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Forts. S. 263 Sp. 2 |
CHEMNITZ,♦ |
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Amt |
1) ein Amt im erzgebirgschen Kreise des
Königreichs Sachsen. Es gränzt gegen Osten an die Ämter
Wolkenstein und Augustusburg, nördlich und westlich an die
schönburgischen Herrschaften, Penig, Waldenburg, Glauchau,
und südlich an die Ämter Grünhain, Stollberg und
Wolkenstein. Der Flächenraum beträgt, mit Ausschluß der seit
1783, in Ansehung der Justizadministration und Verwaltung,
damit vereinigten Ämter Frankenberg und Sachsenburg, 2
½ Quadratmeilen.♦ |
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Die Oberfläche ist uneben, gebirgig, mit
Wiesen und Ackerland und beträchtlichen Waldungen
bedeckt. Die hiesigen Gebirge gehören zu den Ur- und
Flötzgebirgen. Das Urgebirge besteht bloß aus Thonschiefer,
der zuweilen dem Glimmerschiefer sich nähert, in welchem
Lager von Urkalkstein, so wie von Alaunschiefer und
Grünsteinschiefer sitzen. Das Flötzgebirge zieht sich, in einer
Breite von ¾ bis l Meile, in der Richtung von Nordost
nach Südwest zwischen dem Thonschiefergebirge durch und
wird von letzterm auf beiden Seiten der Länge nach begränzt.
Die Ausdehnung dieses aus Steinkohlengebirge bestehenden
Flötzgebirges erstreckt sich von der Stadt Chemnitz aus
gegen |
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S. 264 Sp. 1 |
CHEMNITZ |
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Nordost, mit Umgebung des bei
Lichtenwalde hervorstehenden Urgebirges bis an die Zschopau
bei Frankenberg, so wie bis Wiese, Flöhe und Plauen, gegen
Südwesten aber zieht sich solches südlich bei Hohenstein
vorbei über Lichtenstein bis Zwickau, und verbreitet sich von
da gegen Norden u. Westen bis Glauchau, Merane und
Crimmitzschau.♦ |
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Übrigens findet man Thonstein, Porphyr,
Sandstein mit Schieferthon und Steinkohlenflötzen, auch
einzeln Bergkrystall, Agath, Chalcedon, Karneol und
Holzversteinerungen. In den J. 1740 — 1752 fand man in der
Umgegend von Chemnitz 5 ganz versteinerte Bäume in der
Erde, wovon Theile in dem königl. Naturalien-Kabinet zu
Dresden aufbewahrt werden. Auch komt beim Dorfe
Hillersdorf, 1 St. nördl. von Chemnitz der sogenante Staarstein
als Holzstein vor, welchen der sächsische Mineralog Werner
für eine zu Holzstein versteinte Korallenart hielt. —♦ |
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Der Chemnitzfluß, der aus der Vereinigung
der Wurschnitz u. Zwönitz entsteht, theilt das Amt in 2 fast
gleiche Theile und bewässert das Land mit den ansehnlichen
Bächen, welche er aufnimt, sehr gut. —♦ |
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Der Ackerbau ist in diesem Amte, in
Verhältniß zum Klima nicht unbedeutend. Es gibt hier keine
Wüstungen, jeder Platz wird bebauet. Die hiesige
Landwirthschaft liefert Korn, Weizen, Gerste, Erbsen,
Wicken, Hafer und viel Kartoffeln. Auch ist die Viehzucht,
besonders die Schafzucht auf den Rittergütern, so wie der
Flachsbau und die Fischerei von Bedeutung.—♦ |
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Der Sitz des Amtes ist in der Stadt
Chemnitz. Der Amtsbezirk besteht aus einer königl. Stadt
(Chemnitz), 3 Vorwerken und 56 Dörfern, in welchen gegen
40,000 Einw. gezählt werden, wovon aber gegen 20,000 allein
auf die Stadt Chemnitz kommen. Das Amt ist demnach eins
der volkreichsten im Königreich Sachsen. Diese große
Bevölkerung ist jedoch nur eine Folge des in diesen Gegenden
herrschenden Gewerbfleißes, der seinen Vereinigungspunkt in
der Stadt Cbemnitz findet. Überdieß treiben mehre
Amtseinwohner Brett-, Latten-und Getreidehandel. |
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Stadt |
Chemnitz, (Kemnitz, in den ältesten
Urkunden Kempnitz, Kembnitz), 2) schrifts. Stadt im
vorgenanten Amte u. Kreise des Königreichs Sachsen (50° 50'
1" n. Br. 35° 35' ö. L.), am Fuße des Obergebirges in einer
