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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-37-464-1
Erste Section > Siebenunddreißigster Theil
Werk Bearb. ⇧ 37. Theil
Artikel: ERZIEHUNG (physische)
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum
Siehe auch: Wikipedia: Erziehung
Zedler: Erziehung derer Kinder
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
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  ERZIEHUNG (physische). Wie der Zweck der Erziehung überhaupt in nichts Anderem bestehen kann, als in der Förderung der möglichst gleichmäßigen Ausbildung aller natürlichen, dem Zustande der Gesundheit entsprechenden, geistigen wie körperlichen Anlagen und Kräfte, so hat die physische Erziehung vorzugsweise die Aufgabe, jenen körperlichen Anlagen und Kräften eine solche Ausbildung zu verschaffen, daß sie nicht nur zur möglichst freien, gleichmäßigen Thätigkeit gelangen, sondern auch mit den geistigen stets in dem erfoderlichen Einklange stehen. Da indessen Geist und Körper nicht getrennt und blos neben einander, sondern mit und durch einander existiren, so ist es klar, daß die körperliche oder physische Erziehung wol theoretisch bis zu einem gewissen Punkte von der geistigen getrennt betrachtet werden kann, in der Praxis aber stets mit ihr Hand in Hand gehen muß, damit der Mensch seiner Vollendung möglichst nahe gebracht werde. ♦
  Alle Anlagen und Kräfte sind nur bis zu einem gewissen Grade der Ausbildung fähig; wenn dieser erreicht ist, hört die Entwickelung auf, und es kann nur noch von der Erhaltung der erlangten Ausbildung die Rede sein; demnach muß es auch für den Körper und seine Organe einen gewissen Punkt geben, wo sie für die fernere Ausbildung unfähig sind, die Erziehung mithin ihr Ende erreicht hat; wir sagen dann, der Mensch sei erwachsen, er sei reif. Weder die allgemeine Reife des Körpers, noch die seiner einzelnen Organe, lassen sich auf einen für alle Menschen geltenden Zeitpunkt zurückführen; das Mädchen reift früher als der Knabe, der Südländer früher als der Nordländer, und wie zahllos sind nun erst die individuellen Verschiedenheiten, welche durch Krankheiten etc. der Ältern wie der Kinder, durch zufällige äußere Einflüsse hervorgerufen werden, oder von denen wir gar nicht einmal im Stande sind, einen haltbaren Grund aufzufinden; ebendeshalb ist es auch durchaus unmöglich, einen für alle, oder auch nur für eine größere Anzahl von Fällen gültigen Erziehungsplan aufzustellen, vielmehr bleibt das Meiste dem Ermessen der einzelnen Erzieher überlassen. ♦
  Da diese selbst nun wieder ungleich erzogen, von ungleicher Ausbildung sind, so wird die Ungleichheit der Resultate der von ihnen unternommenen Erziehung noch leichter erklärlich, und wir können uns nicht wundern, daß die Theorie der Erziehung nicht nur im Ganzen nicht vor-, sondern sogar rückgeschritten ist; denn offenbar standen die Griechen auf einer beiweitem höhern Stufe in der Erziehungskunst, wenigstens in sofern sie ihre Anwendung auf das männliche Geschlecht fand, als wir, und es ist hohe Zeit, daß wir uns ernstlich mit den von ihnen gewonnenen Resultaten bekannt machen und sie in das praktische Leben einzuführen suchen. Die Zahl der
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  Schriften über physische Erziehung ist allerdings nicht gering, allein, fast alle verwechseln die physische Erziehung mit der Diätetik des kindlichen Alters, und zeigen wol, wie man ernähren und kleiden, nicht aber wie man die körperlichen Anlagen und Kräfte zur Entwickelung und Ausbildung gelangen lasten soll. Unter solchen Verhältnissen wird Niemand verlangen können, daß wir, obschon zur Erkenntniß des wirklichen Mangels gelangt, hier diesem wirklich abhelfen und eine fertige Theorie der körperlichen Erziehung aufstellen sollen, vielmehr glauben wir genug gethan zu haben, wenn wir Andeutungen und einige leitende Ideen mittheilen, nach denen das körperliche Erziehungsgeschäft vorgenommen werden muß.
  Vor Allem ist festzuhalten, daß der Mensch in geistiger wie in körperlicher Hinsicht mit den Anlagen zu dem gezeugt und geboren wird, was er als vollendeter Mensch dereinst sein und erreichen soll, und daß in ihm selbst der Trieb rege ist, sich zu entwickeln und auszubilden, nichts in der Welt aber im Stande ist, irgend eine Kraft, irgend eine Thätigkeit zu wecken und einzubilden, wozu die Anlage fehlt. Demnach besteht also die Hauptaufgabe der physischen Erziehung darin, alles zu meiden, was der Selbstentwickelung hindernd in den Weg zu treten, und alles zu thun, was sie zu fördern und zu unterstützen vermag; daß dies nur für den möglich, welcher eine vollendete Kenntniß der körperlichen Anlagen und Kräfte besitzt, versteht sich von selbst; denn man muß bereits wissen, was sich entwickeln kann und will, und wie diese Entwickelung vor sich geht, wenn man negativ wie positiv darauf einen thätigen Einfluß ausüben will. Diese Unbekanntschaft der Erzieher mit dem Substrat ihrer Thätigkeit ist eben das vorzüglichste Hinderniß bei der Erziehung von jeher gewesen und wird es wol lange noch sein. ♦
  Daß man den Menschen sich selbst entwickeln lassen solle, hat man zwar längst erkannt und ausgesprochen, allein man hat daraus gar häufig den ganz irrigen Schluß gezogen, man brauche gar nichts zu thun, ebenso wie Andere, von einer irrigen Theorie geleitet, im Gegentheil wieder glaubten, aus sich selbst werde der Mensch gar nichts, es müsse ihm Alles erst an- und eingebildet werden. Dieser Irrthum ist es besonders, welcher sich in der neuern Zeit geltend gemacht hat, wo man soviel erzieht, daß man anstatt erzogene eine übermäßige Menge verzogener oder zu Maschinen gezogener Menschen sieht. ♦
  Alle organische Thätigkeit ist in einem fortwährenden Steigen und Fallen begriffen, und nur durch Wechselwirkung der Organe besteht der Organismus; jenes Steigen und Fallen hält aber keineswegs stets immer die nöthigen Grenzen ein, und gar häufig hält das eine oder andere länger an, als es für die Integrität dienlich ist. Hier gilt es nun eben thätig einzugreifen und das Träge anzuspornen, das übermäßig Thätige zu zügeln und herabzustimmen, damit das Gesetz der Gewohnheit nicht in der Disharmonie sich geltend und, wie leider so häufig, alle spätern Versuche zur Abänderung und Regelung unmöglich mache; denn das ist die zweite Hauptrücksicht, welche der Erzieher zu nehmen hat, daß der Mensch in geistiger wie körperlicher Hinsicht eine überwiegende Nei-
