichen und öffentlichen Gebäude, 425 Häuser. Die 8 Vorstädte aber, wo sich in neuern Zeiten die Häuserzahl durch Anbaue sehr vermehrt hat, enthalten 45 Gassen mit 611 Häusern. Die sämtliche Anzahl der Häuser beträgt daher 1036 ohne 49 Scheuern. Darunter sind 13 Geistliche und Schulgebäude, 25 öffentliche und Commungebäude mit der Communbleiche und 3 Mühlen, Privathäuser werden 986 gezählt, und die Zahl der Einwohner beläuft sich jetzt auf 19 bis 20,000. Die Hauptstraßen sind breit und, bei der Betriebsamkeit der Einwohner, sehr lebhaft. In mehren Theilen der Stadt, so wie in den Vorstädten, findet man schöne und massive Gebäude und die großen Fabrikgebäude sind in ihren Umgebungen durch geschmackvolle Gartenanlagen verschönert. Unter den öffentlichen Gebäuden sind besonders bemerkenswerth: 6 Kirchen, darunter 1 kathol. Kapelle, die 4 Schulgebäude, das Rath-, Amt-, Zeug- und Gewandhaus.♦  
  Bis zum 30jährigen Kriege war Chemnitz eine bedeutende Festung und mit Graben, Mauer, 25 Mauerthürmen und festen Thoren umgeben. Im genanten Kriege aber hatten die Mauern große Zerstörungen erlitten und ob sie gleich nach demselben wieder hergestellt wurden, so verfielen sie doch nach und nach immer mehr, hatten auch für die neuere Kriegskunst nur geringen Werth. Vom J. 1768 an mußte ein Thurm nach dem andern, so wie verschiedene Basteien und Rondele abgetragen werden und seit 1806 sind mit landesherrlicher Genehmigung, Zwingerwall und Graben in freundliche Gärten und Alleen um die Stadt verwandelt worden. Von der ehemaligen Stadtfeste stehen jetzt nur noch die Mauern der Thore mit 3 Thürmen, und hemmen die freie Verbindung der Stadt mit den Vorstädten.♦  
  Für die öffentliche Ordnung und Reinlichkeit, für den großen Wasserbedarf der Fabriken, so wie für nächtliche Erleuchtung ist gut gesorgt. Auch finden Arme, Alte und Kranke in mehren wohlthätigen Anstalten und Stiftungen Pflege und Unterstützung.♦  
  Die öffentliche Verwaltung der Stadt führt mit Ausschluß der Amtsvorstadt, Nikolaigasse und Schloß Chemnitz, ein schriftsässiger, landtagsfähiger Stadtrath. In der Stadt befindet sich auch das königl,. Justiz- und Rentamt, ein königl. Postamt und ein Hauptgeleite. Der Sitz des Kreishauptmannes des erzgebirgschen Kreises, unter welchem die 4 Amtshauptleute, die Ämter dieses Kreises und die erzgebirgsche Kreisdeputation stehen, ist aber seit 1820 nach Reichenbrand bei Chemnitz verlegt worden. An der Hauptkirche ist ein Pastor, ein Archidiakonus und ein Diakonus angestellt. Der Pastor ist zugleich Superintendent der chemnitzer Diöces, zu welcher 6 Städte, 42 Landparochien, 13 Filiale mit 60 Predigern gehören.  
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  Zu den Unterrichtsanstalten gehören 1 Lyceum, 1 Knabenschule in den Vorstädten, 1 Mädchenschule in der Stadt und eine zum Andenken an die 50jährige Jubelfeier des Königs Friedrich August von Sachsen 1818 von Rath und Stadt gegründete Mädchenschule. Diese öffentlichen Lehranstalten sind jedoch für die zahlreiche Jugend des Orts keinesweges ausreichend und es ist zu erwarten, daß der Wunsch eine allgemeine Bürgerschule zu gründen, mit welcher in den obern Klassen eine technische Lehranstalt verbunden werden dürfte, in dieser so bedeutenden Fabrik- u. Handelsstadt bald in Erfüllung gehen wird. —♦  
  Auf dem Lyceum, das schon vor der Reformation als eine gelehrte Schule bestand, erhielt außer Andern, unter dem fleißigen Rektor Hager, der in Chemnitz geborne Philolog Heyne seine erste Bildung.  
