S. 191 (Forts.) |
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⇦ S. 191 §. 31 |
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§. 32. IV. Was denn endlich und zum vierdten die
vorsichtigkeit und tugend eines regenten, die er sonderlich gegen seine
diener |
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verspühren lässet, anreichet, da haben wir schon oben
angeführet, und wird noch ferner im fortgang dieses wercks erscheinen, was
er insgemein, und denn bey jedwederm amt und dienst, für eigenschafften an
den dienern suchet, und was er jedem, zu verrichtung seines amts,
insonderheit auferleget. Allhier aber sind noch etliche andere erinnerungen
übrig, die von einem löblichen regenten, gegen seine diener in acht
genommen werden, und von der tugend, und weißheit desselben herrühren,
als: |
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1. Daß auch, bey Annehmung vornehmer diener, der
Landes-Herr sich nicht übereile, und einem andern zu gefallen, oder aus
geschwindem einfall, ohne gnugsame erkundigung, und vorbetrachtung, diesem,
oder jenem, beförderung zu einem dienst zusage, oder leiste, sondern sich
nicht reuen lasse, auch solches vorhaben treuen räthen und dienern zu
eröffnen, und ihre gemüths-meynung darüber zu begehren, sich auch alsdenn,
nach befindung, mit vernünfftiger resolution heraus zu lassen. Denn wo
hierinnen zu eilsam, aus ansehung ein- oder anderer äusserlichen qualität,
ungestümen anhaltens, und beweglicher recommendation, verfahren wird,
pfleget solche dienst-bestellung öffters übel zu gerathen, und zu schimpff
und ungelegenheit hinaus zu schlagen. * |
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2. Sonderlich aber ist solche erwegung nöthig, wenn etwa
der landes-herr ein neues sonderbares amt und dienst-verrichtung, welches
vorhero der orten nicht gebräuchlich gewesen, anordnen, oder neue eh- |
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ren-titul und vorzüge einem diener ertheilen will, denn
solches ist vielem neid und nachrede unterworffen, und dahero entweder gar
zu unterlassen, und bey alten tituln und herkommen zu beharren, oder doch
mit reiffer betrachtung aller umstände die anstalt zu thun. |
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3. Die gebührliche und vernünfftige erweisung eines
herrn, gegen seine diener, bestehet sonderlich in deme, daß er einen jedem
in dem amt, das er ihme anvertrauet, nach maasse und innhalt seiner
instruction und bestallung erhält, und schützet, und ihn darinnen nicht
betrüben, noch beschimpffen, vielweniger geringere, oder seine untergebene,
dasjenige verrichten, und ihnen die ehre und vortheil darvon lässet, was
den andern und vorgesetzten gebühret. Einem jeden auch mit seinen
unterthänigen erinnerungen und berichten, auch, da ihme etwas widriges
schuld gegeben würde, mit geziemender verantwortung vor sich, oder andern
dienern, denen ers befiehlet, zulässet und, ehe solches geschicht, und er
schuldig befunden wird, keinen groll und haß auf ihn wirffet, vielweniger
auf geringes versehen, stracks abschaffet oder straffet, sondern die art
einer christlichen und gnädigen vermahnung vorher gebrauchet: Seine
besoldung, wie sie ihme zugesaget ist, zu rechter zeit reichen, und ihn
damit nicht aufhalten, oder bevortheilen lässet, damit er seine dienste mit
freuden, und ziemlicher ergetzung verrichte, und so vielweniger anlaß zu
untreu, und ergreiffung ungebührlicher mittel, habe: Sonderbare fleißige
dienste und treue, auch ausserhalb der be- |
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soldung, nach gelegenheit der umstände, begnadiget, im
alter und schwachheit, so dienern, zumahl bey währendem dienste, zustehet,
nicht verstösset, sondern zum wenigsten mit etwas unterhalt, wenn er zumahl
arm und bedürfftig ist, versorget, auch treuer diener kinder und erben,
welche sich sonst wohl halten, für andern sich befohlen seyn lässet. Es
pflegen auch löbliche und tugendhaffte herren, da sie zu jahren kommen, und
ihres lebens ende vermuthen, ihren nachfolgern die alten, und von ihnen