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  gung hat, sich an das Gute wie an das Schlechte zu gewöhnen, und daß es eben darauf ankomme, ihm nur die Gewöhnung an das Gute zu verstatten. ♦
  Jenes Steigen und Fallen der organischen Thätigkeiten macht sich auch in der Entwickelung der Organe selbst geltend, von denen jedes einen gewissen Zeitpunkt hat, in welchem die Entwickelung beginnt und bis zu einem gewissen Grade vollendet ist, wodurch die Entwickelungsperioden gegeben werden, welche für die Erziehung von ungemeiner Wichtigkeit sind, da hier Eingriffe am leichtesten nützen, aber auch am leichtesten schaden können, und der Grund zu den meisten organischen Krankheiten des Körpers, wie besonders zu fernen Verkrüppelungen, wird in jenen Entwickelungsperioden gelegt, eben weil die Erzieher unbekannt sind mit dem, was zu jenen Zeiten in dem Körper vor sich geht. ♦
  Obwol jene Entwickelungsperioden bestimmt sind, so geschieht die Entwickelung doch keineswegs stetig, vielmehr treten längere oder kürzere Pausen ein, indem eine Menge äußerer Einflüsse, deren Beseitigung oder Regulirung außer der Macht des Menschen liegt, die entwickelnde Thätigkeit bald hemmen, bald steigern, obschon bei mehren auch hier eine Regelmäßigkeit vorhanden ist, wodurch gewissermaßen kleinere Entwickelungsperioden bedingt werden; so z. B. steigert der Winter die Thätigkeit der Lungen und beschleunigt ihre Entwickelung; im Frühling und Vorsommer findet dasselbe mit der Haut, im Sommer und Nachsommer mit dem Darmkanal, und besonders mit der Leber statt; nimmt nun die körperliche Erziehung hierauf keine Rücksicht, so ist es natürlich, daß, zumal wenn jene kleinern Entwickelungsperioden mit den größern zusammenfallen, nothwendig leicht sehr bedeutender Nachtheil entstehen muß. ♦
  Da die Entwickelungsperioden nun meistens mit der Schulzeit zusammenfallen, so sind selbst Ärzte in den Irrthum gerathen, daß die Schule an der Verwahrlosung des Körpers vorzugsweise und allein Schuld sei, was eben kein glänzendes Zeugniß für ihre physiologischen Kenntnisse ablegt; wenigstens hätten ganz andere Momente zur Sprache gebracht werden müssen, wenn der von Lorinser angeregte Streit ein für die Erziehung fruchtbarer hätte werden sollen. ♦
  An den Einfluß der Jahreszeiten auf die Entwickelung des Körpers schließt sich der so wenig beachtete des Genius epidemicus und der Constitutio epidemica, worüber wir in dem Artikel Epidemie (1. Sect. 35. Bd.) bereits einige Andeutungen gegeben haben, indem wir besonders auch den Einfluß jener Momente auf die im Mutterleibe vor sich gehende Entwickelung nachzuweisen suchten. Deshalb war die Lehre des Mittelalters von dem Einflusse der Constellationen auf die Zeugung und Geburt des Menschen, besonders in Hinsicht auf sein Temperament, als den Ausdruck des Verhältnisses, in welchem der Körper zu dem Geiste und dieser zu jenem in dem Individuum steht, keineswegs so ganz grundlos und albern, als man uns in unserm „philosophischen Jahrhundert" so gern glauben machen möchte. ♦
  Nicht weniger ist die Abstammung des Zuerziehenden von dem Erzieher ins Auge zu fassen, denn ein von gesunden Ältern Gezeugter und Geborener ist in
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  vielfacher Beziehung anders zu erziehen, als ein von kranken Ältern Gezeugter und Geborener, mag er scheinbar auch ganz gesund sein; ist er nun gar selbst krank, mit sogenannten kachektischen Dispositionen geboren, so wird die Differenz in der Erziehungsweise noch weit größer sein; indessen ist man bei diesen Verhältnissen glücklicherweise schon längst zu der Überzeugung gelangt, daß solche Menschen als krank nach den speciellen Angaben des Arztes erzogen werden müssen, daher von diesen Fällen hier nicht weiter die Rede zu sein braucht.
  Gehen wir jetzt nach diesen allgemeinen, allerdings mehr aphoristischen Andeutungen zur speciellen körperlichen Erziehung des Menschen über, so wird es nach dem oben Mitgetheilten am zweckmäßigsten sein, wenn wir uns dabei vorzugsweise an die großem Entwickelungsperioden halten, indem wir so am leichtesten den Weg aufzufinden vermögen, welchen die Natur einschlägt, um den Menschen in körperlicher Hinsicht der Vollendung zuzuführen. Keineswegs absurd würde es sein, wenn wir mit der Erziehung des Kindes im Mutterleibe begönnen, denn die körperlichen Krankheiten des Fötus, wie die Lehre vom Versehen der Schwangern, zeigen uns deutlich, daß eine Menge Einflüsse auf das werdende Kind einwirken, welche seiner Ausbildung mehr oder weniger hindernd entgegentreten; indessen kann hier nur durch den Körper der Mutter eingewirkt werden, und wie diese sich deshalb zu verhalten hat, wird in dem Art. Schwangerschaft, und zwar in dem diätetischen Theile desselben, erörtert werden. ♦
  Beginnen wir daher mit dem Momente, wo das Kind den Schoos der Mutter verlassen hat, so sind es besonders die Lungen und die Haut, welche einer neuen Entwickelungsperiode entgegengehen, indem sie zum ersten Male als die kräftigsten Vermittler zwischen der Außenwelt und dem Menschen durch das Aufnehmen von Luft auftreten. Wer sieht es nun nicht ein, von welcher großen Wichtigkeit es sein muß, welche Beschaffenheit die Luft hat, welche zum ersten Male durch die Poren der Haut, wie durch die Wände der Lungen in den Körper dringt? Vermögen schon wenige Athemzüge in einer irrespirabeln oder verdorbenen Luft den erwachsenen Menschen zu tödten oder in ein tödtliches, säfteentmischendes Fieber zu werfen, wie soll der der Luft ganz ungewohnte Neugeborne nicht afficirt werden, wenn eine unreine, mit allerhand Dünsten geschwängerte Luft plötzlich auf ihn eindringt und sich einen Weg in das Innere seines Körpers bahnt? Und doch wie wenig sieht man hierauf Bedacht nehmen? Ja selbst Ärzte scheinen nicht zu ahnen, wie häufig der Keim zum Siechthume auf diese Weise in den Körper des Menschen gelegt wird und mühen sich lieber ab, das ohnehin schon umfangreiche Capitel der Erbkrankheiten durch spitzfindige Theorien zu vergrößern. ♦