  Außer den gewöhnlichen städtischen Gewerben, nebst Feldbau, Brauerei und dem Erwerb von den 2 sich hier durchkreuzenden Hauptstraßen, sind die Hauptnahrungszweige der Einwohner, vorzüglich Manufakturen, Fabriken und Handel.  
  Das Weberhandwerk beschäftigte sich früher hauptsächlich mit Linnenwebereien, seit Einführung der Kattonate im J. 1725 und der Kattunweberei 1753 aber fast allein mit der Baumwollweberei. Es bildet eine seit dem 15. Jahrh. bestätigte Innung, zu welcher im J. 1820, 1334 Meister, 115 Meisterswitwen, 830 Gesellen und 94 Lehrlinge gehörten. Sie arbeiteten im gedachten Jahre auf 2110 Stühlen und lieferten 52,090 Stücke (früher weit mehr) Waren, die theils in Kattunen, Buntwaren, Tüchergattungen, Pikés, Barchent, Kattonaten, Wallis, Kannefas und feinen weißen Waren bestanden.♦  
  Fast von gleicher Wichtigkeit sind die hier bestehenden Manufakturen in baumwollenen Strümpfen und Strumpfartikeln. Das Strumpfwirkerhandwerk besteht als Innung seit dem J. 1765; der Meister, von welchen die meisten auf dem Lande wohnen, waren im J. 1822. 1538. Diese hielten 630 Gesellen und 346 Lehrlinge, wovon aber nur 42 Meister mit 6 Gesellen in der Stadt wohnen. Sie liefern ordinäre, mittelfeine und ganz feine, den seidenen gleichende baumwollene Strümpfe (800,000 Paar), Mützen, Handschuh, bunt gewirkte Westen, Petinet, seit 1817 auch Spitzen und Spitzengrund in der größten Feinheit und Schönheit. Diese letztern Artikel, so wie überhaupt alle feinere Arbeiten seidner und halbseidner Strumpfwirkerei werden vorzüglich in dem Marktflecken Limbach bei Chemnitz gefertigt, wo das Handwerk auch seine eigene Innung und Lade hat. —♦  
  Die Tuch- und Wollenmanufaktur ist hier nicht mehr so wichtig als früher, sie ist durch die Baumwollenweberei verdrängt worden. Im J. 1608 zählte man hier 244 Meister mit 100 Gesellen. Jetzt sind nur 17 Meister und darunter nur 4, welche die Profession wirklich betreiben.— ♦  
  Die Fabrikation gedruckter baumwollner Waren begann hier nach dem 7jährigen Kriege. Ein geborner Hamburger, Schlüssel, führte den Kattundruck hier in den J. 1768 bis 1770 ein, und bald entstanden mehre Druckereien; sie haben aber erst in neuern Zeiten und besonders in den letztverflossenen 20 Jahren die gegenwärtige Vollkommenheit erlangt. Im J. 1780 wurde nur auf 40 Tischen gedruckt; 1820 aber be-  
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  schäftigten 13 Kattundruckereien 1065 Personen, und die Anzahl der hier gedruckten Kattune betrug 44,850 Stück, wovon 20,245 Stück hier, 24,605 Stück aber von Webern außerhalb Chemnitz geliefert wurden. Das Streben dieser Fabriken, sich die neuesten Fortschritte der Fabrikation eigen zu machen, ist überall sichtbar. Die Einführung der Dampfapparate zum Färben und Bleichen, der Warenmandeln mit metallenen und papiernen Walzen, die Apparate zum Kupferdrucken, vom Wasser oder durch Dampfmaschinen betrieben, die Vorrichtung zur Dampfbleichung u. Gasbeleuchtung in den Druck- u. Spinnmaschinen u. s. w., besonders aber die Erbauung mehrer Baumwollspinnmaschinen zeigen das rege Streben dieses Orts, um mit den Produktionen des Auslandes nicht nur gleichen Schritt zu halten, sondern sie auch bei niedrigen Preisen, durch treffliche Muster und Güte der Waren zu übertreffen.  