bestellte diener, in gutem zu befehlen, daß sie solche, ohne erhebliche
ursache, nicht ändern und absetzen sollen, hingegen auch, da sie sonderbare
mängel an einem und andern, oder eine gewisse art, wie sie diesen, oder
einen andern, wohl gebrauchen könten, aus erfahrung erkant haben, ihnen
gleicher gestalt zu ihrer nachricht und vorsichtigkeit zu eröffnen. Auf
diese und dergleichen weise verursachet ein herr seine diener zu desto
mehrer treu und fleiß, kan sie mit desto besserm nachdruck zu ihren
fleißigen amts-verrichtungen antreiben, und reitzet auch andere ehrliche
und tapffere leute, sich desto eher und lieber zu seinen diensten
gebrauchen zu lassen. ** |
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4. Ein sonderbares kunst-stück aber eines Herrn bestehet
darinnen, daß er seine diener, sonderlich die vornehmsten, an ihrem gemüth
und gaben, so wohl auch an ihren fehlern und mängeln wohl kennet, und sich
nicht einbildet, daß er lauter untadelhafftige vollkommene leute, die nach
seiner guten intention und willen sich gäntzlich schickten, und alle
erforderte eigenschafften überflüßig an |
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sich führeten, haben, die andere aber meiden und gering
halten wolte. Denn in dieser menschlichen schwachheit müssen die leute also
genommen und gebrauchet werden, wie man sie nach stetiger nachfrage und
angewandter sorgfalt, aufs beste und leidlichste haben kan, darum wenn ein
herr seiner diener, und dero guter und böse eigenschafften (darunter man
jedoch keine vorsetzliche laster und ungeschicklichkeit in ihrem amt
sondern schwachheit und menschliche mängel verstehet) wohl kundig ist, so
weiß er sie auch mit nutz zu gebrauchen, und ihren fehlern mit manier zu
begegnen, solche bey ihnen durch gute erinnerung, und andere
fürsichtigkeiten abzustellen, oder durch ihre gute gaben also anzuwenden,
daß durch ihre fehler dem gemeinen wesen in ihrem dienst kein schaden
geschehe. |
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Aus diesem grunde wird auch dieses herfliessen, daß ein
herr alle seine diener nach unterscheid ihres standes und verrichtung, mit
gleicher gnade und wohlmeynung liebet und achtet, eines jeden dienste
erkennet, auch jedwedern bey seiner verrichtung bleiben lässet, und sich
nicht an einen oder etliche wenige dergestalt hänget, daß dieselbe allein
wohl thun, in allen stücken bey ihm gelten und durchdringen, und alle
andere diener unter sich, und ihr glück, gnade oder straffe in ihren händen
haben, dadurch endlich andere ehrliche leute vertrieben werden, und ein
herr selbst an statt, daß er der höchste Oberste seyn solte, in die hände
und bothmäßigkeit seines also zu sehr erhoben- und einig geliebten
dieners |
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dergestalt gerathen wird, daß er ohne dessen wissen
nichts vermag, und unter seinem nahmen alles, was ein solcher liebling
will, gut und böses, vorgehen lassen muß, welches fürwahr ein grosser
fehler und merckliches unglück für regenten ist, die sich öffters nicht
allein durch vornehme und geschickte personen, sondern auch wohl durch
geringe, nichts-würdige leute also bethören und besitzen lassen. *** |
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5. Endlich soll sich auch ein herr darinnen insgemein
vorsehen, daß er auf alle seine diener, und deren verrichtung, thun und
leben, ein wachendes auge hat, nicht zuviel trauet, und alles durch sie
wohl ausgerichtet hält, sondern vielmehr durch fleißiges nachforschen, und
willige anhörung dessen, was dißfalls geklaget wird, ihrer handlungen sich
erkundiget, sie darüber zur rede setzet, sonderlich zu anfang durch andere
ihnen zusprechen lässet, und letzlich nach klarer befindung, die
schalckheit und boßheit, ohne ansehen der personen, ob es gleich seine
liebe und nützliche diener wären, nach ausweisung der rechte, straffet, und
also gottlose, ungerechte, böse leute, daran keine besserung hilfft, noch
angewandt ist, von sich thut, dadurch er denn fremder sünden und schwerer
verantwortung loß wird, und bey den unterthanen und andern dienern, seine