  Aber nicht die Mischung der Luft allein ist es, welche der Berücksichtigung bedarf, auch die Temperatur verdient der Beachtung. Mit der Kälte nimmt auch der Dichtigkeitsgrad der Luft zu, und beide können nur nachtheilig auf den fast an Blutwärme gewöhnten Organismus des Kindes einwirken; dasselbe ist der Fall, wenn umgekehrt die Luft
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  zu warm und mithin auch zu dünn ist, da sie hierdurch die erfoderliche reizende Einwirkung auf die Lungen verliert. Daher sind die Kinder, welche im Winter geboren werden, beiweitem mehr gefährdet als die im Frühling und Sommer gebornen, zumal in den nördlichen Ländern, wo die Kälte zum Einheizen zwingt und Kohlenstaub und Dunst, der sich so leicht, wie wir bei den Arbeitern in den Kohlengruben sehen, in den Lungen ablagert , die Atmosphäre durchzieht, denn die Entkohlung des ohnehin kohlenstoffreichern Blutes des Kindes wird dadurch bedeutend gehindert und somit der Kohlenstoff im Körper direct und indirect vermehrt. ♦
  Mit dem Eindringen der Luft in die Lungen beginnt die Bewegung derselben, sie ist aber längere Zelt hindurch nur schwach, da die Ausdehnung und Zusammenziehung weniger durch die Lungen selbst als durch äußere Momente bedingt wird, indem die Ausdehnung vorzugsweise durch die eindringende Luft und die Brustmuskeln, die Zusammenziehung durch die Bauchmuskeln und das Zwerchfell vermittelt wird. Die Wirkung dieser Muskeln ist Anfangs gleichfalls nur schwach, da sie durch die Übung erst erstarken müssen, und namentlich haben die Bauchmuskeln das Übergewicht über die Brustmuskeln, daher das Ausathmen der Kinder immer stärker als das Einathmen vor sich geht. Was ist nun natürlicher, als daß wir Alles vermeiden müssen, was die freie Entwickelung der Thätigkeit der Brustmuskeln hindern könnte? ♦
  Aber grade das Gegentheil sehen wir täglich und zwar mit ängstlicher Sorgfalt bewirkt werden; bis unter die Arme wird das hilflose Geschöpf eingewickelt und oft so fest, daß eine Bewegung des Thorax fast ganz unmöglich gemacht wird, und damit man ihm auch die letzte Hilfe raube, werden auch die Arme an den Leib festgebunden. Wie soll das Kind nun im Stande sein, die nöthige Ausdehnung seiner Lungen zu bewerkstelligen? Ist es ein Wunder, wenn diese nur unvollkommen geschieht, einzelne Theile wol ganz unthätig bleiben und so mit dem Brustfell verwachsen oder Ablagerungsstellen für mannichfache Krankheitsproducte werden, was freilich häufig erst in den Jahren der Pubertät und unter günstigen Umständen noch später bemerkt wird. ♦
  Der Thorax muß nothwendig gleichfalls misgestaltet werden, denn durch das feste Zusammenschnüren biegen sich die leicht nachgebenden knorpeligen Enden der Rippen ein und letztere verlieren ihre Wölbung, sodaß in den leichtern Graden mindestens eine flache Brust die Folge ist, welche in der That jetzt bei der Mehrzahl der ohnehin beiweitem schwächlicher als sonst geborenen Menschen bemerkt wird. Eine vernünftige Erziehung muß also darauf sehen, daß der Thorax ohne alle Einzwängung nur leicht bedeckt sei und die Arme ganz freien Spielraum haben, ja durch öfteres vorsichtiges In-die-Höhe-heben sogar direct eine Erweiterung des Thorax bewirken. Dagegen ist der mit nachgiebigen Wänden versehene Unterleib allerdings mäßig fest, ohne Druck, hervorzurufen, einzuwickeln, damit den Bauchmuskeln die zum Athmen etc. nothwendige Contraction erleichtert werde. ♦
  Nicht weniger Rücksicht als die Lungen bedarf die Haut mit ihrer Thätigkeit. Vor
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  der Geburt besorgt sie mit ihrem drüsigen Apparate nicht allein zum großen Theil die Ernährung, sondern auch einen Theil des Athmungsgeschäfts, der Entkohlung des Blutes, und letzteres zwar weniger in gasförmiger Gestalt als vielmehr durch die Fettbildung, indem das Fett theils unter ihr abgelagert, theils durch die Hautdrüsen als Vernix cnseosa mit den Resten des nicht assimilirten Schafwassers abgeschieden wird. Als Ernährungsorgan war die Haut bisher besonders durch Aufsaugung thätig. Beide Functionen werden nun plötzlich unterbrochen, das Athmen durch die beginnende Lungenthätigkeit, das Ernähren durch die gleichfalls beginnende Thätigkeit des Darmkanals; dennoch aber würde noch eine geraume Zeit die Hautthätigkeit das Übergewicht haben, wenn sie nicht künstlich durch die verkehrte Behandlung des Hautorgans gewaltsam unterdrückt würde. ♦
  Der erste Hmzutritt der Luft zur Haut bei der Geburt hat weniger auf sich, da die Haut durch den käsigen Überzug, womit das Kind geboren, hinreichend davor geschützt ist, allein nachdem er, nicht eben immer mit besonderer Sorgfalt und Schonung entfernt, bedeckt man die Haut mit trockenen, nicht selten sogar hartem und rauhem Zeuche; wie soll sie da nun ihre nothwendige Thätigkeit fortsetzen? Freilich sagt man, das Kind dürfe sich nicht erkälten, man müsse es also vor dem Zutritte der Luft schützen und warm halten, außerdem aber dahin trachten, die Haut sobald als möglich trocken und unempfindlich machen gegen die äußeren Einflüsse; aber was in aller Welt kann verkehrter sein und den gänzlichen Mangel an Kenntniß der physiologischen Dignitat des Hautorgans mehr beurkunden, als dieses selbst von Ärzten gebilligte Verfahren? ♦
  Denkt man zuvörderst nur daran, daß das Kind ¾ Jahr im Mutterleibe von warmer wässeriger Flüssigkeit umgeben war, und darin schwamm, so gehört doch wahrlich nicht viel dazu, um einzusehen, daß das plötzliche Versetzen in eine beständig trockene Umgebung nothwendig mit dem größten Nachtheile verbunden sein muß. Daß ein aus dem Wasser genommener und auf das Trockene gebrachter Fisch bald absterben muß, wenn er nicht bald wieder in das Wasser kommt, weiß ein Jeder, und Niemand, der ihn erhalten will, wird dies thun; mit dem zarten Kinde macht man aber dies Experiment ungescheut und ohne sich etwas Arges dabei zu denken, täglich. ♦