weiten, ziemlich fruchtbaren Ebene, am Chemnitzfluß, mit
welchem sich hier die Kappel-, Pleiß- u. Gablenzbach
vereinigt, 8 Meilen südwestlich von Dresden und eben so weit
südöstlich von Leipzig. Die Erhebung des Bodens über die
Meeresfläche beträgt, nach Gersdorf, 915 paris. Fuß, nach
neuern Barometer-Beobachtungen aber 963 Paris. Fuß. Das
Klima ist hier milder als in den obern Gegenden des
Erzgebirges, milder selbst als bei Freiberg u. Schneeberg, aber
immer sehr verschieden von dem Klima von Dresden und
Leipzig. Im Frühjahre und Herbst wird diese klimatische
Abstufung am sichtbarsten und Blühte- und Erntezeit ist , in
der Regel, in der Gegend um Chemnitz immer 14 Tage bis 3
Wochen später als im Elbthale.♦ |
⇧ Inhalt |
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In commerzieller Hinsicht ist die Lage der
Stadt ungemein vortheilhaft, da 2 Hauptstraßen, die
Reichsstraße, aus dem südl. Teutschland und Baiern nach
Dresden und Schlesien, und die Wiener oder Reizenhainer,
von Wien und Prag nach Leipzig und der Niederelbe, die Stadt
durchkreuzen und den Verkehr mit dem |
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CHEMNITZ |
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Auslande, so wie die kleinern
Verbindungs- und Commerzialstraßen die Verbindung mit den
sie umgebenden Manufaktur- und Fabrikstädten: Mittweide,
Frankenberg, Öderan, Zschopau, Stollberg, Hohenstein
u. s. w. sehr erleichtern. |
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Chemnitz ist eine der schönsten und
volkreichsten Städte, die erste Fabrik- und die zweite
Handelsstadt im Lande. Die innere Stadt wird in 4 Viertel
getheilt, hat 5 Thore, 6 öffentliche Plätze, 12 Haupt- und 12
Querstraßen, und, mit Einschluß der geistlichen und
öffentlichen Gebäude, 425 Häuser. Die 8 Vorstädte aber, wo
sich in neuern Zeiten die Häuserzahl durch Anbaue sehr
vermehrt hat, enthalten 45 Gassen mit 611 Häusern. Die
sämtliche Anzahl der Häuser beträgt daher 1036 ohne 49
Scheuern. Darunter sind 13 Geistliche und Schulgebäude, 25
öffentliche und Commungebäude mit der Communbleiche und
3 Mühlen, Privathäuser werden 986 gezählt, und die Zahl der
Einwohner beläuft sich jetzt auf 19 bis 20,000. Die
Hauptstraßen sind breit und, bei der Betriebsamkeit der
Einwohner, sehr lebhaft. In mehren Theilen der Stadt, so wie
in den Vorstädten, findet man schöne und massive Gebäude
und die großen Fabrikgebäude sind in ihren Umgebungen
durch geschmackvolle Gartenanlagen verschönert. Unter den
öffentlichen Gebäuden sind besonders bemerkenswerth: 6
Kirchen, darunter 1 kathol. Kapelle, die 4 Schulgebäude, das
Rath-, Amt-, Zeug- und Gewandhaus.♦ |
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Bis zum 30jährigen Kriege war Chemnitz
eine bedeutende Festung und mit Graben, Mauer, 25
Mauerthürmen und festen Thoren umgeben. Im genanten
Kriege aber hatten die Mauern große Zerstörungen erlitten und
ob sie gleich nach demselben wieder hergestellt wurden, so
verfielen sie doch nach und nach immer mehr, hatten auch für
die neuere Kriegskunst nur geringen Werth. Vom J. 1768 an
mußte ein Thurm nach dem andern, so wie verschiedene
Basteien und Rondele abgetragen werden und seit 1806 sind
mit landesherrlicher Genehmigung, Zwingerwall und Graben
in freundliche Gärten und Alleen um die Stadt verwandelt
worden. Von der ehemaligen Stadtfeste stehen jetzt nur noch
die Mauern der Thore mit 3 Thürmen, und hemmen die freie
Verbindung der Stadt mit den Vorstädten.♦ |
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Für die öffentliche Ordnung und
Reinlichkeit, für den großen Wasserbedarf der Fabriken, so
wie für nächtliche Erleuchtung ist gut gesorgt. Auch finden
Arme, Alte und Kranke in mehren wohlthätigen Anstalten und
Stiftungen Pflege und Unterstützung.♦ |
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Die öffentliche Verwaltung der Stadt führt
mit Ausschluß der Amtsvorstadt, Nikolaigasse und Schloß