  In und um die Stadt gibt es einige 40 größere und kleinere Spinnmühlen, die theils durch Wasser, theils durch Dampfmaschinen, oder Pferde in Bewegung gesetzt werden und gegen 1 Million Pfund Garn liefern. Die ganze Umgebung der Stadt ist, fast von allen Seiten, mit großen und schönen Fabrikgebäuden geziert. In den Orten Harthau bei Chemnitz, Furth, Flöhe, Erfenschlag, Schönau, Einsiedel, Dittersdorf, Weißbach, in Wolkenburg, Mühlau bei Penig, in Burgstädt u. Mittweide haben die thätigen Inhaber der hiesigen Fabriken Spinnmühlen. Die größte, vom Wasser betriebene Baumwollspinnerei dieser Gegend, ist die in dem Dorfe Harthau bei Chemnitz. Es gehören dazu 3 Hauptgebäude und einige kleine zur Eisen- u. Holzdreherei und Schmiede. Sie hat 2 Wollschlagmaschinen, 89 Krempel-, 35 Vorarbeit- u. 95 Feinspinnmaschinen, liefert wöchentlich auf 19,060 Spindeln zwischen 3 bis 4000 Pfund Garn und beschäftigt gegen 400 Menschen. Überdieß befinden sich im untern Fabrikgebäude noch 45 Watermaschinen mit 4480 Spindeln. Das in diesen Fabriken gelieferte Garn ist dem englischen gleich, ja es ist im Ganzen besser und egaler sortirt, auch reiner als manche englische Sorten.♦  
  Einer der neuesten Zweige der hiesigen Industrie ist die Flachsmaschinenspinnerei, womit im J. 1822 auf 2 Maschinen mit mehren 1000 Spindeln bereits ein glücklicher Anfang gemacht worden ist. Von den, ehemals zur hiesigen Linnenmanufaktur gehörigen Weißbleichen sind jetzt, bei den veränderten Bleichmethoden, nur noch 2 Kommunbleichen und 5 bis 6 Privatbleichen gangbar.  
  Zu dem hiesigen Manufaktur- u. Fabrikwesen gehören auch die seit Anfange des jetzigen Jahrhunderts entstandenen Rothgarnfärbereien (türkisch Garn), wovon jetzt 3 bestehen. Die erste und größte gründete im J. 1800 ein aus Elberfeld hieher gekommener Rothfärber, Gehrenbeck. Sie werden mit Dampfapparaten betrieben. Alle 3 zusammen beschäftigen 70 bis 80 Menschen. Diese 3 Färbereien bringen der Stadt und dem Lande einen entschiedenen Nutzen. Ehemals führte man bei einem weit geringern Bedarf für mehr als 200,000 Thlr. türkische Garne ein, jetzt braucht man davon nicht für 10,000 Thlr., und das Spinnerlohn bleibt im Lande; auch kann nun jeder Fabrikant sein eigenes Garn,  
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  nach der Feinheit- und Güte, wie er es gerade bedarf, färben lassen.  
  Der Vertrieb dieser Fabrikate wird durch 10 Manufaktur- und 8 Fabrikhandlungen befördert, welche die Leipziger, Braunschweiger und Frankfurter Messen beziehen. Hiezu kommen noch 6 handeltreibende Webermeister in bunten Waren eigener Fabrik, welche ebenfalls die Leipziger und Naumburger Messen, auch mehre Märkte im Lande besuchen.—♦  
  Den Bedarf an westindischer und südamerikanischer Baumwolle liefern 11 Baumwollhandlungen, worunter 3 griechische sind. Übrigens sind hier noch 30 Garn-, 36 Material-, Farbenwaren- u. Tabakhandlungen, 6 Ausschnittwarenhandlungen, viel Maschinenbauer und Krempelsetzer, auch 2 Apotheken und 2 Buchhandlungen, wovon eine Kunsthandel treibt und eine Musikalien-Leihanstalt unterhält; mit der 2ten ist eine Buchdruckerei- und Wochenblattsexpedition verbunden.  