  Allerdings muß die weiche, schleimhautähnliche Haut des Kindes erhärten, um als schützende Decke dienen zu können, allein sie hat weit wichtigere Functionen als dieses und darf nur nach und nach mit großer Vorsicht zu einem gewissen Grade der Härte und Trockenheit geführt werden. Bei dem Kinde ist die Haut noch sehr thätiges Ernährungsorqan, es muß ihr also immer noch in Pausen Nahrungsstoff geboten werden, und je jünger das Kind, desto kürzer, je älter es wird, desto länger müssen die Pausen werden. Daher muß jeder Neugeborene in den ersten vier Wochen wenigstens täglich zwei Mal wieder in eine flüssige, gehörig erwärmte Umgebung (in ein Bad) versetzt werden und zwar in den ersten acht Tagen mindestens eine halbe Stunde lang, späterhin mag ¼ Stunde ausreichen. Da das Bad
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  nicht blos zur Reinlichkeit, sondern auch zur Ernährung dienen soll, so ist es einleuchtend, daß es in dieser Zeit nicht aus bloßem Wasser bereitet werden darf, vielmehr Zusätze enthalten muß, welche leicht durch die Haut aufnehmbar und assimilirbar sind; am besten eignet sich hierzu Milch und vom Fette gereinigte Fleischbrühe, welche man aus Knochen, Thierfüßen etc., ohne großen Kostenaufwand bereiten und etwa in der Quantität eines Maßes auf jedes einzelne Bad zuschütten läßt. ♦
  Je schwächlicher das Kind ist, desto länger muß es diese täglichen Bäder gebrauchen, bei deren Schluß man die Kinder in die Höhe nimmt, mit Weizenkleie abreibt und dann wieder abspült, worauf sie mit gehörig erwärmten Tüchern abgetrocknet, und in ebensolche eingehüllt werden, um sie eine Zeit lang (5—10 Minuten) darin liegen und sich frei bewegen zu lassen. Nach Verlauf von vier Wochen läßt man täglich nur ein Mal baden und zwar in einfachem Kleienwasser, da die Ernährungsthätigkeit der Haut jetzt schon herabgestimmter ist, indem der Darmkanal, wie die Lungen in Bezug auf das Athmen, das Übergewicht erhalten hat. Die täglichen Bäder sollte man aber so lange fortsetzen, bis das Kind die ersten Zähne bekommen hat, da sie ja auch am besten die so nothwendige Reinlichkeit herbeiführen und durch sie der Nachtheil, welcher durch Naßmachen einzelner Hautstellen entsteht, wie dies beim Waschen der Fall ist, gemieden wird. ♦
  Jene Reinlichkeit der Haut ist darum so nothwendig, weil mit dem Zurücktreten der Aufsaugungsthätigkeit die Absonderung der Haut durch die Hautdrüsen überwiegend wird, was da, wo das Kind gar nicht oder höchst selten gebadet wird, die Haut also sich mit trockner Epidermis überzieht, nur an einzelnen Stellen, in den Einbiegungen und Falten möglich wird, hier dann aber oft um so stärker hervortritt und zu dem sogenannten Wundwerden (Intertrigo) Veranlassung gibt. ♦
  So vortheilhaft die feuchte Wärme, so nachtheilig ist die feuchte Kälte für das Kind, zumal wenn sie durch excrementielle Stoffe hervorgebracht wird, die aber noch auf andere Weise beiweitem schädlicher werden, indem sie wegen der noch regen Aufsaugungsthätigkeit der Haut, so leicht durch diese wieder in den Körper geführt werden, und so die Säfte verunreinigen; daher müssen die verunreinigten Windeln stets schnell entfernt und mit trockenen vertauscht werden. Hätte man sich nicht stets mit nur oberflächlicher Beobachtung begnügt, so hätte schon dieses Phänomen auf die fortgesetzte Thätigkeit der Haut als Ernährungsorgan hinführen müssen; so aber hat man immer nur die allerdings nicht wegzuleugnende Erkältung im Auge gehabt. ♦
  Wegen dieser Ernährungsfunction der Haut ist es auch nöthig, das Kind in der ersten Zeit öfters der Dunstatmosphäre der Mutter auszusetzen, welche, besonders so lange die Milchsecretion noch nicht vollständig ausgebildet und das Stillgeschäft geregelt ist, zum großen Theile noch brauchbare Stoffe enthält, die von dem kindlichen Körper aufgenommen und assimilirt werden; auch dies wird leider durch das feste Einhüllen der Kinder in Kleider und Betten bedeutend erschwert, wenn nicht ganz unmöglich gemacht. Ist die Zeit der
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  sogenannten Wochenschweiße aber vorüber, dann hüte sich die Mutter, das Kind in ihrem Bette schlafen zu lassen, da ihre Ausdünstung alsdann mehr schädliche Stoffe enthält, die durch die Haut des Kindes, wie durch die Lungen aufgenommen die Säfte desselben verderben und so Veranlassung zu einem nicht zu beseitigenden Siechthume geben; die Kinder verniesen, wie das Volk sagt, während der Körper der Mutter die noch viel taugliche Stoffe enthaltende Ausdünstung des Kindes begierig einsaugt und in eben dem Maße blühend wird, als das Kind verblüht; ein Moment, welches viel zu wenig von den Ärzten beachtet wird, wenngleich man schon im Alterthume und noch jetzt im Orient eine Verjüngungsmethode daraus begründet hat 1). — ♦
  Fast täglich vernehmen wir Klagen über die Unzulänglichkeit der menschlichen Sinne, sowie über die große Menge von Täuschungen, denen wir bei ihrem Gebrauche ausgesetzt sind; aber man gefällt sich lieber in Deklamationen über die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur überhaupt, als daß man ernsthaft über die Ursachen jener Unzulänglichkeit nachdenkt und auf Mittel und Wege zu ihrer Beseitigung zu einer Zeit sinnt, wo diese allein möglich sein kann. Sollte es denn in der That so schwer einzusehen sein, daß wir erst fühlen, riechen, schmecken, hören, sehen lernen müssen, und daß dieses Lernen auf eine verkehrte Weise geschehen, somit zur ergiebigen Quelle von Mangelhaftigkeit in der Ausbildung der Sinnesorgane werden kann? ♦
  Wer weiß es nicht, daß zu frühes angestrengtes Denken gar bald zum Stumpfsinn, zu frühes angestrengtes Üben des Gedächtnisses zur Gedankenlosigkeit führt, ebenso wie zu späte Ubungen dieser Art oft eine niemals zu beseitigende Unvollkommenheit zurücklassen. Behalten nicht Kinder, mit denen sich Niemand beschäftigt, um sie deutlich sprechen zu lehren, oft für ihr ganzes Leben eine undeutliche Aussprache, oder gewöhnen sie sich nicht Betonungen, Lautverbindungen, Redeweisen etc. an, welche sie im reifern Alter ungeachtet des bessern Wissens und oft trotz aller angestrengten Aufmerksamkeit nicht zu entfernen vermögen? ♦
  Sicher verhält es sich nun mit der Entwickelung und
 
  • 1) H. J. Cohausen, Hermippus redivivus sive exercitatio physico-medica curiosa de methodo rara ad CXV annos propagandae sanitatis per anhelitum puellarum ex veteri monumento Romano deprompta. (Francof. ad Moen. 1742. 99 S. Teutsch ibid. 1753. 230 S. Englisch von John Hill. London 1749. Französisch von de la Place. Bruxelles et Paris 1789. 2 Voll.)