Chemnitz, ein schriftsässiger, landtagsfähiger Stadtrath. In der
Stadt befindet sich auch das königl,. Justiz- und Rentamt, ein
königl. Postamt und ein Hauptgeleite. Der Sitz des
Kreishauptmannes des erzgebirgschen Kreises, unter welchem
die 4 Amtshauptleute, die Ämter dieses Kreises und die
erzgebirgsche Kreisdeputation stehen, ist aber seit 1820 nach
Reichenbrand bei Chemnitz verlegt worden. An der
Hauptkirche ist ein Pastor, ein Archidiakonus und ein
Diakonus angestellt. Der Pastor ist zugleich Superintendent
der chemnitzer Diöces, zu welcher 6 Städte, 42
Landparochien, 13 Filiale mit 60 Predigern gehören. |
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CHEMNITZ |
⇧ Inhalt |
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Zu den Unterrichtsanstalten gehören 1
Lyceum, 1 Knabenschule in den Vorstädten, 1 Mädchenschule
in der Stadt und eine zum Andenken an die 50jährige
Jubelfeier des Königs Friedrich August von Sachsen 1818 von
Rath und Stadt gegründete Mädchenschule. Diese öffentlichen
Lehranstalten sind jedoch für die zahlreiche Jugend des Orts
keinesweges ausreichend und es ist zu erwarten, daß der
Wunsch eine allgemeine Bürgerschule zu gründen, mit
welcher in den obern Klassen eine technische Lehranstalt
verbunden werden dürfte, in dieser so bedeutenden Fabrik- u.
Handelsstadt bald in Erfüllung gehen wird. —♦ |
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Auf dem Lyceum, das schon vor der
Reformation als eine gelehrte Schule bestand, erhielt außer
Andern, unter dem fleißigen Rektor Hager, der in Chemnitz
geborne Philolog Heyne seine erste Bildung. |
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Außer den gewöhnlichen städtischen
Gewerben, nebst Feldbau, Brauerei und dem Erwerb von den 2
sich hier durchkreuzenden Hauptstraßen, sind die
Hauptnahrungszweige der Einwohner, vorzüglich
Manufakturen, Fabriken und Handel. |
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Das Weberhandwerk beschäftigte sich
früher hauptsächlich mit Linnenwebereien, seit Einführung der
Kattonate im J. 1725 und der Kattunweberei 1753 aber fast
allein mit der Baumwollweberei. Es bildet eine seit dem 15.
Jahrh. bestätigte Innung, zu welcher im J. 1820, 1334 Meister,
115 Meisterswitwen, 830 Gesellen und 94 Lehrlinge gehörten.
Sie arbeiteten im gedachten Jahre auf 2110 Stühlen und
lieferten 52,090 Stücke (früher weit mehr) Waren, die theils in
Kattunen, Buntwaren, Tüchergattungen, Pikés, Barchent,
Kattonaten, Wallis, Kannefas und feinen weißen Waren
bestanden.♦ |
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Fast von gleicher Wichtigkeit sind die hier
bestehenden Manufakturen in baumwollenen Strümpfen und
Strumpfartikeln. Das Strumpfwirkerhandwerk besteht als
Innung seit dem J. 1765; der Meister, von welchen die meisten
auf dem Lande wohnen, waren im J. 1822. 1538. Diese hielten
630 Gesellen und 346 Lehrlinge, wovon aber nur 42 Meister
mit 6 Gesellen in der Stadt wohnen. Sie liefern ordinäre,
mittelfeine und ganz feine, den seidenen gleichende
baumwollene Strümpfe (800,000 Paar), Mützen, Handschuh,
bunt gewirkte Westen, Petinet, seit 1817 auch Spitzen und
Spitzengrund in der größten Feinheit und Schönheit. Diese
letztern Artikel, so wie überhaupt alle feinere Arbeiten seidner
und halbseidner Strumpfwirkerei werden vorzüglich in dem
Marktflecken Limbach bei Chemnitz gefertigt, wo das
Handwerk auch seine eigene Innung und Lade hat. —♦ |
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Die Tuch- und Wollenmanufaktur ist hier
nicht mehr so wichtig als früher, sie ist durch die
Baumwollenweberei verdrängt worden. Im J. 1608 zählte man
hier 244 Meister mit 100 Gesellen. Jetzt sind nur 17 Meister
und darunter nur 4, welche die Profession wirklich
betreiben.— ♦ |
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Die Fabrikation gedruckter baumwollner Waren
begann hier nach dem 7jährigen Kriege. Ein geborner
Hamburger, Schlüssel, führte den Kattundruck hier in den J.