  Für gesellschaftliche Unterhaltungen bestehen hier 3 geschlossene Gesellschaften unter den Namen Casino, Harmonie und Erholung. Die ersten beiden besitzen eigene, trefflich eingerichtete Gesellschaftshäuser. Auch ist seit dem J. 1806 ein eigenes Theater erbauet worden.  
  Chemnitz ist wendischen Ursprungs. Die ersten Anbaue der Stadt geschahen nach Besiegung der Wenden unter Kaiser Otto I. im 10. Jahrh. durch Gründung eines Wallfahrtsorts. Die ältern Nachrichten versichern, daß 939 ein Kirchlein zur Verehrung eines wunderthätigen Marienbildes hier entstanden, das großen Zulauf erregt habe. Unter Kaiser Otto III. erhielt 994 dieser Wallfahrtsort Marktgerechtigkeit, und da sich mehre teutsche Kolonisten hier Ländereien ankauften und die Freien unter den christlich gewordenen Wenden (die in den Urkunden auch Mannen heißen) sich hier wohnhaft machten: so erhob sich der Ort allmälig zu einem kaiserlichen Kolonieort, der jedoch im 11. Jahrh. noch sehr unbedeutend blieb.♦  
  Erst Kaiser Lothar II. beförderte das Emporkommen dieser wendischen Kolonie. Er gab dem Orte die ersten städtischen Verfassungen, eigene Gerichtsbarkeit und eigenen Stadtrath, er erweiterte sie, ließ sie, 4505 Ellen im Umkreis, mit einer Stadtmauer umgeben, und machte sie im J. 1125 zur Reichsdomänenstadt, die jedoch den kaiserlichen Schirm- und Landvogten unterworfen blieb. Im J. 1308 wählte die Bürgerschaft von Chemnitz den Markgrafen von Meißen, Friedrich den Gebissenen, zu ihrem Schutzherrn und leistete ihm im J. 1312 die Huldigung, nachdem der Kaiser Heinrich von Luxenburg das Pleißnerland, wozu nun Chemnitz gehörte, pfandweise dem Markgrafen Friedrich überlassen hatte. Erst im J. 1320 aber wurde Friedrichs Sohn und Nachfolger, Friedrich der Ernste, im Besitze dieses Landes vom Kaiser Ludwig dem Baier bestätigt und seitdem ist Chemnitz bei dem Markgrafthum und nachmaligen Herzogthum, Kurfürstenthum und Königreich Sachsen unverändert geblieben.♦  
  Unter dem Markgrafen Wilhelm I. wurde die Stadt noch mehr durch Zwingmauern und 4 gemauerte Thore befestiget. Die 25 Thürme sind aber später, und nach und nach über die Thore und in die Hauptmauer gebauet worden. In dieser Periode, unter Markgrafen Wilhelm I., sind auch die ersten Anfänge der Linnenwebermanufaktur zu suchen, nachdem die in  
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  Teutschland noch seltenen Leinewandbleichen in der Mitte des 14. Jahrh. hier entstanden waren. —♦  
  Im J. 1389 brante die Stadt bis auf einen geringen Theil ab, sie erstand aber schnell und besser gebaut aus dem Schutte und vergrößerte sich durch Vorstädte. Die Linnenmanufaktur und die Leinwandbleicherei hatten den glücklichsten Fortgang und wurden durch landesherrliche Privilegien unterstützt. Im Hussitenkriege litt die Stadt viel. Die Hussiten brantem im J. 1429 die Vorstädte nieder und im Bruderkriege des Kurfürsten Friedrichs II. mit seinem Bruder Herzog Wilhelm III eroberte der Letztere, mit Hilfe der Hussiten die Stadt, wobei sie geplündert wurde, und zum Theil in Feuer aufging; aber sie erholte sich auch da bald wieder und befand sich mit dem Ende des 15. Jahrh. in einem ziemlichen Wohlstande. Der Gewerbfleiß vermehrte sich; es entstand die Tuchweberei und Färberei und selbst das Äußere der Stadt verbesserte sich seit dem J. 1463 durch neue Baue. Das Schulhaus, der Rathhausthurm, 1486 die Nikolaiklrche, das Rathhaus, 1498 das Zeug- u. Gewandhaus u. s. w. wurden neu oder besser gebauet.  