  Endlich bedarf die Haut noch einer besondern Rücksicht, weil sie Gefühlsorgan ist, und nächst dem Geruche vor allen Sinnesorganen am frühzeitigsten eine selbständige, freie Thätigkeit zu entwickeln beginnt. Obgleich Physiologen und Philosophen uns längst demonstrirt haben, daß daß Gefühl die Grundlage aller sinnlichen Wahrnehmung ausmacht, alle übrigen Sinne nur Modificationen des Gefühlssinnes sind, so ist man doch noch gar wenig bedacht gewesen, hierauf bei der Erziehung Rücksicht zu nehmen und eine normale Ausbildung dieses Sinnesorgans, sowie auch der übrigen zu erzielen. ♦
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  Ausbildung der Thätigkeit der Sinnesorgane nicht anders; bleiben wir zunächst bei der Betrachtung des Gefühlsorganes stehen, so ist leicht ersichtlich, daß die Gefühlswärzchen der feinen, ihrer schützenden Schleimdecke beraubten Haut des Neugebornen der durch Schallstrahlen so leicht in Schwingungen verletzbaren Luft ausgesetzt, durch Geräusch aller Art, ebenso wie durch Druck etc. auf das Empfindlichste berührt werden müssen. Wer hat es nicht schon beobachtet, daß lautes Sprechen und Schreien, das Zuwerfen einer Thür, das Hinabfallen eines schweren Gegenstandes, den Säugling erschütterte, zusammenfahren ließ, ja selbst wol in Zuckungen und Krämpfe versetzte, und so Veranlassung gegeben ward, wenn nicht zu plötzlichem Tode, so doch zu einer Menge ihrer Ursache nach freilich wenig verstandener Leiden, namentlich zu der sogenannten nervösen Reizbarkeit und Nervenverstimmung mit ihren Folgen, die sich dann beim erwachsenen Menschen zu Hysterie und Hypochondrie etc. ausbildete. ♦
  Besonders leicht nachtheilig werden diese Schallschwingungen der Luft bei der verkehrten Bekleidungsweise der Kinder, wodurch zwar die größere Hautfläche vor der Berührung geschützt, das Gesicht aber und so der Kopf mit seinem so leicht erregbaren Gehirne die ganze Macht des Schalles allein zu empfinden bekommt, zumal da der ganze Kopf des Neugebornen Gehörorgan ist. Ist der Schall nun gar mit Erschütterung des Bodens verbunden, auf welchem das Kind ruht, so werden dadurch noch außerdem Gehirn und Rückenmark empfindlich getroffen. Die möglichste Stille in der Umgebung, das Fernhalten von allem Geräusche ist daher eine der wesentlichsten Bedingungen zum Wohlsein des Kindes überhaupt und seines Nervensystems insbesondere, weshalb auch seine Lagerstätte möglichst vom Boden und gegen seine Erschütterungen isolirt werden muß. Nicht aus festvereinigten Bretern bestehe das Lagergestelle, sondern aus Flechtwerk von Weiden etc. in Gestalt eines Korbes, der auf einem hölzernen Gestelle befestigt wird, welches ihn mindestens 1½ Fuß vom Boden entfernt hält und auf dicken Filz oder Pappstücken steht, welche als schlechte Leiter der Schwingungsbewegungen bekannt sind. — ♦
  Nicht weniger nachtheilig, wenn auch minder schnell und auffallend, wirkt der Druck von festen Körpern auf die Haut des Kindes; freilich in entgegengesetzter Beziehung, denn er hindert die freie Entwickelung und Ausbildung der Gefühlswärzchen und führt endlich zum Torpor derselben, welcher dann später in vielfacher Hinsicht nachtheilig auf den Organismus zurückwirkt; vor Allem verliert das Kind dadurch seinen ersten und wichtigsten Wächter für alle Schädlichkeiten, die von Außen ihm Gefahr drohen; es liegt ebenso, ruhig in der Nässe und im Kothe, wie es ruhig sich von Insekten, Flöhen, Läusen, die Säfte entziehen läßt. Grobe Wäsche, Hemden und Windeln, sowie das Einknebeln durch Wickel- und andere Bänder sind daher sorgfältig zu meiden. ♦
  Noch wissen wir leider zu wenig über die Entwickelung der Gefühlsthätigkeit, als daß wir im Stande wären, speciellere Erziehungsregeln dafür aufzustellen. Nicht viel besser steht es mit
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  den übrigen Sinnen. Am frühesten entwickelt sich offenbar der Geruch zu einer freien, selbständigen Thätigkeit, da er den Wächter abgeben muß für Alles, was es behufs der durch den Mund einzuführenden Nahrung bedarf und zu vermeiden hat, daher erkennt das Kind durch ihn sehr bald die ihm Nahrung reichende Mutter oder Amme, wie das Thier durch den Geruch seinen Herrn erkennt. Wäre man nicht so achtlos darauf und ließe auf das Kind schon frühzeitig, ehe es hinreichendes Erinnerungsvermögen besitzt, eine zahllose Menge von Gerüchen einstürmen, es würde bald dahin gelangen, daß es, wie das Thier die schädlichen Nahrungsmittel von den unschädlichen unterschiede, und seiner Umgebung andeutete, was seinem Körper als Nahrung zuträglich oder nicht. Die Unvorsichtigkeit, mit welcher man die Kinder den Gerüchen aussetzt, wird aber nicht selten directe Ursache von Krankheiten, welche vom Gehirne ausgehen, weshalb auch die Ärzte sich sehr hüten müssen, in der Kinderpraxis starkriechende Mittel besonders auch in Form der Einreibungen anzuwenden. ♦
  Daß der Geschmack, welcher viel später zur Thätigkeit erwacht als der Geruch, gleichfalls der Erziehung bedarf, ist kaum zu bezweifeln, wenn schon das Wie? erst durch künftige Forschungen festgestellt werden muß. So lange das Kind gesäugt wird, ist keine Aufmerksamkeit nöthig, wol aber eine sehr sorgfältige dann, wenn die Entwöhnung stattfindet. ♦
  Was das Gehör anbetrifft, so kommt es bei den wenigsten Menschen zur vollständigen Ausbildung, weil man fast gar nichts für dasselbe thut. Schon die verkehrte Behandlung des äußern Ohres wirkt mehrfach störend und hemmend ein. Unsern sonderbaren Begriffen von Schönheit gemäß haben wir nichts Eiligeres zu thun, als durch festanliegende Mützen das Ohr soviel als möglich an den Kopf fest zu drücken und zu halten, damit es ja nicht etwa abstehe; so büßt es einen Theil seiner Muschelform ein, wird platt und verliert seine Beweglichkeit, welche die Natur ihm, um sich der Richtung der Schallstrahlen zuwenden und die allzu zerstreuten besser auffangen zu können, zugedacht, dermaßen, daß mehre zu diesem Zwecke vorhandene Muskeln niemals in Action gesetzt werden können und so in einem unvollkommenen Zustande verharren oder selbst atrophisch werden. Daß hierdurch auch der äußere Gehörgang an seiner Länge wie an seinem Durchmesser verlieren muß, ist leicht ersichtlich, und vortheilhaft kann dies für das Hören unmöglich sein. ♦
  Das beständige Bedecktsein des äußern Gehörganges durch die noch dazu oft wattirten etc. Mützen, erhält fortwährend einen erhöhten Wärmegrad in demselben, der die das Ohrenschmalz absondernden Drüsen zu erhöhter Thätigkeit reizt und so zu den bei Kindern gar nicht selten beobachteten Blennorrhöen des Gehörganges (laufende Ohren) Veranlassung gibt, welche dann durch das Einstopfen von Baumwolle etc. erst noch recht begünstigt und unterhalten werden; gleichzeitig wird aber auch die Resorption gesteigert, ein Theil des flüssigen, krankhaften Ohrenschmalzes wieder in den Körper geführt und so dieser gezwungen, das Krankheitsproduct an andere Stellen abzusetzen. Daß unter
