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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-3-5-21
Dritter Theil > Cap. 5 > §. 21
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1. Durch das hof-predig-amt
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S. 631 (Forts.) §. 21. Das erste und vornehmste mittel zu dieser heilsamen aufsicht und verfassung ist die bestellung des Hof-Predig-Amts, und was deme anhängig ist. Denn nachdem sich ein Landes-herr zur christlichen wahren religion mit allen den seinigen bekennet, auch keinen hof-diener leichtlich annimmet, der nicht eben derselben mit mund und hertzen zugethan zu seyn, sich erkläret, also wird erfordert, daß auch die übung solcher christlichen religion, samt wahrer gottesfurcht, als dem funda- Scan 651
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  ment aller guten ordnung, treue und tugend, bey hof in gutem schwang erhalten werde, zu beförderung der ehre GOttes, und eines jeden zeitlicher und ewiger wohlfahrt. Derowegen wird in einer fürstlichen residentz eine öffentliche hof-kirche oder capell gehalten, welche, wie andere kirchen, mit cantoren und music, mit kirchnern, kirchen-ornat und glocken-geleut zugerichtet, und die stüle darinnen vor Fürstliche Herrschafft, und alle dero bediente, hohe und niedere, die sich bey der residentz befinden, und ihre weiber, kinder und gesinde, ausgetheilet, darinnen wird durch die bestellten hof-prediger und hof-capläne alle sonn- und fest-tage, vor und nach mittage, wie es im Lande bräuchlich, dann auch in der woche zu gewissen tagen GOttes Wort geprediget, bet-stunden gehalten, und sonst der gottesdienst mit singen, lesen und beten, nach der kirchen-ordnung des Landes unter der ordentlichen obsicht und direction des hof-predigers oder in sonderbahren fällen, auf special-befehl des Landes-fürsten, verrichtet.
  Uber diß pfleget sich der Landes-herr jährlich zum beichtstul, und öffentlich neben seinen angehörigen und vielen hof-dienern, die zumahl lediges standes, oder bey hof in täglicher aufwartung begriffen sind, zu dem gebrauch des heiligen abend-mahls einzufinden, darbey ihme, nach dem gebrauch etlicher orten, die vornehmsten adeliche bedienten ein und andere aufwartung thun. Andere kirchen-amts-verrichtungen, mit tauffe und begräbniß, copulation, besuchung der krancken, mit infor-
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  mation der christlichen lehre, werden alle dem hof-prediger, als einem bestellten kirchen-diener, mit aufgetragen, auch von ihme gewisse zeit zu der unterweisung der gemeinen hof-diener, und vorbereitung zu christlicher communion gehalten. Hiernechst aber liegt ihm ob, auf das christenthum, leben und wandel aller hof-bedienten ein wachendes auge zu haben, einen jeden, auf bedürfftigen fall, zu ermahnen, nach gelegenheit, dem hof-meister oder nechst vorgesetzten hof-officianten, anzeige darvon zu thun, die erinnerung alsdenn mit einander fürzunehmen, oder, da nichts verfangen wolte, an höhere örter, um verhütung des ärgernisses, und abstraffung des bösen, es gelangen lassen. Nichts weniger wird ihme zur Fürstl. Herrschafft selbst ein freyer zutritt vergönnet, daß er pflicht und gewissens halben erinnern mag, was zu erbauung im christenthum, zucht, tugend und erbarkeit, diene, und der christlichen liebe gemäß sey, und was hingegen darwider strebe, und etwa bey hof einreissen und vorgehen wolle.
  Bey erziehung Fürstlicher Kinder wird gleicher gestalt dessen rath und aufsicht mit gebrauchet, was zu anführung derselben in der gottseligkeit, und christlichen tugenden gereichen kan: An vornehmen fest-tägen, solennischen gast-mahlen und ausrichtungen pfleget er, oder der hof-caplan, das gebet vor und nach der tafel selbst zu verrichten. Seines standes und amts halben, nachdem er zumahl mehrentheils und ordentlich bey denen höfen Protestirenden
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  theils ein assessor des fürstlichen consistorii mit ist, wird er zu Hof billich von jederman respectiret, auch ihme die stelle bald nach denen adelichen hof-officianten gelassen.
  Eines Hof-caplans verrichtung gehet ordentlich dahin, daß er mit predigten und bet-stunden in der kirchen dem hof-prediger hülffe leiste, und die mittags- und wochen-predigt theils verrichte: Wiewohl auch etlicher orten bräuchlich und nützlich, daß eine wochen-predigt von den pfarrern auf dem lande wechsels-weise abgeleget und sie also bey hofe, ihrer person und gaben nach, bekandt werden. Ist denn die hof-stadt groß, und der hof-prediger verhindert, so versiehet der hof-caplan auch in übrigen amts-sachen seine stelle.
  Es gehöret auch zu dem amt eines hof-caplans, daß er alle morgen und abend mit dem hof-gesinde, als pagen, laqueyen, stall-burschen, küchen- und keller-bedienten, schloß-soldaten, die bet-stunden mit lesung aus der heiligen schrifft, morgen- und abend-gebet, übung des catechismi und christlicher gesänge, etwa auch des Sonnabends und Sonntags mit der postill und wiederholung der predigten halte: Uber diß werden auch die pagen, so darzu alters halben noch geschickt sind, im lesen, schreiben, sprachen und künsten, fürnemlich aber, in der pietät, unterwiesen, darzu denn auch küchen- und stall-jungen, und die kinder der hof-bedienten, die nicht mit absonderlichen präceptoren versehen, etlicher orten zutritt haben: Hiernechst auch, wie oben kürtzlich erwehnet, werden gedachte pagen oder edel-knaben
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  zu fremden sprachen, reiten, tantzen und fechten, an wohlbestellten höfen angehalten, und mit solcher information versehen.
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Stand: 15. Juli 2017 © Hans-Walter Pries