1768 bis 1770 ein, und bald entstanden mehre Druckereien; sie
haben aber erst in neuern Zeiten und besonders in den
letztverflossenen 20 Jahren die gegenwärtige Vollkommenheit
erlangt. Im J. 1780 wurde nur auf 40 Tischen gedruckt; 1820
aber be- |
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CHEMNITZ |
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schäftigten 13 Kattundruckereien 1065
Personen, und die Anzahl der hier gedruckten Kattune betrug
44,850 Stück, wovon 20,245 Stück hier, 24,605 Stück aber
von Webern außerhalb Chemnitz geliefert wurden. Das
Streben dieser Fabriken, sich die neuesten Fortschritte der
Fabrikation eigen zu machen, ist überall sichtbar. Die
Einführung der Dampfapparate zum Färben und Bleichen, der
Warenmandeln mit metallenen und papiernen Walzen, die
Apparate zum Kupferdrucken, vom Wasser oder durch
Dampfmaschinen betrieben, die Vorrichtung zur
Dampfbleichung u. Gasbeleuchtung in den Druck- u.
Spinnmaschinen u. s. w., besonders aber die
Erbauung mehrer Baumwollspinnmaschinen zeigen das rege
Streben dieses Orts, um mit den Produktionen des Auslandes
nicht nur gleichen Schritt zu halten, sondern sie auch bei
niedrigen Preisen, durch treffliche Muster und Güte der Waren
zu übertreffen. |
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In und um die Stadt gibt es einige 40
größere und kleinere Spinnmühlen, die theils durch Wasser,
theils durch Dampfmaschinen, oder Pferde in Bewegung
gesetzt werden und gegen 1 Million Pfund Garn liefern. Die
ganze Umgebung der Stadt ist, fast von allen Seiten, mit
großen und schönen Fabrikgebäuden geziert. In den Orten
Harthau bei Chemnitz, Furth, Flöhe, Erfenschlag, Schönau,
Einsiedel, Dittersdorf, Weißbach, in Wolkenburg, Mühlau bei
Penig, in Burgstädt u. Mittweide haben die thätigen Inhaber
der hiesigen Fabriken Spinnmühlen. Die größte, vom Wasser
betriebene Baumwollspinnerei dieser Gegend, ist die in dem
Dorfe Harthau bei Chemnitz. Es gehören dazu 3
Hauptgebäude und einige kleine zur Eisen- u. Holzdreherei
und Schmiede. Sie hat 2 Wollschlagmaschinen, 89 Krempel-,
35 Vorarbeit- u. 95 Feinspinnmaschinen, liefert wöchentlich
auf 19,060 Spindeln zwischen 3 bis 4000 Pfund Garn und
beschäftigt gegen 400 Menschen. Überdieß befinden sich im
untern Fabrikgebäude noch 45 Watermaschinen mit 4480
Spindeln. Das in diesen Fabriken gelieferte Garn ist dem
englischen gleich, ja es ist im Ganzen besser und egaler sortirt,
auch reiner als manche englische Sorten.♦ |
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Einer der neuesten Zweige der hiesigen
Industrie ist die Flachsmaschinenspinnerei, womit im J. 1822
auf 2 Maschinen mit mehren 1000 Spindeln bereits ein
glücklicher Anfang gemacht worden ist. Von den, ehemals zur
hiesigen Linnenmanufaktur gehörigen Weißbleichen sind
jetzt, bei den veränderten Bleichmethoden, nur noch 2
Kommunbleichen und 5 bis 6 Privatbleichen gangbar. |
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Zu dem hiesigen Manufaktur- u.