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  allen diesen Verhältnissen die Schallstrahlen nicht gehörig zum Trommelfell gelangen können, ist unschwer einzusehen; das Kind vernimmt nur undeutliche Töne und vermag weder ihre Entfernung, noch ihre Höhe und Tiefe in den feineren Nuancen zu unterscheiden, es wird kurzhörig und gelangt nie zu einem musikalischen Gehöre. Beseitige man daher die so eben gerügten Mängel, sowie die oben erwähnten starken Schallstrahlen, so wird die Selbstausbildung des Gehöres wenigstens nicht gehindert; allein dies reicht noch nicht aus, man muß auch thätig dieselbe unterstützen. ♦
  Zunächst übe man das Kind im Fernhören, was am besten mittels einer Taschenuhr geschieht, welche man täglich mehre Male dem Kinde so vorhält, daß man sieht, es nimmt den Schlag derselben wahr; späterhin gehe man zu den Übungen in der Unterscheidung der Höhe und Tiefe der Töne über. Der Gebrauch, den Kindern, um sie zu beruhigen und zum Schlafen zu bringen, etwas vorzusingen, würde hierzu ein ganz passendes Mittel abgeben, wenn nicht die Wärterinnen etc. selbst meistens ohne alles musikalisches Gehör und gar oft mit einer Stimme begabt wären, die zu Allem eher als zum Singen tauglich ist, sodaß hierdurch nur zu häufig der Tonsinn des Kindes von Vorn herein verdorben wird, obschon die wirklichen Volkswiegenlieder durch die Einfachheit ihrer Tonsetzung ganz zur Weckung und Ausbildung desselben geeignet sind. Dennoch hat sie kaum Jemand von dieser Seite her einer Aufmerksamkeit gewürdigt. ♦
  Am besten eignet sich zur Weckung des Tonsinnes die aus Glasplatten gefertigte Harmonika, auch das Fortepiano und die Harfe, auf welcher man aber nur im Anfange die einzelnen Grundtöne angeben darf, grade wie es bei der Erlernung dieser Instrumente nöthig ist, denn das Kind wird dadurch vollständig zufrieden gestellt, da es sehr bald im Stande ist, die einfache Tonreihe zufassen, wie man sich leicht beim Versuche überzeugen kann. — ♦
  Das Auge bedarf nicht weniger der thätigen Aufmerksamkeit des Erziehers. In den ersten Tagen des Lebens sieht das Kind noch nicht, sondern genießt blos die wohlthuende Reizung des Lichtes, daher sucht es dasselbe erst durch die Wendung des Kopfes, dann durch die Richtung der Augäpfel. Wie widernatürlich ist es daher, den Neugebornen mit nächtlichem Dunkel zu umgeben und ihm den so sehr ersehnten Lebensreiz zu entziehen. Der scharfe Strahl des Sonnenlichtes darf allerdings nicht sein Auge treffen, wenn er bereits einige Tage alt ist, aber der wohlthätigen Helle sollte man ihn nicht berauben. ♦
  Da er das Licht sucht, so muß sein Lager sich stets so befinden, daß sein Blick nur sich nach Vorwärts zu richten hat, um es zu finden; nirgends dürfen glänzende Gegenstände so in seiner Nähe sein, daß er seitwärts, über sich, oder gar hinter sich blicken muß, um sie mit dem Auge zu erreichen, denn dadurch wird er gezwungen, dem Augapfel schiefe Stellungen zu geben und leicht ist lebenslängliches Schielen die Folge davon. Ist es nicht mehr das Licht und die Helle allein, welche des Kindes Auge sucht, sondern beginnt es überhaupt auf einzelne Gegenstände zu achten, dann dürfen diese gleichfalls niemals die angegebene Rich-
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  tung zu ihm haben, denn dies würde dieselben Folgen bringen. Daher sind unter andern auch die Striche an den Mützen der Kinder, welche ihm über die Augen hängen, so nachtheilig, denn es wird unwillkürlich veranlaßt, beständig dorthin zu sehen, zumal wenn es sich selbst überlassen daliegt; aus gleichem Grunde darf das wachende Kind keine dachförmigen Bedeckungen über seinem Lager haben. ♦
  Sobald man sieht, daß das Kind auf die einzelnen Gegenstände achtet, beginne man die Übungen in der Fernsicht, das heißt, man bilde das Accommodationsvermögen der Augen des Kindes aus, was man mit den Übungen im Fernhören verbinden kann, indem man die glänzende Taschenuhr mit ihren beweglichen Zeigern dazu benutzt, welche letztere jedoch vor dem 4—5. Lebensmonate kaum von ihm beachtet werden, daher man die ganze Uhr bewegen muß, denn schon nach dem dritten Monate haßt das Kind die passive Ruhe, wenn es wacht, es will sich bewegen, vermag dies aber noch nicht willkürlich, und da es die Außendinge mit sich identificirt, so will es diese sich bewegen sehen, um sie erfreut mit den Augen verfolgen zu können; zumal dies auch der einzige Weg ist, wie es sich von ihnen, als von seiner Umgebung getrennten, besonderen Theilen, überzeugen kann, wenn bei ihm die Erkenntniß zu tagen beginnt. ♦
  Ebendeshalb muß man das Kind auch zu den Gegenständen, auf welche es seine Aufmerksamkeit richtet, hinführen, damit es das ihm unbekannte Raumverhältniß durch das ihm schon bekanntere Zeitverhältniß kennen lerne. Wegen der starken Wölbung der Hornhaut und der Kugelform der Krystalllinse ist das Kind Anfangs kurzsichtig und bemerkt bis zum vierten Monat nur, was ihm zunächst ist; indessen darf man sich dadurch nicht verleiten lassen, ihm die Gegenstände zu nahe zu bringen, weil man es sonst unter Beihilfe des Gesetzes der Gewohnheit leicht für immer kurzsichtig macht. — ♦
  Nicht von geringerer Bedeutung ist die Ausbildung des Farbensinnes, denn ein großer Theil der Menschen besitzt ihn nur unvollkommen, und zwar fand Rud. Wagner unter 20 Personen stets eine oder mehre, welche einzelne Farbennuancen nicht zu unterscheiden vermochten; ja wir finden sogar Menschen, welche einzelne Grundfarben, z. B. Roth, durchaus nicht erkennen können 2). Die Physiologie ist uns die Deutung dieses Phänomens bis jetzt noch schuldig geblieben, aber wir glauben sicher, daß die Erziehung einen nicht geringen Theil an diesem Mangel an Ausbildung des Farbensinnes hat, indem das Kind grade zu der Zeit, wo er erwacht, entweder mit einer Menge verschiedener oder undeutlicher und ineinanderlaufender Farben überschüttet wird. Die Sache ist jedoch an und für sich noch zu dunkel und bedarf noch zu sehr sorgfältigerer Untersuchunaen, als daß wir einen Erziehungsplan aufzustellen vermochten, jedenfalls aber verdient die große Vorliebe der Kinder für bunte Bilder mehr Berücksichtigung, als man ihr gewöhnlich schenkt, da die große Menge schlecht colorirter und gezeichneter Bilder, welche ihnen gewöhnlich in die Hände gegeben werden, nicht nur der Entwickelung des
 
  • 2) Viet. Szokalski, Über die Empfindung der Farben in physiologischer und pathologischer Hinsicht, (Gießen 1842.)