  Zur Zeit der Kirchenverbesserung, die hier bei allen Hindernissen, bald Eingang fand, litt die Stadt von Neuem durch den schmalkaldischen Bundeskrieg; aber sie gewann an Gewerbflor, Wohlstand, Häuser- u. Menschenzahl ungemein unter August I. Regirung. Die Vorstädte vergrößerten sich und man zählte im J. 1532 schon 320 Linnen- u. Barchentweber, ohne die Gesellen. Neue Feuersbrünste 1617 u. 1631 brachten indeß die Stadt abermals zurück, besonders aber schadete der 30jährige Krieg dem Wohlstand, dem aufblühenden Handel und Gewerbfleiß auf ein Jahrh.♦  
  Nur sehr langsam konte sich die verödete und fast menschenleere Stadt von ihrem tiefen Verfall erheben. Kurfürst Johann Georg II. beförderte zwar nach seinem Regirungsantritt im J. 1657 den Ausbau möglichst; allein selbst zu Ende dieses 17. Jahrh. und 50 Jahr nach geendigtem Kriege lagen noch 350 Häuserstätten wüste. Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhund. regte sich neues Leben in den verschiedenen Gewerbzweigen. Die Strumpfwirkerei in Baumwolle wurde gestiftet. Die Zeug- u. Leinweber betrieben Baumwollweberei in Kattun, Kattonaten, Kannefas und bunten Waren. Die Bleichen wurden vermehrt. Dieses neue Aufblühen der Manufakturen, die durch Landesregirung und durch die, unter Friedrich August Kurfürst und König von Polen im J. 1735 errichtete Landesökonomie-, Manufaktur- u. Kommerciendeputation besonders möglichst unterstützt wurden, beförderte auch das Ausbauen der wüsten Stellen in den J. 1728 —1740. Die Anzahl der Webermeister war im J. 1730 wieder bis auf 330 Meister mit 400 Gesellen gestiegen.♦  
  Viel mußte aber Chemnitz wieder in dem Kriege leiden, in welchen Kurfürst Friedrich August I. durch die Annahme der polnischen Krone mit Schweden verwickelt wurde, und noch viel härter wurde es im 7jährigen Kriege gedrängt. Indessen wirkten doch beide Kriege bei weitem nicht so zerstörend auf Handel und Gewerbe, wie dieß der 30jährige Krieg gethan hatte; ja bald noch dem Kriege und der überstandenen Theurung und Hungersnoth 1770 u. 1771 zeigten sich den industriösen Manufakturisten neue  
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  Erwerbsquellen in der Einführung des Kattundrucks (1770), in den nachgemachten englischen, weißen und bunten Pikés, Peruviennes und vielen andern neuen Buntwaren (1774, so wie in der, seit 1776 vervollkomneten Strumpfweberei. —♦  
