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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-3-3-4-1
Dritter Theil > Cap. 3 > Sect. 4 > §. 1
Werk Inhalt ⇧ Sect. 4
Was unter dem lehn-hoff verstanden werde, und vom ursprung der lehen
§. 2 ⇨

    ⇦ S. 429: Sect. 4
S. 429 (Forts.) §. 1.
  VOn der beschaffenheit und gerechtigkeit der lehen zu reden, erfordert eine weitläufftige ausführung, und sind darvon fast unzehliche bücher ge-
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  schrieben, gehöret auch die völlige wissenschafft darvon eigentlich für die rechts-gelehrten, und ist sonst eben kein Regal und hohes-Landes-Obrigkeitliches stück, daß einer einem andern ein stück guts, oder gewisse einkommen und gerechtigkeiten zu lehen verleihet; Sintemahl viel geistliche und weltliche personen, die keine hohe obrigkeiten sind, dergleichen lehen-leute, und offt, höhere, als sie selbst sind, haben: Bringet auch insgemein die lehenschafft keine unterthanen-pflicht mit sich, wenn der Lehen-Herr nicht zugleich Landes-Fürst ist, darum haben wir dieses regal nicht ein Lehen, sondern einen Fürstlichen Lehen-Hof, tituliret, und verstehen darunter dieses, wenn nemlich ein Landes-Herr eine ansehnliche anzahl von grafen, herren, edelleuten, und andern erbaren mannhafften, zu lehen-leuten hat, welche er alle ordentlich bey seiner cantzley und lehen-hof, mit gewissen solennitäten, und mit vielerley lehen-stücken, darunter auch etliche regalia zu seyn pflegen, beleihet, von ihnen den lehen-eyd empfähet, und hingegen die lehen- oder ritter-dienste von denenselben zu gebrauchen hat: Auch endlich, da der stamm und nachkommen derer, die mit solchen lehen versehen sind, abgehet, oder durch eine andere art, nach anweisung der rechte, das lehen eröffnet wird, den heimfall des lehens geneust, und sein eigenthum wieder frey an sich zeucht: und ist so fern dieser regal eine einkunfft der fürstlichen cammer, und da-
S. 431 Dritter Theil. C. 3. S. 4. vom Fürstl. Lehen-Hof.
  hin gehörig. Werden aber auch etliche lehen wohl nur von den beamten des lehen-herrn in dessen namen verliehen.
  Diese art der güter, und was sonst mehr an gerichtbarkeiten, einkommen, und etlichen regalien und gerechtigkeit verliehen wird, ist bey denen alten Teutschen*[1] in damaligen kriegerischen zeiten, auf- und durch dieselbe auch in andere länder kommen, indem die Herrschafften dahin getrachtet, daß sie tapffere kriegs-leute ihnen verbunden machten,** und eines und andern verwahrten orts, wenn es ihr lehen, und also sie daran das öffnungs-recht hätten, sich gebrauchen können. Denn man darff nicht gedencken, daß anfangs alle die güter, die ietzo lehnbar sind, des Landes-Herrn eigen gewesen, sondern viele seynd denselben auf vorhergehende handlung, und hinwiederum seines schutzes desto mehr zu geniessen, oder auch durch kriegs-zwang, zu lehen gemacht, und aufgetragen worden.
  * Nicht zwar denen, wovon Tacitus gedencket, sondern bey denen, welche bey und nach entstehung des berühmten Fränckischen Reichs in und ausser Teutschland gelebet haben, unter welche letztere die Longobarden zu zehlen, die von einem disseits der Elbe bey Magdeburg gelegenen strich landes, so noch ietzo die lange börde genennet wird, den namen haben.
  ** Diese des herrn autoris meynung ist recht schön, und halte ich selber davor, daß nicht alle alte lehen von denen kriegen, sondern die meisten von einrichtung des bürgerlichen Staats ihren ursprung haben, also, daß bey den alten vorfahren, welchen die reguln eines strengen dominats niemahls angestanden, die
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  lehen gleichsam eines bürgerlichen bandes vertreten.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: Teuschen
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Stand: 26. Mai 2017 © Hans-Walter Pries