Fabrikwesen gehören auch die seit Anfange des jetzigen
Jahrhunderts entstandenen Rothgarnfärbereien (türkisch
Garn), wovon jetzt 3 bestehen. Die erste und größte gründete
im J. 1800 ein aus Elberfeld hieher gekommener Rothfärber,
Gehrenbeck. Sie werden mit Dampfapparaten betrieben. Alle
3 zusammen beschäftigen 70 bis 80 Menschen. Diese 3
Färbereien bringen der Stadt und dem Lande einen
entschiedenen Nutzen. Ehemals führte man bei einem weit
geringern Bedarf für mehr als 200,000 Thlr. türkische Garne
ein, jetzt braucht man davon nicht für 10,000 Thlr., und das
Spinnerlohn bleibt im Lande; auch kann nun jeder Fabrikant
sein eigenes Garn, |
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CHEMNITZ |
⇧ Inhalt |
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nach der Feinheit- und Güte, wie er es
gerade bedarf, färben lassen. |
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Der Vertrieb dieser Fabrikate wird durch
10 Manufaktur- und 8 Fabrikhandlungen befördert, welche die
Leipziger, Braunschweiger und Frankfurter Messen beziehen.
Hiezu kommen noch 6 handeltreibende Webermeister in
bunten Waren eigener Fabrik, welche ebenfalls die Leipziger
und Naumburger Messen, auch mehre Märkte im Lande
besuchen.—♦ |
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Den Bedarf an westindischer und
südamerikanischer Baumwolle liefern 11
Baumwollhandlungen, worunter 3 griechische sind. Übrigens
sind hier noch 30 Garn-, 36 Material-, Farbenwaren- u.
Tabakhandlungen, 6 Ausschnittwarenhandlungen, viel
Maschinenbauer und Krempelsetzer, auch 2 Apotheken und 2
Buchhandlungen, wovon eine Kunsthandel treibt und eine
Musikalien-Leihanstalt unterhält; mit der 2ten ist eine
Buchdruckerei- und Wochenblattsexpedition verbunden. |
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Für gesellschaftliche Unterhaltungen
bestehen hier 3 geschlossene Gesellschaften unter den Namen
Casino, Harmonie und Erholung. Die ersten beiden besitzen
eigene, trefflich eingerichtete Gesellschaftshäuser. Auch ist
seit dem J. 1806 ein eigenes Theater erbauet worden. |
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Chemnitz ist wendischen Ursprungs. Die
ersten Anbaue der Stadt geschahen nach Besiegung der
Wenden unter Kaiser Otto I. im 10. Jahrh. durch Gründung
eines Wallfahrtsorts. Die ältern Nachrichten versichern, daß
939 ein Kirchlein zur Verehrung eines wunderthätigen
Marienbildes hier entstanden, das großen Zulauf erregt habe.
Unter Kaiser Otto III. erhielt 994 dieser Wallfahrtsort
Marktgerechtigkeit, und da sich mehre teutsche Kolonisten
hier Ländereien ankauften und die Freien unter den christlich
gewordenen Wenden (die in den Urkunden auch Mannen
heißen) sich hier wohnhaft machten: so erhob sich der Ort
allmälig zu einem kaiserlichen Kolonieort, der jedoch im 11.
Jahrh. noch sehr unbedeutend blieb.♦ |
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Erst Kaiser Lothar II. beförderte das
Emporkommen dieser wendischen Kolonie. Er gab dem Orte
die ersten städtischen Verfassungen, eigene Gerichtsbarkeit
und eigenen Stadtrath, er erweiterte sie, ließ sie, 4505 Ellen im
Umkreis, mit einer Stadtmauer umgeben, und machte sie im J.
1125 zur Reichsdomänenstadt, die jedoch den kaiserlichen
Schirm- und Landvogten unterworfen blieb. Im J. 1308 wählte
die Bürgerschaft von Chemnitz den Markgrafen von Meißen,
Friedrich den Gebissenen, zu ihrem Schutzherrn und leistete
ihm im J. 1312 die Huldigung, nachdem der Kaiser Heinrich
von Luxenburg das Pleißnerland, wozu nun Chemnitz gehörte,
pfandweise dem Markgrafen Friedrich überlassen hatte. Erst
im J. 1320 aber wurde Friedrichs Sohn und Nachfolger,
Friedrich der Ernste, im Besitze dieses Landes vom Kaiser
Ludwig dem Baier bestätigt und seitdem ist Chemnitz bei dem
Markgrafthum und nachmaligen Herzogthum, Kurfürstenthum
und Königreich Sachsen unverändert geblieben.♦ |
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Unter dem Markgrafen Wilhelm I. wurde
die Stadt noch mehr durch Zwingmauern und 4 gemauerte
Thore befestiget. Die 25 Thürme sind aber später, und nach
und nach über die Thore und in die Hauptmauer gebauet
worden. In dieser Periode, unter Markgrafen Wilhelm I., sind
auch die ersten Anfänge der Linnenwebermanufaktur zu
suchen, nachdem die in |
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CHEMNITZ |
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Teutschland noch seltenen
Leinewandbleichen in der Mitte des 14. Jahrh. hier entstanden
waren. —♦ |
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Im J. 1389 brante die Stadt bis auf einen
geringen Theil ab, sie erstand aber schnell und besser gebaut
aus dem Schutte und vergrößerte sich durch Vorstädte. Die
Linnenmanufaktur und die Leinwandbleicherei hatten den
glücklichsten Fortgang und wurden durch landesherrliche
Privilegien unterstützt. Im Hussitenkriege litt die Stadt viel.