  Thätig wurde dieser Gewerbfleiß durch landesherrliche Unterstützung befördert, und so wetteiferten von dieser Zeit an die hiesigen Manufakturen und Fabriken mit den besten des Auslandes. Die Folgen dieses blühenden Gewerbbetriebs waren ein größerer Wohlstand, die vermehrte Einwohnerzahl, und die Erweiterung der Stadt seit 1795 durch den Anbau einer neuen Vorstadt am Anger. Nach dem J. 1791 fing man nun auch an, Baumwoll-, Krempel- u. Baumwollspinnmaschinen, die 20 bis 30 Faden spannen, und mit der Hand getrieben wurden, zu bauen, und sie gewährten den Vortheil, daß sie bei dem größeren Warenbedarf einige Garnsorten schneller lieferten, als die bisherige Handspinnerei.♦  
  In England hatte man aber die Garnspinnerei mehr vervollkomnet. Die dort erbauten großen Maschinen, getrieben vom Wasser oder Dampf, lieferten feinere oder wohlfeilere Garne. Es kam daher nun darauf an, auch diese Vortheile der englischen Garnfabrikation für die hiesigen Manufakturen zu benutzen, und dieß geschah im J. 1800, wo die erste große Spinnmühle am Chemnitzflusse von dem Handlungshause Wöhler und Lange, durch den engl. Mechaniker Whitefield erbauet wurde. Ihr folgten bald mehre. —♦  
  Nun beförderte Napoleons Verbot der engl. Waren im J. 1806 den hiesigen Warenvertrieb, hinderte aber zugleich auch den Eingang englischer Garne, und nöthigte dadurch den hiesigen Kunstfleiß, den Mangel durch eigene Garnfabrikation zu ersetzen. Es gelang den hiesigen Mechanikern durch fleißige Versuche, den Maschinenbau zu einem eigenen Gewerbzweig zu machen; und nun entstanden seit 1808 in der Stadt und Umgegend bald mehre größere und kleinere Spinnmaschinen, die theils vom Wasser, theils durch Dampfmaschinen oder Pferde in Umtrieb gesetzt wurden.♦  
  Zwar litt in den letzten Kriegsjahren besonders 1813 die Stadt wiederum viel, und im J. 1815 lähmte, in Folge des aufgehobenen Continentalsystems die große Menge von Baumwollwaren und Garnen, womit die englischen Fabriken ganz Teutschland zu den niedrigsten Preisen überhäuften, die Thätigkeit der hiesigen Manufakturen und Fabriken; allein schon im J. 1818 regte sich neue Gewerbthätigkeit, und war auch die Menge der Waren gegen 1810 fast um die Hälfte verringert; so hatten sich doch seit 1820 die Gewerbe und Handelszweige im Einzelen vermehrt und vermannichfacht und verschiedene neue gesellige und Kulturanstalten, Verbesserungen und gemeinnützige Unternehmungen gaben Zeichen des wieder verbesserten Wohlstandes *).  
   
Schloß Chemnitz, 3) Schloß, ½ Stunde nördlich von der Stadt Chemnitz, an der leipziger Straße, auf einem mäßigen Berge, an dessen Fuße sich ein großer Teich befindet. Ehemals stand hier ein Benediktinerkloster (Johannis- oder Bergkloster), das Kaiser Lothar II und seine Gemalin Richenza 1127 stiftete. Das Nähere der
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  • *) Die beste und neueste Topographie von Chemnitz ist: Chemnitz, wie es war und wie es ist. Ortsbeschreibung und geschichtlicher Abriß der Stadt von Kretzschmar 1822.