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  Schönheitssinnes, sondern auch der des Farbensinnes hinderlich ist. Vielleicht sind auch die Medien, wodurch der Sonnenstrahl auf das Auge des Kindes in jener Zeit fällt, nicht ohne Einfluß, namentlich auch die Farbe der Hüte, welche man ihnen aufsetzt, und besonders der Schleier, womit man sie zu bedecken gewohnt ist. — ♦
  Mit der Ausbildung der Sinnesorgane beginnt auch die der Sprachorgane, welche aber nur erst dann zu einiger Selbständigkeit gelangen, wenn erstere bereits einen größern Vorrath von Ideen und Bildern herbeigeschafft haben, zu deren Mittheilung und Entäußerung des Kindes Innere mächtig antreibt. Die ersten Thöne, die es von sich gibt, sind fast nur die unwillkürlichen Folgen des kräftigen Aus- und Einathmens, deren Möglichkeit das Kind dann kennen lernt, und die es im Lallen dann zu willkürlichen erhebt, bis der Nachahmungstrieb sich etwa im achten Monat ihrer bemeistert, um den Versuch zu machen, das abgesehene Wort nachzubilden. ♦
  Ebendeshalb ist es zuerst auch weniger der Ton, den das Kind von sich selbst zu hören wünscht, als vielmehr die Bewegungen, welche es gleich dem ihm Vorsprechenden zu fühlen versucht; denn viel weniger hört es dem Sprechenden zu, als es ihm zusieht, wie er die Worte bildet. Daher ist es Aufgabe dessen, welcher das Kind sprechen lehrt, daß er die dem Kinde geltenden Worte nicht nur langsam, sondern mit dem möglichst deutlichen Ausdrucke aller dazu nöthigen Bewegungen seiner Sprachorgane von sich gebe. Besonders ist diese Aufmerksamkeit auf die Aussprache der Endsylben zu richten, welche man in der gewöhnlichen Unterhaltung zur Hälfte zu verschlucken pflegt; diese müssen vielmehr dem Kinde gegenüber stets stark betont werden, weil sie sonst seiner Willkür anheimfallen und zu zahllosen Corruptionen Veranlassung werden, welche das deutliche Sprechen nicht nur längere Zeit erschweren, sondern selbst wol für das ganze Leben unmöglich machen, zumal wenn, wie gewöhnlich, die Umgebungen an den Verdrehungen Gefallen finden, und nun absichtlich dieselben dem Kinde nachsprechen. ♦
  Auch die Ausbildung des Athmungsorganes ist hiermit zu verbinden. Das Kind pflegt häufig aber nur oberflächlich zu athmen, daher nur ein geringer Theil der in den Lungen befindlichen Luft erneuert wird, was die Lungen selbst an ihrer Ausbildung und Kräftigung hindert. Sehr anzurathen ist es demnach, wenn man das Kind im Sprechen unterrichtet, zumal da sich dieser Unterricht Anfangs doch immer nur auf einzelne Worte erstreckt, daß man vor jedem auszusprechenden Worte möglichst tief einathmet und mit der scharf betonten Endsylbe ein möglichst kräftiges Ausathmen verbindet. Dergleichen Übungen sind nun auch in freier Luft vorzunehmen, zumal mit solchen Kindern, welche von Geburt an schwächlich und nur selten die dunstgeschwängerten Zimmer der Ältern verlassen durften. Nähme man hierauf mehr Rücksicht, wir hätten wahrlich mehr als ein Drittheil lungenkranker Kinder und Erwachsener weniger. ♦
  So lange noch keine Willkür möglich ist, sorgt die Natur selbst für das Bedürfniß, denn mit einem Schrei tritt das Kind in das selbständige Leben, und so lange es der Sprache beraubt ist, verkündet es alle
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  seine Bedürfnisse durch Schreien, welches öfters sogar scheinbar ohne alle Bedürfnisse stattfindet, entweder weil das Kind Langeweile hat, oder weil ihm eine kräftige Erneuerung der Luft in den Lungen, sowie Übung derselben Noththut. — ♦
  Nach dem Begriffe, welchen wir von der Erziehung festgestellt haben, ist über den Nahrungskanal nur wenig hier zu sagen, da das meiste denselben betreffende der Ernährung oder Diät anheimfällt, mag nun der Säugling von der Mutterbrust, oder auf andere Weise seine Nahrung erhalten. Hunger und Durst fallen bei ihm noch zusammen, oder werden wenigstens durch dieselben Medien gestillt; daher kommt es bei der Erziehung nur darauf an, dafür zu sorgen und das Kind daran zu gewöhnen, daß sie in den für ihn passenden Zeitabschnitten sich einstellen und befriedigt werden. Wird dies in den ersten zwei Jahren consequent durchgeführt, so ist die Ordnung darin für das garne Leben leicht hergestellt, da das Gesetz der Gewohnheit hier am mächtigsten eingreift. ♦
  Dasselbe gilt in Bezug auf Wachen und Schlaf. In den ersten vier Wochen verlangt der Säugling, da er nur kleine Portionen auf einmal zu sich nehmen kann, aller 2—3 Stunden die Brust, und verfällt dann meistens in Schlaf, während dessen er die eingenommene Nahrung verdaut; daher erwacht er auch, wenn er gesund ist und sich nicht etwa verunreinigt hat, nicht eher, als bis die Verdauung vollendet ist. Erfolgt das Erwachen in dieser Periode früher, so darf er nicht angelegt werden, wenn er vor dem Schlafe wirklich ordentlich getrunken hatte, sondern er muß so lange warten, bis die Zeit abgelaufen ist. ♦
  Gegen Ende des zweiten Monats, wo er schon mehr auf einmal trinkt, erwacht er schon früher, als die Verdauung vollendet ist, und es vergehen 4—6 Stunden, letztere Zahl besonders des Nachts, ehe er wirklich wieder Nahrung bedarf, und die Mutter oder Amme muß nun darauf sehen, daß er streng sich an diesen Zeitraum bindet und dem gesunden Kinde keine Nahrung eher reichen, woran es sich alsdann bald gewöhnt, und selbst nach der Entwöhnung nicht eher Speise verlangen wird, als bis seine Uhr geschlagen. Nichts ist nachtheiliger für den kindlichen Organismus, als das Nahrungeinnehmen zu unbestimmten Zeiten und zu unbestimmten Mengen, und Hunger und Durst verlieren dadurch ihre Bedeutung für die wirklichen Bedürfnisse. ♦
  Auch das Niederlegen zum Schlafe muß stets zu derselben Stunde gleichwie das Baden und Waschen geschehen; ist dies der Fall, so werden auch die Excretionen des Afters und der Blase zu bestimmten Zeiten erfolgen und die Ordnung für das vegetative Leben ist hergestellt und für immer festgesetzt. Aber bei wie wenigen Menschen wird darauf gesehen! Kann man sich da wundern, daß es dem Physiologen so schwer wird, die Gesetze in der Aufeinanderfolge der Functionen und ihres gegenseitigen Verhaltens aufzufinden und nachzuweisen, und er durch das Mislingen seiner Forschungen und Beobachtungen zu dem Zweifel an dem Vorhandensein einer Gesetzmäßigkeit auch im Zeitlichen geführt wird? Was nun im gesunden Zustande nicht mehr vorhanden, wie soll es im kranken sich manifestiren? Ist die Mehr-
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  zahl der Ärzte nicht scheinbar gerechtfertigt, wenn sie in dem Verlaufe der Krankheiten fast nur regellose Willkür sehen, von keinem auch im Zeitlichen ausgesprochenen Typus des Krankheitsprocesses etwas wissen wollen und des großen Weisen von Kos Lehre von den kritischen Tagen mit der Zahlenspielerei der Pythagoreer verwechseln oder für ein auf griechischem Boden gedichtetes Mährchen halten? Werden auf diese Weise die Gesetze der körperlichen Verrichtungen verwirrt und der Willkür unterworfen, wie soll da in den vielfach von ihnen abhängenden geistigen die natürliche Gesetzmäßigkeit sich ausbilden und nach allen Richtungen geltend machen können? Wo soll der Charakter, die Stetigkeit im Handeln herkommen, wenn die Stetigkeit in den geistigen, wie körperlichen Actionen mangelt?