Die Hussiten brantem im J. 1429 die Vorstädte nieder und im
Bruderkriege des Kurfürsten Friedrichs II. mit seinem Bruder
Herzog Wilhelm III eroberte der Letztere, mit Hilfe der
Hussiten die Stadt, wobei sie geplündert wurde, und zum Theil
in Feuer aufging; aber sie erholte sich auch da bald wieder und
befand sich mit dem Ende des 15. Jahrh. in einem ziemlichen
Wohlstande. Der Gewerbfleiß vermehrte sich; es entstand die
Tuchweberei und Färberei und selbst das Äußere der Stadt
verbesserte sich seit dem J. 1463 durch neue Baue. Das
Schulhaus, der Rathhausthurm, 1486 die Nikolaiklrche, das
Rathhaus, 1498 das Zeug- u. Gewandhaus u. s. w.
wurden neu oder besser gebauet. |
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Zur Zeit der Kirchenverbesserung, die hier
bei allen Hindernissen, bald Eingang fand, litt die Stadt von
Neuem durch den schmalkaldischen Bundeskrieg; aber sie
gewann an Gewerbflor, Wohlstand, Häuser- u. Menschenzahl
ungemein unter August I. Regirung. Die Vorstädte
vergrößerten sich und man zählte im J. 1532 schon 320
Linnen- u. Barchentweber, ohne die Gesellen. Neue
Feuersbrünste 1617 u. 1631 brachten indeß die Stadt abermals
zurück, besonders aber schadete der 30jährige Krieg dem
Wohlstand, dem aufblühenden Handel und Gewerbfleiß auf
ein Jahrh.♦ |
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Nur sehr langsam konte sich die verödete
und fast menschenleere Stadt von ihrem tiefen Verfall
erheben. Kurfürst Johann Georg II. beförderte zwar nach
seinem Regirungsantritt im J. 1657 den Ausbau möglichst;
allein selbst zu Ende dieses 17. Jahrh. und 50 Jahr nach
geendigtem Kriege lagen noch 350 Häuserstätten wüste. Erst
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhund. regte sich neues Leben
in den verschiedenen Gewerbzweigen. Die Strumpfwirkerei in
Baumwolle wurde gestiftet. Die Zeug- u. Leinweber betrieben
Baumwollweberei in Kattun, Kattonaten, Kannefas und bunten
Waren. Die Bleichen wurden vermehrt. Dieses neue
Aufblühen der Manufakturen, die durch Landesregirung und
durch die, unter Friedrich August Kurfürst und König von
Polen im J. 1735 errichtete Landesökonomie-, Manufaktur- u.
Kommerciendeputation besonders möglichst unterstützt
wurden, beförderte auch das Ausbauen der wüsten Stellen in
den J. 1728 —1740. Die Anzahl der Webermeister war im J.
1730 wieder bis auf 330 Meister mit 400 Gesellen
gestiegen.♦ |
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Viel mußte aber Chemnitz wieder in dem
Kriege leiden, in welchen Kurfürst Friedrich August I. durch
die Annahme der polnischen Krone mit Schweden verwickelt
wurde, und noch viel härter wurde es im 7jährigen Kriege
gedrängt. Indessen wirkten doch beide Kriege bei weitem
nicht so zerstörend auf Handel und Gewerbe, wie dieß der
30jährige Krieg gethan hatte; ja bald noch dem Kriege und der
überstandenen Theurung und Hungersnoth 1770 u. 1771
zeigten sich den industriösen Manufakturisten neue |
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CHEMNITZ |
⇧ Inhalt |
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Erwerbsquellen in der Einführung des
Kattundrucks (1770), in den nachgemachten englischen,
weißen und bunten Pikés, Peruviennes und vielen andern
neuen Buntwaren (1774, so wie in der, seit 1776
vervollkomneten Strumpfweberei. —♦ |
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Thätig wurde dieser Gewerbfleiß durch
landesherrliche Unterstützung befördert, und so wetteiferten
von dieser Zeit an die hiesigen Manufakturen und Fabriken
mit den besten des Auslandes. Die Folgen dieses blühenden
Gewerbbetriebs waren ein größerer Wohlstand, die vermehrte
Einwohnerzahl, und die Erweiterung der Stadt seit 1795 durch
den Anbau einer neuen Vorstadt am Anger. Nach dem J. 1791
fing man nun auch an, Baumwoll-, Krempel- u.