gerechtigkeit und fürstl. ansehen zu erkennen giebet. |
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Dieses wären nun die vornehmsten dinge, darinnen der
erste punct der landes-regierung bestehet, damit sich der Landes-Fürst, und
seine räthe zu |
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Anderer Theil. Cap. 7. |
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bemühen haben, wie wir eingangs dieses capitels
gemeldet. |
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* Was der herr autor allhier setzet, ist aus der
täglichen erfahrung genommen, und braucht es demnach keiner weiteren
erläuterung. Besser ist es meines erachtens, eine bedienung auf kurtze zeit
lieber gar leer stehen zu lassen, als sich auf solche schädliche art mit
deren bestellung zu übereilen: Denn man dasjenige, was nichts tauget, nicht
allemahl so leicht wieder fortschaffen kan, als man es angenommen, oder es
wird wenigst durch viele dimissiones, und wenn man fast in allen ecken
licentirte bediente antrifft, eines herrn respect geschwächet. Trefflich
wohl hat mir demnach eines gewissen grossen fürsten gewohnheit gefallen,
welcher, so offt ihme ein oder andere recommendiret wurde, den versprecher
seiner pflicht erinnerte, und dergleichen oder sonsten vorgeschlagene
bediente durch vertraute ministros unvermerckt tentiren liesse. Doch
hiervon zu anderer zeit ein mehrers. |
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** Inmassen denn gewiß, daß, gleichwie einem jeden
menschen und also auch einem rechtschaffenen diener nichts empfindlicher
fallen kan, als wenn er seine treue und fleiß schlecht belohnet siehet,
also auch im gegentheil ihn nichts mehr, denn die erkäntlichkeit seiner
dienste, zu unermüdeter devotion verbindet. Massen getreue dienste und
erkäntlichkeit bey einander seyn und stehen wollen, nach dem bekanten
sprichwort: getreuer herr, getreuer knecht. Hergegen wo dieses unterlassen
wird, da soll wohl ein ehrlicher diener, und der zumahl geschicklichkeit
sich aller orten fortzubringen an sich hat, nicht lange mehr lust zu
arbeiten behalten, wodurch aber am ende die geschicktesten leute freywillig
vertrieben werden, so daß ein herr zuletzt niemand, als wer anderer orten
nicht fortkommen können, übrig behalten, durch diese gattung aber in einen
schaden und verdruß nach den andern geführet, ja endlich durch die |
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vielen mutationes, welche er vorzunehmen unumgänglich
genöthiget ist, in ziemlichen abgang seines guten ruhms und respects
gerathen wird. |
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*** Die erstere arth nennet man ministrissimos, und die
letztere mignons: Die erstere sind meistens, und die letztere allemahl dem
lande und regenten schädlich. Denn sie durch stetiges flattiren und
verschiedene nach dem sinn des regenten ausgesonnene anschläge, so viel
unheil anrichten, als hernach von ehrlichen dienern in langer zeit nicht
wieder redressiret werden kan Das beste mittel dieses zu vermeiden ist,
wenn Gott einen fürsten selbst mit solchen gaben ausgerüstet, daß er alle
und jede seine diener an ihren gemüths kräfften und mängeln wohl erkennen,
mithin die schädlichen von denen nützlichen unterscheiden kan: Wo aber
dieses nicht ist, müssen treue diener alles GOtt und der zeit befehlen, und
inzwischen an geziemenden uninteressirten vorstellungen es nicht ermangeln
lassen. Eben dieses wäre auch von denen ministrissimis zu verstehen:
Worunter wir jedoch keine unleidliche absicht hegen, noch die subordination
verworffen haben, sondern nur dieses anzeigen wollen, daß so wenig ein
fürst selbst dem regiment alleine vorstehen kan, wie an seinem ort
erinnert, so wenig solches von einem einzigen bedienten, ob auch gleich dem
allergeschicktesten, zu bewürcken sey. Daher es billig auch dißfalls bey
dem alten sprichwort: Plus vident oculi quam oculus: verbleibet, wie aus
der erfahrung sattsam bekant ist, und an einem andern ort berühret worden.
S. auch §. 41. addit. |
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