  Während nun in kurzer Zeit fast alle Organe sehr bald nach der Geburt mit raschen Schritten ihrer Ausbildung zueilen und dadurch einen nicht unbedeutenden Grad freier und selbständiger Thätigkeit erreichen und das Kind sich als der höchsten Classe in der Reihe animalischer Wesen angehörend documentirt, mangelt ihm doch noch lange Zeit eins der Hauptunterscheidungszeichen der Thiere von den Pflanzen, das Vermögen der willkürlichen Ortsveränderung, und den Polypen gleich, bleibt es gefesselt an den Stamm der Mutter und von ihm abhängig. Sucht das Kind auch schon vom dritten Lebensmonate an seine Arme und Hände als Fang- und Lastorgane willkürlich in Bewegung zu setzen, so erregen doch erst im fünften Monate die Füße seine Aufmerksamkeit, welche es frei auf dem Lager liegend, anscheinend mit ernstem Nachdenken betrachtet, als suchte es zu ergründen, wozu diese Anhängsel wol zu gebrauchen, bis es ihr unwillkürliches Zappeln wahrnimmt und durch einen glücklichen Versuch in ein willkürliches verwandelt, worauf sie dann zu seinem öfter in Anspruch genommenen Spielwerke dienen müssen, wobei es nicht selten den Versuch macht, sie gleich den Händen zu Fang- und Tastorganen auszubilden, was um so leichter ist, als die Beuger noch immer die Oberhand über die Strecker haben. ♦
  Um diese Zeit muß man dafür sorgen, daß alles die Füße in freier Bewegung Hindernde entfernt wird, zumal da diese Bewegung jetzt dazu dient, die Ausdehnung des Beckens in die Breite zu befördern, grade wie die Bewegung der Arme die Ausdehnung des Thorax befördert, damit es dem Rumpfe beim Sitzen als hinreichender Stützpunkt dienen könne. Ist dieser erlangt und sind die Muskeln des Rumpfes hinreichend erstarkt, dann ist auch das indessen erlernte Aufrechtsitzen dem Kinde nicht mehr genügend; es strengt sich an, den Ort gewaltsam zu verlassen, was ihm Anfangs, den Fischen und Schlangen ähnlich, nur durch Fortschnellen möglich ist, bis ihn dieses zum Rutschen führt, mit welchem es aber bald die Versuche zum Aufstehen verbindet. Alle directe Unterstützung hierbei ist nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich, es bedarf weiter nichts, als dem Kinde die Möglichkeit zu solchen Versuchen zu geben, indem man es auf den flachen Boden niedersetzt, und nur wenn es fällt, wieder aufhebt, aber auch dies nicht zu
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  voreilig, weil es sonst sich bald auf diese Beihilfe verläßt und man ihm das Vergnügen raubt, durch eigene Kraft und durch eigenes Nachdenken zum Ziele gelangt zu sein. Weder stehen, noch gehen sollte man daß Kind lehren, da es selbst am besten fühlt, wenn es stark genug dazu und die Lust an Bewegung viel zu rege in ihm ist, als daß es sich derselben nicht sollte mit aller Kraft hingeben. Gängelbänder, Laufkörbe etc. sind ganz zu verwerfen, da sie leicht Veranlassungen zu Verbiegungen der Brust und des Stammes werden, aber auch Schuhe sollte man dem Kinde nicht eher geben, als bis es wirklich zu laufen vermag, da Verunstaltung der Zehen fast stets die Folge davon ist, indem es noch lange Zeit dauert, ehe der ganze Fuß als Stützpunkt dienen kann, diesen vielmehr die Zehen abgeben müssen, auf welchen die Kinder ihre ersten Wanderungen beginnen, weshalb sie frei müssen die Zehen spreizen können, damit der Stützpunkt hinlänglich breit werde. Dies vermitteln allerdings die Schuhe und wir geben zu, daß das Kind damit früher laufen lerne, aber die Natur will absichtlich nicht den Zeitpunkt vorschnell herbeiführen, wo das Kind sich den Armen der Mutter entreißt und auf eigenen Füßen in die Welt tritt. ♦
  Ist dies aber einmal geschehen, so ist auch die körperliche Erziehung in ihren Grundlagen und Hauptzügen vollendet, aus dem unbeholfenen Säuglinge wurde ein rühriger Knabe oder ein hüpfendes Mädchen, die nicht mehr die Mutter allein in wohnlicher Stube zum Zeugen und Leiter ihrer Entwickelung haben dürfen. Die Ältern müssen mit der Gesellschaft oder dem Staate von jetzt an die Sorge für die fernere Ausbildung in geistiger, wie in körperlicher Hinsicht theilen und an die Stelle der häuslichen Erziehung des Körpers tritt die Gymnastik, wie sie der harmonische Sinn der Griechen, wenigstens für den Knaben, schuf, um ihn zum schönen Jünglinge und Manne zu bilden, welche aber auch auf das Mädchen auszudehnen und dieses der Vollendung des Weibes zuzuführen, die Aufgabe der christlichen Völker der Gegenwart ist.
   
HIS-Data 5139-1-37-464-1: Allgemeine Encyclopädie: Erziehung (physische) HIS-Data Home
Stand: 12. Oktober 2017 © Hans-Walter Pries