Baumwollspinnmaschinen, die 20 bis 30 Faden spannen, und
mit der Hand getrieben wurden, zu bauen, und sie gewährten
den Vortheil, daß sie bei dem größeren Warenbedarf einige
Garnsorten schneller lieferten, als die bisherige
Handspinnerei.♦ |
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In England hatte man aber die
Garnspinnerei mehr vervollkomnet. Die dort erbauten großen
Maschinen, getrieben vom Wasser oder Dampf, lieferten
feinere oder wohlfeilere Garne. Es kam daher nun darauf an,
auch diese Vortheile der englischen Garnfabrikation für die
hiesigen Manufakturen zu benutzen, und dieß geschah im J.
1800, wo die erste große Spinnmühle am Chemnitzflusse von
dem Handlungshause Wöhler und Lange, durch den engl.
Mechaniker Whitefield erbauet wurde. Ihr folgten bald mehre.
—♦ |
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Nun beförderte Napoleons Verbot der engl.
Waren im J. 1806 den hiesigen Warenvertrieb, hinderte aber
zugleich auch den Eingang englischer Garne, und nöthigte
dadurch den hiesigen Kunstfleiß, den Mangel durch eigene
Garnfabrikation zu ersetzen. Es gelang den hiesigen
Mechanikern durch fleißige Versuche, den Maschinenbau zu
einem eigenen Gewerbzweig zu machen; und nun entstanden
seit 1808 in der Stadt und Umgegend bald mehre größere und
kleinere Spinnmaschinen, die theils vom Wasser, theils durch
Dampfmaschinen oder Pferde in Umtrieb gesetzt
wurden.♦ |
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Zwar litt in den letzten Kriegsjahren
besonders 1813 die Stadt wiederum viel, und im J. 1815
lähmte, in Folge des aufgehobenen Continentalsystems die
große Menge von Baumwollwaren und Garnen, womit die
englischen Fabriken ganz Teutschland zu den niedrigsten
Preisen überhäuften, die Thätigkeit der hiesigen Manufakturen
und Fabriken; allein schon im J. 1818 regte sich neue
Gewerbthätigkeit, und war auch die Menge der Waren gegen
1810 fast um die Hälfte verringert; so hatten sich doch seit
1820 die Gewerbe und Handelszweige im Einzelen vermehrt
und vermannichfacht und verschiedene neue gesellige und
Kulturanstalten, Verbesserungen und gemeinnützige
Unternehmungen gaben Zeichen des wieder verbesserten
Wohlstandes *). |
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Schloß |
Chemnitz, 3) Schloß, ½ Stunde
nördlich von der Stadt Chemnitz, an der leipziger Straße, auf
einem mäßigen Berge, an dessen Fuße sich ein großer Teich
befindet. Ehemals stand hier ein Benediktinerkloster
(Johannis- oder Bergkloster), das Kaiser Lothar II und seine
Gemalin Richenza 1127 stiftete. Das Nähere der
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⇧ Inhalt |
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- *) Die beste und neueste Topographie
von Chemnitz ist: Chemnitz, wie es war und wie es ist.
Ortsbeschreibung und geschichtlicher Abriß der Stadt von
Kretzschmar 1822.
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S. 267 Sp. 2 |
CHEMNITZ |
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Stiftung ist nicht darzuthun, da die
Confirmationsurkunden des Papstes und der Kaiser mit allen
das Kloster betreffenden Urkunden, wahrscheinlich im
30jährigen Kriege, wo bei den Belagerungen von Chemnitz
das Hauptquartier auf dem Schlosse sich befand, vernichtet
worden sind. Eine Schilderung dieses Klosters, wie es um das
J. 1490 gestanden hat, gibt der damalige Rektor der
chemnitzer Schule Paulus Niavis in seinen 1494 im Druck
erschienenen Idioma oder lateinischen Gesprächen
(locutiones) —♦ |
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Die jetzt noch vorhandene Klosterkirche ist
an die Stelle der alten erst im J. 1514 unter dem Abt Heinrich
von Schleinitz zu bauen angefangen und 1525, unter dem
letzten Abt Hilarius Wagner von Rehberg, vollendet worden.
