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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-7-33
Anderer Theil > Cap. 7
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Wie alle diese wichtigen staats sachen ... tractiret werden müssen.
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S. 198 (Forts.)   ⇦ S. 198 §. 32
  §. 33. Nun ist noch übrig zu beschreiben die sonderbare art und weise, die bey berathschlagung und verrichtung dieser dinge über die gemeine erinnerungen, welche im vorhergehendem capitel zu finden, in acht genommen werden. Scan 218
S. 199 Anderer Theil. Cap. 7.
  1. Weil diese sachen des Landes-herrn hoheit, sicherheit, ehre, vermögen, und nachfolgends alles das gute, was er an seinen land und leuten, durch GOttes gnade, thun und erweisen kan, auch seine selbst hohe person, und die liebsten seinigen, auch seine freunde und seine treue diener antreffen, und sehr viel nach sich ziehen: So pfleget und soll auch billig ein landes-herr in diesen puncten seinen verstand, nachdencken und sorgfalt, selbst gebrauchen, und solche nicht vornehmlich auf seine diener stellen, oder erwarten, was ihme etwa dieselbe hierinnen für sich vorschlagen werden, sondern er ist hierauf zuförderst, und mit gutem nachsinnen, weil es ihm selbst am meisten berühret, bemühet, bringet also wohl unerinnert solche dinge in berathschlagung, wohnet denenselben, so viel müglich, selbst bey, höret eines jeden meynung mit vernunfft, und erweget die umstände, so gut er kan, und göttliche Allmacht darinnen gnade verleyhet.
  2. In grossen fürstenthümern, wo man die räthe und geschickten leute viel besolden und haben kan, werden zu diesen und etlichen andern sachen, die zum theil oben summarisch angedeutet, und hierunten gehöriger orten noch ferner ausgeführet werden, wie schon erwehnet, sonderbare Geheime Räthe, * die für andern des reichs, und landes-sachen, und des fürstl. hauß-wesens wohl erfahren, bestellet. In etlichen orten aber zielet der landes-herr, mit annehmung aller seiner räthe dahin, daß sie ihme so wohl in diesen, als in den justitz-sachen beyräthig seyn können. Damit ⇩ *
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  aber solchen falls die arbeit bey der regierung zertheilet, auch in geheimen sachen nicht alles so bald in die versammlung so vieler personen gebracht werde, so brauchet man sich hierinnen einer gewissen austheilung der zeit, und der personen also, daß solche sachen, nach gelegenheit und wichtigkeit, entweder mit etlichen, oder mit allen räthen, communiciret werden.
  3. Ob wohl die Verschwiegenheit allen räthen und cantzley-bedienten, ihren schweren pflichten nach, oblieget, der Landes-Herr auch selbst sich in seinen vorhaben verschwiegen und heimlich hält, so ist es doch in diesen puncten noch viel nöthiger, als in den andern gemeinen land- und justitz-sachen. Denn in diesen fällen offt durch unbesonnene ausbreitung mancher vernünfftiger rathschlag zu nichte, oder sonst schimpff und unglück verursachet wird, darum gehören auch hierzu vertraute, geheime Secretarii, denen die registratur, verfassung und verwahrung der brieflichen nachrichten, schreiben und urkunden, hierinnen aufgetragen wird.
  4. Die vornehmste und geheimeste schrifften, die in solchen sachen abzufassen sind, werden gemeiniglich durch vertraute, und hierzu sonderlich geschickte räthe, aufgesetzet, in fährlichen zeiten, an statt der buchstaben, ziffern, und dergleichen verborgene schrifften gebrauchet, was im nahmen des landes-fürsten ausgehet, von ihm selbst unterschrieben, auch wohl vertraute hand-briefflein von ihme selbst verfasset, mit ring-pitschafften, oder geheimen siegel, welches nicht zu täglichen cantzley gebrauch gehöret, bekräfftiget, es wäre denn, daß
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  glimpffs oder anderer wichtigen ursachen halben, etliche sachen, im nahmen der räthe, oder cantzeley, auszulassen, gut befunden würde. ** 
  5. Weil auch zu solchen sachen offt schnelle entschliessungen gefasset werden müssen, und man dazu nicht lange fristen und gute weile, wie in andern dingen hat, auch an gründlicher und beständiger nachricht, wie es in einem und andern bey den vorfahren gehalten, und was sonst in solchen hin und her vorgenommen worden, ein grosses gelegen, so wird den räthen von dem landes-herrn dieses unter andern mit nutz eingebunden, daß sie in solchen sachen aus den acten sich unter der hand, und ob sie gleich noch nicht in würckliche berathschlagung und streit kommen, nicht allein wohl informiren, und solche fleißig lesen, sondern auch, daß nach wichtigkeit derselben bey zeit, und wenn man von andern geschäfften ruhe hat, gründliche relationes, bedencken, und rathschläge darüber aufgesetzet, und zu künfftigen gebrauch beygeleget werden. *** 
  6. Es seynd auch etliche dieser puncten also bewandt, daß sie durch schrifften nicht, sondern durch persönliche reisen des landes-herrn, oder durch schickung eines ordentlichen abgesandten, oder vertrauten dieners, oder bestellung eines geschickten agenten und sollicitanten, oder durch interposition eines andern potentaten, oder sonst eines ansehnlichen mannes ausgerichtet, und behauptet, auch mit fremden und nachbarn, oder mit ständen des Reichs, daraus vorher correspondentz gepflogen, auch wohl begnadigungen und schenckungen darauf gewandt
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  werden müssen, welches in andern gemeinen landes- und justitz-sachen nicht leichtlich vonnöthen, darum auch auf die art und weise des rechten fürbringens und fruchtbarlichen angriffs, bey berathschlagung derselben vornemlich gesehen wird.
  * Man findet, daß die alten teutschen fürsten zwar einen oder etwan 2. geheimde räthe, aber noch keine ordentliche geheimde raths-stube gehabt, sondern nur ein einiges raths-collegium, worinnen nebst denen justitz- auch die reichs- und andere publique sachen expediret worden. Wie denn Weckius in beschreibung der stadt Dreßden angemercket, daß im Churfürstenthum Sachsen bey Churfürst Moritzens regierung noch keine sonderbahre raths-stube aufgerichtet gewesen bis Churfürst Christian I. im jahr 1587. ein vollständiges collegium angeordnet. Und eben dergleichen wird man auch in andern fürstenthümern antreffen. Heutiges tages aber sind in den allermeisten, auch mäßigen fürstenthümern, wegen der vielen in publicis sich häuffenden geschäffte, und anderer im text bemerckten ursachen, besondere geheimde raths-collegia errichtet, und mit directoren oder præsidenten versehen, wozu denn die geschicktesten von andern räthen, unter dem nahmen der assistentz-räthe oder assessoren zuweilen mit beygezogen werden.
  ** Dieses ist eine nöthige und nützliche anmerckung, welche aber nicht deutlicher erkläret, sondern nur aus guten verstand und politischer geschäffte und der erfahrung erlernet werden kan. Doch bestehet darauf offtermahl ein grosses.
  *** Hierinnen findet man fast aller orten fehler. Die menge der geschäffte, und die geringe anzahl der diener machen heutiges tages meist, daß man nicht eher an die acta kommen kan, bis die noth solche aus dem staube vorsuchen heisset.
   
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Stand: 15. September 2017 © Hans-Walter Pries