 
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  Stiftung ist nicht darzuthun, da die Confirmationsurkunden des Papstes und der Kaiser mit allen das Kloster betreffenden Urkunden, wahrscheinlich im 30jährigen Kriege, wo bei den Belagerungen von Chemnitz das Hauptquartier auf dem Schlosse sich befand, vernichtet worden sind. Eine Schilderung dieses Klosters, wie es um das J. 1490 gestanden hat, gibt der damalige Rektor der chemnitzer Schule Paulus Niavis in seinen 1494 im Druck erschienenen Idioma oder lateinischen Gesprächen (locutiones) —♦  
  Die jetzt noch vorhandene Klosterkirche ist an die Stelle der alten erst im J. 1514 unter dem Abt Heinrich von Schleinitz zu bauen angefangen und 1525, unter dem letzten Abt Hilarius Wagner von Rehberg, vollendet worden. Sie ist regelmäßig von Quadern aus einem nahen, zum Kloster gehörigen Steinbruche im Küchenwalde aufgeführt, und der Eingang der runden, niedrigen, klostermäßigen Thüre ist mit einem hohen, nun 300jährigen Bildnerwerk im feinsten Sandstein verziert, in welchem Kenner die alterthümliche Kunst des Meißels nicht vermissen werden. In der Kirche selbst befindet sich noch ein anderes Kunstwerk von Bildschnitzerei, die Geißelung Christi, mit den 4 Schergen in lebensgroßen Figuren, aus einem einzigen Eichenstamme gearbeitet. —♦  
  Nach Einführung der Reformation wurde 1540 das Kloster aufgelöset. Die Kirche wurde geschlossen, im J. 1668 aber auf Befehl Johann Georgs II. zum evangelischen Gottesdienst wieder eröffnet. Seit dem J. 1820 wurde aber, vermöge eines Rescripts vom Kirchenrathe in Dresden, diese Kirche auch der katholischen Gemeinde in Chemnitz zum gemeinschaftlichen Gebrauch bewilliget und 1821 der erste katholische Gottesdienst darin gehalten. — ♦  
  Zur Zeit seines größten Flors im 15. Jahrh. besaß das Kloster, außer mehren andern Lehnrechten, Zehnten und einzelen Grundstücken, gegen 30 Dörfer. Der Kaiser Lothar bewilligte ihm auch 1143 einen öffentlichen Markt und das Regale aller etwa zu entdeckenden Silberadern und Salzquellen. Im J. 1548 wurde es, auf Befehl des Kurfürsten Moritz, zum kurfürstlichen Haus und Landschloß eingerichtet, nachdem mehre Dörfer davon verkauft, andere zu kurfürstl. Kammergütern gemacht, und die übrigen zum Amte Chemnitz, das hier seinen Sitz erhielt, geschlagen worden waren. Im 30jährigen Kriege litt es aber so sehr, daß das Amt 1668 in die Stadt verlegt werden mußte und im J. 1701 wurde das Klostervorwerk, nebst den dazu gehörigen Feldern, Wiesen u. s. w. als schriftsässiges Schloßvorwerk davon verkauft.♦  
  Jetzt ist von dem ehemaligen Kloster nichts übrig als die Kirche mit den Gebäuden des Abthofes in veränderter Gestalt, und seit 1816 ist ein Theil der Gebäude zur hiesigen königlichen Salzniederlage eingerichtet worden. Die übrigen Ruinen sind weggeräumt, die Plätze geebnet, mit Bäumen bepflanzt und zu einem Erholungsgarten für die Stadtbewohner eingerichtet worden, der fleißig besucht wird, da man von hier aus die herrlichste Aussicht auf die Stadt und ganze Umgegend hat.  
   
Fluss Chemnitz, 4) ein Fluß. Er fließt von Süden gegen Norden zwischen dem Nikolaithore und der Nikolaivorstadt, bei der Stadt Chemnitz vorüber, entsteht aus der Vereinigung der Zwönitz mit der Wurschnitz unter- ⇧ Inhalt 
S. 268 Sp. 1 CHEMNITZ  
  halb Harthau und fällt unterhalb Göhren in die zwickauer Mulde. Die Zwönitz, als die Hauptquelle der Chemnitz, entspringt südlich von Zwönitz und nimt mehre Bäche, als den gelenauer Bach, die Wilzsch, die Harle auf. In die Chemnitz fließen die Kappel, Gablenz, Pleiße und Bernsbach. Bei der Stadt Chemnitz treibt der Chemnitzfluß mehre Mühlenwerke durch abgetheilte Mühlgraben. Die Kappelbach fällt am Katzberge in die Chemnitz, treibt ebenfalls mehre Mühlwerke und dem Wasser dieses Baches schreibt man vorzüglich die Vorzüge der hiesigen Bleichen zu.
   
Böhmisch-Chemnitz Chemnitz, Böhmisch-Chemnitz, s. Kamnitz.  
   
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Stand: 13. März 2018 © Hans-Walter Pries