Sie ist regelmäßig von Quadern aus einem nahen, zum Kloster
gehörigen Steinbruche im Küchenwalde aufgeführt, und der
Eingang der runden, niedrigen, klostermäßigen Thüre ist mit
einem hohen, nun 300jährigen Bildnerwerk im feinsten
Sandstein verziert, in welchem Kenner die alterthümliche
Kunst des Meißels nicht vermissen werden. In der Kirche
selbst befindet sich noch ein anderes Kunstwerk von
Bildschnitzerei, die Geißelung Christi, mit den 4 Schergen in
lebensgroßen Figuren, aus einem einzigen Eichenstamme
gearbeitet. —♦ |
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Nach Einführung der Reformation wurde
1540 das Kloster aufgelöset. Die Kirche wurde geschlossen,
im J. 1668 aber auf Befehl Johann Georgs II. zum
evangelischen Gottesdienst wieder eröffnet. Seit dem J. 1820
wurde aber, vermöge eines Rescripts vom Kirchenrathe in
Dresden, diese Kirche auch der katholischen Gemeinde in
Chemnitz zum gemeinschaftlichen Gebrauch bewilliget und
1821 der erste katholische Gottesdienst darin gehalten. —
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Zur Zeit seines größten Flors im 15. Jahrh.
besaß das Kloster, außer mehren andern Lehnrechten, Zehnten
und einzelen Grundstücken, gegen 30 Dörfer. Der Kaiser
Lothar bewilligte ihm auch 1143 einen öffentlichen Markt und
das Regale aller etwa zu entdeckenden Silberadern und
Salzquellen. Im J. 1548 wurde es, auf Befehl des Kurfürsten
Moritz, zum kurfürstlichen Haus und Landschloß eingerichtet,
nachdem mehre Dörfer davon verkauft, andere zu kurfürstl.
Kammergütern gemacht, und die übrigen zum Amte
Chemnitz, das hier seinen Sitz erhielt, geschlagen worden
waren. Im 30jährigen Kriege litt es aber so sehr, daß das Amt
1668 in die Stadt verlegt werden mußte und im J. 1701 wurde
das Klostervorwerk, nebst den dazu gehörigen Feldern,
Wiesen u. s. w. als schriftsässiges Schloßvorwerk
davon verkauft.♦ |
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Jetzt ist von dem ehemaligen Kloster nichts
übrig als die Kirche mit den Gebäuden des Abthofes in
veränderter Gestalt, und seit 1816 ist ein Theil der Gebäude
zur hiesigen königlichen Salzniederlage eingerichtet worden.
Die übrigen Ruinen sind weggeräumt, die Plätze geebnet, mit
Bäumen bepflanzt und zu einem Erholungsgarten für die
Stadtbewohner eingerichtet worden, der fleißig besucht wird,
da man von hier aus die herrlichste Aussicht auf die Stadt und
ganze Umgegend hat. |
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Fluss |
Chemnitz, 4) ein Fluß. Er fließt von Süden
gegen Norden zwischen dem Nikolaithore und der
Nikolaivorstadt, bei der Stadt Chemnitz vorüber, entsteht aus
der Vereinigung der Zwönitz mit der Wurschnitz unter- |
⇧ Inhalt |
S. 268 Sp. 1 |
CHEMNITZ |
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halb Harthau und fällt unterhalb Göhren in
die zwickauer Mulde. Die Zwönitz, als die Hauptquelle der
Chemnitz, entspringt südlich von Zwönitz und nimt mehre
Bäche, als den gelenauer Bach, die Wilzsch, die Harle auf. In
die Chemnitz fließen die Kappel, Gablenz, Pleiße und
Bernsbach. Bei der Stadt Chemnitz treibt der Chemnitzfluß
mehre Mühlenwerke durch abgetheilte Mühlgraben. Die
Kappelbach fällt am Katzberge in die Chemnitz, treibt
ebenfalls mehre Mühlwerke und dem Wasser dieses Baches
schreibt man vorzüglich die Vorzüge der hiesigen Bleichen zu. |
(Haan.) |
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Böhmisch-Chemnitz |
Chemnitz, Böhmisch-Chemnitz, s.
Kamnitz. |
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